28.02.2022

Brighteye Ventures: Insights in Europas größten EduTech-VC

Der Österreicher Hannes Aichmayr ist seit kurzem Associate bei Europas größtem EduTech-VC Brighteye Ventures. Im brutkasten-Interview spricht er über den Investment-Fokus und die wichtigsten Technologie-Trends.
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Hannes Aichmayr - EdTech Austria - Brighteye Ventures
Hannes Aichmayr | (c) WKS/Probst Photography

Brighteye Ventures ist nicht nur einer der wenigen VCs in Europa, der zur Gänze auf EduTech spezialisiert ist, sondern auch der größte und aktivste. 2017 von Alex Latsis und Ben Wirz gegründet hat das Unternehmen Büros in London und Paris und beteiligt sich an Startups in ganz Europa sowie in Israel. Aktuell wird aus dem zweiten Fonds mit einem Volumen von rund 100 Millionen Euro investiert. Das Portfolio umfasst mehr als 30 Startups, die über den kompletten Bildungsweg hinweg, von Schule, tertiärer Bildung bis hin zu Corporate- und Lifelong-Learning, aktiv sind. Allein im letzten Jahr wurde in elf neue Startups investiert.

Seit einigen Monaten arbeitet Hannes Aichmayr als Associate bei Brighteye Ventures am Standort Paris. Er war zuvor Leiter der Initiative EdTech Austria und sammelte schon davor umfassende Erfahrungen im Bildungsbereich, etwa als Fellow bei Teach for Austria oder im Master-Studiengang Education Policy an der Harvard University und als Projektmanager für den Bereich digitale Bildung bei der Bertelsmann Stiftung in Deutschland. Im Interview spricht Aichmayr über die Strategie von Brighteye Ventures und seine Einschätzungen zum EduTech-Bereich.

Wie kam es ursprünglich dazu, dass Brighteye Ventures sich komplett auf EduTech fokussiert hat?

Unsere beiden Partner, Alex und Ben, waren beide zuvor bereits sowohl als Gründer als auch als Investoren in dem Bereich tätig. Neben der Leidenschaft für das Thema kam dann aber auch noch hinzu, dass Europa in den letzten Jahren im Vergleich zu anderen Märkten – USA und auch Teilen Asiens – im Bereich der Digitalisierung des Bildungssektors aufgeholt hat, immer mehr innovative Gründer:innen spannende Startups an den Start brachten, aber de facto kein europäisches Venture Capital für EdTech-Gründungen vorhanden war. Diese Lücke will Brighteye schließen. Global gesehen sprechen wir hier außerdem von einem Markt der etwa 6,2 Billionen Dollar groß ist und nur zu etwa vier Prozent digitalisiert. Also trotz der Entwicklungen der letzten Jahre am Anfang der Digitalisierung steht und enormes Wachstumspotenzial bietet.

Gibt es innerhalb des Bereichs weitere Schwerpunkte, wo ihr bevorzugt investiert?

Wir sind in dem Bereich generell sehr breit aufgestellt und definieren für uns intern EdTech Startups als Unternehmen “that help people lern and grow” – das schließt also eine große Bandbreite ein und natürlich sowohl B2C als auch B2B oder B2G Modelle. So sind wir zum Beispiel in Zen Educate investiert, eine On-Demand-Plattform, die das Problem des Lehrermangels in Großbritannien angeht, den Schulen Geld spart und Lehrkräften ermöglicht mehr zu verdienen. Während Ironhack das größte Tech-Bootcamp in Europa und Lateinamerika ist und seine Absolvent:innen mit einer Vermittlungsquote von 90 Prozent mit Arbeitgebern zusammenbringt. Zu den weiteren Investments zählen zum Beispiel Ornikar, eine Online-Fahrschule in Frankreich und Spanien mit mehr als 1,6 Millionen Fahrschüler:innen oder Tandem, eine in Berlin ansässige Peer-to-Peer-Sprachlernplattform mit mehr als zehn Millionen User:innen.

In eurem Portfolio findet man Startups aus mehreren Kontinenten. Wie relevant sind landesspezifische Unterschiede für euch?

