01.09.2021

“Buy Now, Pay Later” entwickelt sich zu einem umstrittenen Jugendtrend

Vor allem junge Menschen kaufen gerne jetzt und zahlen später in Raten. Der Trend wird von Financial-Literacy-Experten aber auch kritisch gesehen.
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Goran Maric (li) und Daniel Strieder © Credi2/Three Coins/Montage: brutkasten
Goran Maric (li) und Daniel Strieder © Credi2/Three Coins/Montage: brutkasten

Das Zinstief beschert Konsumkrediten eine Blütezeit. Die Kredite werden aber immer öfter direkt beim Händler aufgenommen: Der US-Boom von “Buy now, pay later” setzt sich zunehmend auch in Europa durch. Vor allem junge Menschen kaufen gerne jetzt und zahlen später in Raten. Der Trend wird von Financial-Literacy-Experten aber auch kritisch gesehen.

BNPL entwickelt sich zu Billionenmarkt

“Alles deutet darauf hin, dass BNPL (Buy now, pay later, Anm.) sich in den kommenden fünf Jahren vervierfachen und zu einem Billionenmarkt wird, wie auch aktuelle Zahlen von Juniper Research zeigen”, sagt Daniel Strieder, CEO und Mitgründer von Credi2. Das Wiener FinTech, das seit 2020 mehrheitlich in Händen deutscher Investoren ist, hat von dem Trend profitiert, der vergangenes Jahr den Marktführern massive Zuwächse brachte. Klarna hat sich erst kürzlich 630 Millionen Dollar unter anderem bei SoftBank geholt und wurde damit mit 46 Milliarden Dollar bewertet. Square hat Anfang August angekündigt, den Zahlungsdienstleister Afterpay um 29 Milliarden zu übernehmen.

Credi2 bietet “Buy now, pay later” oder Abomodelle als Baukastensystem für Unternehmen wie Apple oder Banken an und kümmert sich über die Plattform um die gesamte Abwicklung des Prozesses. Dazu gehört beispielsweise die Identifizierung per Videoidentverfahren und eine Bonitätsprüfung. Cashpresso, das Credi2 für die Raiffeisen Bank International entwickelt, bietet Nutzern die Möglichkeit, bei Partnershops in Raten zu bezahlen, wobei in den ersten 60 Tagen keine Zinsen anfallen, also die Aufteilung in zwei Raten kostenlos ist.

Konditionen: Oft teurer als gedacht

Im Juni hat das FinTech 1.000 Menschen in Österreich und Deutschland zum Thema befragen lassen und da bestätigte sich, dass der Kauf auf Raten vor allem bei jungen Menschen beliebt ist. Unter den 18- bis 34-Jährigen gaben mehr als 70 Prozent an, “beim Kauf eine Finanzierung in Anspruch nehmen, um spontaner oder auch mal auf ein höherwertiges Produkt zugreifen zu können”. Jeder Dritte glaubte, dass die Konditionen direkt beim Händler günstiger sind als bei der Bank.

In vielen Fällen Ist es allerdings eher umgekehrt. “Buy now, pay later kostet durchschnittlich zwischen 9 und 15 Prozent Zinsen”, sagt Goran Maric, CEO des auf Finanzkompetenz spezialisierten Social Business Three Coins. “Da müssen Konsumentinnen und Konsumenten viel besser aufgeklärt werden, weil das offenbar vielen nicht bewusst ist”.

Bei Credi2 bestimmt der jeweilige Partner die Zinsen – bei cashpresso von der Raiffeisen Bank International fallen beisoielsweise nach zwei zinsfreien Monaten 14,99 Prozent Zinsen an. Man könne aber nicht generell sagen, dass die Konditionen bei “Buy now, pay later” schlechter sind, so Credi2 auf Nachfrage. Für die Volkswagen Bank hat das FinTech eine Fahrradfinanzierung entwickelt, die einen Zinssatz von 3,99 Prozent hat.

“In Wahrheit schön verpackte Schulden”

Jedenfalls ist der Prozess einfacher als bei einem Bankkredit und Strieder ist bewusst, dass genau das einer der Erfolgsfaktoren ist: “Der gesamte Prozess muss einfach sein”, so der Credi2-Chef. “Kaum jemand ist noch bereit, seinen Kreditantrag umständlich bei der Hausbank zu stellen und dann abzuwarten, bis das Geld ausgezahlt wird. Für den Kunden wird es zur Selbstverständlichkeit, dass die Kreditvergabe reibungslos in den Kaufprozess integriert ist.”

