24.03.2020

Coronakrise: Gibt es die EU eigentlich noch?

Kommentar. Die Coronakrise ist durch und durch international. Doch von den EU-Institutionen hört man fast nichts. Und von einem gemeinsamen Vorgehen sind die Länder des Staatenbunds entfernter denn je.
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Coronakrise - EU - EU-Kommssion
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Viktor Orban ist gerade am besten Weg, Ungarn unter dem Vorwand der Coronakrise endgültig zur Diktatur zu machen. Die EU-Kommission schweigt bislang dazu. Klar, will man nun meinen, denn sie muss ihrerseits mit der Bewältigung der Coronavirus-Pandemie alle Hände voll zu tun haben. Doch tatsächlich bekommt man davon zumindest hierzulande nichts mit. Ist die Europäische Union tatsächlich untätig, oder sind ihre Handlungen derzeit bloß nicht relevant für die Medien?

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Neue EU-Beitrittsverhandlungen statt Coronakrise

Auf orf.at liest man heute, zwischen unzähligen Meldungen zum Coronavirus und als einziger Beitrag in der Rubrik “EU”, dass Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien geplant sind. Das sei von den zuständigen Ministern per Video-Konferenz beschlossen worden – sonst enthält die Meldung keine Hinweise auf die “größte Krise seit dem zweiten Weltkrieg”.

Erzwungener Maastricht-Stopp

Diese Momentaufnahme abzubilden ist natürlich nicht ganz fair. Der Eindruck, der entsteht, ist aber bezeichnend für die derzeitige Lage. Tatsächlich ergreift natürlich auch der Staatenbund angesichts der Coronakrise Maßnahmen. Die meisten dürften etwa mitbekommen haben, dass die Maastricht-Kriterien, also die EU-Regelungen zu Staatsschulden, vorübergehend ausgesetzt wurden. Man hatte gar keine andere Wahl, könnte man nun freilich dagegenhalten. Schließlich macht die in Österreich ausgegebene Devise “koste es, was es wolle” gerade auch in vielen anderen Staaten die Runde.

Unspektakuläre Maßnahmen

Doch das ist freilich nicht die einzige Reaktion der EU. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen entsendet über eine eigens eingerichtete Page fast täglich Video-Botschaften, in denen sie von Maßnahmen der Kommission spricht. Doch kommen diese Botschaften überhaupt bei irgendwem außerhalb von Brüssel und Straßburg an? Jedenfalls nicht bei den heimischen Medien – dafür sind sie auch einfach deutlich zu unspektakulär. In dieser beispiellosen Krisensituation bräuchte es aber wohl spektakuläre Botschaften und Maßnahmen, die über “ihr dürft EU-Mitglied bleiben, auch wenn ihr XY macht” hinausgehen. Mit ihren (Wirtschafts-)Hilfspaketen der Superlative machen es die Einzelstaaten gerade vor. Auch die EU könnte angesichts der Situation Budgets umleiten.

Zusammenhalt ausgesetzt

Noch viel schmerzvoller als die scheinbare Untätigkeit der Union ist für einen überzeugten Europäer das scheinbar vollkommene Aussetzen des europäischen Zusammenhalts. Die Coronakrise könnte nicht internationaler sein und jeder europäische Staat agiert vollkommen für sich selbst. Es gibt keine Koordination zwischen den Ländern, kein gemeinsames Vorgehen und vor allem keine gegenseitige Hilfe.

Chinesische Hilfsgüter

Darüber, ob man Italien vielleicht in seiner katastrophalen Situation unterstützen könnte, gibt/gab es so gut wie keine öffentliche Debatte – nirgends in der EU. In Tschechien und Polen wurden sogar für Italien bestimmte Hilfsgüter aus China zwischenzeitlich konfisziert – es soll irrtümlich passiert sein. Und das ist noch ein Punkt: Hilfsgüter und Unterstützung für EU-Staaten – auch für Österreich – kommen derzeit praktisch nur aus China. Kuba hat einige Ärzte nach Italien entsendet. Unterstützung durch die weniger vom Coronavirus betroffenen EU-Staaten: Fehlanzeige.

Es gibt die EU noch…

Stand März 2020: Die Grenzen sind dicht, Zusammenarbeit und Solidarität innerhalb der Europäischen Union sind quasi nicht vorhanden. Der Staatenbund passt notgedrungen ohnehin obsolete Regelungen an die Situation an und ergreift zahnlose Maßnahmen, von denen niemand etwas mitbekommt. Gibt es die EU eigentlich noch? Ja. Aber wenn das so bleiben soll, müsste jetzt langsam etwas passieren. Chinesische Hilfsgüter retten Menschenleben, aber sicher nicht die EU.

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Die Geschäftsführer der cycoders GmbH: CTO – DI (FH) Martin Guess, CEO – Thomas Mörth Bildrechte: cycoders GmbH
(c) cycoders GmbH - Die Geschäftsführer von cycoders Martin Guess und CEO Thomas Mörth.

