Gute Apps dürfen etwas kosten! Case-Study: Butleroy
Gastbeitrag: Berthold Baurek-Karlic, Managing Partner bei Venionaire Capital, und Philipp Baldauf, Co-Founder & CEO vom Linzer Startup Butleroy, erläutern in einem Gastbeitrag, warum gute Apps etwas kosten dürfen.
Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass Startups ihre Apps und Software gratis zur Verfügung stellen müssen, um “Traction“ aufzubauen. Unsere Erfahrung mit Butleroy – einer unserer Portfolio Firmen – hat uns aber gezeigt, dass gratis Apps nicht unbedingt besser vom Fleck kommen. Sie verbrennen viel mehr Geld und liefern tatsächlich keine besseren Kennzahlen. Wir waren überrascht, aber die App gegen einen kleinen Kostenbeitrag anzubieten, war die beste Idee, die wir haben konnten – die Downloads sind nicht gefallen, die Nutzer sind deutlich aktiver und letztlich treuer geworden. Wenn die Qualität stimmt, sollte man immer etwas für Software verlangen!
Case-Study Butleroy
Anfang Juli startete ein “Experiment”, angestoßen durch die Mentoren von NEXT Amsterdam, welches sich als einer der größten Erfolge der jungen Firmengeschichte von Butleroy entpuppen sollte. Die Frage, die wir uns stellten, machte uns schon lange Kopfzerbrechen: Warum muss das Produkt eigentlich gratis sein? Würde wirklich niemand für einen wirklich smarten Hybrid zwischen Kalender und To-do-Listen bezahlen?“ Ein gutes Produkt darf und muss auch etwas kosten und unsere Kunden haben uns sofort recht gegeben!
Der App-Store und seine Geschäftsmodelle
Der App-Store hat seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2007 schon viele Businessmodelle kommen und gehen sehen. Zu Beginn waren vor allem das Lite/Pro, sowie werbegestützte Geschäftsmodelle erfolgreich. Die Lite Version bot meist einen eingeschränkten Funktionsumfang und war teilweise mit Werbebannern zugepflastert. Bei der Pro Version handelte es sich um die “echte” App mit vollem Feature-Set, jedoch musste diese für einen fixen Preis erstanden werden. Runtastic war hier einer der Vorreiter und konnte dieses Modell erfolgreich nutzen. Ende 2009 kam dann der Wandel hin zum “Freemium-Modell”. Dies war und ist bis heute besonders bei Spielen sehr erfolgreich. Durch die Einführung von Abos kam wieder eine neue Möglichkeit Geld zu verdienen ins Spiel.
Zahlungsmüdigkeit der Kunden
Trotz all dieser Möglichkeiten haftete Apps immer eine gewisse Zahlungsmüdigkeit an. So waren viele der beliebtesten Dienste im Internet kostenlos. Von Social Media bis News hin zu Produktivitäts-Apps. So wurde Butleroy auch mit dem Gedanken geboren, kostenlos zu sein. Durch relevante Werbung und Partnerschaften sollten die Nutzer dann “später” monetarisiert werden. Dieses Modell setzt allerdings stark auf Volumen und Masse. Ist man allerdings erst dabei eine Nutzerbasis aufzubauen, bleiben die Erträge zu Beginn niedrig. Aus diesem Grund waren wir auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell.
Was nichts kostet, ist nichts wert
Ein völlig anderes Problem von Gratis-Apps ist aber auch die Wertschätzung. Hier kommt der alte Spruch “Was nichts kostet, ist nichts wert” voll zu tragen. Wir wussten von vielen zufriedenen Nutzern, dass die App bereits sehr gut war. Neue Nutzer probierten allerdings oft wenig, bis gar nichts aus. Der Mehrwert von Butleroy konnte in diesen ersten “5 Sekunden” nur schwer vermittelt werden.
Spoiler: Selbst “namhafte” Investoren oder sogenannte Experten der Startup-Szene nehmen sich häufig nur wenige Minuten Zeit eine App zu testen und kritisieren in weiterer Folge sogar Features, die so gar nicht in der App vorhanden sind – auch diese Erfahrung musste das Team von Butleroy machen.
Die Hypothese für unser Eingangs erwähntes Experiment lautete: Gelingt es als “Bezahl-App” die Aufmerksamkeit der Nutzer länger zu halten und dadurch die initiale Absprungrate wesentlich zu verringern? Gelingt es darüber hinaus mit der verringerten Absprungrate die (vermeintlich) geringeren Downloads zu kompensieren?
Preis als Filter
Die Antwort fiel überraschend deutlich aus: Ja. Durch die Bezahlhürde sind neue Nutzer sehr aufmerksam in der ersten Handhabung der App. Verständlicherweise wollen unsere Nutzer schnell den Mehrwert erkennen, sind aber gewillt etwas mit der App “zu spielen”. Die Absprungrate hat sich dadurch mehr als halbiert.
Aber reicht das aus, um die geringeren Downloads zu kompensieren? Die Antwort ist ebenfalls Ja. Mit dem süßen Beigeschmack, dass die Downloads überhaupt nur unwesentlich gesunken sind. Durch Interviews fanden wir beispielsweise heraus, dass durch den Preis der versprochene Mehrwert der App wesentlich glaubwürdiger wurde. Frei nach dem Motto: “Wer würde eine wirklich gute App gratis anbieten”.
Das Resultat war, dass wir zufriedenere und loyalere Nutzer hatten. Dies fiel auch Apple auf und so war Butleroy nun bereits mehrmals in der DACH-Region und in den USA prominent im App-Store gefeatured. Es gilt den Kurs der Qualitätsapp fortzusetzen und über Empfehlungen der Community weitere Nutzer zu überzeugen.
Warum kein Abo-Modell?
Ein Abo-Modell hat natürlich aus Entwicklersicht viele Vorteile. So werden Updates an bestehende, zufriedene Nutzer beispielsweise nicht “kostenlos” verteilt. Wiederkehrender Umsatz macht auch die Finanzplanung wesentlich einfacher. Aus Kundensicht macht sich allerdings bereits eine gewisse “Abomüdigkeit” bemerkbar.
Wir schließen ein Abo-Modell zwar nicht grundsätzlich aus, tendieren aber eher dazu, künftig andere Dienste mit “Servicecharakter” für eine monatliche Gebühr anzubieten. Dieses Geheimnis behalten wir aber noch für uns – wir verraten nur soviel, unsere Kunden werden es lieben! Auch eine Produktdiversifizierung kann helfen. So ist Butleroy ab 30. Oktober am Mac verfügbar.
Nachlese. Wo steht die österreichische Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT? Dies diskutieren Doris Lippert von Microsoft und Thomas Steirer von Nagarro in der ersten Folge der neuen brutkasten-Serie "No Hype KI".
Nachlese. Wo steht die österreichische Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT? Dies diskutieren Doris Lippert von Microsoft und Thomas Steirer von Nagarro in der ersten Folge der neuen brutkasten-Serie "No Hype KI".
Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.
„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.
Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.
Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen
Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“
Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft
Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.
Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.
Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.
Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“
Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit
Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.
“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.
Langfristiges Potenzial heben
Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“
Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“
Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?
Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.
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