08.07.2019

Business Angel Summit 2019: Ideen treffen auf Kapital

Der Business Angel Summit 2019 ging vom 4. bis zum 5. Juli in Kitzbühel mittlerweile zum fünften Mal über die Bühne. Bei der zweitägigen Veranstaltung, die von der aws und Standortagentur Tirol veranstaltet wurde, trafen zwölf Startups auf über 100 Investoren aus dem In- und Ausland.
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Business Angel
(c) Standortagentur Tirol: vlnr.: Marcus Hofer (Standortagentur Tirol), Bernhard Sagmeister (Austria Wirtschaftsservice), LRin Patrizia Zoller-Frischauf (Tiroler Landesregierung), Hugo Pristauz (Bluenetics), Rainer Reiter (Bluenetics), Florian Wimmer (Blockpit), Sabine Konrad (Brandl & Talos Rechtsanwälte), Markus Ertler (AngelMe Ventures).
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Zwölf Startups aus Österreich gingen vom 4. bis zum 5. Juli beim alljährlichen Business Angel Summit in Kitzbühel in das Rennen um das Beteiligungskapital von über 100 internationalen Investoren. Laut der aws und der Standortagentur Tirol suchten die Startup-Gründer Beteiligungen mit einer möglichen Kapitalbandbreite von 150.000 bis 2.5 Millionen Euro. Auch dieses Jahr waren wieder zahlreiche bekannte Investoren und Business Angels angereist, um nach Beteiligungen Ausschau zu halten. Zu ihnen zählten etwa Markus Kainz von primeCROWD, Markus Ertler von AngelMe Ventures, Christoph Kanneberger von Apex Ventures, Marie-Helene Ametsreiter von Speedinvest, Bernhard Letzner von Segnalita Ventures, Ralf Kunzmann vom aws Gründerfonds oder Berthold Baurek-Karlic von Venionaire Capital.

+++ Linzer RegTech-Startup Blockpit erhält Millioneninvestment +++

Business Angel Summit: Die Startups

Die technologische Bandbreite der pitchenden Startups war sehr breit. Darunter war beispielsweise eine Augmented Reality-Lösung zum effizienten Betrieb von Industrieanlagen, innovative Vorhersagemodelle für Flugevents, Compliance- und Steuerlösungen für Digitale Assets, ein digitaler Finanzcoach oder eine intelligente Lösung zur Projektrealisierung im Bauwesen. Zu den teilnehmenden Startups zählten dieses Jahr Aeroficial Intelligence, AR4, Blockpit, Bluenetics, IPEAK Systems, Monkee, Optnik, Pocket Coach, sitelogg, Soulgrape, Uppercut und Uptitude.

Einige Startups und Investoren nutzten den Summit, um Beteiligungen zu verkünden. So beispielsweise das Linzer RegTech Blockpit von Florian Wimmer, der gemeinsam mit Berthold Baurek-Karlic von Venionaire Capital mitteilte, dass sich der European Super Angels Club für eine nicht genauer genannten siebenstelligen Betrag beim Startup beteiligt (der brutkasten berichtete).

Risikokapital-Landschaft fördern

Wie die Veranstalter betonen, wollen sie mit Events, wie dem Business Angel Summit, gezielt die Risikokapital-Landschaft in Österreich fördern. Derzeit zeichne sich ein Trend nach oben ab. So gab es in Österreich laut dem Startup Barometer von EY 2018 rund 173 Millionen Euro an Investments. Das bedeutet ein Drittel mehr an Kapital wie im Jahr 2017. Im europäischen Ranking liege Österreich derzeit auf Platz 15. Hier sei der Anteil am „europäischen Kuchen im Vergleich zum Anteil der Wirtschaftsleistung noch zu klein ist“, so die Veranstalter des Business Angel Summit.

Im Rahmen des Summits wurden zudem Maßnahmen diskutiert, die dazu beitragen können, den Startup-Standort Österreich weiter zu fördern. So erläuterte aws-Geschäftsführer Bernhard Sagmeister im Gespräch mit dem brutkasten, welche Projekte die aws noch mit der Übergangsregierung umsetzen kann. „Die Übergangsregierung ist sehr unterstützend für uns. Wir haben alle wesentlichen Punkte der alten Regierung noch beschlossen bekommen“, so Sagmeister im Livestream. Dazu zählen unter anderem die Vorabgarantien, um Gründer bei Kreditverhandlungen mit Banken künftig noch besser zu unterstützen, oder der Nachfolgefonds für den Gründerfonds und den Mittelstandsfonds (der brutkasten berichtete).

Investorennetzwerk wächst

Wie die Veranstalter des Summits erläutert, würden alternative Finanzierungsformen zunehmend an Bedeutung gewinnen. „Alternative Finanzierungsformen werden für junge und innovative Unternehmen immer interessanter und relevanter. Das zeigt sich in aktuellen Studien wie etwa der Marketmind-Umfrage zur Unternehmensfinanzierung, aber vor allem auch in der Entwicklung der aws i2 Business Angels. Im vergangenen Jahr konnten in diesem Matching-Service 20 Beteiligungen in Höhe von insgesamt fünf Millionen Euro vermittelt werden,“ so Sagmeister. Derzeit würden sich mehr als 350 Investoren im aws i2 Business Angels-Netzwerk befinden.

Tirol als Innovationsdrehscheibe

Am Standort Tirol konnten mit Hilfe des Investorennetzwerks Tirol im Vorjahr an neun Projekte private Kapitalgeber vermittelt werden. Das investierte Kapital pro Projekt lag zwischen 60.000 Euro und einem zweistelligen Millionenbetrag. Marcus Hofer, der Geschäftsführer der zuständigen Standortagentur Tirol, erklärt: „In Tirols Startup-Ökosystem haben wir in den letzten Jahren die Startup-Services in den Phasen Markteintritt und Wachstum und damit auch im Bereich Finanzierung intensiviert. Diese Arbeit trägt jetzt Früchte. Mit ihren Investitionen und ihrem Know-how helfen Business Angels heute nicht nur dabei, den Markeintritt unserer Startups zu professionalisieren und zu beschleunigen, sondern Standorten insbesondere auch dabei, die digitale Transformation zu bewältigen.“


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Wo steht Österreichs Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz wirklich?

In der brutkasten-Serie „No Hype KI“ haben wir gemeinsam mit unseren Partnern einen Realitycheck zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft durchgeführt. Herzstück der Serie waren sechs Deep-Dive-Roundtables, die das Thema von allen Seiten beleuchtet haben. Auf deren Basis ist ein Whitepaper entstanden, dessen wichtigste Erkenntnisse wir hier zusammenfassen.
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Dominik Meisinger, Alexandra Sumper, Manuel Moser, Moritz Mitterer und Clemens Wasner. | Foto: Viktoria Waba, brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Hier geht’s zu allen Folgen von “No Hype KI”.


