07.06.2021

Diese Strategien verfolgten HealthTechs aus Österreich in der Coronakrise

Die Corona-Krise eröffnet neue Chancen und Möglichkeiten, um die Digitalisierung im österreichischen Gesundheitsbereich voranzutreiben. Der brutkasten hat bei fünf österreichischen HealthTechs nachgefragt, welche Veränderungen sie mehr als ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie wahrnehmen und welchen Effekt diese auf das eigene Geschäft hat.
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Durch die Corona-Krise hat die Digitalisierung im Gesundheitsbereich an Dynamik gewonnen. Einer aktuellen Umfrage der Ärztekammer Wien zufolge, betreuen rund 68 Prozent der Ärzte heute mehr Patienten telemedizinisch als vor der Krise. Zudem gibt es auch im administrativen Bereich Bewegung. So soll das E-Rezept im kommenden Jahr in ganz Österreich ausgerollt werden und Ärzte, Apotheken sowie die Sozialversicherungen deutlich entlasten. Schätzungen des Dachverbands der Sozialversicherungsträger sollen so sechs Tonnen Papier im Monat eingespart werden.

Die Digitalisierung wird auch im Bereich der Life Sciences immer mehr das bestimmende Thema. So zeigt sich etwa bei der aws, die als Förderbank des Bundes eine wichtige Unterstützung für die Branche gibt, dass in den vergangenen drei Jahren etwa 35 Prozent aller geförderten Life Science Unternehmen Digitalisierungsprojekte umgesetzt haben. Die Digitalisierung hat dabei nicht nur positive Auswirkungen für die Unternehmen selbst, sondern auch für den österreichischen Life Science Standort gesamt. Für Edeltraud Stiftinger, aws Geschäftsführerin zeigt sich „Die Digitalisierung vor allem in der Medizintechnik ist zu einem wichtigen Innovationstreiber geworden. Gerade im Medizintechnik-Bereich gibt es bereits einen regelrechten Boom bei e-Health und Telemedizin Anwendungen. Mehr als ein Drittel der österreichischen Medizintechnik Unternehmen sind bereits in diesem Feld tätig. Die Hälfte aller Neugründungen in den letzten Jahren geht auch auf den Digital Health Sektor zurück“. Diese Entwicklungen haben sich jetzt durch die Corona-Krise noch deutlich beschleunigt.

Neben strukturellen Veränderungen, die durch die Coronakrise vorangetrieben werden, tut sich auch in der heimischen HealthTech-Szene so einiges. Der brutkasten hat dies zum Anlass genommen und mit vier österreichischen Health-Techs über die Auswirkungen der Krise für den Gesundheitsbereich gesprochen. Zudem gaben die Gründer Auskunft, wie sich durch die Coronakrise ihr eigener Geschäftsbereich verändert. Teilweise wurden Covid-19 spezifische Produkte gelauncht oder aufgrund von Beschränkungen hinsichtlich des Vertriebs bereits bestehende R&D-Projekte vorgezogen.

Neue Möglichkeiten durch digitale Daten und Kollaboration

Das Wiener Startup contextflow, das KI-basierte Software für Radiologen entwickelt, hat 2020 seine Finanzierung auf einen siebenstelligen Betrag erhöht, um den Markteintritt zu beschleunigen und neue Funktionen im Zusammenhang mit Covid-19 zu entwickeln. Erst Anfang Juni diesen Jahres konnte sich das Startup in einer Series-A-Finanzierungsrunde ein zusätzliches Millioneninvestment für die weitere Internationalisierung sichern – unter anderem auch für die Zulassung der Lösung durch die U.S. Food and Drug Administration (FDA).