Getuschel. Hinter vorgehaltener Hand wird geflüstert, Gespräche erst fortgesetzt, wenn die Führungskraft außer Hörweite ist. Man mutmaßt, man nimmt an. Man glaubt, dass die Firma Probleme hat und sich womöglich von Leuten trennen muss. Die Sorge wächst und man fürchtet, dass es einen treffen könnte. Und an die Arbeit zu denken, ist mit einem solchen Gefühl nur schwer möglich. So ähnlich geht es zu Krisenzeiten in Unternehmen zu, weiß Lolyo Co-Founder und CEO Thomas Mörth, der auch gemeinsam mit Martin Guess Geschäftsführer von cycoders ist. Er möchte mit seiner App Ängste von Mitarbeiter:innen lindern.

Lolyo mit direktem Draht

Die Idee dazu kam ihm vor ein paar Jahren, als er in seiner Werbeagentur kundenseitig den Wunsch verspürte, eine verbesserte digitale und interne Kommunikation zu entwickeln. “Es gab am Markt bereits einige Lösungen, aber die waren zu teuer oder zu kompliziert”, erzählt er. “Also haben wir entschieden, das wir uns der Sache annehmen.”

Heraus kam Lolyo, eine Mitarbeiter:innen-Mitmach-App als Kommunikationstool, das man aufs eigene Smartphone laden kann und so direkten Zugang zum Führungsteam erhält.

“Wenn man Mitarbeiter binden möchte, mitteilen, was man alles tut, dann war das bisher mit klassischen Kanälen schwierig”, so Mörth weiter. “So ein Tool ist heutzutage jedoch unverzichtbar und funktioniert nicht bloß einseitig, sondern auch umgekehrt. Es ist ein direkter Draht zur Unternehmensführung.”

Das Zeitalter der Verunsicherung

Gerade jetzt, wo Unternehmen Personal abbauen müssen oder zumindest die Gefahr dazu groß sei, herrsche in der Regel große Verunsicherung, weiß der Founder. “Das schlägt sich negativ in der Produktivität nieder, denn ängstliche Personen können nicht motiviert arbeiten.”

Die Folgen dieser negativen Gefühle können für alle Seiten verheerend sein: Die Arbeitsmoral verschlechtert sich und eine sinkende Produktivität, erhöhter Stress und Burnout-Gefahr schleichen sich ein und lähmen den täglichen Betrieb.

Mit den psychischen Folgen für die verbleibenden Mitarbeiter:innen hat sich Alexander Ahammer mit seinem Team vom VWL-Institut der Johannes Kepler Universität Linz in einer Studie beschäftigt. Eine der Erkenntnisse: Innerhalb eines Zeitraums von eineinhalb Jahren nach dem Personalabbau der untersuchten Firmen erfolgten 6,8 Prozent mehr Medikamentenverschreibungen sowie 12,4 Prozent mehr Krankenhaustage, erwähnte der Ökonom 2022 in einem APA-Gespräch. Dass diese Ängste Arbeitgeber:innen viel Geld kosten können, wurde auch in einer Studie der FH Köln aus dem Jahr 2000 belegt, wie Mörth erwähnt. “Diese Angst kann man aber mit den richtigen Instrumenten wegnehmen.”

Lolyo als mobiles Intranet

Lolyo ist im Detail ein mobiles Intranet, das Mitarbeitende miteinander vernetzt. Die drei primären Kanäle – News, Pinnwand und Chat – sollen dabei einen optimalen Informationsfluss garantieren. Zudem enthält die App eine Vielzahl an Features, die das Engagement erhöhen und interne formelle Abläufe wesentlich vereinfachen soll. Im Idealfall soll sie für alle Mitarbeitenden den Zugang zu allen digitalen Services des Unternehmens anbieten.

Insgesamt gibt es 30 verschiedene Features, die von Terminen, Formularen, Umfragen über automatische Übersetzung bis hin zum Start eines eigenen Podcast-Kanals verschiedene Angebote parat halten. Der Mitmach-Booster von Lolyo ist zudem als Anreiz gedacht, aktiv zu bleiben. Wenn man sich Nachrichten durchliest, liked oder kommentiert, erhält man Punkte, die dann in einem vom Unternehmen aufgesetzten “Goodies Store” eingelöst werden können. “Das ist unser USP”, sagt Mörth. “Wir haben diese Art von ‘Gamification’ von Anfang an integriert.”

300 Kunden

Seit dem Beginn im Jahre 2018 konnte Lolyo 300 Kunden (Anm.: darunter Liebherr, Efco, Recheis, Wutscher Optik) aus 15 Ländern für sich gewinnen. “Corona war für uns ein glücklicher Fall, denn die Unternehmen mussten umdenken”, erinnert sich Mörth. “Der Bedarf nach guter Kommunikation hat sich ja damals plötzlich erhöht.”

Auch die Mundpropaganda war für das 16-Personen starke Team wesentlich. “Wir sind ein kleines Unternehmen und nicht investorengetrieben”, erklärt der Founder. “Und haben keine Millionen an Marketing-Budget. Der Erfolg kam über unsere ‘Word of Mouth-Taktik’. Damit konnten wir bisher unseren Umsatz jährlich verdoppeln.”

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