Am 30. November 2022 veröffentlichte OpenAI den Chatbot ChatGPT. Was zunächst nicht besonders spektakulär klang, sollte sich später als Ereignis historischen Ausmaßes herausstellen: ChatGPT erreichte innerhalb kürzester Zeit die Marke von 100 Millionen User:innen. Die Öffentlichkeit staunte, was mit künstlicher Intelligenz bereits möglich war. Ein neuer Hype rund um künstliche Intelligenz (KI) begann. Die Erwartungen überschlugen sich.

Mittlerweile sind mehr als zwei Jahre vergangen – wir bei brutkasten haben dies zum Anlass genommen, einen Realitycheck durchzuführen. Dazu haben wir im vergangenen Dezember eine multimediale Serie gestartet: „No Hype KI“.

Mit CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und der Universität Graz konnten wir hochkarätige Partner für die Serie gewinnen. Das gemeinsame Ziel war es, eine Bestandsaufnahme zu KI aus der österreichischen Wirtschaft zu liefern. In sechs Deep-Dive-Videodiskussionen haben wir mit unseren Partnern und weiteren Expert:innen aus der österreichischen KI-Szene unterschiedliche Aspekte des Themas beleuchtet.

Wo steht Österreichs Wirtschaft bei KI zwei Jahre nach ChatGPT?

„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer“, erinnert sich Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither hat sich viel geändert: „Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: „Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr ‚KI-Lösung‘ dazu.“

Auch Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, hat noch Erinnerungen an den Zeitpunkt, an dem ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‚Wir müssen irgendwas mit KI machen!‘ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte „Centers of Excellence“ –, um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use Cases und wir brauchen uns als Land nicht zu verstecken.“

KI in Unternehmen: Was sind die Erfolgsfaktoren und Herausforderungen?

So weit also einige Erfolgsbeispiele aus der Praxis. Was aber sind die Faktoren, die entscheidend dafür sind, dass Unternehmen KI tatsächlich erfolgreich zum Einsatz bringen können? Aktuell sei künstliche Intelligenz in Unternehmen oft noch eine „Bottom-Up-Push-Bewegung“, sagt Clemens Wasner, Co-Founder und Chairman bei AI Austria sowie CEO des Startups enliteAI.

Was er damit meint: „Einzelne Mitarbeitende verfügen teilweise über weitaus mehr praktische Erfahrung mit generativer KI, als das oft auf einer Projektebene der Fall ist.“

Um KI federführend in Unternehmen zu verankern, sei es wichtiger denn je, Mitarbeitende einzubinden und ihnen intern eine Bühne für den Best-Practice-Austausch zu geben, erklärt er weiter. Aktuell ginge der KI-Push immer intensiver von Mitarbeiter:innen aus.

Ein essenzielles Learning aus dieser Phase: Prozessoptimierungen, gerade bei Massenprozessen, stellen sich als ideales Feld für KI heraus – wenn man vernünftige Leitplanken, klare Haftungsregeln und eine unternehmensweite Governance definiert.

Als Basis für den Einsatz von KI sollte außerdem der Datenhaushalt eines Unternehmens sauber strukturiert und reguliert werden.

„Wenn ein Unternehmen in puncto Daten hinterherhinkt, kann das jetzt durchaus ein Stolperstein sein“, sagt Manuel Moser, Director Digital Innovation & Software Engineering bei CANCOM Austria. In CRM- und ERP-Systemen finden sich häufig unvollständige Angaben. Die dadurch entstehende unzureichende Datenqualität könne jede KI-Initiative ins Stocken bringen, so Moser.

Datenqualität, Governance und gleichzeitig reichlich Agilität – worauf sollten sich Unternehmen in erster Linie konzentrieren, um KI lösungsorientiert einzusetzen? Alexandra Sumper, Director Delivery Österreich bei Nagarro, betont, dass KI Projekte weit mehr als reine Technik voraussetzen: „Meine Erfahrung zeigt wirklich, nicht zu groß zu beginnen, wenn man erst am Anfang steht.“

Viele Firmen würden sich gerade anfangs in Strategiepapieren verlieren, anstatt realitätsgetreue Use Cases zu definieren, so die Expertin. „Man muss gut darauf achten, dass man liefert; sowohl an Datenqualität als auch an optimierter User Experience“, erläutert Sumper. Als Erfolgsbeispiel nennt sie die Asfinag, die einen KI-Chatbot erfolgreich eingeführt hat.

Das Besondere dabei: Ein Kernteam entwickelte die KI-Lösung, achtete auf Datenqualität und band die künftigen Nutzer:innen ein. Die Akzeptanz im Unternehmen stieg rasant, erzählt Sumper von den Projektanfängen. Ähnliche Schlüsse zieht Sumper aus der Beobachtung anderer Kund:innen: In erster Linie gelte es zu testen, ob KI in einem kleinen Rahmen Nutzen bringe. Sobald Mitarbeiter:innen erleben würden, dass KI ihre Arbeit wirklich erleichtert, wachse das Vertrauen und die Bereitschaft, weitere Schritte zu gehen.

Wichtig dabei: „Es gibt nichts, was sofort zu 100 Prozent top funktioniert“, so Sumper. Um Fehlerquellen und deren Auswirkungen jedoch möglichst gering zu halten, empfiehlt die Expertin Qualitätssicherung durch ein Key-User-Team, um Fehler festzustellen, zu korrigieren und Daten -Gaps zu schließen. Hierbei sollen die Möglichkeiten von generativer KI intelligent genutzt werden, wie Clemens Was ­ ner hervorhebt: „Wir haben das erste Mal eine Technologie, die es ermöglicht, unstrukturierte Daten überhaupt auswertbar zu machen.“

Insgesamt ist KI aber, wie Manuel Moser von CANCOM Austria sagt, ein Teil der größeren digitalen Transformation: „Ein Baustein, wenn man so will; wie ein ausgestrecktes Werkzeug eines Schweizer Taschenmessers.“

Zusammenfassend gesagt: Unternehmen sollten KI also nicht als fertige Lösung, sondern als Lernprozess verstehen, in den die Belegschaft aktiv mit eingebunden wird. Auf einer soliden Datenbasis mit klarer Kommunikation lässt sich schon in kleinen Projekten ein spürbarer Mehrwert für das Unternehmen erzeugen.

Wie verändert künstliche Intelligenz Geschäftsmodelle?

