21.01.2022

Nachgefragt bei Speedinvest: Was können wir vom Planetly-Exit für den ClimateTech-Markt lernen?

Das Berliner CO2-Reduktions-Startup Planetly rund um Anna Alex sorgte Ende 2021 mit seinem Exit für einen Knalleffekt im ClimateTech-Sektor. Wir haben bei Mathias Ockenfels, General Partner bei Speedinvest, nachgefragt, was der Exit nun für den ClimateTech-Markt bedeutet und ob es zu einer Konsolidierung kommt.
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Mathias Ockenfels, General Partner, Marketplaces & Consumer, bei Speedinvest | (c) Speedinvest

Anfang Dezember letzten Jahres sorgten Anna Alex und Benedikt Franke mit ihrem Exit von Planetly an das US-amerikanische Softwareunternehmen OneTrust nur zwei Jahre nach Gründung für viel Überraschung in der Startup-Szene. Planetly entwickelte eine digitale Plattform, mit deren Hilfe Unternehmen ihre CO2-Emissionen berechnen, reduzieren und ausgleichen können. OneTrust bietet hingegen Lösungen für den Umgang mit Datenschutz und IT-Sicherheit.

Über die genauen Details des Exits machten die Gründer:innen damals keine genauen Angaben, fest stand allerdings, dass es sich um einen der ersten größeren Exits eines Climate-Tech Startups aus Europa handelte. Mit Hilfe von OneTrust sollen nun weltweit neue Vertriebskanäle erschlossen werden.

Brutkasten Earth nimmt die jüngste Übernahme von Planetly durch OneTrust zum Anlass und hat bei Mathias Ockenfels, General Partner bei Speedinvest, nachgefragt, was wir von diesem Exit für den ClimateTech-Markt lernen können – Speedinvest war der erste institutionelle Investor von Planetly. In Branchenkreisen wird nämlich vielfach bereits von einer bevorstehenden Konsolidierung des ClimateTech-Sektors gesprochen.


War der rasche Exit von Planetly an OneTrust überraschend?

Als Investoren sind wir natürlich davon weniger überrascht als die breite Öffentlichkeit. Ich glaube aber, dass der Exit sehr schön zeigt, welche Bedeutung das Thema über die letzten zwei Jahre gewonnen hat. Derartige technologischen Lösungen stehen aktuell sehr hoch auf der Agenda von größeren Softwareunternehmen. Viele am Markt hatten ein enormes Interesse an Planetly, was sich schlussendlich auch in den Angeboten niedergeschlagen hat.

Wie ging der Exit von Planetly an OneTrust im Details über die Bühne?

Wir haben nicht verkauft oder sind komplett ausgestiegen, sondern haben uns, wie 80 Prozent der anderen Gesellschafter dazu entscheiden, unsere Anteile von Planetly in Anteile von OneTrust zu swapen. Wir hätten uns das Cash nehmen können, fanden es aber eine sehr interessante Option, weiter daran zu bleiben und von dem Thema in einem viel größeren Setup zu profitieren. Als Speedinvest haben wir sogar zusätzlich noch in OneTrust investiert.

Was wird sich durch den Exit nun ändern?

Wir selbst als Speedinvest sind Planetly Kunde, daran wird sich auch nichts ändern. Zudem wird OneTrust mit Planetly auch nach Österreich expandieren. Da Planetly nun in OneTrust integriert ist, werden es noch mehr Anwender nutzen. Nun bekommt man alles aus einer Hand, sei es ESG, Privacy-Data oder dergleichen. Das war auch die große Opportunity, dass Planetly für sein Produkt nun an alle bestehenden OneTrust-Kunden ein Upselling betreiben kann. Zudem wird auch die Marke bestehen bleiben.

Generell gilt, dass OneTrust selbst noch relativ jung ist, aber extrem schnell zu einer relevanten Größe in der Branche wurde. Zudem hat OneTrust trotz des Wachstums den Startup-Vibe beibehalten. Das war auch einer der Gründe, warum sie mit uns zusammenarbeiten wollten.

Wie bewertest du den Markt aktuell?

Einer der Gründe warum OneTrust Planetly und keinen anderen Player am Markt gekauft hat, war, dass Planetly am weitesten entwickelt am Markt ist und so einen First Mover Advantage hatte. Wenn man sich die Player am Markt ansieht, dann steht Planetly in Bezug auf das Produkt sicherlich ganz oben. Die Firma ist erst zweieinhalb Jahre alt und hat mittlerweile über 100 Mitarbeiter.

Obgleich der ganze Markt noch sehr jung ist, wird es zu einer Konsolidierung kommen. Auch andere Player, wie beispielsweise SAP, die Enterprise-Software anbieten, werden über kurz oder lang derartige Lösungen integrieren müssen, sofern sie den ESG-Bereich abdecken wollen. Um Carbon-Accounting betreiben zu können, werden beispielsweise auch Daten aus der Buchhaltungssoftware angezapft.

Bietet der Markt Platz für mehrere Anbieter am Markt?

Es kommt darauf an. Wenn wir über die Offsetting-Seite des Produkts sprechen, gibt es hier sicherlich “The Winner Takes It Most” Dynamiken. Wenn wir wir uns hingegen das SaaS-Produkt Carbon-Accounting ansehen, kommen derartige Dynamiken vielleicht weniger zum Tragen.

Warum hat ein US-Unternehmen und kein europäischer Anbieter Planetly gekauft?

Jedem anderen europäischen Softwareunternehmen wäre es frei gestanden, Planetly zu kaufen. Die europäischen Player am Markt waren vielleicht zu wenig agil oder bereit die Preise dafür zu zahlen. Als Investoren denken wir schlussendlich global. Nehmen wir das Beispiel OneTrust. Die Firma hat die Hälfte seiner Kunden in Europa. Am Ende ist die Klimakrise auch ein globales Problem, das globale Lösungen erfordert.

Wie bewertest du den Boom im ClimateTech-Sektor?

Wir haben in Planetly vor zirka zwei Jahren investiert, da stand das Thema noch nicht so auf der Agenda. Dann kam die Coronakrise und die Leute hatten andere Probleme. Hier mussten wir die Klimakrise erstmals hinten anstellen. Wir haben als Speedinvest aber weiter konsequent das Thema verfolgt. Als sich nach einem ersten Schock alle wieder sortiert haben, ist die Thematik natürlich wieder höher auf die Agenda gekommen. Aktuell erleben wir einen richtigen Boom rund um das ganze Thema ClimateTech. Wir haben einige Investments in diesem Bereich gemacht und haben erst unlängst den Climate & Industry Opportunity-Fonds in der Höhe von 80 Millionen Euro gelauncht.

Wo siehst du aktuell im ClimateTech-Bereich viel Potential?

Das Klimathema ist für alle Branchenbereiche relevant geworden – sowohl im B2B aber auch auch B2C-Bereich. Ein Feld, wo es meiner Meinung nach viel Potential zur Optimierung gibt, ist sicherlich die Logistik – nicht zuletzt aufgrund der Lieferkettenprobleme. Aber auch im Bereich der Mobilität gibt es enormes Potential. Hier stehen insbesondere Sharing-Modelle im Fokus und Lösungen, die sich rund um das Thema “Mieten vs. Besitzen” drehen.


Tipp der Redaktion:

Im März 2021 war Anna Alex zu Gast bei “One Change a Week” und erläuterte, wie die Lösung von Planetly im Details funktioniert.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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