24.11.2021

C4 und Rockets wollen Wachstumsfirmen auf neue Art an die Börse bringen

Die Wiener Investment-Boutique C4 und die Crowdinvesting-Gruppe Rockets Holding aus Graz haben in Kooperation ein neues Konzept für kleine Initial Public Offerings (IPO) an der Wiener Börse entwickelt. Der Ansatz kombiniert eine Platzierung bei institutionellen Investoren mit einem Angebot für Kleinanleger. Der erste Börsengang soll Mitte kommenden Jahres erfolgen.
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C4-Geschäftsführer Hannes Voit und Rockets-Geschäftsführer Wolfgang Deutschmann
C4-Geschäftsführer Hannes Voit und Rockets-Geschäftsführer Wolfgang Deutschmann. Fotos: C4/Deutschmann

Die Wiener Investment-Boutique C4 und die Crowdinvesting-Gruppe Rockets Holding mit Sitz in Graz wollen im kommenden Jahr Frühphasen-Wachstumsunternehmen an die Wiener Börse bringen. Dazu haben die beiden Unternehmen ein Konzept entwickelt, das neben einem Angebot an institutionellen Investoren auch eine Platzierung bei privaten Anlegern vorsieht. Zu den ersten Börsengängen im Rahmen der Kooperation könnte es im zweiten oder dritten Quartal 2022 kommen, sagten C4-Geschäftsführer Hannes Voit und Rockets-CEO Wolfgang Deutschmann gegenüber dem brutkasten. Es gebe mehrere Unternehmen, die dafür in Frage kämen. Die Börsengänge sind für die Segmente Direct Market und Direct Market Plus geplant.

Angesprochen werden sollen mit der Möglichkeit österreichische Unternehmen, die zwischen 10 oder 20 Mio. Euro an Kapital aufnehmen wollen. C4 gestaltet dabei die institutionelle Platzierung, die sich beispielsweise an Pensionsfonds, Versicherungen oder Vermögensverwaltern richtet. Die Umsetzung der Retail-Tranche wiederum, für die Volumen im Bereich von 1-2 Mio. Euro vorgesehen sind, erfolgt über die Software-Plattform der Rockets-Gruppe. Rockets ist außerdem für die Aufbereitung der Emissionsseite zuständig: “Es ist eines unserer Assets, dass wir 35.000 Anleger auf unserer Plattform haben, die davon profitieren, dass sie in Aktienemissionen investieren können, bei denen wir Emissionspartner sind”, erläutert Deutschmann.

“Das Beste aus beiden Welten vereint”

Durch die Kooperation werde “das Beste aus beiden Welt vereint”, sagt C4-Geschäftsführer Hannes Voit. “Damit werden Streubesitz-Aktionäre geschaffen, womit ein Handel in der Aktie begründet wird”, führt er weiter aus. Unternehmen bekämen dadurch eine erstmals eine entsprechende Liquidität in der Aktie und damit verbunden auch eine Kursbildung. Außerdem schaffe ein Börsengang zusätzliche Öffentlichkeitswirkung und damit eine größere Sichtbarkeit.

Das Team von C4 hat nach eigenen Angaben über 20 Börsengänge und diverse Kapitalerhöhungen an den Börsen in Wien und Frankfurt begleitet. Die Rockets Holding wiederum gehört mit ihren Plattformen Green Rocket, Home Rocket und Lion Rocket zu den führenden Crowdinvesting-Anbietern in Österreich. Seit 2019 hat sie auch Emissionen mit Aktiengesellschaften durchgeführt.

“Die Innovation dabei ist, dass wir zwei Dinge, die bereits funktionieren, sinnvoll kombinieren und damit kleinere Aktiengesellschaften an die Börse bringen”, erläutert Rockets-Gründer Deutschmann – einerseits die Rockets-Software, mit der Streubesitz geschaffen werden kann, andererseits die C4-Expertise hinsichtlich Vorbereitung und Strukturierung eines Börsengangs mit institutioneller Platzierung.

