13.12.2018

Christoph Richter: “Die legalen CBD-Produkte am Markt werden verboten”

Interview. Ein Erlass von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein richtet sich gegen die Nutzung des Cannabis-Inhaltsstoffs CBD in Lebensmitteln. Christoph Richter, Serial Entrepreneur und CEO des Wiener CBD-Startups Blattgold sprach mit uns über die Konsequenzen für sein Unternehmen.
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Blattgold CEO Christoph Richter
(c) der brutkasten / Dominik Perlaki: Blattgold CEO Christoph Richter

Die CBD-Branche in Österreich ist noch sehr jung und erlebte in den vergangenen Monaten einen regelrechten Boom. Der Cannabis-Inhaltsstoff CBD, der im Gegensatz zu THC keine psychoaktive Wirkung hat, wird unter anderem ergänzend bei Schmerztherapien angewendet. Im Alltag soll er entspannend wirken. Seit Kurzem ist auch das Wiener Startup Blattgold mit einem CBD-Öl – CBDrops – am Markt. Auf sich aufmerksam machte das von Serial Entrepreneur Christoph Richter mitgegründete Unternehmen unter anderem mit einer “Cannabis-Pizza”. Ein Erlass von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein will der Nutzung von CBD in Lebensmitteln nun der Riegel vorschieben. Wir sprachen mit Richter über die Auswirkungen auf sein Startup.

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Trifft Blattgold der neue CBD-Erlass von Gesundheitsministerin Hartinger-Klein?

So wie er ausgelegt wird auf jeden Fall. Laut EU-Verordnung darf CBD-Öl ja einen maximalen CBD-Anteil von drei Prozent haben. Deswegen haben wir es auch von Beginn an genau so designt. Unsere Erwartung war, dass das im Zuge einer nationalen Regulierung auch gesetzlich so verankert wird. Im Moment sind ja noch sehr viele verschiedene Qualitäten am Markt vorhanden – nicht nur kontrollierte, hochwertige Produkte. Mit dem neuen Erlass wird die EU-Verordnung sehr “interessant” ausgelegt. Konkret darf jetzt auch das im Zuge der Produktion genutzte Öl, das mittels “CO2-Extraktion” hergestellt wird  – die Ausgangsbasis für unser Produkt – nicht mehr mehr als drei Prozent CBD enthalten. Damit ist unser Produkt aktuell nicht mehr zugelassen.

“Es wird einmal schikaniert, anstatt zu überlegen, wie man zusammenarbeiten kann.”

Dabei haben wir gerade die erste Produktion von Nüssen fertig, die mit unserem CBD-Öl versetzt sind. Wir arbeiten gerade auch an Mehlspeisen und einem Fertig-Smoothie-Produkt. Es wäre sehr schade, das alles nicht weiter verfolgen zu dürfen.

Müsst ihr dann diese bereits produzierten Produkte einstanzen?

Nein, nach Deutschland liefern (lacht). Es ist sehr schade für den Standort Österreich. Man sagt, man will Innovatives und Neues ermöglichen und dann wird genau dem ein Riegel vorgeschoben. Es wird einmal schikaniert, anstatt zu überlegen, wie man zusammenarbeiten kann. Soweit wir informiert sind gab es im Vorfeld des Erlasses keinerlei Diskurs mit den Cannabis-Firmen, um zu eruieren, welche Maßnahmen sinnvoll wären. Geredet wurde scheinbar nur mit anderen Stellen, die andere Ideen verfolgen.

Was sind diese anderen Stellen?

Da kann man nur raten, wer ein Interesse daran hat, dass alle natürlichen Cannabis-Produkte verboten sind.

Video-Talk mit Christoph Richter zur Blattgold-“Cannabis-Pizza”

Live aus Regina Margherita

Live-Talk mit Barbaro Luigi aus der Unternehmerfamilie Barbaro (Regina Margherita, Trattoria Martinelli) und Christoph Richter, dem CEO von Blattgold, über die neue "CBD-Pizza" Blattgold, das Familienunternehmen Barbaro uvm.

