21.11.2017

CIOs unter sich: Von der Schwierigkeit, an DeveloperInnen zu kommen

WeAreDevelopers versammelte fünf österreichsiche CIOs zu einem Roundtabel, bei dem es um das Recruiting von Developern und den Frauenmangel im IT-Bereich ging.
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(c) WeAreDevelopers: CIOs am Roundtable

“Was wollen Developer eigentlich?” – diese Frage wirft Ben Ruschin von WeAreDevelopers in den Raum. Er sitzt an einem Tisch mit den CIOs bzw. Tech-Verantwortlichen von willhaben, Paysafecard, SKIDATA, Emarsys und Dynatrace. Ruschin fragt nicht ins Blaue hinein. Mit WeAreDevelopers bietet er selbst ein Recruiting-Service im hochqualifizierten Tech-Bereich an. Zuletzt lieferte das Wiener Netzwerk auch eine eigene Studie zu dem Thema für Österreich und den CEE-Raum. Ruschins Befund zur Situation ist nahezu vernichtend: “Wir sehen, dass es bei 95 Prozent der Unternehmen einen riesigen Aufholbedarf gibt”. Denn Recruiting würde über HR-Abteilungen betrieben, die überhaupt nicht für das Hiring von IT-Fachkräften qualifiziert seien.

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Ausgangslage: 5000 offene IT-Stellen

Immer wieder insistiert Ruschin daher im Laufe der dreistündigen Roundtable-Diskussion auf einer Frage: “Was machen Sie in ihrem Unternehmen für Developer?”. Denn die Statistik spricht eine klare Sprache: Rund 5000 offene IT-Fachkraft-Stellen gibt es momentan in Österreich. Da muss man sich schon bemühen. Der Klage über den großen Arbeitskräfte-Mangel will man sich in der Runde nur bedingt anschließen. Und doch fällt schon einmal eine Aussage wie: “Österreich wäre ja ein super Standort, wenn wir genug Leute hätten”. Lieber redet man freilich über die eigenen Bemühungen im Recruiting.

“Wir haben uns da mit dem Landeshauptmann zusammengesetzt und jetzt funktioniert es mit Wartezeiten von sechs bis acht Wochen.”

Developer aus dem Ausland

Eine große Frage ist etwa, wie man Developer aus dem Ausland rekrutiert. “Bei uns suchen wir sehr stark in Osteuropa”, sagt Michael Wagner-Kulovits von Emarsys und eröffnet damit einen Erfahrungsaustausch. “Innerhalb der EU geht es hervorragend, außerhalb, mit Rot-Weiß-Rot-Card, geht es gar nicht. Das haben wir wieder aufgegeben”, sagt Gerhard Gaugusch von Paysafecard. Frank Lorenz von SKIDATA kann ihm nicht zustimmen: “Wir haben uns da mit dem Landeshauptmann zusammengesetzt und jetzt funktioniert es mit Wartezeiten von sechs bis acht Wochen.”

Bildungssystem als Barriere für Zuwanderer

Und dennoch: Relocation werde zusehends zum Problem. “Früher habe ich immer Leute gefunden, die eine Zeit lang ins Ausland gehen. Jetzt muss ich sie jagen”, erzählt Lorenz. Und in Österreich gäbe es auch für hochqualifizierte Zuwanderer ein Problem mit dem Bildungssystem, fügt Gaugusch hinzu. “Die Eltern sind beide Akademiker , aber die Kinder werden aufgrund der Sprachbarriere nicht ins Gymnasium gelassen. Dann ist es für die Eltern natürlich der falsche Standort.” Wagner-Kulovits erzählt aus seiner Erfahrung: “Sie bekommen ja häufig nicht einmal einen Kindergartenplatz”.

