14.05.2015

Business Angel Wagner verrät im Gespräch neun Tipps für den M&A-Prozess

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Markus Wagner am Business Angel Day in Wien.

Markus Wagner blickt auf eine spannende Karriere zurück. Der geborene Wiener gründete vor der Jahrtausendwende mit anderen Studenten die wap.at Internetservices GmbH. Er entwickelte mit seinem Team Applikationen für mobile Endgeräte – damals, als Handys noch keine Allrounder waren. Wer sich noch an “Starmania”, die Musikshow im ORF, erinnern kann, kennt eines seiner Produkte: Seine Firma ermöglichte damals das Handy-Voting. Er leitetete das Unternehmen, das später unter dem Namen Xidris tätig war, bis 2004. Schnell erreichte es internationale Bekanntheit und wurde zu einem der führenden Service-Provider in der mobilen Kommunikationsbranche. Nachdem die Firma mit zwei weiteren Firmen fusioniert wurde, verkaufte man das Unternehmen im Jahr 2006 um über 50 Millionen Euro an den US-Konzern VeriSign Inc. Ein Jahr später gründete Wagner den Inkubator i5invest. Die  “Startup Factory” unterstützt Unternehmen der High-Tech und Digitalindustrie. Seit dem Start kann das Unternehmen auf zahlreiche erfolgreiche Startup-Gründungen und Exits zurückblicken. Im Jahr 2010 wurde er als “Business Angel of the Year” in Wien ausgezeichnet. Heute baut er im Silicon Valley eine Zweigstelle des Startup-Inkubators auf.

In einem Interview mit der Presse verrät er Tipps für den M&A-Prozess, die derBrutkasten nicht vorenthalten möchte.

Welche Unternehmen haben Sie wann gegründet?

2001 gründete ich meine erste Firma, 3united AG, die 2006 an den börsennotierten US-Internetkonzern VeriSign um 60 Millionen Eur im Silicon Valley verkauft wurde.

2007 folgten i5invest m&a advisory und startup accelerator. Dannach folgten eine ganze Reihe von Unternehmens-Mitgründungen durch die i5invest: 123people – Personensuche 2007, Tripwolf – mobile Reiseführer 2007, Adspired Technologies, und seit 2014 i5growth Inc. in Palo Alto.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, gerade diese Unternehmen zu gründen?

Neben meinem Studium (Telekommunikations Technik) habe ich drei Jahre bei max.mobil (nun T-Mobile) gearbeitet. Dort habe ich Datendienste am Handy mitentwickelt. Dort kam mir auch der Gedanke, dass in Zukunft nicht mehr Mobilfunkbetreiber diese Services anbieten werden, sondern Internetfirmen, Medienfirmen etc. Die Technische Plattform dafür hat 3united AG aufgebaut – vom Starmania-Voting bis zum Handy-Ticketing.

Welche Unternehmen davon führen Sie heute noch?

„i5growth Inc.“ im Silicon Valley. Bei „i5invest m&a advisory“ bin ich Vorsitzender des Beirats.

Woran haben Sie erkannt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, sich von einem bestimmten Unternehmen zu trennen?

a) Wenn es zum gleichen Zeitpunkt mehrere interessante Käufer gibt, die großes Synergiepotential mit dem Unternehmen haben und es für das weitere Wachstum spannend ist. Ist es für den Käufer sehr spannend, ist es meist auch für den Verkäufer sehr spannend.

b) Somit der Preis passt und

c) wenn Lust und Ideen für etwas Neues da sind.

Wie haben Sie den Verkauf angebahnt? Wie haben Sie Ihre Gesprächspartner ausgesucht?

Ein Merger & Akquisition, also ein Unternehmensverkaufsprozess benötigt viel Erfahrung und Unterstützung. Seit nunmehr acht Jahren unterstützen wir mit i5invest m&a advisory Tech-Unternehmen aus CEE bei der Verkaufs-Anbahnung. Damals gab es in CEE keine passende Expertise. Also haben wir den größten Teil des Prozesses selbst organisiert, teils mit US-amerikanischer Unterstützung. Seit acht Jahren bieten wir in der i5invest m&a advisory diesen Service nun auch anderen europäischen Tech-Unternehmen an. Das hat bereits viel Dynamik in die österreichische Tech-Szene gebracht und aus vielen Entrepreneurs Serial-Entrepreneurs gemacht.