So weit also die Erfolgsfaktoren für den Einsatz von KI. Aber welche Auswirkungen kann dieser haben? Macht KI Unternehmen nur effizienter? Oder ist die Technologie transformativ und verändert auch Geschäftsmodelle? „Das glaube ich jedenfalls“, sagt Mic Hirschbrich, Co-Founder von Apollo.ai.

„Ich glaube, dass sich in den kommenden Jahren die Spreu vom Weizen trennen wird.“ Es reiche nicht, beliebig generative Modelle einzusetzen: „Wer glaubt, er kann das ohne Vorarbeit und Sicherheitsmaßnahmen großflächig ausrollen, wird ein böses Erwachen erleben.“

Saskya Lipp, Portfolio & Product Manager Business Innovation bei CANCOM Austria, beobachtet bereits Veränderungen: „Ich finde, man sieht es jetzt schon recht stark, dass sich bestehende Geschäftsmodelle durch Effizienzsteigerungen transformiert haben.“ Als Beispiel führt sie die Automatisierung in der Produktion oder die Personalisierung im Customer Bereich an. Sie geht davon aus, dass neue Geschäftsmodelle entstehen – insbesondere durch Agentic AI.

Als Beispiel führt sie Voice-Bot-as-a-Service-Anwendungen an. Agentic AI bezeichnet KI-Systeme, die nicht nur auf Eingaben reagieren, sondern auch eigenständig Aktionen ausführen und Entscheidungen treffen können. Während klassische Chatbots meist bloß antworten und Informationen bereitstellen, agiert eine Agentic AI eher wie ein digitaler Assistent, der Proaktivität zeigt und Aufgaben eigenverantwortlich übernimmt.

Für viele Unternehmen bleibt die Frage, ob sie KI bloß als Support- System nutzen oder ihre Prozesse tatsächlich umfassend umkrempeln. Tech Sales Leader Nikolaus Marek von IBM sagt dazu: „Sehr viele Unternehmen beginnen erst einmal mit KI-Projekten zur reinen Effizienzsteigerung, um überhaupt in die Lernphase einzusteigen. Das heißt, sie setzen sich mit der Technologie auseinander, machen erste Schritte, aber sie verwenden sie noch nicht wirklich disruptiv.“

Dennoch können auch effizienzsteigernde Maßnahmen zu neuen Geschäftsmodellen führen. Im Bereich Patentmanagement beispielsweise habe IBM ein Projekt mit ABP Patent Network umgesetzt, bei dem KI nicht nur Zeit und Ressourcen spart, sondern ein ganz neues Angebot ermöglicht: „Da haben wir ein Modell mit 160 Millionen verfügbaren Patenten trainiert, um Patentanwälten ein Tool zu geben, um Patente schneller anzumelden.“ Das sei gleichzeitig disruptiv und effizienzsteigernd.

Ana Simic, Gründerin von Propeller, sagt außerdem: „Die KI verändert nicht nur Geschäftsmodelle, sie verändert uns Menschen.“ KI werde langfristig mehr sein als nur ein weiterer Automatisierungshebel zur Effizienzsteigerung. Simic verweist auf den neuen World Job Report des World Economic Forums, wonach sich 60 Prozent aller Geschäftsmodelle KI-bedingt verändern werden und sich der globale KI-Markt in den nächsten acht Jahren von derzeit 300 Milliarden Dollar auf drei Billionen Dollar verzehnfachen werde.

Mic Hirschbrich hebt in Bezug auf Effizienz und Disruption aber auch hervor, dass KI in der Unternehmensführung nicht zwangsläufig „alles auf den Kopf stellen“ muss. „Wenn ich KI zur Entscheidungsunterstützung in Unternehmen einsetze, möchte ich eine verlässliche Basis schaffen, die Führungskräften bei ihrer Haftung und bei ihrer Entscheidungsqualität hilft.“

Hier würde man keine radikale Disruption brauchen, sondern viel- mehr eine sichere und nachvollziehbare KI. Zudem müsse man bei Use Cases bewusst zwischen Assistenz und Substitution unterscheiden. Die Entwicklung der Basistechnologien stellt Unternehmen jedenfalls aber vor die Wahl, große vortrainierte Modelle zu nutzen oder eigene KI-Modelle zu bauen.

Bei IBM verfolgt man den Ansatz, verschiedene Modelle auf einer Plattform bereitzustellen. Dazu gehöre auch, die nötige Governance zu bedenken, damit Verantwortliche bei gesetzlichen Vor- gaben und Haftungsfragen sicher seien, sagt IBM-Experte Marek. „Gerade in regulierten Branchen wie dem Finanzwesen ist das essenziell. Wer sein Geschäftsmodell auf KI stützt, muss sichergehen, dass Datenbasis und Governance passen.“ Auch CANCOM Austria berät dazu, ergänzt CANCOM-Austria-Expertin Lipp: „Bei KMU sehen wir, dass es effizienter ist, auf vorhandene Modelle aufzusetzen und dann ein Finetuning zu machen.“

Welche Rolle spielt Open Source bei KI?

Bestehende Modelle können noch einmal unterschieden werden: in Closed Source und Open Source. Der Begriff Open Source wird häufig mit Begriffen wie kollaborativ, transparent, frei zugänglich oder nicht profitorientiert assoziiert; und oftmals stehen bei der Nutzung tatsächlich ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gebe es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen –, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. Er sagt: „Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen.“

Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. „Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um ‚zu den Guten‘ zu gehören“, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Patrick Ratheiser, Gründer und CEO des Grazer KI-Startups Leftshift One, betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben; zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist – egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, pflichtet hier bei: „Wir setzen genauso auf hybrid.“

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI, an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance, zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Stephan Kraft hakt hier ein: Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Wir entwickeln zwar keine Modelle an sich, stellen unseren Kunden aber dafür Plattformen zur Verfügung, die abgesichert sind und der Compliance entsprechen. Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher von CANCOM Austria ein. Das Unternehmen unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würden aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. „Danach, welche Softwarelösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur“, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Mo- delle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der „Rechenleistungshunger“ sich verringere.

Was kann künstliche Intelligenz in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

KI ist aber nicht nur für Unter- nehmen relevant, auch für Institutionen im Gesundheits- oder Bildungsbereich gibt viel Potenzial; ebenso für den öffentlichen Dienst. „Wir glauben fest daran, dass wir im öffentlichen Bereich vor neuen Herausforderungen stehen“, sagt Bernd Konnerth, Public Sector Lead bei Microsoft. „KI kann eine Antwort sein, vielleicht nicht die einzige, aber eine Technologie mit sehr viel Potenzial.“ Durch die Automatisierung von wiederkehrenden Tätigkeiten könne KI viel Nutzen stiften. Dies gelte für die gesamte öffentliche Verwaltung, aber auch für den Bildungssektor und den Gesundheitsbereich. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und der Pensionierungswelle könnten automatisierte Lösungen wesentliche Aufgaben abfedern.