Diversity passt, Frauenanteil nicht

Trotz aller Hürden sind alle in der Runde prinzipiell mit ihrer Diversity-Statistik zufrieden, gäbe es da nicht ein riesiges Problem. “Wir haben ein unglaublich vielseitiges Team was Herkunft und auch sexuelle Orientierung angeht. Bloß unser Frauen-Anteil ist noch deutlich zu niedrig”, sagt Gaugusch. Ruschin liefert die passende Statistik: Sechs Prozent Frauen sind es insgesamt unter den Developern. Das Problem, da sind sich alle einig, müsse schon in einer frühen Lebensphase angegangen werden. “Wir müssen uns fragen: Was können wir als Gesellschaft machen, um bei Mädchen Interesse zu wecken?”, sagt Thomas Pfeiffer von willhaben. Alois Reitbauer von Dynatrace sieht auch Möglichkeiten abseits des Coding: “In anderen Bereichen wie Design und hochqualifizierter Support ist der Frauenanteil deutlich höher. Wir müssen die Sparte insgesamt attraktiver machen”.

“Wir sehen eindeutig, dass Teams mit Frauen besser arbeiten.”

“Nicht nur Gallionsfiguren, die immer nach vorne rennen”

Ein Selbstzweck soll die Steigerung des Frauenanteils jedenfalls nicht sein, ist man sich in der Männerrunde (Ruschin: “Weibliche CIOs muss man schon international suchen.”) einig. “Wir sehen eindeutig, dass Teams mit Frauen besser arbeiten. Auch auf Führungsebene haben wir festgestellt, dass es nicht passt, wenn man nur Gallionsfiguren hat, die immer nach vorne rennen. Man braucht auch Leute, die sich um das soziale Gefüge kümmern”, sagt Gaugusch. “Bei uns war die Führungsebene ja eine Zeit lang weiblich dominiert und es hat hervorragend funktioniert”, erzählt Pfeiffer. Lorenz ist skeptisch: “Wenn es in der gesamten Firma einen Frauenanteil von sechs Prozent gibt, in der Führungsebene aber einen von 50 Prozent, dann ist das ein massives Ungleichgewicht. Wir brauchen eine Lösung für die gesamte Industrie”.

Ansatz im Volksschulalter

Und diese Lösung soll aus dem Bildungsbereich kommen. Denn: “Ich glaube nicht, dass wir die Erwachsenen ändern können. Wir müssen uns auf die Jungen fokussieren”, sagt Wagner Kulovits. Ein Fach “Technische Gestaltung” bereits in der Volksschule wäre eine Möglichkeit. Gaugusch sieht es offener: “Es muss ja bei den Kindern noch nicht direkt ums Coden gehen. Es braucht einfach Modellbildung und selbstorganisiertes Lernen als Grundlage für später”. Auch für Lorenz müssen die 9-jährigen noch nicht unbedingt Programmieren lernen: “Man kann hier mit Naturwissenschaften und Mathematik bereits Akzente setzen.”

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Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic

Dieser Artikel ist im Dezember 2024 in der Jubiläumsausgabe des brutkasten-Printmagazins – “Wegbereiter” – erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Es gibt bekanntlich für alles ein erstes Mal – und in einem Startup gibt es diese ersten Male noch ein bisschen häufiger. Gründet man ein Medien-Startup, das sich mit Startups beschäftigt, sollte man etwa erst einmal die bekannten Gesichter der Startup-Szene kennenlernen. Aber wie?

“Am Anfang, als ich das Ganze begonnen habe und es mich so fasziniert hat, habe ich erst einmal versucht herauszufinden, wie ich Andreas Tschas (Anm.: damals Gründer und CEO Pioneers Festival) kennenlernen kann. Das war für mich so, als ob ich es schaffen muss, einen Superstar kennenzulernen”, erzählt brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic. “Auch Hansi Hansmann war für mich weit weg und unerreichbar.” Schließlich schaffte er es bekanntlich, und nach Tschas vor ein paar Jahren ziert nun Hansmann das aktuelle brutkasten-Cover.

Ein besonderer allererster Live stream

Leichter – vielleicht sogar etwas zu leicht – fiel es Redakteur Martin Pacher anfangs, an so richtig bekannte Persönlichkeiten zu kommen. “Es war Anfang 2019; ich war gerade erst zwei Wochen in meiner fixen Position bei brutkasten und hatte noch nie einen Video-Talk moderiert”, erzählt Pacher. “Und dann hat es sich ergeben, dass Dejan kurzfristig die Moderation eines sehr hochkarätig besetzten Livestream-Interviews nicht machen konnte, und ich war der Einzige, der Zeit hatte, einzuspringen.”

