23.11.2022

Cogvis-CEO: “Ein Sturz verursacht 20.000 Euro Kosten in der Pflege”

Und bleibt bei Bewohnern von Pflegeheimen manchmal unbemerkt. Das Health-Tech Cogvis möchte mit KI-Sensorik im Gesundheitswesen (Stichwort: Pflegekräfte-Mangel) aushelfen.
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Cogvis, KI, Pflege, Demenz, Stürze verhindern
(c) Cogvis - Cogvis-CEO Rainer Planinc spricht über den Einsatz von KI in der Pflege.

Ein hartes Aufknallen auf dem Boden nach einem Stolperschritt. Oder eine Drehung heraus aus dem Bett, mit einer ebenso unsanften Landung – so stellt man sich handelsübliche Stürze vor. Rainer Planinc, CEO von Cogvis weiß jedoch mehr.

“Es gibt 27 verschiedene Arten zu stürzen”, sagt er und betont zugleich, diese Zahl soll nur exemplarisch darstellen, dass Sturz nicht gleich Sturz ist.

Cogvis: 2021 mit Series A

Sein Unternehmen, das von Michael Brandstötter und Martin Kampel gegründet worden ist, versteht sich als ein modulbasiertes 3D-Sensoren-Pflegesystem, das im Bereich der Sturzerkennung und Sturzprävention tätig ist.

Das TU-Spin-Off lockte 2018 ein Konsortium an Investoren an, die nicht genannt werden wollen und konnte 2021 eine “Series A” in siebenstelliger Höhe abschließen.

Die KI von Cogvis analysiert menschliches Verhalten, sammelt nach einem “privacy by design”-Ansatz DSGVO-konforme Daten und hat sich lange Zeit auf eine Simulation von Stürzen fokussiert.

Praxis vs Theorie

“In der Praxis jedoch sehen Stürze anders aus”, sagt Planinc. “Man beugt sich herab, sinkt zu Boden und hat keine Kraft mehr selbst aufzustehen. Ein Sturz wird, genauer gesagt, als ‘ungewollte Ebenenveränderung’ definiert. Es ist nicht immer ein harter Knall auf den Boden, sondern kann auch sehr langsam stattfinden. Geschwindigkeit ist dabei kein Aspekt.”

Cogvis hat am Anfang seiner Sturzforschung mit synthetischen Daten gearbeitet, seitdem aber über 50.000 “Ebenenveränderungen” von älteren Personen verarbeitet und über eine Million reale Präventionsevents erkannt.

Die Künstliche Intelligenz des Unternehmens trainiert dabei nicht in einem kontrollierten Setting, sondern wird unter realen Bedingungen und mit Bewohnern von Pflegeheimen getestet und weiterentwickelt.

3D-Sensoren messen Tiefe oder Entfernung, um einen Eindruck zu erhalten, wie und warum ein Unfall passiert ist, erfassen zudem Bewegungen im Raum, verarbeiten diese Informationen direkt auf dem Gerät und schlagen bei potenzieller Gefahr über die Rufanlage oder mittels Handy-App Alarm. Die Erkennungsrate liegt bei rund 90 Prozent.

Pflegheime und Reha im Fokus

Neben jedem achten Pflegeheim, in dem Cogvis in Österreich vertreten ist, erweitert man nun das Portfolio und adressiert Reha-Zentren und Krankenhäuser, sowie betreutes Wohnen.

“Unser Fokus liegt allgemein auf sturzgefährdete Menschen”, so Planinc weiter. “Wir sind auch das erste Tool für Demenzerkrankungen mit Abwesenheitserkennung. Unser Ziel ist es, durch Cogvis die Pflegekräfte zu entlasten und auch im Gesundheitswesen Kosten einzusparen. Ein Sturz mit allen Pflegefolgen verursacht 20.000 Euro medizinische Kosten in der Pflege. Da gibt es noch viel Potential zur Einsparung.”

