01.07.2019

Cora Health: Blutdruck-Startup übersetzt App für Flüchtlinge auf Arabisch

Das HealthTech-Startup Cora Health hat seine Blutdruck-App nun auch auf Arabisch herausgebracht und möchte damit Flüchtlingen die Behandlung bei Blutdruckproblemen erleichtern. Im Gespräch mit dem brutkasten erklärt Gründerin Melanie Hetzer wie es dazu kam und welche Fragen bei der Integration der Sprache in die App geklärt werden mussten.
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(c) Cora Health - Gründerin Melanie Hetzer: "Aus Erfahrung wissen wir, bei Gesundheitsangelegenheiten ist es am besten den Patienten in seiner Muttersprache zu

Weltweit sind 1,1 Milliarden Menschen von Bluthochdruck betroffen. Jährlich sterben rund 9,4 Millionen Menschen an den Folgeerkrankungen von hohem Blutdruck. Deshalb hat das Digital Health-Startup Cora Health, das 2017  mit dem “World Summit Award” ausgezeichnet wurde, einen AI-basierten Algorithmus erstellt, der seinen Nutzern personalisierte und auf ihre Wünsche und Bedürfnisse maßgeschneiderte Bluthochdruck-Behandlungspläne zur Verfügung stellt – der brutkasten berichtete. Mit Arabisch kommt nun die bereits zehnte Sprache, in der die App nutzbar ist, dazu.

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In Muttersprache unterstützen

Krieg und Zerstörung gehört in manchen Ländern der Welt zum Alltag. Das zwang in den letzten Jahren Millionen von Menschen zur Flucht. Viele suchten Schutz in Europa, darunter auch über zwei Millionen Arabisch-sprechende Flüchtlinge, deren Gesundheitszustand beunruhigend ist. Dies ging den Gründern von Cora Health derart nahe, dass sie reagieren wollten. “Wie wir aus Erfahrung wissen, ist es vor allem bei Gesundheitsangelegenheiten am besten, den Patienten in seiner Muttersprache zu unterstützen”, sagt Founderin Melanie Hetzer im Gespräch mit dem brutkasten.

Doppelt so häufig Bluthochdruck bei geflohenen Menschen

Der Ausgangspunkt für die Integration der arabischen Sprache waren Daten des Bundesministeriums für Gesundheit, sowie eine Studie von Kinzie JD et al aus dem Jahre 2008, die das Team rund um Hetzer zufällig entdeckt hat. Darin heißt es, dass 42 Prozent aller Flüchtlinge unter Bluthochdruck leiden. Dieser Wert sei damit deutlich über dem der Österreicher, der bei rund 21 Prozent liegt. “Uns war sofort klar, wir haben die Mittel zu helfen, also warum sollen wir das nicht machen”, erklärt die Gründerin im Gespräch mit dem brutkasten.

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(c) Cora Health – Mit Arabisch verfügt die Cora Healt App bereits über zehn Sprache, in denen sie nutzbar ist.

Cora Health mit Arabisch als zehnter Sprache

Die Implementierung der arabischen Sprache dauerte mehrere Monate, wie Hetzer erzählt. “Die App stand ja bereits, wir mussten nur die Schrift von rechts nach links setzen und Fragen klären, ob es im Arabischen bei der Anzeige der Blutdruckwerte – wie bei uns – auch mit beispielsweise ‘120 zu 80’ gehandhabt wird, oder die Zahlenwerte doch umgedreht sind (Anm.: gleiche Anzeige)”, sagt sie. Auch die richtige Richtung des Graphen war zu lösen. Mit der Hilfe eines Muttersprachlers konnten diese Dinge geklärt werden und die bereits zehnte Sprache (neben Dänisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Norwegisch, Schwedisch, Spanisch), in der die App verfügbar ist, wurde Mitte Mai gelauncht.

Blutdruck-App bald auf iPad verfügbar

“Bereits kurz nach dem Launch konnten wir uns über viel positiv Resonanz freuen” , so Hetzer, “wir hoffen weiterhin so vielen Menschen wie möglich, egal woher sie kommen oder welche Sprache sie sprechen, zu helfen”. Cora Health, das bereits in fünf Märkten (Europäische Union, Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz) aktiv ist, plant zudem bereits die nächsten Produkte auf anderen Plattformen zu starten. “Wir haben festgestellt, dass viele unserer Zielgruppe etwa iPads besitzen und wollen ihnen die Nutzung unserer App auch damit ermöglichen”, sagt Hetzer.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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