08.02.2021

Chefredaktion-Gründerin Melisa Erkurt: “Zielgruppe wichtiger als Applaus der Branche”

Melisa Erkurt, Journalistin und Buchautorin, hat mit der "Chefredaktion" ein Projekt gestartet, um junge Leute, die keine Medien konsumieren, zu erreichen. Sie spricht über ihre Ideen, ihre Sichtweise zur heimischen Presse, sagt, wie sie auf "Häme" reagiert und warum Objektivität in der Medienbranche zum Problem werden kann.
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(c) Vedran Pilipovic - "Chefredaktion"-Gründerin Melissa Erkurt möchte neue journalistische Formate digital ergründen.

Melisa Erkurt, die Autorin des Buchs “Generation haram”, ehemalige ORF-Mitarbeiterin beim Report und Redakteurin des biber-Magazin startete ein neues Journalismus-Projekt namens “Die Chefredaktion” auf Instagram. Die 29-jährige Journalistin schreibt Kolumnen für den Falter und die taz. Zweimal im Monat produziert sie den Ö1-Podcast “Sprechstunde”. Und sie kümmert sich jetzt um eine Zielgruppe, die ihrer Einstellung nach medial kaum beachtet wird: die 14 bis 24-Jährigen.

Instagram als Kanal

Die Startup-Szene kennt es: Neue Ideen werden in Österreich oft belächelt, angezweifelt und zum Teil ins Lächerliche gezogen. So auch die “Chefredaktion”, die sich dafür entschieden hat, Instagram als jenen Kanal zu wählen, auf dem Jung-Journalisten ihre Arbeit publizieren, die woanders kaum eine Stimme bekommen würden.

Transparenter Prozess bei der “Chefredaktion”

Konkret, erklärt Erkurt, handelt es sich um Kurzvideos, die unter der Woche ausgespielt werden. Darin erzählen die “Chefredakteur-Journalisten” von ihren Ideen, lassen User an der Recherche und allgemein dem Zugang zur ausgewählten Thematik teilhaben. Auch Redaktionssitzungen sollen gezeigt werden. Ein Konzept, das, wie man merkt, stark auf Transparenz setzt. Nachdem man als Nutzer am Entstehungsprozess teilhaben konnte, wird am Ende der Woche ein dreiminütiges Video ausgestrahlt, in dem die Ergebnisse vorgestellt werden.

Wenn Häme zum Kompliment wird

Zu sagen, es “hagelt Kritik” an der “Chefredaktion” wäre eine Spur übertrieben. Doch es gibt Szene-Stimmen, die spotten. “Reality-TV-Journalismus” wäre einer dieser Begriffe, mit denen Forum-User versuchen Erkurts Projekt zu “unterminieren”. Sie selbst sieht die ganze Sache anders und nimmt diese “Sprüche” als Kompliment.

“Kein Journalismus für Journalisten”

“Reality-TV-Journalismus ist der Journalismus der Zukunft”, sagt sie. “Meine Zielgruppe empfindet das Konzept als positiv und sie verstehen es. Das ist wichtiger als der Applaus der Branche. Der journalistische Sektor ist stark davon dominiert, was Kollegen sagen. Ich mache aber keinen Journalismus für sie. Sondern ich muss neue Wege gehen.”

War schon immer so…

Hier offenbart sich etwas, das in Österreich eine lang gelebte Tradition ist. Ein “Gewohnheitsrecht”, das Innovation bekämpft und Neuem mit einer gewissen Skepsis, wenn nicht Feindseligkeit gegenübersteht. In anderen Worten: das Agieren in und Schützen einer Filterblase, in der bewusst und unbewusst diskriminiert und Äußeres nicht wahrgenommen wird.

Chefredaktion soll Jugend erreichen

Erkurt sagt, dass es ihr nicht egal ist, wenn ein junges, diverses Publikum nicht erreicht wird, wie es bei anderen Medien Usus ist und schon zu lange akzeptiert wird. Sie möchte mit der “Chefredaktion” jene jungen Leute ansprechen, die kein Medium konsumieren, sich aber auf anderen Kanälen bewegen.

Mit Fokusgruppen zur Erkenntnis

Drei Jahre lang leitete Erkurt das Journalismusprojekt “Newcomer” an Schulen und hatte die Erkenntnis, dass sich die Jugend nicht für Journalismus interessiert. In Fokusrunden und mit gezielter Beobachtung merkte sie, dass Instagram jene Plattform sei, auf der man die “verlorene Zielgruppe” fände. Daher die Wahl dieses neuen Medienformats.