Carina Zehetmaier, Präsidentin von Women in AI Austria, betont jedoch, dass Vertrauen das Schlüsselwort sei. „Derzeit ist es so, dass es sehr viele Ängste rund um KI gibt“, erklärt sie. „Wir wissen, es gibt Schwach- stellen wie Halluzinieren oder Vorurteile in den Systemen. Gerade im öffentlichen Bereich muss man sich von Anfang an mit kritischen Fragestellungen auseinandersetzen.“ Um Diskriminierung zu vermeiden, brauche es den richtigen Umgang mit Daten und eine „Vorbildwirkung“ der öffentlichen Hand, die sich im Einklang mit den Grund- und Menschenrechten positionieren müsse.

Doch nicht nur im öffentlichen Dienst, auch im Gesundheitssystem kann KI zu Verbesserungen beitragen – und tut es jetzt schon. Harald Herzog, Chief Digital Officer (CDO) sowie Leiter Digitalisierung und Innovation bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), macht deutlich, wie enorm die Fallzahlen im Gesundheitssystem bereits sind: „Wir haben im Jahr 75 Millionen E-Rezepte, im Monat bis zu zehn Millionen E-Card-Konsultationen und im Jahr neun Millionen Wahlarztrechnungen“, sagt er. „Um das bewerkstelligen zu können, müssen wir neue Wege beschreiten.“ KI sei hier ein wesentlicher Faktor, um administrative Tätigkeiten zu automatisieren und zugleich die Servicequalität zu erhöhen.

Als Beispiel führt er die Bearbeitung von Wahlarztrechnungen an, die in der Vergangenheit oft Zeit kostete. Gemeinsam mit der ITSV, dem IT-Dienstleister der österreichischen Sozialversicherung, habe man bereits erste KI-Module im Einsatz, die Datensätze automatisch auslesen und so die Dunkelverarbeitung vorantreiben.

„Man muss die Dinge austesten und daraus lernen“, bestätigt Moritz Mitterer, Aufsichtsrats- vorsitzender der ITSV. Bereits 2018 habe man dort begonnen, sich intensiv mit KI zu befassen. Neben dem Einsatz bei der Wahlarztkostenerstattung sieht er Potenzial für viele weitere Prozesse. „Die zugrunde liegende Basis sind ja nicht nur technische Fragen, sondern auch Gesetze, die eine gewisse Komplexität aufweisen“, erklärt er. Deshalb brauche es Experten, die rechtliche Vorgaben mit der Technologie in Einklang bringen.

Für Mitterer ist allerdings ebenso entscheidend, dass die Menschen in den Mittelpunkt rücken und nicht nur die Technik: „Wenn wir einfache Prozesse automatisieren, müssen wir auch die Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter mitnehmen, ihnen Ängste nehmen und zeigen, dass es neue Aufgaben und Möglichkeiten gibt, die genauso erfüllend sind.“ Die ITSV hat selbst ein internes KI-Schulungsprogramm aufgesetzt. Mitterer plädiert dafür, auf breiter Ebene KI-Kompetenzen aufzubauen und die Belegschaft mitzunehmen.

Wie dieser Kompetenzaufbau gelingen kann, zeigte Markus Fallenböck, Vizerektor der Universität Graz und Universitätsprofessor für Technologie- und Innovationsrecht, am Beispiel seiner Institution. „Wir sehen das Thema sehr breit und haben bildungs- wie gesellschaftspolitische Verantwortung“, sagt er. Die Uni Graz hat als erste Hochschule in Österreich eine sogenannte „Micro-Credential-KI“ entwickelt, die in alle Bachelorstudien integriert werden soll. „In ein paar Jahren soll jeder Absolvent Grund- wissen in Technik, Wirtschaft, Recht und Ethik von KI haben.“ Parallel dazu wurde mit „UniGPT“ eine geschützte KI-Plattform eingeführt, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern datenschutzkonformes Arbeiten zu ermöglichen.

Doch wichtig sei auch die Kommunikation nach außen: „Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, desto besser können wir Chancen nutzen und Risiken minimieren.“ Dazu hat die Universität im Vorjahr auch erstmals den Technology Impact Summit zum Thema KI in Graz veranstaltet. Mit dem „IDea_Lab“ betreibt sie außerdem ein interdisziplinäres Forschungszentrum, das sich ethischen, rechtlichen und technischen Fragen rund um KI widmet. „Das Wichtigste ist, dass wir eine Spaltung der Gesellschaft – in jene, die sich die neuen Tools leisten und damit gut umgehen können, und jene, die das nicht können – vermeiden“, sagt Fallenböck.

Letztlich sei das Ziel bei KI klar, sagt Bernd Konnerth von Microsoft: „Erstens steht immer noch der Mensch im Mittelpunkt. Zweitens sollten wir in ein paar Jahren gar nicht mehr so intensiv über Technologie reden wie heute, weil KI so selbstverständlich integriert ist wie Strom oder das Internet.“ Österreich dürfe hier den Anschluss nicht verpassen; der öffentliche Dienst könne eine Vorreiterrolle einnehmen.

Was in Österreich und Europa bei KI jetzt passieren muss

Eine der zentralen Erkenntnisse von „No Hype KI“: Unternehmen und Institutionen verabschieden sich von überschwänglichen Erwartungen und sehen sich stattdessen an, wie KI tatsächlich in der Praxis eingesetzt werden kann. „Der Hype ist weg, und das ist eine gute Sache, denn jetzt kann man auf den Use Case gehen“, sagt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich.

Auch Marco Porak, General Manager von IBM in Österreich, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht das abgelaufene Jahr als eine Phase der Erkenntnis. Den Status quo bei KI in Österreichs Unternehmen beschreibt er im Talk folgendermaßen: „Wir haben allerorts sehr viel ausprobiert, sind vielleicht da und dort auf die Nase gefallen.“ Gleichzeitig habe es auch „schöne Erfolge“ gegeben.