In so einem Prozess muss man mit sehr vielen potentiellen Käufern sprechen – nicht immer sind die interessantesten Käufer auf den ersten Blick als solche identifizierbar. Wichtig ist, dass der Prozess professionell gemanaged wird und in einem strategischen Bieterverfahren der Bestbieter identifiziert wird. Haben Gesellschafter und/oder Management dann eine Präferenz für einen anderen Käufer, ist dieser Prozess davor auf alle Fälle sehr wichtig, um den „Marktpreis“ zu ermitteln. Parallel dazu wird mit Finanzmodellen eine Firmenbewertung gerechnet und das Synergie-Potential mit den einzelnen potentiellen Käufern abgeschätzt. Diese und weitere Verkaufsvorbereitungen sowie die Einrichtung eines Datenraumes für eine Due Diligence etc. muss parallel zum operativen Business einer Company durchgeführt werden. Auch da braucht es in der Regel viel externe Unterstüztung, sodass das Management viel Augenmerk auf das Wachstum der Firma legen kann. Nichts schädlicher als wenn die eigenen Prognosen nicht eingehalten werden können – geübte Firmeneinkäufer benützen Ablenkung und gezielte Beschäftigung auch als Strategie um später den Kaufpreis zu drücken, wenn die Zahlen verfehlt werden.

Welche Schritte waren beim Verkauf zu gehen?

1. Schritt: Frühzeitig planen – 18-24 Monate einrechnen

2. Schritt: Verkaufskonzept erstellen

3. Schritt: Käuferkreis definieren, möglichst international, möglichst vielfältig

4. Schritt: Verkaufsprozess strukturieren, Unterlagen erstellen, Kontaktaufnahme mit Geschäftsanbahnung und strategische Gesprächen, Referenzfirmenbewertungen erstellen

5. Schritt: Angebote einholen, Verhandeln, Selektieren

6. Schritt: Due Diligence mit einem oder mehreren Interessenten

7. Schritt: Vertragsausgestaltung/Verhandlung

8. Schritt: Signing & Closing

9. Schritt: Post-Merger-Integration – die Übernahme zum allgemeinen Erfolg führen.

Was waren die größten Schwierigkeiten beim Verkauf?

Neben dem Verkaufsprozess das operative Business nicht aus den Augen zu verlieren. Laufend strategische Optionen zu aufzubauen, pflegen, auszubauen – so ein Prozess ist sehr dynamisch und birgt laufend Überraschungen. Es ist eine sehr intensive Zeit mit Höhen und Tiefen.

Was haben Sie beim Verkaufen gelernt?

Europäische Technologieunternehmen stehen qualitativ und technologisch den US-amerikanischen Unternehmen um nichts nach. Was Tech-Unternehmen hier fehlt, ist die M&A-Expertise und das selbstbewusste Auftreten in Marketing & Sales. Auch die Selbstverständlichkeit, dass anorganisches Wachstum – also Wachstum durch Zukäufe – eine selbstverständliche Option darstellen sollte. Aber eben auch das Loslösen von Assets.

Was würden Sie heute definitiv nicht mehr machen?

Wir haben viel zu langsam internationalisiert, obwohl wir uns ein aggressiveres Wachstum hätten leisten können. Vielleicht haben wir es uns damals so jung auch nicht in einem schnelleren Tempo zugetraut. Mittlerweile sind die meisten technologiemärkte so und so globalisiert, man muss in seinem Bereich rasch zum Segment-Weltmarktführer werden, sich das auch zutrauen – sonst geht man früher oder später unter.

Wann haben Sie zum ersten Mal die Idee gehabt, ein Unternehmen zu gründen?

Da kommt jetzt der Teil, wo man erzählt dass man als Sechsjähriger Fruchtsaft auf der Straße verkauft hat, oder? Nein, im Ernst: Seit ich mich erinnern kann, habe ich davon geträumt mit den eigenen Händen etwas aufzubauen. Ich war in der HTL für Nachrichtentechnik – da lernt man sehr früh Projekte zu realisieren.