Bereits vor der Pandemie umfasste die Software des Unternehmens eine bildbasierte 3D-Suchmaschine, die Krankheitsbilder in Lungen-CTs erkennt. Dazu zählen auch Krankheitsbilder, die bei Covid-19-Patienten auftreten. Während Lungen-CT-Scans eine wichtige Rolle im Diagnoseprozess für häufige Lungenentzündungen spielen, wird ihre genaue Auswirkung auf die mit Covid-19 zusammenhängende Lungenentzündung noch von Radiologieexperten erforscht. Das Startup, das unter anderem im Rahmen von aws Seedfinancing der Austria Wirtschaftsservice unterstützt wurde, beteiligte sich aktiv an dieser Forschung und lieferte Radiologen bereits zu Beginn der Pandemie Covid-19-relevante Informationen bei der Auswertung von Scans potenzieller Covid-19-Patienten.

Die Software von contextflow ist bereits in Krankenhäusern in ganz Europa im Einsatz. Wie Georg Langs, Chief Scientist und Co-Founder von contextflow, erläutert, muss das Softwarepaket des HealhTechs vor Ort in den Spitälern installiert und das medizinische Personal eingeschult werden. Am Beginn der Krise gab es allerdings Schwierigkeiten in die Krankenanstalten zu kommen, da die Spitäler externen Personen den Zutritt verweigerten. “Das änderte sich aber sehr schnell, da die Krankenhäuser sehr offen waren, die für Lungen relevante Software in ihre Häuser zu bringen. Dadurch konnten wir auch neue Partnerschaften schließen”, so Langs. 

Allerdings fügt er hinzu: “Wir sehen, dass Digitalisierung und Cloud aktuell ein sehr großes Thema ist. Dennoch besteht in Europa noch ein gewisse Zögerlichkeit, die Gesundheitsdaten in die Cloud zu schicken.” Dementsprechend bleiben die Daten der Patienten onsite in den Spitälern. “Eine Voraussetzung dafür ist, dass es vertrauenswürdige Clouds gibt. Hier gibt es bereits spannende Projekte in Europa, wie die Schaffung einer europäischen Gesundheitscloud”. Die Zukunft liegt laut dem Gründer zudem in der Kollaboration. “Die Coronakrise hat uns klar vor Augen geführt, dass man Daten teilen muss, um effiziente Forschung betreiben zu können.” Daten müssten schlussendlich zusammengebracht werden, um Fortschritte in der Forschung zu machen, wobei hier die Bereitschaft durch die Coronakrise gestiegen ist, so Langs. 

Corona-Krise für R&D und Internationalisierung nutzen

Einen ähnliches Momentum für einen Digitalisierungsschub nimmt aktuell auch Gründer Tibor Zajki-Zechmeister vom Klagenfurter HealthTech Tremitas wahr. Das Unternehmen hat sich auf die Entwicklung von Medizinprodukten spezialisiert, die im Bereich von Bewegungsstörungen zur Anwendung kommen.

“Die Pandemie hat weltweit die Möglichkeit geboten, dass beim Thema Digitalisierung die Uhr nochmals zurückgesetzt wird”, so Zajki-Zechmeister. Vorher hätten Länder nämlich verschiedene Herangehensweisen gehabt, wie schnell oder langsam sie Digitalisierung im Gesundheitsbereich implementieren. “Durch Corona wurden alle gezwungen nochmals an den Start zurückzugehen. Länder und Regierung, die dieses Momentum nicht nutzen, werden langfristig verlieren.”

Wie der Gründer erläutert, hatte die Corona-Krise allerdings auch auf das eigene Geschäft eine große Auswirkung. Die Tremitas GmbH wurde formal bereits 2015 gegründet. Ende 2019 erfolgte dann mit dem “Tremipen” der erste Product-Launch. Dabei handelt es sich um ein mobiles Messgerät in Stiftform, das die Stärke und Frequenz eines sogenannten Tremors – permanentes Zittern in den Händen – messen kann. Das Unternehmen konnte bereits erfolgreich Internationalisieren und ist aktuell mit Distributionspartnern in acht europäischen Ländern aktiv. 