Für Porak ist klar: „Die Frage der Stunde lautet: Wie machen wir jetzt von hier weiter?“ Ein großes Thema dabei ist der AI Act der EU. Die Juristin Jeannette Gorzala, Gründerin von Act.AI.Now sowie Mitglied des KI-Beirats der Bundesregierung, plädiert für eine pragmatische Haltung gegenüber der Verordnung: „Der AI Act ist ein Faktum, er ist da. Jetzt müssen wir ins Tun kommen.“ Sie sieht in dem Regelwerk einen Wegweiser: „Wir müssen die entsprechenden Kompetenzen aufbauen und die Möglichkeiten nutzen, die diese Regulierung bietet. Das ist der Reiseplan, den wir brauchen.“

Auch Marco Porak sieht den AI Act positiv: „Er hat nicht die Algorithmen reguliert, sondern gesagt, was wir in Europa gar nicht wollen, etwa Sozialpunktesysteme oder Gesichtserkennung in Echtzeit.“ So entstehe für Unternehmen im globalen Wettbewerb ein Vorteil, wenn sie ihre KI- Anwendung nach europäischen Maßstäben zertifizieren lassen: „Das ist wie ein Gütesiegel.“

Hermann Erlach von Microsoft bezeichnet den Ansatz des AI Act ebenfalls als „gut“, betont aber gleichzeitig, dass es jetzt auf die Umsetzung von KI-Projekten ankomme: „Wir haben eine Situation, in der jedes Land an einem neuen Startpunkt steht und wir positiv aggressiv reingehen müssen, um unseren Wohlstand zu halten.“

Peter Ahnert, Big Data & AI Practice Lead Central Europe bei Nagarro, sieht dabei auch ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung: KI werde tendenziell nicht nur zu klein gedacht, sondern meist auch in Zusammenhang mit Risiken wahrgenommen: „Es werden die Chancen nicht gesehen.“ Woran das liegt? „Zu einem erheblichen Teil daran, dass noch zu wenig Bildung und Aufklärung zu dem Thema da ist; in Schulen, in Universitäten, aber auch in Unternehmen und bei der öffentlichen Hand.“ Hier müsse man ansetzen, sagt der Nagarro-Experte.

Wie das in der Praxis funktionieren kann, schildert IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen: IBM lud weltweit alle Mit- arbeitenden zu einer KI-Challenge ein, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten – mit spürbaren Folgen: „Die Angst war weg.“

Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: „Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema KI gegenüber? Wie steht der Betriebs- rat dem Thema KI gegenüber?“, führt er aus.

So weit also die Unternehmensebene. Eine große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. „An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun“, merkt Ahnert an. Er verweist auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen – die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft haben oder deren Unternehmen zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.

Nagarro-Experte Ahnert nennt dazu eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups im Bereich generative KI zu den größten sich ihnen stellenden Hürden befragt wurden. „51 Prozent nannten Funding. Weit abgeschlagen kam erst auf Rang zwei mit 24 Prozent die Regulierung; unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.“ Ahnerts Appell: „Beim Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.“

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft, denn es komme auf die Adaption an: „Vielleicht ist die Diskussion ‚Europa versus Amerika‘ in Teilbereichen die falsche.“ Die wichtigere Frage sei also: „Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?“

Marco Porak ergänzt: „Ganz, ganz wesentlich ist Mut; ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.“ Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schaffe. „Und ich glaube, wenn wir das als Österreich und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.“


21.03.2025

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21.03.2025

Wo steht Österreichs Wirtschaft bei künstlicher Intelligenz wirklich?

In der brutkasten-Serie „No Hype KI“ haben wir gemeinsam mit unseren Partnern einen Realitycheck zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft durchgeführt. Herzstück der Serie waren sechs Deep-Dive-Roundtables, die das Thema von allen Seiten beleuchtet haben. Auf deren Basis ist ein Whitepaper entstanden, dessen wichtigste Erkenntnisse wir hier zusammenfassen.
Dominik Meisinger, Alexandra Sumper, Manuel Moser, Moritz Mitterer und Clemens Wasner. | Foto: Viktoria Waba, brutkasten

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Am 30. November 2022 veröffentlichte OpenAI den Chatbot ChatGPT. Was zunächst nicht besonders spektakulär klang, sollte sich später als Ereignis historischen Ausmaßes herausstellen: ChatGPT erreichte innerhalb kürzester Zeit die Marke von 100 Millionen User:innen. Die Öffentlichkeit staunte, was mit künstlicher Intelligenz bereits möglich war. Ein neuer Hype rund um künstliche Intelligenz (KI) begann. Die Erwartungen überschlugen sich.

Mittlerweile sind mehr als zwei Jahre vergangen – wir bei brutkasten haben dies zum Anlass genommen, einen Realitycheck durchzuführen. Dazu haben wir im vergangenen Dezember eine multimediale Serie gestartet: „No Hype KI“.

Mit CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und der Universität Graz konnten wir hochkarätige Partner für die Serie gewinnen. Das gemeinsame Ziel war es, eine Bestandsaufnahme zu KI aus der österreichischen Wirtschaft zu liefern. In sechs Deep-Dive-Videodiskussionen haben wir mit unseren Partnern und weiteren Expert:innen aus der österreichischen KI-Szene unterschiedliche Aspekte des Themas beleuchtet.

Wo steht Österreichs Wirtschaft bei KI zwei Jahre nach ChatGPT?

„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer“, erinnert sich Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither hat sich viel geändert: „Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: „Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr ‚KI-Lösung‘ dazu.“

Auch Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, hat noch Erinnerungen an den Zeitpunkt, an dem ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‚Wir müssen irgendwas mit KI machen!‘ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte „Centers of Excellence“ –, um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use Cases und wir brauchen uns als Land nicht zu verstecken.“

KI in Unternehmen: Was sind die Erfolgsfaktoren und Herausforderungen?

So weit also einige Erfolgsbeispiele aus der Praxis. Was aber sind die Faktoren, die entscheidend dafür sind, dass Unternehmen KI tatsächlich erfolgreich zum Einsatz bringen können? Aktuell sei künstliche Intelligenz in Unternehmen oft noch eine „Bottom-Up-Push-Bewegung“, sagt Clemens Wasner, Co-Founder und Chairman bei AI Austria sowie CEO des Startups enliteAI.

Was er damit meint: „Einzelne Mitarbeitende verfügen teilweise über weitaus mehr praktische Erfahrung mit generativer KI, als das oft auf einer Projektebene der Fall ist.“

Um KI federführend in Unternehmen zu verankern, sei es wichtiger denn je, Mitarbeitende einzubinden und ihnen intern eine Bühne für den Best-Practice-Austausch zu geben, erklärt er weiter. Aktuell ginge der KI-Push immer intensiver von Mitarbeiter:innen aus.

Ein essenzielles Learning aus dieser Phase: Prozessoptimierungen, gerade bei Massenprozessen, stellen sich als ideales Feld für KI heraus – wenn man vernünftige Leitplanken, klare Haftungsregeln und eine unternehmensweite Governance definiert.

