30.03.2018

Cortical.io: Wiener Antwort auf IBMs Watson

Ein eigenes System für Natural Language Processing haben weltweit nur wenige Unternehmen entwickelt. Cortical.io aus Wien zählt dazu.
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cortical.io: Die Gründer Daniel Schreiber und Francisco Webber
(c) cortical.io: Die Gründer Daniel Schreiber und Francisco Webber

“Keyword-basierte Suchmaschinen können weder die Zweideutigkeit von Wörtern erkennen – zum Beispiel ‘Bank zum Sitzen’ versus ‘Bank als Geldinstitut’ – noch anders formulierte Sätze in Zusammenhang bringen”, erklärt Marie-Pierre Garnier zur Frage, was der große Vorteil der Retina Engine gegenüber anderen Systemen ist, die Texte maschinell auslesen. Mit Hauptsitz in Wien und zwei Büros in den USA ist die junge Aktiengesellschaft Cortical.io ein Pionier des Machine Learnings.

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Eigene “Theory of Semantic Folding”

Francisco Webber und Daniel Schreiber arbeiteten bereits davor in der Information Retrieval Facility und bei Matrixware Information Services zusammen. Im November 2011 gründeten sie dann Cortical.io. Webbers Vision ist es, seine eigene “Theory of Semantic Folding” in die Praxis umzusetzen. Auf ihrer Basis soll es gelingen, praktische Probleme statistischer NLP-Systeme zu lösen. Da sind der hohe Bedarf an Rechnerleistung, die Lernzeiten der Algorithmen oder ebenjener Interpretationsspielraum in Texten, der es Maschinen so schwer macht, Sprache zu verstehen wie der Mensch. Nach einem Jahr war der Prototyp fertig – die Retina Engine. 2014 wurde eine API veröffentlicht.

Volkswagen und andere Großkunden

Einer der vier größten Wirtschaftsprüfungskanzleien der Welt – Garnier darf sie nicht nennen – spart das 80 Prozent der Zeit bei der Überprüfung und Klassifizierung von Leasingverträgen. Volkswagen lässt sich mit dem System technische Dokumente clustern. Für einen Kunden aus dem IT-Sektor bringt das System 70 Prozent schnellere Bearbeitungszeit im Support. Die Software dahinter generiert aus Texten semantische Fingerabdrücke. Technisch ist das ein binärer Vektor mit 16.000 Zeichen, in dem nur die wenigsten Bits aktiv sind und jedes Bit eine semantische Bedeutung hat. Der Grad der Übereinstimmung zwischen den Fingerabdrücken bestimmt dann die inhaltliche Nähe. Das Speicherformat dazu nennt sich Sparse Distributed Representation und basiert auf dem menschlichen Gehirn.

Cortical.io: Schneller als IBMs Watson

Während konkurrierende Artificial-Intelligence-Systeme wie Watson von IBM sechs Monate bis zum Proof of Concept in Projekten brauchen, würde ihrem System das in vier Wochen gelingen, sagt Garnier, die für Marketing und Communications verantwortlich ist. Die Transparenz des Systems sei ebenfalls ein Vorteil: Sind die Ergebnisse nicht zufriedenstellend, können die semantischen Fingerabdrücke auf Bit-Ebene untersucht werden, um potenzielle Fehlerquellen zu beheben.

6,5 Mio. Euro Investment, 3,8 Mio. Euro Jahresumsatz

Insgesamt flossen nach einem Seed-Investment der österreichischen Forschungsförderung 6,5 Millionen Euro Investmentkapital in Cortical.io. Als dann nach sechs Jahren Produktentwicklung 2017 erste Anwendungen ausgereift sind, erwirtschaftet Cortical.io 3,8 Millionen US-Dollar Jahres-Umsatz mit 18 Mitarbeitern. Viele Kunden kommen zu dem Unternehmen über eine Partnerschaft mit Numenta. Im Dezember 2017 erfolgt die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Es ist die einzige ihrer Art aus Österreich – in einer Branche, die gerade weltweit im Trend ist. “Wir sind das Google für Unternehmen”, sagt Garnier.

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Dieser Artikel erschien in gedruckter Form im aktuellen Brutkasten Magazin #6

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FlexCo Aws netidee
(c) AdobeStock

Die FlexCo habe sich “erfolgreich etabliert”, heißt es in einer Aussendung, die das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) heute ausschickte. Dazu die Zahl ein Jahr nach Start der neuen Rechtsform: “rund 800” FlexCos – konkret 784 wurden seit der Einführung gegründet. “Die Zahl zeigt, dass diese neue Möglichkeit bereits gut angenommen wird”, wird dazu Wirtschaftsminister Martin Kocher zitiert. Die Rechtsform werde nicht nur von Startups, sondern auch von anderen kleinen und mittleren Unternehmen genutzt.

FlexCo- und GmbH-Gründungen im Verhältnis 1:17

Setzt man die nun kommunizierte Zahl in den Kontext, kann man allerdings zumindest noch einiges an Luft nach oben attestieren. Den etwas weniger als 800 gegründeten FlexCos stehen laut Daten der “Elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes” (EVI) mehr als 13.500 GmbH-Neugründungen zwischen 1. Jänner und 31. Dezember 2024 gegenüber. Auf eine FlexCo-Gründung kamen im Vorjahr also rund 17 GmbH-Gründungen.

Steigerung um 27 Prozent im zweiten Halbjahr

Zudem gab es nur eine moderate Steigerung bei den FlexCo-Gründungen vom ersten auf das zweite Halbjahr. 336 FlexCos wurden von Jänner bis Ende Juni 2024 gegründet, neun GmbHs in FlexCos umgewandelt, wie brutkasten im Sommer berichtete. Entsprechend kamen im zweiten Halbjahr 439 FlexCo-Neu- bzw. Umgründungen hinzu. Das entspricht einer Steigerung um 27 Prozent. Von einem Boom der neuen Rechtsform kann also jedenfalls nach einem Jahr nicht die Rede sein.

Durchsetzung im Lauf der nächste Jahre?

Doch was nicht ist, kann freilich noch werden. Startup-Anwalt und FlexCo-Experte Keyvan Rastegar schätzte gegenüber brutkasten schon bei der FlexCo-Halbjahresbilanz im Sommer 2024, dass die Durchsetzung der neuen Gesellschaftsform einige Jahre dauern dürfte: “Ich persönlich gehe davon aus, dass der österreichische Markt erst überhaupt vom Neuen erfahren und die Änderungen verstehen muss, bis eine gewisse Vertrautheit einkehrt und dann die Mühlen unaufhaltsam mahlen.”

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