03.07.2025
FTI

Claudia Felser: „Das Potenzial erkennt man häufig erst beim Patentieren“

Interview. Claudia Felser erhielt Anfang Juni den renommierten L’Oréal-UNESCO-Preis „For Women in Science“ 2025. Brutkasten hat die deutsche Materialwissenschaftlerin im UNESCO-Hauptquartier in Paris noch vor der feierlichen Verleihung zum Gespräch getroffen. Im Interview verrät die Pionierin der topologischen Quantenchemie, warum Europa mehr Risikofreude braucht.
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Foto: Fondation L’Oréal

Claudia Felsers Karriere liest sich wie ein Lehrbuch wissenschaftlicher Pionierarbeit: Als Direktorin am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden hat sie die „topologische Quantenchemie“ begründet, neuartige magnetische Heusler-Verbindungen entdeckt und Patente etwa an IBM und Hitachi lizenziert – Materialien, die in ihrer künftigen Anwendung von Hochleistungs-Datenspeichern bis zu klimafreundlichen Energietechnologien reichen. Ihre Arbeit verbindet Chemie, Physik und Mathematik zu greifbaren Lösungen und zeigt, wie Grundlagenforschung zum Innovationsmotor werden kann.

Im UNESCO-Hauptquartier in Paris traf brutkasten die deutsche Materialwissenschaftlerin, die Anfang Juni als europäische Preisträgerin des L’Oréal-UNESCO For Women in Science International Awards ausgezeichnet wurde. Damit ist Felser erst die dritte Forscherin aus Deutschland, der diese seit 1998 vergebene Ehrung zuteil wird – ein Preis, der Forschungsexzellenz ebenso wie den Einsatz für Diversität und Inklusion sichtbar macht.

Im Interview spricht sie über Chancen und Hürden auf dem Weg von der Idee zum Industrieprodukt, über fehlende Inkubatoren in Europa und darüber, warum Mut zum Risiko nicht nur in Startups, sondern auch in der Forschungskultur verankert sein sollte.


brutkasten: Was bedeutet der L’Oréal-UNESCO-Preis For Women in Science für Sie selbst und für die Sichtbarkeit von Frauen in der Wissenschaft? 

Claudia Felser: Der Preis ist eine große Ehre mit hoher internationaler Sichtbarkeit. Die Kombination aus L’Oréal Fondation, UNESCO und Science ist bemerkenswert, ja vermutlich einzigartig. L’Oréal zeigt hier seit über 27 Jahren ein beeindruckendes langfristiges Engagement für wissenschaftliche Exzellenz. Als Kosmetikweltmarktführer gibt uns L‘Oréal im wahrsten Sinne eine Bühne – und ist es nicht toll zu sehen, dass wir Frauen in der Wissenschaft auch schön sein dürfen, wir gar nicht die vermeintlichen Nerds sind? UNESCO wiederum steht für Inklusion, was ein ganz starker Wert ist. Diese Kombination unterscheidet sich von einem traditionellen Wissenschaftspreis, der sich nur auf die Forschung beschränkt.

Sie betreiben Grundlagenforschung, arbeiten aber auch an der Anwendung neuer magnetischer Materialien. Wenn man diese Materialien in Produkte überführt: Wie weit ist man hier schon?

Claudia Felser: Wir haben bereits Kooperationen durchgeführt. Bei den magnetischen Materialien haben wir Patente an IBM verkauft; die Patente gingen weiter an Hitachi oder Western Digital. Wir haben also mit der Industrie zusammengearbeitet. Wir besitzen nun ein Material, das ein hohes Potenzial für einen neuen Hartmagneten hat. Der Weg vom Material zur Anwendung als Hartmagnet bleibt jedoch eine Herausforderung. Das ist das europäische Problem: Es fehlt der Inkubator. Zwar gibt es in der Max-Planck-Gesellschaft bereits Hilfen, aber es bleibt eine Herausforderung.

Sie sprechen Herausforderungen an. Um welche handelt es sich hier konkret?