Als Basis für den Einsatz von KI sollte außerdem der Datenhaushalt eines Unternehmens sauber strukturiert und reguliert werden.

„Wenn ein Unternehmen in puncto Daten hinterherhinkt, kann das jetzt durchaus ein Stolperstein sein“, sagt Manuel Moser, Director Digital Innovation & Software Engineering bei CANCOM Austria. In CRM- und ERP-Systemen finden sich häufig unvollständige Angaben. Die dadurch entstehende unzureichende Datenqualität könne jede KI-Initiative ins Stocken bringen, so Moser.

Datenqualität, Governance und gleichzeitig reichlich Agilität – worauf sollten sich Unternehmen in erster Linie konzentrieren, um KI lösungsorientiert einzusetzen? Alexandra Sumper, Director Delivery Österreich bei Nagarro, betont, dass KI Projekte weit mehr als reine Technik voraussetzen: „Meine Erfahrung zeigt wirklich, nicht zu groß zu beginnen, wenn man erst am Anfang steht.“

Viele Firmen würden sich gerade anfangs in Strategiepapieren verlieren, anstatt realitätsgetreue Use Cases zu definieren, so die Expertin. „Man muss gut darauf achten, dass man liefert; sowohl an Datenqualität als auch an optimierter User Experience“, erläutert Sumper. Als Erfolgsbeispiel nennt sie die Asfinag, die einen KI-Chatbot erfolgreich eingeführt hat.

Das Besondere dabei: Ein Kernteam entwickelte die KI-Lösung, achtete auf Datenqualität und band die künftigen Nutzer:innen ein. Die Akzeptanz im Unternehmen stieg rasant, erzählt Sumper von den Projektanfängen. Ähnliche Schlüsse zieht Sumper aus der Beobachtung anderer Kund:innen: In erster Linie gelte es zu testen, ob KI in einem kleinen Rahmen Nutzen bringe. Sobald Mitarbeiter:innen erleben würden, dass KI ihre Arbeit wirklich erleichtert, wachse das Vertrauen und die Bereitschaft, weitere Schritte zu gehen.

Wichtig dabei: „Es gibt nichts, was sofort zu 100 Prozent top funktioniert“, so Sumper. Um Fehlerquellen und deren Auswirkungen jedoch möglichst gering zu halten, empfiehlt die Expertin Qualitätssicherung durch ein Key-User-Team, um Fehler festzustellen, zu korrigieren und Daten -Gaps zu schließen. Hierbei sollen die Möglichkeiten von generativer KI intelligent genutzt werden, wie Clemens Was ­ ner hervorhebt: „Wir haben das erste Mal eine Technologie, die es ermöglicht, unstrukturierte Daten überhaupt auswertbar zu machen.“

Insgesamt ist KI aber, wie Manuel Moser von CANCOM Austria sagt, ein Teil der größeren digitalen Transformation: „Ein Baustein, wenn man so will; wie ein ausgestrecktes Werkzeug eines Schweizer Taschenmessers.“

Zusammenfassend gesagt: Unternehmen sollten KI also nicht als fertige Lösung, sondern als Lernprozess verstehen, in den die Belegschaft aktiv mit eingebunden wird. Auf einer soliden Datenbasis mit klarer Kommunikation lässt sich schon in kleinen Projekten ein spürbarer Mehrwert für das Unternehmen erzeugen.

Wie verändert künstliche Intelligenz Geschäftsmodelle?

So weit also die Erfolgsfaktoren für den Einsatz von KI. Aber welche Auswirkungen kann dieser haben? Macht KI Unternehmen nur effizienter? Oder ist die Technologie transformativ und verändert auch Geschäftsmodelle? „Das glaube ich jedenfalls“, sagt Mic Hirschbrich, Co-Founder von Apollo.ai.

„Ich glaube, dass sich in den kommenden Jahren die Spreu vom Weizen trennen wird.“ Es reiche nicht, beliebig generative Modelle einzusetzen: „Wer glaubt, er kann das ohne Vorarbeit und Sicherheitsmaßnahmen großflächig ausrollen, wird ein böses Erwachen erleben.“

Saskya Lipp, Portfolio & Product Manager Business Innovation bei CANCOM Austria, beobachtet bereits Veränderungen: „Ich finde, man sieht es jetzt schon recht stark, dass sich bestehende Geschäftsmodelle durch Effizienzsteigerungen transformiert haben.“ Als Beispiel führt sie die Automatisierung in der Produktion oder die Personalisierung im Customer Bereich an. Sie geht davon aus, dass neue Geschäftsmodelle entstehen – insbesondere durch Agentic AI.

Als Beispiel führt sie Voice-Bot-as-a-Service-Anwendungen an. Agentic AI bezeichnet KI-Systeme, die nicht nur auf Eingaben reagieren, sondern auch eigenständig Aktionen ausführen und Entscheidungen treffen können. Während klassische Chatbots meist bloß antworten und Informationen bereitstellen, agiert eine Agentic AI eher wie ein digitaler Assistent, der Proaktivität zeigt und Aufgaben eigenverantwortlich übernimmt.

Für viele Unternehmen bleibt die Frage, ob sie KI bloß als Support- System nutzen oder ihre Prozesse tatsächlich umfassend umkrempeln. Tech Sales Leader Nikolaus Marek von IBM sagt dazu: „Sehr viele Unternehmen beginnen erst einmal mit KI-Projekten zur reinen Effizienzsteigerung, um überhaupt in die Lernphase einzusteigen. Das heißt, sie setzen sich mit der Technologie auseinander, machen erste Schritte, aber sie verwenden sie noch nicht wirklich disruptiv.“

Dennoch können auch effizienzsteigernde Maßnahmen zu neuen Geschäftsmodellen führen. Im Bereich Patentmanagement beispielsweise habe IBM ein Projekt mit ABP Patent Network umgesetzt, bei dem KI nicht nur Zeit und Ressourcen spart, sondern ein ganz neues Angebot ermöglicht: „Da haben wir ein Modell mit 160 Millionen verfügbaren Patenten trainiert, um Patentanwälten ein Tool zu geben, um Patente schneller anzumelden.“ Das sei gleichzeitig disruptiv und effizienzsteigernd.

Ana Simic, Gründerin von Propeller, sagt außerdem: „Die KI verändert nicht nur Geschäftsmodelle, sie verändert uns Menschen.“ KI werde langfristig mehr sein als nur ein weiterer Automatisierungshebel zur Effizienzsteigerung. Simic verweist auf den neuen World Job Report des World Economic Forums, wonach sich 60 Prozent aller Geschäftsmodelle KI-bedingt verändern werden und sich der globale KI-Markt in den nächsten acht Jahren von derzeit 300 Milliarden Dollar auf drei Billionen Dollar verzehnfachen werde.