Unternehmen im Bereich von 15 bis 60 Millionen Jahresumsatz als mögliche Kandidaten

Die Kooperationsvereinbarung wurde bereits Anfang 2020 abgeschlossen – aufgrund der Coronakrise war das Umfeld für Börsengänge zunächst aber ungünstig. Mittlerweile gibt es allerdings mehrere konkrete Kandidaten. Firmen, die für das Modell in Frage kommen, beschreibt C4-Geschäftsführer Voit folgendermaßen: “Vereinfacht dargestellt sind das Unternehmen in der Größenordnung von 15 bis 60 Millionen Euro Umsatz, die teilweise auch Wachstumsraten von 30, 40 oder 50 Prozent erreichen”. Dabei könne es sowohl um Scale-ups als auch um KMUs oder Mittelständer gehen – jedenfalls aber handle es sich meist um technologieaffine Unternehmen.

Bei den ersten Börsengängen soll aber jedenfalls “nicht ausschließlich der Exit-Kanal im Vordergrund stehen, es ist vielmehr ein Finanzierungsthema”, sagt Voit. Der Zweck sei vor allem, dass die Gesellschaft Eigenkapital erhalte.

2022 günstiges Umfeld für Börsengänge

Doch auch für Anlegerinnen und Anleger sieht der C4-Gründer Vorteile: Ein liquider Kapitalmarkt, bei dem auch Retail-Investoren die Möglichkeit haben, aus zahlreichen Angeboten an Neu-Emissionen oder Kapitalerhöhungen zu wählen, sei “seit nahezu 30 Jahren nicht mehr gegeben”, hält Voit weiter fest. Aufgrund der enormen Liquidität im Markt sei die Voraussetzung für Aktien-Emissionen an der Wiener Börse aber “selten so gut wie im kommenden Jahr”, da sich die EU-Länder für einen längeren Zeitraum keine Zinserhöhungen leisten könnten, führt der C4-Geschäftsführer aus.

Mit dem neuen Modell könnten klassische Crowdinvestoren nun erstmals Aktien aus einer Kapitalerhöhung eines IPO an der Wiener Börse kaufen, aber vor allem auch verkaufen, sagt Voit weiter.

Auch für Unternehmen sei es ansonsten gar nicht so einfach, eine solches Angebot für Privatanleger umzusetzen: “Wir bieten kleineren Wachstumsunternehmen mit Platzierungen von 10 bis 20 Mio. Euro Emissionsvolumen das gleiche Setting wie es sonst nur für Emissionen im Bereich von 400 bis 500 Mio. Euro möglich ist. Denn erst ab 200 Mio. aufwärts werfen die großen Banken ihren Retail-Apparat an”, erläutert er. Darunter würden sie kleinere Tickets nur institutionell platzieren.

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Martin Nigsch, Gründer und CEO von feld.ai (c) feld.ai

“Ich hatte einen Corporate Job, der inhaltlich spannend, entsprechend bezahlt und gar nicht so leicht zu verlassen war. Ich brauchte eine große Herausforderung, um aus dem goldenen Käfig zu entkommen”, so Martin Nigsch, der im Juni 2022 das Vorarlberger DeepTech-Startup feld.ai gegründet hat.

Die Entscheidung zur Unternehmensgründung war keine leichte. Selbst, wenn es dem Vorarlberger in den Fingern juckte: “Man wird als Spinner gesehen, wenn man einfach einen Job, den sich andere als Karriereziel nur erträumen können, an den Nagel hängt”; so Nigsch, der zuvor hauptberuflich bei einem großen Firmenversicherer tätig war.

Der Familienvater von drei Kindern tat es trotzdem und gründete sein Startup feld.ai. Seine Fühler streckte er bereits im Herbst 2021 in Richtung der heimischen Startup- und Förderlandschaft aus.

Als er vom Preseed-DeepTech-Programm der Austria Wirtschaftsservice (aws) erfuhr, wagte er den ersten Schritt aus dem erwähnten goldenen Käfig. Sehr bald nach der aws-Förderung erzielte feld.ai erste Aufträge, die das Unternehmen bisher tragen. Der Geschäftskern: ein “Betriebssystem”, um schwierige Herausforderungen mit Dokumenten in Firmen zu lösen.

