18.12.2023

Holzinger: “In Krisenzeiten ist die Vogel-Strauß-Taktik immer die schlechteste Wahl”

Interview. Worauf kommt es in der Kommunikation mit Investor:innen in der Krisenzeit an? Business Angel of the Year 2023 Christiane Holzinger hat uns mehr darüber erzählt.
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Christiane Holzinger | (c) 360 Business Planner

Erst in Krisenzeiten zeigt sich, welche Gründer:innen ausreichend Leadership-Kompetenzen mitbringen und welche nicht – davon ist Business Angel of the Year 2023 Christiane Holzinger überzeugt, die bereits seit mehreren Jahren in Startups investiert. Nach ihrer Zeit als Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft ging sie im Herbst 2023 mit ihrer neuen Investment-Company G Capital an den Start. Unter anderem möchte sie damit andere Frauen zum Investieren inspirieren. (brutkasten berichtete)


Als Business Angel of the Year 2023 und Board Member von invest.austria bist du in engem Kontakt mit anderen Investor:innen in der Szene. Wie ist aktuell die Stimmung?

Die Stimmung ist sehr zwiegespalten. Es gibt noch immer gute Investitionsmöglichkeiten und gute Teams bekommen trotz der schwierigen Finanzierungslage noch immer Geld. Dennoch müssen auch die Investoren und Business Angels schauen, ob sie selbst genügend Kapital für etwaige BridgeRounds benötigen. Je mehr Beteiligungen du als Business Angel hast, desto mehr musst du überlegen, welchen Teams du jetzt aus der schwierigen Phase hilfst. Prinzipiell empfehle ich jedem Business Angel, der mit dem Investieren startet, sich genau zu überlegen, ob man genügend Kapital nicht nur für ein One-Time-Ticket, sondern auch für eine Überbrückungsfinanzierung in Krisenzeiten hat.

Wie nimmst du die Situation auf der Seite der Startups wahr?

Viele Startups rennen jetzt natürlich um die nächste Finanzierung und ihr letztes Hemd. Leider bleiben viele dabei nicht ruhig genug. Gründer:innen müssen sich insbesondere in dieser Phase allerdings in Ruhe überlegen, welche Ressourcen sie dringend brauchen und welche Ressourcen sie herunterschrauben können. Oft geht das mit Umstrukturierungen, Kosteneinsparungen und Mitarbeiterabbau einher. Das sind harte Entscheidungen, die man allerdings treffen muss. Hier geht es um klare Leadership-Kompetenzen, die ich allerdings manchmal bei Gründer:innen vermisse.

Was rätst du Gründer:innen diesbezüglich?

Wichtig ist, dass Gründer:innen auch mit anderen Personen offen über ihre Probleme sprechen. Dazu zählen auch die eigenen Shareholder. Ich bin selbst seit 2010 Unternehmerin; bei mir ist es auch nach oben und nach unten gegangen. Am meisten gelernt habe ich in den Krisen. Es ist halt mal so, dass man sich im Laufe der Unternehmerkarriere die Knie blutig schlägt oder mit dem Gesicht gegen die Tür rennt. Das ist aber auch die Zeit, wo man am kreativsten ist. Wenn ich weniger Geld zur Verfügung habe, dann muss ich zwangsläufig kreativer in der Frage sein, wie ich diese finanziellen Mittel am besten einsetze. In diesem Zusammenhang bin ich bei meinen Startups oft als kritische Investorin verschrien, aber ich glaube, nur so kann man auch etwas lernen.

Wie schätzt du aktuell die Bewertungen von Startups ein?

In den letzten Jahren hatten wir natürlich teilweise abstruse Bewertungen. Der Markt war überhitzt und ich glaube, dass es nun einen etwas vernünftigeren Ansatz gibt. Was ich allerdings nicht in Ordnung finde, ist, wenn Startups aus einer Panikentscheidung heraus die Bewertung komplett runterschrauben. Das ist nicht Sinn und Zweck der Übung. Generell merke ich aber ein überlegteres Investieren in der Szene.

Niedrige Bewertungen sind für Investor:innen in der Regel ein Vorteil. Sind die Zeiten für Business Angels einfacher geworden?

In guten Zeiten performen viele Teams gut, das heißt aber nicht, dass auch jeder in schlechten Zeiten gut performt. Das war ein großes Learning für mich, und das nehme ich auch mit für die künftige Auswahl meiner Startups. Ich glaube, dass es das Thema schon vorher gegeben hat, nur wurde nie darüber gesprochen. Aber auch auf der Seite der Investoren sieht man derzeit, wer die guten Co-Investoren sind und mit wem man durch Krisen gehen kann; wer immer abhebt. Ich glaube daher nicht, dass die Zeit für Business Angels einfacher geworden ist. Es ist aber auch eine Phase in meiner Karriere als Investorin, wo ich am meisten lerne. Solche Zeiten finde ich einfach spannender, auch wenn es natürlich manchmal wehtut. Lifelong Learning gehört aber zu meiner Persönlichkeit dazu.