Zunächst muss man überhaupt einen Demonstrator haben, und selbst dann reicht das für eine Industriekooperation oft nicht aus. Amerikanische Unternehmen sind – nach meiner Erfahrung mit IBM – viel offener, gehen den Weg schneller, bauen Kontakte auf und übernehmen selbst Themen in die Forschung. Diesen Gap müssen wir in Europa schließen. Die Europäische Union versucht es, aber es bleibt eine der großen Herausforderungen.

Was sind die Gründe dafür, dass es mit amerikanischen Partnern schneller funktioniert?

Amerikanische Unternehmen sind risikofreudiger, hiervon können wir definitiv lernen. Die Voraussetzungen sind auf jeden Fall da, in Deutschland passiert großartige Forschung! Ein Beispiel ist der Giant-Magnetoresistance-Effekt: Albert Fert und Peter Grünberg bekamen dafür den Nobelpreis, und mein Mann brachte ihn bei IBM in den USA zur Anwendung. Neben Bürokratieabbau und mehr Geld für Startups wäre es wünschenswert, dass die Industrie früher bereit ist, mit Universitäten über neue Erfindungen zu kooperieren – das gilt auch für Österreich.

Gibt es in ihrem Forschungsbereich bereits Kooperationen mit europäischen Industrieunternehmen?

Für den Hartmagneten hat sich ein Startup in Dublin gemeldet, und auch Amazon hat sich unsere Patente angesehen. Max-Planck-Innovation macht ebenfalls sehr gute Arbeit und erinnert mich ständig daran, aber wir wollen eigentlich Forschung betreiben, die Materialien untersuchen und das Potenzial zeigen. Ich möchte nicht das Engineering, neben unserer Forschung übernehmen. Entweder ich motiviere meine jungen Kolleg:innen, ein Startup zu gründen, oder wir brauchen mehr Inkubatoren. Passenderweise hat mich gerade eine Projektgruppe angesprochen, ob wir ein Spin-off gründen.

Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, um den Unternehmergeist zu stärken?

Ich halte Vorlesungen und zeige, was Max Planck zum Thema Transfer bereits bietet. ETH, TUM und auch die Universität Wien haben Inkubatoren und Institutionen, die von der Erfindung zum Unternehmen helfen. Meist sitzen diese Einrichtungen woanders als die Forscher. Dieses Zusammenbringen ist wichtig. Forscher:innen kennen oft nicht die Ansprechpartner:innen; diese Brücke versuche ich mit Informationsveranstaltungen zu schlagen. Nicht jeder, der für den Transfer zuständig ist, kann zufällig ins Labor der Forscher:innen gehen und schauen, was man gebrauchen kann. Man erkennt das Potenzial häufig erst beim Patentieren. Wir patentieren viel sobald die potenzielle Anwendung sichtbar ist – oft melden wir auch in den USA an. Man muss Patente weiterhin aktiv fördern.

Gibt es regulatorische Hemmnisse in Europa, um Innovationen in die Skalierung zu bringen?

Ich bin für das Munich Quantum Valley mitverantwortlich. Ein Quantencomputer ist nicht nur ein Device, sondern ein kompletter Stack aus Hardware, Software und Elektronik. Diese Koordination gelingt manchen Ländern oder Organisationen gut. Es gibt eine Ausschreibung bis zur Pilot-Line, auch für Quanten. Bis zu einem Computer, den Industrieunternehmen nutzen können, ist es aber eine große Herausforderung. Dennoch sehe ich gute Konzepte und Ansätze in Europa.

Welche Empfehlungen geben Sie Forschenden, die ein Startup gründen wollen?

Sie sollten sich die bereits vorhandenen Unterstützungsangebote an ihren Universitäten genau ansehen. In Deutschland gibt es zum Beispiel die SprinD-Initiative des Bundesministeriums, die Startups findet und finanziell unterstützt. Max Planck hat eigene Programme, und SprinD investiert größere Summen. Vergleichbares dürfte es in Österreich geben. Diese Initiativen bringen Gründer:innen mit den richtigen Mentor:innen und Netzwerken zusammen. Bei Startups ist die Genderlücke noch größer als an Universitäten, dort liegt viel ungenutztes Potenzial.