“Am Beginn der Pandemie sind unsere Vertriebswege komplett kollabiert, da Distributionspartner nicht mehr in die Krankenhäuser hineingekommen sind”, so Zajki-Zechmeister. Den abrupten Einschnitt in den laufenden Vertrieb nutzte das Unternehmen allerdings für seine R&D-Aktivitäten und entwickelte den sogenannten Tremipen Home. Dabei handelt es sich um ein Messgerät, das nicht im klinischen Bereich zur Anwendung kommt, sondern telemedizinisch direkt bei den Patienten zu Hause. “Wir wollten unseren Patienten eine Home-Variante unseres Medizinproduktes zur Verfügung stellen, damit sie sich zu Hause messen können und mit einer App ihre Daten unkompliziert an die Ärzte schicken”. Wie Zajki-Zechmeister weiters ausführt, stand das Projekt schon länger in der Pipeline, wurde allerdings im April 2020 aufgrund der Corona-Krise vorgezogen. 

Die Corona-Krise beschleunigte jedoch nicht nur die Entwicklung des neuen Produktes, sondern ließ das Startup auch neue Märkte erschließen. “Aufgrund der Tatsache, dass Europa und die USA sehr stark von der Krise betroffen waren, haben wir unsere Fühler verstärkt nach Asien ausgestreckt”, so der Gründer. Erst unlängst erhielt das Startup für seinen “Tremipen”, die medizinische Zulassung in Japan und Australien.

Klassischer Mittelstand mit Fokus auf österreichischen Markt

Doch nicht nur HealthTech-Startups mit internationalen Skalierungsstrategien bekamen den Effekt der Coronakrise zu spüren, auch mittelständische Unternehmen wie das Tiroler MedTech MediPrime – obgleich sich die Auswirkungen in einer anderen Art und Weise äußerten. Das Unternehmen wurde 2014 gegründet und hat sich auf die Entwicklung von Software-Produkten für den Gesundheitsbereich spezialisiert. Neben der mediprime.app, die ein DSGVO-konformen Austausch sensibler medizinischer Daten zwischen Arztpraxen und deren Patienten ermöglicht, bietet das Unternehmen mit docsy eine cloudbasierte Komplettlösung für Wahlärzte zur Patientenverwaltung und klinischen Dokumentation sowie eine Online-Terminbuchung für Patienten an.  Wie Geschäftsführer Domenik Muigg erläutert, gab es im Vertrieb kaum Einschnitte, da das Unternehmen sich primär auf den österreichischen Markt konzentriert. Zudem sei die Wachstumsstrategie nicht auf eine internationale Skalierung und Neukundenakquise ausgelegt. “Wir zählen nicht als klassisches Startup, sondern finanzieren uns aus dem Cashflow. Zudem beschränken wir uns rein auf den österreichischen Markt”, so Muigg. Dennoch war auch MediPrime im Zuge des Lockdowns in der Einschulung der Software auf den Einsatz von Online-Demos angewiesen. Die digitalen Prozesse hätten sich laut Muigg allerdings so gut bewährt, dass diese auch nach dem Lockdown weiter praktiziert wurden und zu einer Effizienzsteigerung führten.

Die Frage der Supply-Chain 

Auswirkungen hatte die Corona-Krise auch auf den Tätigkeitsbereich des Wiener HealthTechs VivaBack GmbH. Das Unternehmen rund um Gründer und Geschäftsführer Valentin Rosegger hat ein Bewegungsmonitoring auf den Markt gebracht, das die Rückengesundheit mobil messbar macht. Über zwei flache Sensoren die am Brust- und Kreuzbein angebracht werden, können so Wirbelsäulenbewegungen überwacht werden. Im Anschluss werden die Daten analysiert und ein individuelles Bewegungskonzept erstellt, damit die Anwender präventive Maßnahmen ergreifen und so Rückenbeschwerden vorbeugen können.

Zur Anwendung kommt das System primär im Corporate-Health-Bereich. Das HealthTech setzt hierfür auf Coachings in Unternehmen vor Ort und konnte in der Vergangenheit bereits gemeinsam mit großen Corporates, wie A1, Uniqa oder dem Flughafen Wien, Projekte mit Mitarbeitern umsetzen.