Eine Scheinobjektivität

Erkurt möchte mit ihrem Projekt den Journalismus neu definieren lassen. “Beim ORF und anderen Medien ist dies nicht möglich”, sagt sie. “Ich habe gelernt, dass man nicht zeigen darf, welchen persönlichen Zugang man hat. Das ist eine Scheinobjektivität. Wir werden ganz transparent sagen, wo wir stehen.”

Objektivität scheint bei der jungen Frau und der “Chefredaktion” ein großer Punkt zu sein. In Österreich sei, so Erkurt, die Presse natürlich frei, aber einige sind miteinander “verbandelt”. Den Anspruch, man müsse komplett objektiv sein, sieht sie problematisch, denn es stellt sich die Frage, wer den Begriff Objektivität definiert hat. “Wie sieht es aus, wenn Migranten gegen Rassismus sind. Oder der Chefredakteur sich mit dem Kanzler trifft?”, stellt sie als Frage in den Raum und findet mit der “Chefredaktion” eine Antwort darauf: “Unser Ziel ist es andere journalistische Formate – immer digital – zu entwickeln.”

Bereits über 12.000 Follower

Das Team besteht momentan aus Ihr und einer Praktikantin, sowie diversen freien Mitarbeitern. Das Ziel von 5000 Followern wurde innerhalb eines Tages übertroffen – aktuell sind es schon mehr als 12.000. Im nächsten Schritt will Erkurt eine Redaktion etablieren, die divers ist, auch aus Studenten, Migranten und Arbeiterkindern besteht und jenen eine öffentliche Stimme bietet, die bisher keine hatten.

“Viele, vor allem Arbeiterkinder, werden diskriminiert. Von den Universitäten, der Gesellschaft und dem Journalismus. Sie glauben selbst, dass sie nicht gebildet genug und Journalismus zu elitär ist, um in diesen Bereichen mitzuarbeiten. Ich weiß, dass das nicht stimmt”, sagt Erkurt”: Und das werden wir allen beweisen.”


Hinweis: Um 20:00 Uhr gibt es auf Clubhouse eine Talkrunde mit brutkasten-Herausgeber Dejan Jovicevic zum Thema Medieninnovation rund um Video, Datenjournalismus und Faktencheck. Mit dabei u.a.: Melisa Erkurt, Corinna Milborn und Sara Grasel.

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Beim Landesgericht Korneuburg fand heute, am 14. November 2024, die Sanierungsplantagsatzung im Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über die Marinomed Biotech AG statt. Ohne Gegenstimme haben die Gläubiger den Sanierungsplan angenommen.

Im August dieses Jahres meldete das Korneuburger (NÖ) Biotech-Unternehmen Marinomed Insolvenz an. Grund dafür waren Umsatzrückgänge und Verluste in Millionenhöhe – brutkasten berichtete.

Damals hieß es vom Unternehmen: „Anlass der Antragstellung ist, dass die kurzfristig benötigten Finanzmittel zur Sicherstellung der Liquidität der Gesellschaft nicht planmäßig aufgebracht werden konnten und eine Zahlungsunfähigkeit droht.“

Was der Sanierungsplan vorsieht

Nach Aussage des Kreditschutzverbands von 1870 (KSV1870) sieht der Sanierungsplan für Marinomed insgesamt 30 Prozent vor, zahlbar in fünf Raten über einen Zeitraum von zwei Jahren ab Annahme. Für den Fall weiterer erfolgreicher Sanierungs- und Reorganisationsmaßnahmen könnte noch eine sogenannte „Superquote“ von bis zu sieben Prozent, abhängig vom jeweiligen Erfolg, an die Gläubiger fließen.

Weiter heißt es vom KSV1870, dass insgesamt 98 Gläubiger Forderungen in Höhe von rund 31 Mio. Euro angemeldet haben, welche in einer Summe von rund 30 Mio. Euro auch anerkannt wurden.

„Mit der Annahme des Sanierungsplans wurde nunmehr ein Grundstein in Richtung Sanierung des Unternehmens gesetzt. Es obliegt der Schuldnerin, die vereinbarte Quote in den nächsten beiden Jahren auch zu erfüllen“, sagt Peter Stromberger vom KSV1870 zum Sanierungsplan.

Bis 2023 Rekordumsätze für Marinomed

Erst im Frühling 2023 verlautbarte Marinomed, das umsatzstärkste erste Quartal in der Unternehmensgeschichte erzielt zu haben: 3,3 Mio. Euro Umsatz. Es folgte ein deutlicher Einbruch und ein Verlust von 6,8 Mio. Euro. Anfang 2024 standen nur mehr 0,7 Mio. Euro zu Buche.

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