Was gibst du Gründer:innen mit, die erst seit Kurzem in dieser schwierigen Situation sind, vor allem auch in der Kommunikation mit Investoren?

Ich bin immer für offene Kommunikation und ich glaube, dass man Überforderung besser früher als später kommuniziert. In Krisenzeiten ist VogelStrauß-Taktik, also den Kopf in den Sand zu stecken, immer die schlechteste Wahl. Gründer:innen in einer derartigen Situation sollten sich anderen in ihrem Umfeld anvertrauen; dazu zählen auch die Gesellschafter. Als Gründer und Geschäftsführer hat man nicht nur eine rechtliche Verantwortung im Sinne der Konkursverschleppung zu tragen, sondern auch eine Verpflichtung den Gläubigern gegenüber.

Wenn es um Engpässe geht, muss man das früh genug aufzeigen. Es zeugt von Leadership, zu sagen: „Da weiß ich jetzt nicht weiter, kann mir jemand zur Seite stehen?“ Auch das Zuziehen von Vertrauenspersonen oder externen Beratern kann hilfreich sein. Schließlich geht es auch um die Gesundheit und die physische Belastung, die oftmals außer Acht gelassen wird. Im schlimmsten Fall können die betroffenen Personen nicht mehr schlafen, machen nicht ausreichend Sport, essen vielleicht nichts mehr. Derartige Situationen können schnell in eine Abwärtsspirale führen. Dem bewusst entgegenzutreten zeugt für mich auch von Leadership.

Kommen wir zu deinem eigenen Portfolio: Wie ist hier die Stimmung unter den Gründer:innen?

Sehr unterschiedlich. Mein Learning: Bei gewissen Gründer:innen werde ich künftig genauer auf das eben besprochene Thema Leadership achten. Generell merke ich bei meinen Beteiligungen, die ich auch mit anderen Investoren getätigt habe, dass sehr viele Gründer:innen mich zuerst anrufen. Das kann vielleicht damit zusammenhängen, dass ich eine Frau bin oder dass ich auch Steuerberaterin bin – oder sie einfach nur meine Meinung in Kombination mit einer gewissen Portion an Empathie und Direktheit schätzen. Ich merke aber auch, dass es manche Gründer:innen gibt, die einfach auch beratungsresistent sind. Diesen rate ich dann, dass sie sich eine komplett unabhängige Person holen, mit der sie über ihre Probleme sprechen.

Und eines darf man natürlich nicht vergessen: Nicht jeder Angel oder Investor hat gerade in der Krise die Zeit, sich alles genau anzuschauen oder auch zu sehen, wo jemand gerade falsch abbiegt. Deswegen auch mein Appell: Sprecht die Themen an, sprecht sie mit jemandem an, der diese Höhen und Tiefen schon einmal durchgemacht hat. Und das haben wir alle. Wir alle haben schon unsere Fehlentscheidungen getroffen und schon einmal Geld verloren. Das Scheitern gehört einfach dazu!

Über das eigene Scheitern zu reden ist nicht einfach. Wie gehst du selbst damit um – und hast du vielleicht einen Tipp?

Aus allen Projekten, mit denen ich gescheitert bin, habe ich diesbezüglich viel gelernt. Dazu zählen Veranstaltungen, aber auch Business-Ideen. Für alles, was ich neu beginne – unabhängig davon, ob als Geschäftsführerin, Unternehmerin oder Investorin –, habe ich mir ein finanzielles und zeitliches Limit gesetzt: Wenn es bis zu diesem Zeitpunkt nicht funktioniert, schieße ich dort kein Geld mehr nach. Warum? Ich möchte nicht gutes Geld schlechtem nachwerfen. Wenn ein Projekt oder ein Investment scheitert, schreibe ich mir im Nachgang die Gründe und daraus resultierenden Learnings zusammen. Eines ist mir jetzt schon klar geworden: Ich werde künftig stärker darauf schauen, mit wem ich zusammenarbeite und wie sich die Personen in Krisenzeiten verhalten. Gemeinsam durch eine Krise gehen kann nämlich nicht jeder


Disclaimer: Der Artikel erschien zuerst in unserem neuen Printmagazin in der Ausgabe Dez/2023. Mehr darüber könnt ihr hier erfahren.