Wie Rosegger erläutert, konnten die Coachings aufgrund des Lockdowns allerdings nicht mehr vor Ort in den Unternehmen umgesetzt werden. Die Not machte jedoch erfinderisch. “Wir haben innerhalb kürzester Zeit gemeinsam mit einem österreichischen Versicherungsträger ein Pilotprojekt gestartet, um unsere Coachings auch digital anbieten zu können”, so Rosegger. Die Erfahrungen, die aktuell gemacht werden, sollen zudem für die Weiterentwicklung des Produktes genutzt werden. In der Pipeline steht nämlich aktuell ein europaweiter Rollout für Endanwender im B2C-Bereich.

Rosegger fügt hinzu, dass die Coronakrise langfristig zu einem Digitalisierungsschub im Gesundheitssystem führen wird. Allerdings gab es in der Anfangsphase der Krise insbesondere für HealthTechs, die ihre eigene Hardware herstellen, große Hürden zu meistern. “Wir haben teilweise sechs Monate auf unsere Platinen gewartet, die wir für unsere Sensoren benötigen”, so Rosegger. 

Der Gründer, der gemeinsam mit seinem Team aktuell das Vertriebsnetzwerk ausbaut, blickt optimistisch in die Zukunft und sieht in der Krise auch Chancen für das Wachstums des Unternehmens. “Aufgrund der neuen Home-Office-Situation bekommen wir immer mehr Anfragen von Unternehmen aber auch von Privat-Anwendern, die Viva Back nutzen wollen, um ihre Rückengesundheit zu stärken.”

Die sozialen Aspekte der Krise berücksichtigen

Die Corona-Krise hat allerdings nicht nur medizinische, sondern auch eine Reihe an sozialen Auswirkungen zur Folge – angefangen von Kurzarbeit bis hin zur Vereinsamung. Der Studiengangsleiter für Digital Healthcare an der Fachhochschule St. Pölten, Jakob Doppler, verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Diskurs rund um die Digitalisierung des Gesundheitsbereichs künftig viel breiter geführt werden müsste. “Wenn wir von digitaler Gesundheit sprechen, müssen wir auch über soziale Bedürfnisse sprechen”, so Doppler. Im Zuge der Digitalisierung des Gesundheitswesens müsste zudem hinterfragt werden, ob alle Bevölkerungsschichten den gleichen Zugang zu digitalen Anwendungen, wie beispielsweise telemedizinische Services, haben. Dabei gehe es nicht nur um technische Aspekte, sondern auch um die Fähigkeit diese Services zu nutzen. Stichwort: Digital Literacy. “Die große Herausforderung besteht darin, dass die digitale Transformation an älteren Personen spurlos vorbeigeht”, so Doppler. 

In diesem Zusammenhang verweist er auf das Forschungsprojekt “Umbrello”, das 2017 an der Fachhochschule St. Pölten ins Leben gerufen wurde. Das Projekt umfasst eine Kommunikations- und Serviceplattform für ältere Mitmenschen im ländlichen Raum, die unterschiedliche Funktionen erfüllt und bestehende Dienste leicht zugänglich macht – angefangen Nah- oder Gesundheitsversorgung bis hin zu Behörden-Kontakten in der Gemeinde “Telemedizin & Co sind wichtige Errungenschaften, aber wir müssen wenn es um soziale Bedürfnisse geht viel niederschwelliger ansetzen”, so Doppler abschließend.


*Disclaimer: Der Artikel erscheint in Kooperation mit der Austria Wirtschaftsservice

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Das Gründerteam Christian Hill und Gerhard Prossliner © BRAVE Analytics, Leljak

Das Grazer Spin-off BRAVE Analytics wurde von Christian Hill und Gerhard Prossliner im Jahr 2020 gegründet. Den Gedanken an ein gemeinsames Unternehmen gab es schon einige Zeit davor an der MedUni Graz. Nach erfolgreicher Dissertation und dem FFG Spin-off Fellowship kam es zur Ausgründung, zu ersten Kund:innen und einem Standortwechsel. Und schließlich zur erfolgreichen Einbindung in den Life Science Cluster Human.technology Styria unterstützt von der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG.