Geld war nur “ein Faktor”

Zum Start von feld.ai kam es aus mehreren Gründen. Einer davon war die finanzielle Unterstützung durch die aws. “Die Fördermittel der aws waren ein tolles Sprungbrett”, so Nigsch über die Anfänge. Dennoch war das Geld nicht das Ausschlaggebende, das den Start ermöglichte. An erster Stelle stand die Idee und das Bewusstsein für die Größe des Problems in einem rasant wachsenden Markt.

“Die aws gab mir den Stempel: ‘Der spinnt nicht komplett'”

“Das Erste, das man als Gründer braucht, ist die Bestätigung, dass die Idee gut ist und man der Richtige ist, dies umzusetzen. Das habe ich von der aws zu Beginn bekommen: Das Entscheidungsgremium spricht dieses Vertrauen aus, die aws hilft dir am Anfang, setzt gemeinsam Meilensteine, kontrolliert sie, zieht sich dann zum richtigen Zeitpunkt zurück und mischt sich ansonsten operativ nicht ein. So gesehen habe ich alles bekommen, was ich in dieser Phase gebraucht habe”, so Nigsch.

Schulterklopfer für Datenmanagement

Wobei genau die aws im richtigen Ausmaß geholfen hat, war der Aufbau eines AI-basierten Dokumentenmanagement für Unternehmen.

Erkannt hat Nigsch den Bedarf an einem derartigen Service bereits bei seinem vorherigen Arbeitgeber: “Feld.ai ist aus einem Firmenkontext entstanden. Ich war zuvor bei einem Firmenversicherer tätig, bei dem Daten die notwendige Basis sind, profitables Geschäft abzuschliessen.”

“Das Problem, mit dem wir angefangen haben, war, strukturierte Information aus Dokumenten zu extrahieren. Die reine Extraktion und Ablage reicht aber nicht. Man muss Informationen immer in einen Kontext setzen und analysieren. Vor allem dann, wenn Firmen Dokumente als Basis zur Prozessoptimierung und Entscheidungsfindung herziehen müssen”, so Nigsch.

Hier setzt die Lösung von feld.ai an: Das Startup hilft Unternehmen aus verschiedenen Branchen, den “Goldschatz”, der in ihren Dokumenten steckt, zu heben.

Genauer: “Wir unterstützen Firmen dabei, mit Hilfe von KI effizienter zu werden und bessere Entscheidungen zu treffen. Wir fokussieren uns auf dokumentenbasierte Firmenprozesse.” Darunter: E-Mails, Kundenanfragen, Rechnungen in Form von PDFs, Audio-Dateien, Powerpoint, Excel, Word, Text und Bild.

“Der Posteingang ist für viele Kunden ein ungelöstes Problem”

Feld.ai deckt einige Anwendungsbereiche ab. Ein leicht zu erklärener davon: Das Management von E-Mail-Posteingängen: “Den Posteingang zu automatisieren und zu klassifizieren ist erstaunlicherweise für viele Kunden ein ungelöstes Problem”, verrät Nigsch aus Erfahrung.

Das Interessante daran: Feld.ai legt Daten nicht nur strukturiert ab, es verbindet sie zu bestehenden Informationen, analysiert sie und zieht Schlüsse: “Im Grunde sind die Dinge, die wir tun, im kleinen manuell und ohne KI lösbar. Aber wenn man eine unüberschaubare Menge an Mails und Kundenanfragen klassifiziert, verschlagwortet, automatisiert und mit Bestandsdaten verbunden hat, fallen Analysen, Prozessoptimierungen und somit die Effizienz im Unternehmen viel besser aus.”

Maileingang und Kostenrechnung

Praktische Anwendungen liegen nicht nur im Maileingang, sondern auch zum Beispiel im automatisierten Buchen von Kostenrechnungen: Einzelne Rechnungen oder auch Zolldokumente werden mittels KI ausgelesen, mit Bestandsdaten verbunden und entsprechend weiterverarbeitet.

Einfach zu erklären ist die genaue Tätigkeit von feld.ai allerdings nicht. Schließlich widmet man sich kundenspezifischen Herausforderungen, darunter Handschriften, inkonsistenten Nomenklaturen und verschiedenen Sprachen. Der skalierbare Kern ist, dass die zu lösenden technischen Probleme sich branchenunabhängig sehr oft wiederholen: Die Herausforderungen drehen sich immer um die Struktur, Analyse und Verschlagwortung von Dokumenten und wie die gewonnenen Informationen dann in weiterführende Prozesse integriert werden können.