Mic Hirschbrich hebt in Bezug auf Effizienz und Disruption aber auch hervor, dass KI in der Unternehmensführung nicht zwangsläufig „alles auf den Kopf stellen“ muss. „Wenn ich KI zur Entscheidungsunterstützung in Unternehmen einsetze, möchte ich eine verlässliche Basis schaffen, die Führungskräften bei ihrer Haftung und bei ihrer Entscheidungsqualität hilft.“

Hier würde man keine radikale Disruption brauchen, sondern viel- mehr eine sichere und nachvollziehbare KI. Zudem müsse man bei Use Cases bewusst zwischen Assistenz und Substitution unterscheiden. Die Entwicklung der Basistechnologien stellt Unternehmen jedenfalls aber vor die Wahl, große vortrainierte Modelle zu nutzen oder eigene KI-Modelle zu bauen.

Bei IBM verfolgt man den Ansatz, verschiedene Modelle auf einer Plattform bereitzustellen. Dazu gehöre auch, die nötige Governance zu bedenken, damit Verantwortliche bei gesetzlichen Vor- gaben und Haftungsfragen sicher seien, sagt IBM-Experte Marek. „Gerade in regulierten Branchen wie dem Finanzwesen ist das essenziell. Wer sein Geschäftsmodell auf KI stützt, muss sichergehen, dass Datenbasis und Governance passen.“ Auch CANCOM Austria berät dazu, ergänzt CANCOM-Austria-Expertin Lipp: „Bei KMU sehen wir, dass es effizienter ist, auf vorhandene Modelle aufzusetzen und dann ein Finetuning zu machen.“

Welche Rolle spielt Open Source bei KI?

Bestehende Modelle können noch einmal unterschieden werden: in Closed Source und Open Source. Der Begriff Open Source wird häufig mit Begriffen wie kollaborativ, transparent, frei zugänglich oder nicht profitorientiert assoziiert; und oftmals stehen bei der Nutzung tatsächlich ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gebe es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen –, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. Er sagt: „Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen.“

Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. „Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um ‚zu den Guten‘ zu gehören“, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Patrick Ratheiser, Gründer und CEO des Grazer KI-Startups Leftshift One, betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. „2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.“ Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben; zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: „Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist – egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.“ Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, pflichtet hier bei: „Wir setzen genauso auf hybrid.“

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI, an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. „Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance, zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.“

Stephan Kraft hakt hier ein: Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. „Wir entwickeln zwar keine Modelle an sich, stellen unseren Kunden aber dafür Plattformen zur Verfügung, die abgesichert sind und der Compliance entsprechen. Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden“, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten könne dagegen in „Compliance-Fallen“ führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. „Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich“, grenzt Florian Böttcher von CANCOM Austria ein. Das Unternehmen unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würden aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. „KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht“, so Böttcher.

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. „Danach, welche Softwarelösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur“, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Mo- delle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der „Rechenleistungshunger“ sich verringere.

Was kann künstliche Intelligenz in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

KI ist aber nicht nur für Unter- nehmen relevant, auch für Institutionen im Gesundheits- oder Bildungsbereich gibt viel Potenzial; ebenso für den öffentlichen Dienst. „Wir glauben fest daran, dass wir im öffentlichen Bereich vor neuen Herausforderungen stehen“, sagt Bernd Konnerth, Public Sector Lead bei Microsoft. „KI kann eine Antwort sein, vielleicht nicht die einzige, aber eine Technologie mit sehr viel Potenzial.“ Durch die Automatisierung von wiederkehrenden Tätigkeiten könne KI viel Nutzen stiften. Dies gelte für die gesamte öffentliche Verwaltung, aber auch für den Bildungssektor und den Gesundheitsbereich. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und der Pensionierungswelle könnten automatisierte Lösungen wesentliche Aufgaben abfedern.

Carina Zehetmaier, Präsidentin von Women in AI Austria, betont jedoch, dass Vertrauen das Schlüsselwort sei. „Derzeit ist es so, dass es sehr viele Ängste rund um KI gibt“, erklärt sie. „Wir wissen, es gibt Schwach- stellen wie Halluzinieren oder Vorurteile in den Systemen. Gerade im öffentlichen Bereich muss man sich von Anfang an mit kritischen Fragestellungen auseinandersetzen.“ Um Diskriminierung zu vermeiden, brauche es den richtigen Umgang mit Daten und eine „Vorbildwirkung“ der öffentlichen Hand, die sich im Einklang mit den Grund- und Menschenrechten positionieren müsse.

Doch nicht nur im öffentlichen Dienst, auch im Gesundheitssystem kann KI zu Verbesserungen beitragen – und tut es jetzt schon. Harald Herzog, Chief Digital Officer (CDO) sowie Leiter Digitalisierung und Innovation bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), macht deutlich, wie enorm die Fallzahlen im Gesundheitssystem bereits sind: „Wir haben im Jahr 75 Millionen E-Rezepte, im Monat bis zu zehn Millionen E-Card-Konsultationen und im Jahr neun Millionen Wahlarztrechnungen“, sagt er. „Um das bewerkstelligen zu können, müssen wir neue Wege beschreiten.“ KI sei hier ein wesentlicher Faktor, um administrative Tätigkeiten zu automatisieren und zugleich die Servicequalität zu erhöhen.

Als Beispiel führt er die Bearbeitung von Wahlarztrechnungen an, die in der Vergangenheit oft Zeit kostete. Gemeinsam mit der ITSV, dem IT-Dienstleister der österreichischen Sozialversicherung, habe man bereits erste KI-Module im Einsatz, die Datensätze automatisch auslesen und so die Dunkelverarbeitung vorantreiben.

„Man muss die Dinge austesten und daraus lernen“, bestätigt Moritz Mitterer, Aufsichtsrats- vorsitzender der ITSV. Bereits 2018 habe man dort begonnen, sich intensiv mit KI zu befassen. Neben dem Einsatz bei der Wahlarztkostenerstattung sieht er Potenzial für viele weitere Prozesse. „Die zugrunde liegende Basis sind ja nicht nur technische Fragen, sondern auch Gesetze, die eine gewisse Komplexität aufweisen“, erklärt er. Deshalb brauche es Experten, die rechtliche Vorgaben mit der Technologie in Einklang bringen.