Mittlerweile zählt BRAVE Analytics ein 14-köpfiges Team und sitzt im ZWT Accelerator in Graz, einem Kooperationsprojekt zwischen SFG und Medizinischen Universität Graz.

Das Team von BRAVE Analytics (c) © BRAVE Analytics, Leljak

Mut in der Geschäftsphilosophie

BRAVE Analytics steht für Mut in der Geschäftsphilosophie der beiden Gründer und des gesamten Teams: Christian Hill und Gerhard Prossliner fühlen sich “zu Entdeckungen hingezogen und lieben es, die Dinge aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Und genau diesen Spirit leben wir auch im Team.”

Wahrlich hat das Gründerduo mit seinem Spin-off das Forschungsgebiet Life Science in ein neues Licht gerückt: Denn BRAVE Analytics beschäftigt sich mit der automatisierten Qualitätssicherung für Pharma-, BioTech-Produkte, Wasser, Mineralien und Chemikalien. “Und das auf Partikel-Ebene. Das Ganze nennt sich Partikel-Charakterisierung und -Analytik”, erklärt Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten.

Neu ist die Technologie insofern, als dass die Partikel-Analyse direkt im Herstellungsprozess von Pharmaprodukten passiert. Also integriert, das heißt weder vor- noch nachgelagert, und damit effizient und kostensparend. “Damit machen wir eine sogenannte Prozessanalytik im Nano-Bereich”, erklärt Co-Founder Hill.

Die Lösung für ein Bottleneck

Damit haben die beiden Gründer zusammen mit ihrem Team eine Lösung für ein bis dato bestehendes “Bottleneck in der Industrie” geschaffen. Mit den modularen Messgeräten von BRAVE Analytics kann die Qualität von Produkten im Pharma- und BioTech-Sektor nämlich in Echtzeit gemessen werden. Das Kernstück der Lösung bildet die vom Spin-off eigens entwickelte, mehrfach patentierte OF2i Technologie.

Doch bekannterweise benötigen Life-Science-Lösungen wie diese einen breiten Umfang an Forschungsinfrastruktur, der sich gerade für frisch gegründete Spin-offs schwer stemmen lässt. Und: Es braucht die richtigen Verträge, das richtige Kapital und das richtige Team. Auf der Suche danach gab es für BRAVE Analytics einige Schlüsselmomente, wie Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten erzählt.

Der Standort für Life Science Startups

Die ersten Hardware-Aufbauten und Experimente fanden an der Medizinischen Universität Graz statt, die von den Anfängen mit Infrastruktur und Forschungspersonal unterstützte, die Universität Graz deckte die Bereiche Theorie und physikalisches Modelling und in Kooperation mit dem FELMI/ZFE der Technischen Universität Graz wird seit 2022 ein Zusatzmodul entwickelt.

Beim Schutz des geistigen Eigentums standen die Medizinische Universität Graz, die Steirische Wirtschaftsförderung SFG und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG als helfende Hände zur Seite. Konkret mit Unterstützung für die Erarbeitung von Exklusiv-Lizenzen, Agreements und generell mit dem Know-how, wie man eine Firma aufbaut. Hier waren uns auch das Unicorn der Universität Graz, die Gründungsgarage und der Science Park Graz eine große Hilfe”, so Prossliner.

“Wir sind klassische Science-Preneure”

Die fachspezifische Unterstützung kam im richtigen Moment: “Wir sind die klassischen Science-Preneure. Unser Background ist das Universitäts- und Ingenieurswesen. Für uns war es wichtig zu lernen, wie man in das Unternehmertum reinkommt und den Produkt-Market-Fit findet. Man muss diese Produktverliebtheit, die man als Erfinder meistens hat, loswerden. Und das passiert ganz viel durch Learning by Doing.”