Die Gesprächspartner:innen für Pachers allererstes Video-Interview waren keine Geringeren als die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, der damalige Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, Business-Angel-Legende Hansi Hansmann und “Future Law”-Gründerin Sophie Martinetz; natürlich alles in einem Take und live in den Social-Media-Kanälen von brutkasten.

Martin Pachers (l.) erster Live-Video-Talk mit (vlnr.) Ewald Nowotny, Margarete Schramböck, Hansi Hansmann und Sophie Martinetz | (c) brutkasten

“Ich habe eigentlich immer den Ansatz, zu sagen: ‘Ja, mach’s einfach!’ – auch wenn es wenig Vorbereitungszeit gibt und man ins kalte Wasser springen muss“, erzählt der Redakteur. In der Situation sei er dann aber doch sehr aufgeregt gewesen. “Haris, unser damaliger Head of Video, hat mir dann positiv zugeredet. Er hat mich schön in Szene gesetzt, die Lichter eingeschaltet und heruntergezählt: ‘3, 2, 1, go!’ Und ja, dann kam es zu meiner ersten Anmoderation. Die hätte ich rückblickend betrachtet vielleicht noch ein bisschen flüssiger machen können“, räumt Pacher ein.

Es sollten noch Dutzende weitere Video-Interviews werden – “ich weiß nicht, wie viele Video-Talks ich in all der Zeit moderiert habe, aber es ist definitiv im dreistelligen Bereich!”, so Pacher. Unter seinen Interviewpartnern waren Leute wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Formel-1-Legende Jean Todt. Letzterer habe mitten im Interview sein Handy abgehoben und zu telefonieren begonnen, erzählt der Redakteur. “Das hat mich dann doch ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Aber es ist dann alles gut gegangen und wir konnten die Aufnahme fortführen, nachdem Todt dann noch einen großen Schluck Kaffee genommen hatte.”

Martin Pacher im Gespräch mit Jean Todt | (c) brutkasten

Exit während der Weihnachtsfeier

Manchmal hat man den Kontakt zu den wichtigen Persönlichkeiten schon erfolgreich hergestellt, und dann kommen einem aber andere Hindernisse in die Quere, weiß Redakteur Momcilo Nikolic. Er hatte bei KI-Koryphäe Sepp Hochreiter um ein Interview angefragt – “und er hat sich auch gemeldet. Es war der erste Schultag meines Sohns und wir sind gemeinsam mit anderen Eltern vor der Schule gestanden. Da ruft Hochreiter an und sagt, er hätte jetzt ein paar Minuten Zeit”, erzählt Nikolic. Und dann? “Ich habe festgestellt: Auch das geht. Ich bin kurz auf die Seite gegangen, habe inmitten von nervösen Eltern auf der Straße ein komplexes Interview über KI geführt und war glücklicherweise rechtzeitig wieder fertig.”

Generell ist Nikolic der Mann für solche Fälle bei brutkasten. “2021 hatten wir – noch coronabedingt – eine Remote-Weihnachtsfeier. Kurz nach neun Uhr abends kam die Meldung zum Durchblicker-Exit; einer der größten Exits der österreichischen Startup-Geschichte. Ich habe mir ein Glas Whiskey gegönnt und das runtergetippt”, erzählt der Redakteur.

Die legendäre “gemischte Platte”

Ein halbes Jahr später war die Coronazeit halbwegs überwunden, das brutkasten-Sommerfest konnte in Präsenz stattfinden – und eine brutkasten-Tradition wurde eingeführt, wie sich Conny Wriesnig, Lead Media Consulting und Begründerin dieser Tradition, erinnert: “Damals ist die ‘gemischte Platte’ entstanden.“ Dabei handelt es sich um ein Tablett mit unterschiedlichsten alkoholischen Getränken bzw. Shots – first come, first serve. “Das war praktisch eine neue Sales-Taktik: Erst wollten ein paar Leute nichts trinken, dann habe ich die gemischte Platte gepitcht, und zack: Auf einmal hatte jeder ein Getränk in der Hand”, erzählt Wriesnig.