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Geschäftführerin Jule Wilhelm und Co-Founder Dieter Rappold (c) Speedinvest Pirates

Als Joint Venture sollte sie Portfolio-Unternehmen des europäischen Venture Capital Fund Speedinvest marketingtechnisch unterstützen. Gegründet wurde sie von dem heutigen ContextSDK-Co-Founder Dieter Rappold im Jahr 2017. Und sie schrieb seither einige Schlagzeilen – unter anderem den Wechsel in der Geschäftsführung, als Jule Wilhelm den Founder Dieter Rappold mit Oktober 2023 ablöste.

“Neue persönliche und wirtschaftliche Umstände” bewirken Schließung

Doch nun hat die Reise der Marketing Agency Speedinvest Pirates ein Ende genommen: Wie das Unternehmen am heutigen Mittwoch vermeldet, habe “das Gründerteam und das Managementteam die schwierige Entscheidung getroffen, das Unternehmen zu schließen.”

Die Gründe, die für die überraschende Schließung sprachen, seien vielschichtig: Einerseits berufe man sich aktuell auf “neue persönliche und wirtschaftliche Umstände”, heißt es per Aussendung. Co-Founder Dieter Rappold, Bernhard Grabner und Thomas Rosenmayr hätten “mittlerweile neue berufliche Wege eingeschlagen”.

Speedinvest Pirates verweist indes aber auch auf “das herausfordernde wirtschaftliche Umfeld”, das zu reduzierten Marketingbudgets bei den Kernkunden der Agency, allen voran Tech-Startups, geführt habe.

“Viele Startups können mit traditionellen Agenturen nicht arbeiten”

Bekannterweise ist Rappold aktuell mit seinem neuen Startup ContestSDK beschäftigt. Gegenüber brutkasten meint er über Speedinvest Pirates: “Wir haben in den vergangenen Jahren unglaublich viel gelernt und gezeigt, wie Services für Startups neu gedacht, strukturiert und erfolgreich umgesetzt werden können.”

“Viele Startups machen die Erfahrung, dass sie mit traditionellen Agenturen nicht immer arbeiten können, weil sie von ihnen nicht verstanden werden”, sagt Rappold weiter. “Hier ist uns aus meiner Sicht ein erfolgreicher Brückenschlag gelungen. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, das mit aufzubauen.”

Die übrigen zwei Gründer sind heute ebenso vielbeschäftigt: Pirates-Co-Founder Bernhard Grabner fungiert unter anderem als Fundraising Consultant bei Razorround. Und Thomas Rosenmayr, der bereit im April 2021 seine Tätigkeit als CFO bei Speedinvest Pirates ablegte, ist laut LinkedIn bei einer Vielzahl heimischer und internationaler Startup investiert. Darunter das heimische Startup Fermify, das slowenische FoodTech Juicy Marbles sowie das ebenso im heimischen Markt angesiedelte Startup Arkeon.

“The Collective” betreut laufende Projekte weiter

Für bestehende Kund:innen gibt es allerdings Entwarnung: Das Pirates-Team soll weiterhin eng mit Bestandskunden zusammenarbeiten, um laufende Verträge abzuschließen und “einen reibungslosen Übergang sicherzustellen”. Unter anderem sollen “vier Senior-Freelancer des Pirates-Teams” ihre Dienstleistungen unter dem Namen “The Collective” anbieten, wie die Agency vermeldet.

Auch die berufliche Fortentwicklung der früheren Pirates-Mitarbeiter:innen äußert man sich zuversichtlich: “Alle ehemaligen Mitarbeiter haben neue Anstellungen gefunden oder werden bei der Suche unterstützt”, schreibt man.

Über 200 Projekte in Europa realisiert

Jule Wilhelm, bislang Geschäftsführerin von Speedinvest Pirates, äußert sich als “dankbar, die Chance gehabt zu haben, zum Erfolg so vieler Early-Stage Startups beizutragen”. Auf eine auch künftige Verbundenheit mit dem Startup-Ökosystem werde gehofft, “um noch viele weitere Unternemen mit digitalem Marketing zu unterstützten.”

Unterstützung bekommen die Portfoliounternehmen von Speedinvest allemal weiter: Pirates wird vorerst Marketingdienstleistungen für das Portfolio von Speedinvest priorisieren. In Zukunft will man Gründer:innen weiterhin den Zugang zum Speedinvest-Netzwerk aus Marketing- und Kommunikationsexpert:innen bieten – einschließlich der Freelancer von “The Collective”. Seit der Gründung im Jahr 2017 habe man über 200 Projekte mit Early Stage Startup in ganz Europa durchgeführt.

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