Gepostet von DerBrutkasten am Dienstag, 16. Oktober 2018

Um die Auslegung welcher Gesetze geht es beim Erlass genau?

Es gibt eine EU-Verordnung zu Novel Food und eine zu Nutzhanf und es geht um ein Zusammenspiel der beiden. Sie werden jetzt eben anders ausgelegt, als wir es erwartet hätten, mit dem Effekt, dass alle legalen Produkte, die am Markt sind, damit verboten werden. Das ist sehr schade, weil das größte Schlupfloch der illegalen Produkte am Markt zugleich nicht geschlossen wird. Es werden auch CBD-Öle formell für Duftlampen verkauft und mit “nicht zum Verzehr geeignet” gelabelt.

…und die sind aber tatsächlich für den Verzehr gedacht?

Wer kauft sich für seine Duftlampe ein 80 Euro-Öl? Die Hersteller wissen natürlich genau, was tatsächlich damit gemacht wird. Die Regierung hätte die Chance gehabt, dieses Gesetz klar zu verbessern und endlich die Qualität für CBD-Lebensmittel und damit für die KundInnen sicherzustellen. Sie hat sich stattdessen dafür entschieden, allen Firmen, die versuchen ein legales Produkt herzustellen, die Möglichkeiten der Produktion zu verbieten. Die Produkte, die das immer schon umgangen haben, sind dagegen weiterhin erlaubt. Das Absurde ist: Wenn ich ein Patient bin, der CBD-Produkte im Zuge seiner Therapie verwenden will, ist es jetzt de facto die einzige legale Möglichkeit, die unsere Gesundheitsministerin bietet, es zu rauchen.

Ihr habt ja auch internationale Märkte am Radar. Wie sieht es außerhalb Österreichs aus? Ist es eine Option, sich unter den gegebenen Umständen ganz auf andere Märkte zu fokussieren?

Wir starten im Jänner mit den ersten Partnern in München. Dem steht auch weiterhin nichts im Wege. Wir wollen das auch recht schnell auf weitere Städte erweitern. Es stellt sich natürlich auch in den anderen europäischen Ländern die Frage, wie die EU-Gesetze ausgelegt werden. Folgen sie dem Beispiel Österreichs und behindern die Firmen, die ein legales Produkt auf den Markt bringen wollen? Oder gehen sie einen sinnvolleren Weg und machen gescheite Regelungen? Es bleibt für uns natürlich ein gewisses Risiko. Wir wollen aber jedenfalls die Internationalisierung vorantreiben.

“Das ist ein Startup. Manchmal sind es kleine, manchmal große Wege. Aber es gibt immer einen Weg vorwärts.”

CBD-Erlass Hartinger-Klein
(c) der brutkasten / Dominik Perlaki: Blattgold CEO Christoph Richter

Soweit zum Problem. Deine Consulting-Schiene heißt “Richter richtets”. Hast du auch eine Lösung für Blattgold parat?

Das hat uns jetzt natürlich ein wenig zurückgeworfen. Wir sind jetzt wieder in der Produktentwicklung und schauen, was machbar ist. Wenn es soweit ist, dass wir eine Lösung haben, werden wir das natürlich bekannt machen. Vorerst heißt es: Wieder zurück zu Forschung und Entwicklung. Wir testen, wie wir ein Nahrungsmittel sicherstellen können, das den Kriterien entspricht.

Aufgeben ist also keine Option…

Das ist ein Startup. Manchmal sind es kleine, manchmal große Wege. Aber es gibt immer einen Weg vorwärts. Derzeit sieht es jedenfalls so aus: Unser Shop ist weiterhin online, man kann weiterhin bestellen. Man kann weiterhin die Pizza im ersten Bezirk oder einen Smoothie bei den Juice Factories genießen. Wie lange das aktuell so aufrecht bleibt, können wir nicht sagen. Wir werden täglich die Entwicklung verfolgen und uns selbstverständlich an die gegeben Gesetze und Bedingungen halten, die unsere Gesundheitsministerin vorgibt.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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