Besonders hilfreich habe sich vor allem das Bootcamp des FFG-Spin-off-Fellowship und das LBG Innovator’s Road Programme erwiesen, welche “eine schrittweise Einführung für den Weg von der Wissenschaft in Richtung Unternehmung” geboten haben, so Hill. Förderungen erhielt das Spin-off außerdem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Austria Wirtschaftsservice aws, der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG und auf EU-Ebene.

Die Szene, die “Gold wert” ist

Nicht nur “by doing”, sondern vor allem auch “von anderen, die die gleichen Themen, Probleme und Potenziale haben”, hat das Startup im Aufbau sehr viel an Know-how und Erfahrung gewonnen. “Das Peer-Learning ist für uns einer der wichtigsten Wissensfonds”, so Co-Founder Prossliner im Interview.

Ein dafür zugeschnittenes Netzwerk gibt es in der Grazer Life Science Szene: “Auch abseits institutioneller Veranstaltungen befinden wir uns hier in einem sehr lebendigen Startup-Umfeld. Vieles passiert auf Eigeninitiative von Gründer:innen. Das Startup-Leben hier ist wirklich Gold wert.”

Global Player nur “fünf Rad-Minuten entfernt”

“Wir sind Hardware-Hersteller, wir brauchen Hochpräzisionsfertiger für unsere Prozesstechnologie. Die Steiermark und insbesondere Graz haben sich zu einem Stakeholder-Nest der besonderen Vielfalt entwickelt. Kooperationspartner aus Industrie, Wirtschaft und Forschung sitzen hier in unmittelbarer Nähe. Wir finden Experten, Lieferanten und Fertiger mit extremer Präzision und einer super Verlässlichkeit”, erzählt Prossliner und meint weiter: “Wir arbeiten hier in einem sehr engen Umfeld mit einer sehr schnellen Dynamik. Das ist unglaublich wertvoll.”

Ein ganzes Stakeholder-Feld mit internationaler Spitzenstellung findet sich also im Grazer Becken. Oder, wie es Gründer Prossliner erneut unterstreicht: “Da sind Global Player dabei, die wir in wenigen Rad-Minuten erreichen. Man muss also nicht gleich nach Asien oder in die USA, das Netzwerk gibt es hier auch.” Nicht umsonst spricht man seit geraumer Zeit von der “Medical Science City Graz” – mit Playern wie der Medizinischen Universität und dem Zentrum für Wissens- und Technologietransfer ZWT im Netzwerk.

Gerhard Prossliner (links) und Christian Hill (rechts) mit der Geschäftsführung des ZWT – Anke Dettelbacher (Mitte rechts) und Thomas Mrak (Mitte links) ©ZWT/Lunghammer.

Besenrein eingemietet

Grund genug auch für BRAVE Analytics, sich hier als aufstrebendes Life-Science-Startup niederzulassen. Nach seinen Anfängen in den Räumlichkeiten der MedUni Graz hat sich BRAVE Analytics nämlich im ZWT Accelerator einquartiert: “Wir waren unter den Ersten, die hier eingezogen sind. Als alles noch ziemlich besenrein war.”

Mittlerweile wird auch mit anderen dort sitzenden Startups stockwerkübergreifend genetzwerkt. Sei es im Stiegenhaus, bei Weihnachtsfeiern oder informellen ZWT-Treffen. Manchmal wird auch gemeinsam gefrühstückt und in den Abendstunden philosophiert. Daneben gibt es regelmäßige Get-Together-Formate wie das ZWT-Frühstück. Im Zuge der Startupmark finden auch themenspezifische Kooperationsformate wie der Life Science Pitch Day, ein exklusives Pitchingevent für Startups und Investor:innen aus dem Life Science-Bereich, statt.

