23.02.2016

Change Management: “Stillstand hat noch nie etwas bewegt”

Ohne sich den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen der Geschäftswelt anzupassen, sinken die Erfolgschancen eines Unternehmens drastisch. Angelika Schmidt, Professorin für Change Management an der WU-Wien, erzählt im Brutkasten-Interview über Managment-Modetrends, Mitarbeiterängste und was große Unternehmen von Startups lernen können.
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WU Professorin Angelika Schmidt erzählt im Brutkasten-Interview über Change Management, Mitarbeiterängste und was große Unternehmen von Startups lernen können. psdesign1 - fotolia.com

Change Management – in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung ist dieser Term in aller Munde. Change Management befasst sich damit Prozesse, Strukturen und Systeme in Organisationen zu verändern. Der Brutkasten hat sich mit Angelika Schmidt, Professorin  am Institut für Change Management an der WU Wien, über das Thema unterhalten.

Was verstehen Sie unter Change Management?

Angelika Schmidt: Was in einer Organisation passiert ist eigentlich immer einem Wandel unterzogen. Die Frage ist wie explizit sich die Akteure dessen bewusst sind. Meiner Meinung nach gilt es zwischen drei wesentlichen Fragen zu unterscheiden.

  1. Ist der der Treiber zur Veränderung interner oder externer Natur? Will ich ein neues Produkt auf den Markt bringen oder einen neuen Markt erschließen. Oder brechen mir Kundenstämme weg, gibt es neue rechtliche Regelungen?
  2. Agiere ich proaktiv oder reaktiv? Will ich selbst eine Veränderung herbeiführen oder reagiere ich nur auf sich ändernde Rahmenbedingungen.
  3. Handelt es sich um kontinuierlichen oder episodischen Wandel? Schaue ich nicht explizit darauf was sich verändert, und lasse es passieren. Oder will ich bewusst innerhalb einer Zeitspanne etwas ändern.

Wie geht man Veränderung richtig an?

Angelika Schmidt, Professorin an der WU Wien.
Angelika Schmidt, Professorin an der WU Wien.

Es gibt nicht den einen richtigen Weg für ein Unternehmen um etwas zu verändern. Es gilt ein Sensorium aufzubauen und die (vor allem eine dynamische) Umwelt im Auge zu behalten. Aber man darf nicht beim Beobachten erstarren, es geht in erster Linie ums aktive Tun. Man braucht Mut zu Entscheidungen, auch wenn sie risikobehaftet und möglicherweise falsch sind. Aber Stillstand hat noch nie etwas bewegt.

Für wie relevant halten Sie Change Management heutzutage in der Praxis?

Veränderung ist immer etwas das man betrachtet hat. Auch im Management gibt es Modetrends. In den 90er-Jahren war es das Qualitätsmanagement. Danach kam das Prozessmanagement. Im Zuge der Finanzkrisen wurde Change Management relevanter, weil viele stabile Faktoren weggebrochen sind, vor allem bei den Banken. Relevant war Change schon in den 60er/70er Jahren – heute steht es lediglich mehr im Fokus.

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Gibt es Stärken oder Schwächen beim Change Management?

Vorneweg muss man fragen wer bin ich im Wandlungsprozess: Bin ich verantwortlich, nur beteiligt oder der Treiber? Ich würde es nicht Stärke oder Schwäche nennen. Es gibt Fehler, die man machen kann und aus denen man lernen sollte. Wichtig ist es die Ziele und Beweggründe für den Wandel der Belegschaft ordentlich zu kommunizieren.

Gibt es Branchen in denen Change relevanter ist?

Veränderung ist in allen Branchen ein wichtiges Thema. Das hat weniger mit Branchen ansich zu tun, als damit wie ein Unternehmen aufgestellt ist.

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Was wären für Sie die ersten Schritte in einem Veränderungsprozess?

Für mich gilt es zu hinterfragen woher die Idee kommt etwas zu ändern. Anschließend kann man sich mit den nächsten Schritten befassen:

  • Was gilt es zu ändern
  • Was ist das Ziel
  • Wie kommuniziere ich die Idee – gut überlegen wo man welche Impulse setzt
  • Welche Keyplayer habe/brauche ich
  • Gibt es eine Deadline

Menschen haben oft Angst vor Veränderung?

Ängste von Menschen haben eine wichtige Funktion. Diese Ängste bringen Entscheidungsträger dazu zu hinterfragen, ob der Wandel in dieser Form wirklich eine gute Idee ist. Es ist ein Wechselspiel zwischen hinterfragen und antreiben. Wenn eine Kraft wegfällt kann das fatale Folgen haben. Und dass Mitarbeiter ihren Job oder ihre Position verlieren können – so ehrlich muss man einfach sein.

Was können große Unternehmen in Bezug auf Change Management von Startups lernen?

Ein Startup hat Energie und Freude einer Idee nachzueifern. Aber vor allem die Improvisationsfähigkeit sind Startups großen Firmen oft voraus. In komplexen Organisationen geht Agilität durch eingefahrene Prozesse und Strukturen oft verloren. Meiner Meinung nach ist es auch nicht zielführend ein Startup nach dem anderen aufzukaufen, wie es in manchen Branchen üblich ist. Und man sollte darauf schauen, dass die Schere zwischen operativen Tätigkeiten und Management-Entscheidungen nicht zu groß wird. Denn früher oder später leider der eigentliche Prozess der Geldbeschaffung darunter.

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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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