Datensicherung ohne amerikanische Mütter

Nun könnte man meinen: Datenmanager und -analysten gibt es bereits reichlich am Markt – gerade am nordamerikanischen Markt. Das mag sein, wirft aber in puncto Datenschutz und -transfer häufig Fragezeichen auf. Denn was mit Daten passiert, die in der Cloud eines US-Anbieters hängen, sei nicht immer klar.

Hierbei setzt feld.ai auf eine regionale Lösung – fernab der Riesen OpenAI und Microsoft: “Die Datensicherheit ist ein großes Thema. Hierfür bieten wir eine eigene Lösung, in der Daten in unserem Rechenzentrum in Vorarlberg oder lokal beim Kunden gesichert werden. Es geht gar nichts zu einer amerikanischen Mutter.”

Kein OpenAI und Microsoft, aber eine Feldkircher Box

In puncto KI-Nutzung stützt man sich also auf lokale, “kleinere, effizientere Sprachmodelle”, trainiert und entwickelt sie. OpenAI, Google, Amazon Web Services und Microsoft bleiben außen vor. Zur Datensicherung betreibt feld.ai ein eigenes Rechenzentrum im Vorarlberger Ort Feldkirch. Datensicherheit “in unserer Box” sei also gegeben.

Eine Blackbox sei diese aber keine, denn feld.ai setzt auf Transparenz: “Seit Tag eins bauen wir darauf, sichtbare Effizienzresultate zu produzieren.”

Indes bietet feld.ai ein dreigliedriges Produktportfolio: Erstens als “As a service”-Produkt im Sinne einer gänzlich von feld.ai verwalteten Firmenlösung. Zweitens als “Managed Service”, wobei auf Kunden-Infrastruktur installiert und von feld.ai verwaltet wird. Und zuletzt: “Von Kunden verwaltet”. Dabei wird die feld.ai-Lösung auf eine existierende IT-Infrastruktur – lokal oder in einer Cloud – installiert und schließlich auch von KI- oder Infrastruktur-Teams der Kunden betrieben.

Bereits börsennotierte Partner

Mittlerweile sei man offizieller Technologiepartner der Schweizer Kendox AG – einem Experten in puncto Software- und Datenmanagement. Hierbei bewegt man sich im B2B2B-Bereich. Das Partnerunternehmen betreut 1.500 Unternehmenskunden mit über 600 Millionen Dokumenten. “Das heißt für uns: Der ideale erste Partner”, berichtet Nigsch über die Partnerschaft.

Auf eine Kernbranche fokussiert sich das Feldkircher Unternehmen allerdings nicht: Kunden zählt das Startup auch bereits aus der Wirtschaftsprüfung, Versicherungsbranche und Juristik. Aktuell finden vielversprechende Gespräche vor allem mit Deutschen und Schweizer Kunden statt: Österreich ist (noch) unterrepräsentiert.

Pro Dokument verlangt feld.ai eine “kleine Gebühr”. Wachstum und Skalierung seien vorgesehen und notwendig, denn “das Ganze funktioniert nicht, wenn es so klein bleibt.”. Aktuell zähle man drei Vollzeit-Stellen sowie vier Teilzeitkräfte bzw. Praktikant:innen im Unternehmen.

Opportunistisch und organisch

Dass sich Nigsch als dreifacher Familienvater aus dem goldenen Käfig traute und sein Glück mit seinem Startup-Traum versuchte, ist somit insbesondere auch der aws zu verdanken. Auch die Unterstützung aus Familien- und Freundeskreis trägt täglich dazu bei, dass Nigsch seinen Traum vom eigenen Startup lebt.

In Zukunft will man sich bei feld.ai weiterhin “opportunistisch bewegen” und organisch wachsen, um weiter zu wachsen. “Wir versuchen, auf dem goldenen Pfad zu bleiben, der es uns erlaubt, uns weiterzuentwickeln und gleichzeitig Wert für unsere Kunden zu stiften.”


*Disclaimer: Das Startup-Porträt entstand im Rahmen einer Medienkooperation mit der Austria Wirtschaftservice (aws).

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