Weil der Prozess so einfach und angenehm ist, würden gerade junge Menschen mitunter öfter auf diese Lösung zurückgreifen. “Da kann es schnell passieren, dass man nicht nur einen, sondern gleich fünf solcher Verträge hat und da kommen dann schon teilweise beachtliche Fixkosten zusammen”, so Maric. Studien in Großbritannien hätten gezeigt, dass durch Buy now, pay later immer mehr Menschen in Zahlungsverzug geraten. “Buy now, pay later sind in Wahrheit schön verpackte Schulden”, sagt der Three-Coins-CEO.

Strenge Risikoprüfung soll Ausfälle verhindern

Maric kritisiert, dass Jugendliche mit Lockangeboten zu Käufen verleitet würden, die sie sonst vielleicht gar nicht getätigt hätten und sich auch nicht leisten können. Bei Credi2 sei diese Gefahr eher gering, da die Entscheidung für die Ratenzahlung in der Regel nach der Kaufentscheidung beim Checkout oder an der Kassa falle und nicht umgekehrt, wie Credi2 betont: “Für diese Kunden ist oftmals die Flexibilität der ausschlaggebende Grund dieser Bezahlart und nicht mangelnde Liquidität”. Man hätte auch kein Interesse daran, dass Zahlungen ausfallen und setze für Partnerbanken eine strenge Risikoprüfung nach deren Vorgaben in Echtzeit um. Es würde auch für keine der entwickelten BNPL-Lösungen “aggressives Endkunden-Marketing” auf Social Media betrieben.

Die Risikoprüfung beschreibt das FinTech beispielhaft für cashpresso so: “Hierzu loggen sich Kunden in ihrem Gehaltskonto ein und innerhalb von 3-5 Sekunden wird eine digitale Haushaltsrechnung erstellt, die ähnlich einer Einnahmen- und Ausgabenrechnung ist. Damit soll sichergestellt werden, dass sich Kunden den Kredit auch leisten können. Im Falle einer negativen Risikoprüfung werden keine Kredite vergeben”.

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ready2order, Schweiz
(c) ready2order - Markus Bernhart und Arnold Blüml von ready2order.

Das Wiener Fintech ready2order hat sich seit 2015 auf die Entwicklung modularer Point-of-Sale- und Payment-Anwendungen für kleine Unternehmen spezialisiert und zählte im Vorjahr bereits über 10.000 Firmen in Deutschland und Österreich zu seinen Kunden. Nun aber wird die Kassensoftware des Fintechs auch gezielt in der Schweiz angeboten, um den Bedürfnissen von kleinen Unternehmen in Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungssektor gerecht zu werden, wie es heißt.

ready2order: Schweiz als Ausgangspunkt

“Die Schweiz war für uns immer ein interessanter Markt”, erklärt ready2order CEO Markus Bernhart. “Trotz fehlendem Marketing haben wir bereits eine dreistellige Zahl an Kunden gewinnen können. Dies zeigt klar, dass es den Bedarf gibt und es ist für uns auch der richtige Zeitpunkt, unsere Präsenz im Markt auszubauen und unsere Kassenlösung offiziell anzubieten. Zudem sehen wir die Schweiz durch ihre Mehrsprachigkeit als perfekten Ausgangspunkt für eine Expansion in weitere europäische Länder.”

Zuchetti-Exit 2023

Eine wichtige Rolle bei der Expansion spielt die Unterstützung durch die Zucchetti-Gruppe, zu der ready2order seit Juli 2023 gehört – brutkasten berichete.

“Zucchetti ist bereits seit vielen Jahren mit der Kassensoftware TCPOS in der Schweiz vertreten und kennt den Markt sehr gut. Diese Erfahrung und das starke Partnernetzwerk vor Ort sind für uns von großem Vorteil”, so Bernhart weiter. Zudem würden sich durch die Synergien innerhalb der Gruppe zusätzliche Möglichkeiten eröffnen: „Als Zucchetti-Gruppe können wir verschiedene Kassensysteme für unterschiedliche Kundensegmente anbieten, was uns hilft, neue Marktchancen gemeinsam zu nutzen.”

ready2order: Zunächst nur Deutsch und Englisch

Zu Beginn wird sich ready2order auf die deutschsprachige Schweiz konzentrieren. “Unser Kassensystem unterstützt mehrere Sprachen, aber um den Markteintritt zu vereinfachen, setzen wir zunächst auf Deutsch und Englisch. Diese Region bietet uns operative Synergien, die den Start erleichtern”, erklärt Chief Growth Officer Arnold Blüml.

Die langfristigen Ziele von ready2order in der Schweiz sind für Blüml klar: “Als Innovationsführer möchten wir in den nächsten Jahren einen signifikanten Marktanteil erreichen”, sagt er. “Dabei spielt neben der Kundenzahl vor allem die Kundenzufriedenheit eine zentrale Rolle, die wir kontinuierlich messen werden.”

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