Da die meisten nationalen europäischen Märkte naturgemäß eher klein sind, ist es für uns grundsätzlich sehr wichtig in Startups zu investieren, die ihre Produkte potenziell in ganz Europa skalieren können. Aber natürlich ist besonders im EdTech-Bereich der Heimatmarkt eines Startups relevant und auch die ersten Expansionsschritte müssen gut überlegt sein. Gerade im B2C-Bereich erleben wir unterschiedliche Zahlungsbereitschaften für Bildungsangebote und die B2G (Anm. Business to Government; Schule und tertiärer Bildungsbereich) Märkte unterscheiden sich stark. Aber auch hier erleben wir, vor allem angetrieben durch die Pandemie, eine verstärkte Innovationsbereitschaft in traditionell konservativeren Märkten wie dem DACH Raum. Ein gutes Positivbeispiel aus Deutschland ist hier etwa Sdui, eine digitale Kommunikationslösung für Schulen, die in den letzten Monaten ein rasantes Wachstum hingelegt hat.

Sind der DACH-Raum und speziell Österreich generell interessant für euch?

Wie schon zuvor bereits kurz angedeutet erleben wir nun auch im DACH Raum eine starke Zunahme der Aktivität im EdTech-Bereich. Im B2C- und auch im B2B-Bereich – mit vielen großen, produzierenden Unternehmen als potenzielle Kunden für EdTechs – ist der Markt ohnehin spannend und auch der staatliche Bildungssektor öffnet sich zunehmend für innovative externe Anbieter. In Österreich habe ich durch EdTech Austria viele interessante Startups kennenlernen dürfen und ein europa- bzw. weltweit erfolgreiches Unternehmen wie GoStudent bringt dem Markt vermehrt Aufmerksamkeit und Aufschwung. Wir führen daher aktuell viele Gespräche, beobachten den Markt genau und sind natürlich immer interessiert an Kontakten zu aufstrebenden Startups.

Kann man den Push, den die Pandemie der gesamten Branche gegeben hat, bei Brighteye in Zahlen fassen?

Erst kürzlich haben wir unseren European EdTech Funding Report 2022 mit vielen spannenden Trends und Zahlen veröffentlicht. Wenn wir uns allein das in EdTech-Startups investierte Venture Capital ansehen, jagt ein Rekordjahr das nächste. Im vergangenen Jahr wurden 20,1 Milliarden US-Dollar investiert, fünf Milliarden mehr als noch 2020 und sechsmal mehr als im Jahr 2014. Europa nimmt hier inzwischen hinter den USA und Indien den dritten Platz ein. Zudem sehen wir an den Zahlen auch, dass das Marktumfeld reifer wird und sich konsolidiert. Fünf EdTech-Unicorns sind im vergangenen Jahr an die Börse gegangen und während die absolute Anzahl an Investments abgenommen hat, ist die durchschnittlich investierte Summe stark gestiegen.

Bald sind die Pandemie-bedingten Maßnahmen zumindest vorerst vorbei – wird EduTech wieder einen Dämpfer bekommen?

Auch wenn die Pandemie hoffentlich abflaut und wir uns alle bald deutlich weniger Sorgen um Covid machen müssen, erwarten wir nicht, dass dies dem EdTech-Markt einen Dämpfer versetzt. Wir sehen stattdessen einen Markt, der sich langsam aber sicher etabliert, jedoch weiterhin im Vergleich zu vielen anderen Sektoren wenig digitalisiert ist und daher gerade für innovative Gründer:innen eine Vielzahl an spannenden Chancen bereithält.

Was siehst du als die größten EduTech-Trends für die kommenden Jahre?

Vom pädagogischen Zugang her sehen wir einen starken Trend hin zu sogenannten “community-based-learning”-Ansätzen. Lernen ist und bleibt ein stark sozialer Prozess und hier wird versucht, Modelle zu entwickeln, wo vor allem auch der aktive Austausch mit Gleichgesinnten im Vordergrund steht, um so Lernerfolg zu verbessern und Abschlussraten – die im Online Learning generell niedriger sind – zu erhöhen.

Aus technologischer Perspektive bleibt Künstliche Intelligenz in Bezug auf die Individualisierung von Lernerfahrungen ein großes Thema und parallel zum Aufschwung von Podcasts sehen wir auch mehr und mehr Startups, die Audio als primäre Vermittlungsform von Lerninhalten wählen.

In Bezug auf Zielgruppen sehen wir einen enormen Bedarf bei der Digitalisierung von Bildungsangeboten der tertiären Bildung sowie auch dem Re- und Upskilling von Arbeitnehmer:innen. Hier werden in den nächsten Jahren mit Sicherheit spannende Modelle entstehen, die vor allem auch jenen Gruppen Zugang zu hochwertigen digitalen Bildungsangeboten bieten, denen dies bisher Großteils verwehrt war.

Gibt es eine Art Next Big Thing, das die meisten noch nicht am Radar haben?