Gemischte Platte bei der brutkasten-Weihnachtsfeier 2023 | (c) brutkasten

“Mein Highlight war aber am nächsten Morgen: Wir haben alle fast durchgefeiert und höchstens drei Stunden geschlafen und hatten gleich um neun ein Meeting. Dort hat Dejan erzählt: Als seine Frau ihn gefragt hat, was er frühstücken will, hat er instinktiv gesagt: ‘Eine gemischte Platte’. Ab dem Moment wusste ich: Es wird keine Feier mehr ohne die gemischte Platte geben!”. Und tatsächlich sollte das nicht die einzige Anekdote mit Beitrag des besonderen Getränketabletts bleiben.

Folgenreiche Aprilscherze

An dieser Stelle sollte betont werden, dass man es bei brutkasten auch ohne Alkohol lustig haben kann, etwa am 1. April, wie Aprilscherz-und-Weihnachtslied-Beauftragter Dominik Perlaki, Autor dieser Zeilen, weiß. “Der ‘Standard’ ist einmal auf einen meiner Aprilscherz-Artikel hereingefallen und hat den Inhalt zwei Tage später in einem ernst gemeinten Beitrag verarbeitet. Hansi Hansmann, um den es ging, fand das dann leider nicht mehr so lustig”, erzählt Perlaki.

“Ich habe im Laufe der Jahre die brutkasten-Wochenzeitung ‘im Kasten’ erfunden und Sebastian Kurz zum ‘2 Minuten 2 Millionen’-Investor gemacht. Mein Highlight war aber ein Scherz, den hiMoment-Gründer Christoph Schnedlitz, der damals im Büro im weXelerate ein paar Meter entfernt saß, mit mir umsetzte.” Schnedlitz, der sich stets sehr skeptisch zum Konsum sozialer Medien äußerte, wurde im Aprilscherz-Artikel ein 100-Millionen-Euro-Exit an Facebook angedichtet. „Kurze Zeit später hat mir Christoph erzählt, dass es richtig anstrengend für ihn wurde: Sein Steuerberater hat ihn gefragt, wie er so etwas machen kann, ohne es mit ihm zu besprechen, und noch Wochen später haben sich regelmäßig Leute bei ihm gemeldet, mit denen er ewig keinen Kontakt hatte, um zu fragen, wie es ihm denn so geht.“

Titelbild zum HiMoment-Exit-Aprilscherz mit Christoph Schnedlitz | (c) brutkasten

Im Railjet erkannt werden

Mit Prominenz muss man eben umgehen können. Dazu kann auch Dejan Jovicevic etwas erzählen: “Ich bin einmal im Railjet gesessen und bei der Fahrscheinkontrolle kommt die Schaffnerin zu mir und sagt: ‘Du bist doch Dejan vom brutkasten!’ Ich dachte: ‘Jetzt bin ich schon so bekannt, dass mich alle kennen!’ Aber es stellte sich heraus: Sie war ÖBB-Vorständin und quasi undercover unterwegs – und hatte mich kurz zuvor bei einem Event gesehen.”

Zumindest für eine Zeit lang in Erinnerung geblieben dürfte auch Dominik Perlaki einmal einigen Event-Teilnehmern sein, wie er erzählt: “Es war AustrianStartups-Stammtisch im später leider geschlossenen Wiener Coworkingspace sektor5; Stargast war der damalige Kanzler Christian Kern.” Am Ende des Programms habe Moderator Daniel Cronin gesagt, Kern könne nur mehr eine Frage aus dem Publikum beantworten, bevor er gehen müsse. “Und Cronin erklärte, die Frage dürfe derjenige stellen, der auf drei am höchsten hüpft und am lautesten schreit. In einem gestopft vollen Raum mit mehreren Hundert Leuten war ich der Einzige, der gehüpft ist und geschrien hat – und zwar ziemlich hoch und laut”, erzählt Perlaki. An die Frage könne er sich aber nicht mehr erinnern.

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