In Österreich wird diskutiert, dass Universitäten mit ihrem IP am Cap-Table sitzen und dadurch VC-Investoren zögern. Wie nehmen Sie das wahr?

Alle versuchen, die Situation zu verbessern. Im Munich Quantum Valley sehe ich, dass Bayern vorbildlich Bürokratie abbaut. Die Politik ist offen fürs Lernen, und das erwarte ich auch von der neuen Bundesregierung in Deutschland.


*Disclaimer: Die Reisekosten wurden von L’Oréal übernommen.

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Wer sich mit der heimischen Innovationslandschaft beschäftigt, stößt immer wieder auf denselben Befund: Österreich ist sehr stark in der Forschung, in der Überführung von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft gibt es aber einiges an Luft nach oben.

Innovationsminister Peter Hanke (SPÖ) stimmt in einer Aussendung in dieses Mantra ein: „Forschung, Technologie und Innovation sind die Zugpferde für einen nachhaltig attraktiven Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. Doch Forschung ist kein Selbstzweck, sondern muss das Ziel haben praktische und marktfähige Lösungen zu entwickeln.“

Zusammenlegung zwei bisheriger Frontrunner-Programme soll Doppelstrukturen beseitigen

Genau hier setze ein mit „Frontrunner“ betiteltes neues Förderformat der FFG (Forschungsförderungsgesellschaft) an, meint der Minister. Dieses helfe mit, Schlüsseltechnologien in die Anwendung zu bringen. Dazu wurden die bisher getrennt geführten FFG-Programme „Green Frontrunner“ und „Transformative Frontrunner“ zusammengelegt. „Dadurch werden Doppelstrukturen beseitigt und der Zugang für Unternehmen klarer und einfacher gestaltet“, heißt es von der FFG.

Zudem wurde der Barwert erhöht und die Projektdauer auf bis zu drei Jahre verlängert. Die beiden FFG-Geschäftsführerinnen Henrietta Egerth und Karin Tausz meinen überdies, „eine starke inhaltliche Öffnung und spezielle Förderkonditionen“ würden das Programm besonders attraktiv machen.

Scaleups hervorgehoben

Konkret adressiert Frontrunner drei zentrale Gruppen: Marktführer, die ihre technologische Spitzenposition absichern wollen; Unternehmen, die neue Marktsegmente erschließen möchten; und Betriebe mit dem Ziel, Technologieführer in ihrem Bereich zu werden. „Damit unterstützt Österreich nicht nur etablierte Schlüsselakteure, sondern fördert auch gezielt den Aufstieg neuer Innovationsführer“, heißt es von der FFG. Auf der offiziellen Ausschreibungs-Page zum Programm werden innerhalb der KMU Scaleups als besondere Zielgruppe hervorgehoben.

Auf der Programmpage heißt es zudem zum technologischen Fokus: „Frontrunner-Projekte beschäftigen sich beispielsweise mit alternativen Energieformen und Antriebsformen, Einsatz von Sekundärrohstoffen, digitaler Transformation, Digitalisierung im Gesundheitsbereich, Erhöhung der Resilienz der Produktion. Ein spezielles Augenmerk liegt auf den österreichischen Stärkefeldern Automotive, Halbleiter und Life Sciences.“

„Wer heute in Schlüsseltechnologien von morgen investiert, sichert den Wohlstand von übermorgen“

„Mit der ‚Frontrunner‘-Förderung schaffen wir gezielt Anreize für Unternehmen, in technologiegetriebene Innovationen zu investieren – und stärken damit Österreichs Position im globalen Wettbewerb“, kommentiert Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, „Wer heute in Schlüsseltechnologien von morgen investiert, sichert den Wohlstand von übermorgen.“

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