Wie in vielen anderen Sektoren ist auch im EdTech-Bereich Web3 die große Unbekannte. Einerseits ist die Verifizierung etwa von Zeugnissen und Abschlüssen mittels Blockchain-Technologien schon länger ein Thema. Andererseits entstehen aber aktuell auch neue Ansätze. Hier sind zum Beispiel sogenannte “Learn to earn”-Modelle zu nennen. Lernende lösen im Zuge ihres Lernprozesses verschiedene Aufgaben, die zum Lernerfolg beitragen und erhalten dafür aber gleichzeitig Kryptowährungen oder auch NFTs. Als Web3-Buzzword darf dann natürlich auch das Metaverse nicht fehlen. Bei all diesen Themen wird sich jedoch erst in den nächsten Jahren weisen, wo die Reise hingeht und welchen Mehrwert für den Bildungsprozess all diese Themen im Kern tatsächlich bieten können.

Zuletzt eine Einschätzung: Wie viel Technologie verträgt der Bildungsbereich?

Hier kann ich nur an zuvor anschließen: Lernen ist und bleibt ein stark sozialer Prozess und auch eine analoge Komponente wird immer wichtig bleiben. Technologie kann jedoch bei richtigem Einsatz helfen, Bildung zugänglicher zu machen und Lernerfolg zu verbessern. Wenn wir dann gleichzeitig einbeziehen, dass sich bis 2035 weltweit der Bedarf nach tertiärer Bildung verdoppeln wird und in den nächsten Jahren etwa die Hälfte aller Arbeitnehmer:innen weitergebildet oder umgeschult werden muss, um im Arbeitsmarkt zu bleiben, wird dies nur mit einer starken digitalen Komponente gelingen. Es sollte also immer abgewogen werden, wo durch eine technologische Komponente ein Mehrwert geboten werden kann. EdTech ist jedoch definitiv hier, um zu bleiben.

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Georg Kopetz, Co-Founder und CEO von TTTech | (c) Robert Fritz

Die Meldung des Verkaufs von TTTech Auto an den niederländischen Chip-Hersteller NXP sorgte am Dienstag für großes Aufsehen in der heimischen Tech- und Wirtschaftslandschaft. Mit einem Jahresumsatz von 13,28 Milliarden US-Dollar zählt das Unternehmen zu den größten Chipherstellern weltweit.

“Die All-Cash Transaktion wird mit 625 Millionen US-Dollar bewertet”, hieß es am Dienstag in einer Aussendung von TTTech. Das Unternehmen TTTech Auto wurde 2018 von TTTech gemeinsam mit Audi ausgegründet und hat sich auf die Softwareentwicklung für Autos im Bereich Safety und Security spezialisiert. Zu den Leitkunden zählt beispielsweise der Volkswagen-Konzern.

Doch was waren die Gründe für den Verkauf? Antworten darauf lieferte Georg Kopetz, Mitgründer und CEO von TTTech, in einem Pressegespräch gemeinsam mit Vertretern von NXP. Unter anderem gab er einen Einblick zur Bewertung des Unternehmens und warum ein Gang an die Börse eine Option war, die schlussendlich nicht gewählt wurde.

Warum kein Börsengang gewählt wurde

“Ursprünglich dachten wir, dass TTTech Auto auch an die Börse gehen können, haben uns aber jetzt entschieden, dass die beste strategische Zukunft in einer starken Technologie liegt”, so Kopetz. Unter anderem argumentiert Kopetz die Entscheidung mit der schwierigen Kapitalmarktsituation.

Zudem führt der CEO und Mitgründer von TTTech an: “Aus meiner Sicht ist es essenziell, in einer aktiven Entscheidungsrolle zu sein, anstatt als Zuschauer passiv eine Finanzbeteiligung zu verwalten.”. Der Verkauf an NXP ermögliche es, in der Zukunft “klare Entscheidungen” zu treffen. “Die finanziellen Ressourcen, um bestehende Aktionäre auszukaufen, hatten wir nicht, daher war die Übergabe der Führung an NXP der sinnvollste Weg, um das volle Potenzial im Bereich Safety und Security für softwaredefinierte Fahrzeuge auszuschöpfen”, so Kopetz.

Warum fiel die Wahl auf NXP? Beide Unternehmen haben bereits in der Vergangenheit eng zusammengearbeitet – insbesondere im Bereich der Chip-Entwicklung und Systemintegration. “Die beste Zukunft für TTTech Auto liegt in einem starken Technologiekonzern wie NXP. Die Kombination aus NXPs Halbleiterkompetenz und TTTech Autos Expertise in Safety und Security für softwaredefinierte Fahrzeuge schafft enorme Synergien”, so der CEO.