Fußläufig flexibel

Thomas Mrak, Geschäftsführer des ZWT, erzählt dazu: “Vernetzung steht bei uns an erster Stelle. Und zwar nicht nur unter Foundern, sondern auch zwischen bereits etablierten Firmen, Unis, Instituten, Professor:innen und Ärzt:innen, die alle flexibel und fast fußläufig zu erreichen sind. Ich würde sagen, das ist die Essenz der Medical Science City Graz und bildet das optimale Umfeld, um als Spin-off Fuß zu fassen.”

Unterstützung gibt es im Grazer ZWT auch mit einer optimalen Infrastruktur und “startup freundlichen” Mietverträgen und Mietkonditionen: “Wir bieten Startups, die bei uns einziehen, ein einzigartiges Preis-Leistungsverhältnis, eine perfekte Ausstattung und sehr flexible Bedingungen. Vor allem hohe Investitionskosten und lange Bindungszeiten sind für Startups schon aufgrund ihrer dynamischen und teils volatilen Entwicklungen sehr kritisch, dabei helfen wir. Je nach Möglichkeit stellen wir nicht nur Büros und Laborinfrastruktur, sondern auch Seminar- und Besprechungsräume zur Verfügung.”

“Wir verstehen uns hier einfach sehr gut”

Unverkennbar gestaltet sich der Life Science Bereich in Graz als multidimensionaler Hub für Startups und Spin-offs – und das nicht nur auf akademischer Ebene: “Wir verstehen uns hier alle untereinander sehr gut. Es gibt kurze Wege, kurze Kommunikationswege und wir arbeiten zusammen auf Augenhöhe. Es klappt einfach zwischenmenschlich”, so Mrak.

BRAVE Analytics-Co-Founder Prossliner empfiehlt dahingehend: “Nutzt das tolle österreichische Förderungssystem. Wir haben hier vonseiten der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, des Austria Wirtschaftsservice aws und der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG tolle Unterstützung erhalten. Vom ZWT, der MedUni Graz, der Uni Graz und der TU Graz ganz zu schweigen.”

Und: “Bindet schon frühzeitig Kund:innen ein. Nur so ermittelt man die real-life Kundenbedürfnisse potentieller Märkte, und man kann vielleicht auch erste Umsätze generieren, die man wiederum mit Förderungen hebeln kann. Man muss sich schließlich auch finanziell stabilisieren, um für Investor:innen attraktiv zu sein.”

Der Asia Pull für Life Science

Aktuell erarbeitet BRAVE Analytics eine Investitionsrunde. Mittlerweile hält das Spin-off unterschiedliche Produkte und Kunden am Markt. Auch Industriepartner sind vorhanden. Aktuell befinde man sich in der Prescaling-Phase – mit einem starken “Asia Pull”. Interesse kommt nämlich zunehmend von Abnehmern aus Asien, wie Christian Hill erzählt:

“Unsere Technologie eignet sich nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Wasser, Kläranlagen und Mikroplastik – und sogar für die Halbleiterindustrie. Wir bewegen uns hier in einem multidimensionalen Anwendungsfeld, gerade für das Umwelt- und Wassermonitoring. Das zieht viele Kunden aus Übersee an. Jetzt heißt es: die richtigen Schritte setzen und klug skalieren.”

Damit Christian Hill und Gerhard Prossliner ihre Ziele auch weiter verfolgen können, braucht es Menschen, die in den Life Science Sektor investieren: “Life Science ist ein Technologie- und Wissenschaftsfeld, das uns in Zukunft noch viel intensiver begleiten wird. Und auf das wir angewiesen sind”, so Thomas Mrak. Der ZWT-Geschäftsführer appelliert indes: “Es arbeiten so viele tolle Menschen mit persönlicher Motivation in diesem Feld. Diese haben das Potenzial, die Zukunft maßgeblich zu verändern. Doch dafür braucht es finanzielle Unterstützung, fundierte Netzwerke und noch mehr Aufmerksamkeit.”

Mehr Informationen zum steirischen Startup-Ökosystem und der Startupmark sind hier zu finden.

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