KI bedarf intensiver Aufklärung

Das Cogvis-Team wählt bei seiner Arbeit seine Zielgruppe mit Bedacht. Man weiß, dass Österreich ein herausfordernder Zielmarkt sei, was technologische Neuerungen – besonders in Verbindung mit KI – betrifft.

“Künstliche Intelligenz hat einen Beigeschmack”, sagt Planinc. “Da braucht es eine intensive Aufklärung. Zum Beispiel, was trainiert wird und was nicht, wo alarmiert wird und wo nicht. Early Adopters wissen jedoch, dass die Pflege ein Problem hat. Bis 2030 sollen 100.000 Pflegekräfte fehlen. Wir sehen aber generell, dass sich die letzten Jahre über etwas geändert hat im Vergleich zu vor zehn Jahren. Wir werden mittlerweile auch aktiv angefragt.”

Der CEO weiß, dass Technologie künftig einen Beitrag im Health-Bereich leisten muss, und etwa repetitive Tätigkeiten, wie den nächtlichen Rundgang einsparen kann. Was Zeit für andere Aufgaben freischaufelt.

Cogvis mit neuen Zielmärkte

“Unser System erkennt 2,3 Mal so viele Alarme, wie Pfleger:innen selbst”, so Planinc erklärend. “In einem Zeitraum, in dem Pflegekräfte 100 Stürze bemerken, sind es bei Cogvis 230. Das heißt nicht, dass schlechte Arbeit geleistet wird, sondern es geschieht immer wieder, dass Heim-Bewohner in der Nacht aufstehen, stürzen und wieder ins Bett gehen. Und keiner bekommt es mit. Da können unsere Sensoren helfen.”

Aktuell befindet sich Cogvis in den ersten Schritten einer Internationalisierung und hat in der Schweiz und in nordischen Ländern Vertriebspartner gefunden – in Österreich vertreibt man selbst. Als nächste Zielmärkte stehen Benelux und Frankreich im Fokus.

Dekubitus als Use-Case

Zudem möchte man vom alleinigen Thema “Sturz” wegkommen und zu einer Plattform werden, die mittels Software-Modulen neue “Use-Cases” abdeckt. Um die Pflege breiter unterstützen zu können.

Dekubitus (Wundliegen) etwa soll ein Bereich werden, indem die KI erkennt, ob sich ein Bewohner ausreichend bewegt oder umpositioniert werden muss. Oder auch das “Sundowning”-Phänomen, bei dem Demenz-Patienten frühabends überaus aktiv und nervös werden, tagsüber aber sehr müde sind, fällt hier rein.

“In beiden Fällen”, so Planinc abschließend, “kann man die nächtliche Aktivität erkennen und Daten bzw. Erkenntnisse sammeln, ohne Patient:innen in ihrer Nachtruhe zu stören. Und die Pfleger:innen entlasten.”

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Die EnerCube-Gründer Laurenz Sutterlüty und David Riedl | (c) Kathrin Gollackner Fotografie
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Der Anteil fossiler Energieträger bei Heizungen liegt im EU-Schnitt nach wie vor über 75 Prozent. Die Umrüstung muss aber in den kommenden 15 bis 20 Jahren erfolgen. Und dabei erfreuen sich Wärmepumpen immer größerer Beliebtheit. So ein System in einem bestehenden Gebäude zu installieren, kann das aber ganz schön aufwändig werden. EnerCube aus dem Salzburger Seekirchen am Wallersee setzt mit seinem Produkt hier an und wird dabei von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt.

Gesamte Anlage in einem Modul

“Die Installation, Planung und Koordination eines gängigen Wärmepumpen-Systems für ein Mehrfamilienhaus braucht vor Ort zwischen 200 und 500 Stunden. Mit unserem System sind es nur etwa 100 Stunden”, erklären die beiden EnerCube-Gründer Laurenz Sutterlüty und David Riedl. Und wie machen sie und ihr aktuell sechs Personen starke Team das? “Wir bauen die gesamte Anlage inklusive Heizraum in ein einziges, bei uns im Werk vorgefertigtes Modul, das etwa so groß ist, wie ein Autoparklplatz und vor dem Gebäude installiert wird”, erklärt Sutterlüty. Es müsse also kein Platz im Gebäude geschaffen werden und man könne auch im Winter umrüsten.