Für Mitterer ist allerdings ebenso entscheidend, dass die Menschen in den Mittelpunkt rücken und nicht nur die Technik: „Wenn wir einfache Prozesse automatisieren, müssen wir auch die Mitarbeite- rinnen und Mitarbeiter mitnehmen, ihnen Ängste nehmen und zeigen, dass es neue Aufgaben und Möglichkeiten gibt, die genauso erfüllend sind.“ Die ITSV hat selbst ein internes KI-Schulungsprogramm aufgesetzt. Mitterer plädiert dafür, auf breiter Ebene KI-Kompetenzen aufzubauen und die Belegschaft mitzunehmen.

Wie dieser Kompetenzaufbau gelingen kann, zeigte Markus Fallenböck, Vizerektor der Universität Graz und Universitätsprofessor für Technologie- und Innovationsrecht, am Beispiel seiner Institution. „Wir sehen das Thema sehr breit und haben bildungs- wie gesellschaftspolitische Verantwortung“, sagt er. Die Uni Graz hat als erste Hochschule in Österreich eine sogenannte „Micro-Credential-KI“ entwickelt, die in alle Bachelorstudien integriert werden soll. „In ein paar Jahren soll jeder Absolvent Grund- wissen in Technik, Wirtschaft, Recht und Ethik von KI haben.“ Parallel dazu wurde mit „UniGPT“ eine geschützte KI-Plattform eingeführt, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern datenschutzkonformes Arbeiten zu ermöglichen.

Doch wichtig sei auch die Kommunikation nach außen: „Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, desto besser können wir Chancen nutzen und Risiken minimieren.“ Dazu hat die Universität im Vorjahr auch erstmals den Technology Impact Summit zum Thema KI in Graz veranstaltet. Mit dem „IDea_Lab“ betreibt sie außerdem ein interdisziplinäres Forschungszentrum, das sich ethischen, rechtlichen und technischen Fragen rund um KI widmet. „Das Wichtigste ist, dass wir eine Spaltung der Gesellschaft – in jene, die sich die neuen Tools leisten und damit gut umgehen können, und jene, die das nicht können – vermeiden“, sagt Fallenböck.

Letztlich sei das Ziel bei KI klar, sagt Bernd Konnerth von Microsoft: „Erstens steht immer noch der Mensch im Mittelpunkt. Zweitens sollten wir in ein paar Jahren gar nicht mehr so intensiv über Technologie reden wie heute, weil KI so selbstverständlich integriert ist wie Strom oder das Internet.“ Österreich dürfe hier den Anschluss nicht verpassen; der öffentliche Dienst könne eine Vorreiterrolle einnehmen.

Was in Österreich und Europa bei KI jetzt passieren muss

Eine der zentralen Erkenntnisse von „No Hype KI“: Unternehmen und Institutionen verabschieden sich von überschwänglichen Erwartungen und sehen sich stattdessen an, wie KI tatsächlich in der Praxis eingesetzt werden kann. „Der Hype ist weg, und das ist eine gute Sache, denn jetzt kann man auf den Use Case gehen“, sagt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich.

Auch Marco Porak, General Manager von IBM in Österreich, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht das abgelaufene Jahr als eine Phase der Erkenntnis. Den Status quo bei KI in Österreichs Unternehmen beschreibt er im Talk folgendermaßen: „Wir haben allerorts sehr viel ausprobiert, sind vielleicht da und dort auf die Nase gefallen.“ Gleichzeitig habe es auch „schöne Erfolge“ gegeben.

Für Porak ist klar: „Die Frage der Stunde lautet: Wie machen wir jetzt von hier weiter?“ Ein großes Thema dabei ist der AI Act der EU. Die Juristin Jeannette Gorzala, Gründerin von Act.AI.Now sowie Mitglied des KI-Beirats der Bundesregierung, plädiert für eine pragmatische Haltung gegenüber der Verordnung: „Der AI Act ist ein Faktum, er ist da. Jetzt müssen wir ins Tun kommen.“ Sie sieht in dem Regelwerk einen Wegweiser: „Wir müssen die entsprechenden Kompetenzen aufbauen und die Möglichkeiten nutzen, die diese Regulierung bietet. Das ist der Reiseplan, den wir brauchen.“

Auch Marco Porak sieht den AI Act positiv: „Er hat nicht die Algorithmen reguliert, sondern gesagt, was wir in Europa gar nicht wollen, etwa Sozialpunktesysteme oder Gesichtserkennung in Echtzeit.“ So entstehe für Unternehmen im globalen Wettbewerb ein Vorteil, wenn sie ihre KI- Anwendung nach europäischen Maßstäben zertifizieren lassen: „Das ist wie ein Gütesiegel.“

Hermann Erlach von Microsoft bezeichnet den Ansatz des AI Act ebenfalls als „gut“, betont aber gleichzeitig, dass es jetzt auf die Umsetzung von KI-Projekten ankomme: „Wir haben eine Situation, in der jedes Land an einem neuen Startpunkt steht und wir positiv aggressiv reingehen müssen, um unseren Wohlstand zu halten.“

Peter Ahnert, Big Data & AI Practice Lead Central Europe bei Nagarro, sieht dabei auch ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung: KI werde tendenziell nicht nur zu klein gedacht, sondern meist auch in Zusammenhang mit Risiken wahrgenommen: „Es werden die Chancen nicht gesehen.“ Woran das liegt? „Zu einem erheblichen Teil daran, dass noch zu wenig Bildung und Aufklärung zu dem Thema da ist; in Schulen, in Universitäten, aber auch in Unternehmen und bei der öffentlichen Hand.“ Hier müsse man ansetzen, sagt der Nagarro-Experte.

Wie das in der Praxis funktionieren kann, schildert IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen: IBM lud weltweit alle Mit- arbeitenden zu einer KI-Challenge ein, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten – mit spürbaren Folgen: „Die Angst war weg.“

Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: „Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema KI gegenüber? Wie steht der Betriebs- rat dem Thema KI gegenüber?“, führt er aus.

So weit also die Unternehmensebene. Eine große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. „An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun“, merkt Ahnert an. Er verweist auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen – die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft haben oder deren Unternehmen zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.

Nagarro-Experte Ahnert nennt dazu eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups im Bereich generative KI zu den größten sich ihnen stellenden Hürden befragt wurden. „51 Prozent nannten Funding. Weit abgeschlagen kam erst auf Rang zwei mit 24 Prozent die Regulierung; unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.“ Ahnerts Appell: „Beim Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.“

Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft, denn es komme auf die Adaption an: „Vielleicht ist die Diskussion ‚Europa versus Amerika‘ in Teilbereichen die falsche.“ Die wichtigere Frage sei also: „Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?“

Marco Porak ergänzt: „Ganz, ganz wesentlich ist Mut; ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.“ Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schaffe. „Und ich glaube, wenn wir das als Österreich und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.“


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