Und wie lange hat es dann bis zur Umsetzung gedauert?

Gleich nach dem FH-Studium in Salzburg mit 22 (ich hatte nebenbei drei Jahre bei max.mobil (nun T-Mobile) gearbeitet und mir das Studium co-finanziert. Ich habe gekündigt (was mir schwer gefallen ist – ich hatte eine großartigen Vorgesetzten und Mentor) und gegründet. Die Berufserfahrung bei max.mobil war sehr wichtig, auch die HTL-Praktika – ganz ohne Arbeitserfahrung zu gründen ist sehr schwer.

Welche Rolle hat Ihre Familie, welche Rolle Ihre Ausbildung gespielt, dass Sie zu einem Serial Entrepreneur wurden?

Die HTL- und Fachhochschul-Ausbildung in Nachrichtentechnik und Telekommunikationstechnik war essentiell. Mit fachlichem Handwerkszeug und Know-How zu gründen ist viel einfacher, auch günstiger – weil man viel Produktentwicklung faktisch selber durchführen kann und nicht zukaufen muss und sehr schnell direkt Anpassungen am Produkt vornehmen kann. Das macht einen flink und flexibel gerade in der Startzeit. Wir hatten keinen Finanzier oder Investor, haben uns die Gründungskosten aus unseren vorherigen Einkommen und Praktika finanziert.

Viele Gründer haben mittlerweile eine Tech-Ausbildung, wir beobachten dass diese einen deutlichen Startvorteil in der Selbstständigkeit darstellt.

Mein Vater war mir sicherlich ein wertvoller Gesprächspartner: Er hat ebenfalls eine HTL-Ausbildung, hat aber sein ganzes Leben seit dem Bundesheer immer im gleichen Unternehmen gearbeitet, bis zur Pension. Hätte er es sich leisten können und nicht schon so jung so viel Verantwortung tragen müssen, hätte er sicher auch Gefallen an der Selbständigkeit gefunden – und einen großartigen Job dabei gemacht, ich habe und lerne immer noch sehr viel von ihm.

Wieviel Zeit nimmt Ihr Entrepreneurship in Anspruch?

Wenn es sehr schlecht läuft: 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Wenn es sehr gut läuft: 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Wenn es mittelmäßig läuft, das will man ja auch nicht: 24 Stunden, sieben Tage die Woche.

Was tun Sie gerne, wenn Sie nicht gerade ein Unternehmen führen?

Reisen, Dazulernen, mit Familie und Freunden aus ganz anderen Bereichen austauschen.

Wenn Sie kein Gründer wären, welchen Beruf würden Sie gerne ausüben?

Als Kind wollte ich auch noch Architekt und Atomphysiker werden. Aber Gründen ist ja kein Selbstzweck, vor einer Gründung sollte ja immer eine Leidenschaft für eine Idee stehen.

Was ist Ihnen zu diesem Thema noch wichtig, was hätten wir Sie noch fragen sollen?

In Europa braucht es mehr Serial Entrepreneurs und M&A-Kultur. M&A bedeut ja nicht nur, Firmen zu verkaufen, sondern auch Firmen zu kaufen – um so schneller zu wachsen, Innovationen von außen ins Unternehmen zu integrieren und so schneller zu einer starken Weltmarktführer Position aufzurücken. Firmen zu verkaufen ist ebenso wichtig für ein funktionierendes Eco-System. Erst Firmenverkäufe spielen Risiko-Investments in Technologie zurück, Gründer und Gesellschafter erhalten Geld, das häufig wieder in neue Gründungen reinvestiert wird. Meistens auch in der Region. Die Verkäufe bringen Steuereinnahmen, die meisten Investments und Neugründungen im Technologie Bereich schaffen unmittelbar Arbeitsplätze und bauen Experten auf, bilden Mitarbeiter aus etc. Eine ganze Reihe unserer frühen Mitarbeiter und Trainees sind mittlerweile selber Unternehmer, haben selbst Trainees und sogar diese Trainees gründen mittlerweile wieder usw.
Kern von all dem ist M&A-Know-How, Expertise und die Kultur Expertenwissen aufzubauen, weiterzugeben und wieder von neuem zu beginnen.

Quelle: DiePresse

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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