So sieht das Modul aus | (c) EnerCube

Bis zu 40 Wohneinheiten mit einer EnerCube-Einheit

Je nach Ausführung – EnerCube bietet drei verschiedene – können damit bis zu 40 Wohneinheiten beheizt werden – auch in voneinander getrennten Mehrparteienhäusern. “Durch eine optimierte Anordnung des Hydraulik- und Schichtspeichersystems, sowie den Einsatz hochwertigster Anlagenkomponenten, kommen wir auf 36 Prozent mehr Effizienz als durchschnittliche Systeme. Und mit einem FFG-geförderten und patentierten System haben wir den Schall um die Hälfte reduziert, damit die Anlagen selbst in eng bebauten Wohngebieten eingesetzt werden können”, erklärt Sutterlüty.

“Wir bleiben im B2B-Segment”

Aufgrund der Außeninstallation liegt der Fokus von EnerCube aktuell klar auf Mehrparteienhäusern im suburbanen Bereich. “Wir arbeiten aber auch an einer Lösung für den innerstädtischen Bereich”, verraten die beiden Gründer. Klar ist für sie aber: “Wir bleiben im B2B-Segment mit größeren Wohneinheiten. Dort ist unser System richtig skalierbar. Für Einfamilienhäuser gibt es schon kostengünstige Lösungen am Markt – da wollen wir nicht mitspielen. Bei großen Wohnanlagen tun sich andere Hersteller dagegen schwer mit standardisierten Lösungen.”

Großes Immobilienunternehmen erteilt Großaufträge

Und das Konzept geht wirtschaftlich auf. Im Februar 2023 gegründet, kommt EnerCube dieses Jahr auf zehn Module für insgesamt 200 Wohneinheiten – allesamt für ein bekanntes, großes Immobilienunternehmen. Im kommenden Jahr gibt es bereits Zusagen für Aufträge von über 30 Modulen. “Wir haben ein siebenstelliges Auftragsvolumen und sind Cashflow-positiv”, so Riedl.

Bis zu 80 Module im Jahr im EnerCube-Werk

Doch es gibt natürlich auch klare Wachstumspläne. Das maximale Produktionsvolumen in der Werkshalle in Salzburg liege bei 80 Einheiten pro Jahr, sagt der Gründer: “Wir haben auch schon Überlegungen für eine Produktionserweiterung.” Aktuell fertigt das Team seine Systeme hauptsächlich für Deutschland. Zielmarkt ist aber der gesamte DACH-Raum – und perspektivisch noch mehr.

“Ohne aws Preseed wäre das alles gar nicht möglich gewesen”

In der Finanzierung von all dem verzichtete EnerCube bislang auf klassische Startup-Investments. “Die Überlegung besteht aber für die Zukunft, um noch schneller skalieren zu können”, erklärt Riedl. Kapital von außen holte sich das Startup aber durchaus. “Wir haben das Material für unseren Prototypen über aws Preseed finanziert. Ohne das wäre das alles gar nicht möglich gewesen. So konnten wir schon aus der Garage hinaus das Produkt erfolgreich am Markt platzieren”, erzählen die Gründer.

Auch aws Seedfinancing und hilfreiche Workshops für EnerCube

Mittlerweile hat EnerCube auch eine aws-Seedfinancing-Förderung über die Programmschiene Innovative Solutions in Anspruch genommen, um den Ausbau voranzutreiben. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Und auch sonst half die aws dem Startup in mehreren Bereichen weiter, wie Sutterlüty sagt: “Die Workshops waren für uns sehr hilfreich, etwa beim Thema IP. Das hat uns einen klaren Anreiz gebracht, Patente einzureichen und dieses Thema stärker anzugehen.” Denn auch bei der Weiterentwicklung des Produkts, hat EnerCube noch einiges vor.

*Disclaimer: Das Porträt entstand in Kooperation mit der Austria Wirtschaftsservice (aws).

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