Die Bewertung: Wie kam sie zustande?

“Die Bewertung eines Unternehmens hängt immer davon ab, wie der Net-Cash berücksichtigt wird“, erklärt Georg Kopetz. „Der entscheidende Equity-Value ergibt sich aus dem Enterprise-Value plus Net-Cash. TTTech Auto hatte durch eine starke Eigenkapitalbasis und zahlreiche Finanzierungsrunden stets einen hohen Net-Cash-Wert. Wir waren finanziell immer gut aufgestellt und hatten keine Cash-Probleme. Das führte dazu, dass wir im Unternehmen viel Liquidität halten konnten.”

Zur aktuellen Bewertung fügt er hinzu: „Der Ansatz von 625 Millionen Dollar Enterprise-Value plus Net-Cash liegt über dem, was bei der letzten Finanzierungsrunde pre-Money investiert wurde. Wir haben damals den Unicorn-Status nicht aktiv kommuniziert, aber der hohe Net-Cash hat diesen Status ermöglicht. Dennoch ist die aktuelle Bewertung über dem Niveau der letzten Runde, auch wenn sie sich in den letzten zwei Jahren nicht wesentlich erhöht hat.“

Kopetz betont die Bedeutung externer Faktoren: “Natürlich spielen auch äußere Einflüsse wie das Zinsniveau und Währungsschwankungen eine Rolle. Ein starker Dollar und ein schwächerer Euro beeinflussen die Bewertung erheblich. Vor zwei Jahren war der Euro 20 Prozent stärker gegenüber dem Dollar – das hat natürlich auch Auswirkungen.“

“Insgesamt haben wir etwa 325 Millionen Euro in TTTech Auto investiert, gemeinsam mit externen Kapitalgebern“, so Kopetz weiter. „Heute können wir mehr als 750 Millionen Dollar an die Kapitalgeber zurückgeben. Das ist eine exzellente Rendite und darauf sind wir stolz. Es ist nicht nur ein finanziell erfolgreicher Exit, sondern auch ein strategisch bedeutender Schritt.“

Kopetz reagiert auch auf kritische Stimmen: “Ich habe gelesen, dass jemand behauptet hat, der Verkauf sei zu billig erfolgt. Das halte ich für Unsinn. Es geht hier nicht nur um den finanziellen Aspekt, sondern auch um den strategischen Wert. Der Wert, den wir durch diese Partnerschaft für die gesamte Gruppe schaffen, ist enorm und wurde in der Diskussion oft nicht ausreichend beleuchtet.”

Wie es nun mit TTTech Auto weitergeht

Die Integration von TTTech Auto in die NXP-Struktur wird laut Jan-Philipp Gehrmann, Vice President Marketing bei NXP, schrittweise erfolgen. “In den kommenden sechs bis neun Monaten bleiben beide Unternehmen eigenständig“, so Gehrmann. Nach dem Closing soll TTTech Auto sukzessive in den Markennamen NXP übergehen – ein “natürlicher Teil des Übergangsprozesses”.

NXP betreibt in Österreich einen Standort in Gratkorn bei Graz, an dem über 700 Mitarbeiter tätig sind. Der Schwerpunkt liegt hier auf kontaktloser Kommunikation und der Entwicklung sicherer Lösungen für den Automotive-Sektor. Erst im letzten Jahr wurde ein neues Kompetenzzentrum eröffnet, das 400 Quadratmeter Laborfläche umfasst und durch eine Investition von zwölf Millionen Euro über 250 neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Zudem ist Gratkorn ein R&D-Zentrum von NXP. Ergänzt wird dies durch ein Competence Center für Krypto- und Sicherheitslösungen, die sowohl in Hardware als auch Software für den Automobilsektor integriert sind – ein Bereich in dem Kopetz für Europa trotz der aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage große Chancen sieht.

Ein wesentlicher Teil der Erlöse aus dem Verkauf der Aktien soll bei TTTech in bestehende und neue Marktsegmente reinvestiert werden, wie es bereits am Dienstag hieß. Dazu zählen unter anderem die Märkte Luft- und Raumfahrt, industrielle Robotik und der Energiesektor. “Unsere Vision war immer, höchste Zuverlässigkeitsstandards aus der Aerospace-Industrie in Massenmärkte zu bringen”, so Kopetz. Darüber hinaus besteht das Ziel, die anderen Geschäftsbereiche der TTTech-Gruppe eigenständig weiter auszubauen. Ein Börsengang für Teile des Unternehmens bleibt weiterhin eine Option für die Zukunft.


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