02.11.2021

Brickwise: Wie die Blockchain-Plattform für Immobilien-Investments funktioniert

Das österreichische Immobilien-Investment-Startup Brickwise hat im September seine Pre-Launch-Phase gestartet und zuletzt auch eine sechsstellige Förderung der Wiener Wirtschaftsagentur erhalten. Der brutkasten hat CEO und Mitgründer Michael Murg dazu befragt.
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Brickwise
(c) Brickwise - Die Brickwise Co-Founder Marco Neumayer, Klaus Pateter, Michael Murg und Valentin Perkonigg.

Das Grazer Startup Brickwise will den Handel digitalisierter Immobilienanteile mit nur wenigen Klicks ermöglichen. Dazu werden Immobilien in kleine digitale Anteile zerteilt und in ein blockchain-basiertes Register übertragen. Im Februar kommunizierte das Unternehmen, wie berichtet, bereits ein sechsstelliges Investment. Nun folgte eine ebenfalls sechsstellige Föderung der der Wiener Wirtschaftsagentur. Außerdem hat Brickwise mit 30. September seine Pre-Launch-Phase gestartet. Im November soll die Plattform in den Vollbetrieb wechseln. Grund genug für den brutkasten, bei Brickwise-CEO Michael Murg nachzufragen, was bisher alles passiert ist, wie die Plattform genau funktioniert und was bei Brickwise noch geplant ist.

brutkasten: Ende September ist die Pre-Launch-Phase auf der Plattform gestartet. Die ersten Investments in tokenisierte Immobilien sind laut Aussendung dabei schon getätigt worden. Was ist euer erstes Resümee?

Michael Murg: Wir haben bereits mehrere hundert registrierte und auch legitimierte Investor:innen auf unserer Plattform. Letzteres ist vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil wir als Finanzdienstleister alle User anhand von Ausweisdokumenten identifizieren müssen, bevor Investments getätigt werden können. Der enorme Zulauf und auch das positive Feedback freuen uns natürlich sehr. Insbesondere die zahlreichen Interaktionen und der enge Austausch mit unseren User:innen begeistert uns.

Wir versuchen gerade von den ersten User:innen besonders viel zu lernen, um unsere App und das Dienstleistungsangebot zu optimieren. Interessant ist für uns die Beobachtung, dass viele Investor:innen automatisch davon ausgehen, dass sie zuerst Geld auf ihren Account überweisen müssen. Bei Brickwise gibt es aber auch die Möglichkeit via Kreditkarte (und bald auch Apple Pay und Google Pay) und damit unmittelbar nach der Registrierung zu investieren.

Wie viele Immobilien aus welchen Städten sind aktuell auf der Plattform schon vorhanden und wie viele sollen es beim Start im November werden?

Wir befinden uns aktuell noch in der Pre-Launch Phase, in der wir uns bewusst Zeit nehmen um unsere App, die Experience und auch die Auswahl der Immobilien auf der Plattform, auf Basis des Userfeedbacks zu optimieren. Während dieser Phase gibt es jeweils Wohnungen in Graz und Wien auf der Plattform.

Für den Start später im November haben wir eine gut gefüllte Pipeline an Immobilien mit einem Gesamtwert im zweistelligen Millionenbereich, die wir Schritt für Schritt auf die Plattform stellen werden. Diese Immobilien werden zu Beginn vor allem in den großen Städten im Osten Österreichs sein.

Ganz grundlegend gefragt: Was sind die wichtigste Unterschiede zwischen Brickwise und anderen Plattformen, die Investments in Immobilien ermöglichen, wie z.B. Rendity?

Der größte Unterschied ist, dass Investor:innen bei Brickwise Immobilieneigentümern wirtschaftlich gleichgestellt sind. Konkret heißt das, alle Investor:innen erhalten ihren Anteil an den laufenden Mieteinnahmen und profitieren auch zu 100 Prozent von der Wertentwicklung der Immobilie, eben wie ein:e Immobilieneigentümer:in.

Obendrauf haben die Investor:innen auch Mitbestimmungsrechte, z.B. bei Themen zu Hausverwaltung, Instandhaltung oder Vermietung. Eine begrenzte Laufzeit gibt es ebenfalls nicht. Wenn man nicht mehr in die Immobilie investiert sein möchte, kann man den Anteil einfach wieder verkaufen…genau so wie wenn man direkt eine Immobilie gekauft hätte. Nur einfacher, mit viel geringeren Transaktionskosten und schneller.

Bei den klassischen Crowdfunding Plattformen geben die Investor:innen lediglich einen Kredit, genau genommen ein Nachrangdarlehen, das verzinst wird. Investiert wird also nicht nur in eine Immobilie, sondern in ein Immobilienprojekt mit entsprechenden Projektrisiken, operationellen Risiken und auch Marktrisiken, wie dem Zinsrisiko. Außerdem gibt es bei Brickwise ausschließlich Immobilien die tatsächlich existieren, das heißt bereits gebaut, sind.

Bei Brickwise werden Immobilien in kleine digitale Anteile zerteilt und in ein blockchain-basiertes Register übertragen, das wie ein digitales Grundbuch funktioniert. Wie wichtig ist es für Brickwise, dies blockchain-basiert umzusetzen? Verwendet Brickwise eine eigene private Blockchain oder setzt man auf eine Public Blockchain auf?

Wir setzen auf eine eigene permissioned Blockchain, d.h. sie ist öffentlich, aber nur Investor:innen, also Brickwise User und alle Immobilien können eine Node betreiben. Erst durch die Blockchain wird die Tokenisierung der Immobilien bzw. der Immobilienanteile möglich – sie ist also ein zentrales und entscheidendes Element. Da die Blockchain bei Brickwise die Funktion eines digitalen Grundbuchs hat und Transaktionen sicher, schnell, energieeffizient und vor allem unabhängig von etwaigen anderen Markteinflüssen stattfinden sollen, war es für uns eine logische Entscheidung nicht auf eine andere Blockchain aus der Kryptowährungswelt aufzusetzen.

Brickwise nützt die Blockchain als Technologie im Hintergrund, als User bekommt man davon eigentlich nichts mit – außer man möchte das. Die Schnittstellen sind offen und wir stellen auch Dokumentationen für Dritte zur Verfügung, aber sie soll nur der Tokenisierung von Immobilien dienen. Mit Kryptowährungen haben wir nichts am Hut und es ist bei Brickwise auch nicht möglich mit Kryptowährungen zu bezahlen, außer Kryptowährungen werden irgendwann ein offizielles Zahlungsmittel, aber davon ist im Moment wohl nicht auszugehen.

Wenn ich bei Brickwise in eine Immobilie investiere, was genau erhalte ich dann im juristischen Sinn – einen Token?

Ja, genau. Rechtlich betrachtet handelt ist sich um ein auf einer Blockchain tokenisiertes Wertpapier. Für dieses Wertpapier wird eine eigene international gültige Wertpapieridentifikationsnummer (ISIN) durch die Österreichische Kontrollbank vergeben. Diese ISIN ist auch gleichzeitig die einzigartige Bezeichnung des tokenisierten Wertpapiers auf der Blockchain und somit sind alle Immobilien mit der Blockchain verknüpft. So kann jeder Wechsel und der Besitz von Anteilen zu jeder Zeit auf dem Brickprotocol (die Blockchain) nachgewiesen werden – und das absolut fälschungssicher.

Das Wertpapier verbrieft die Substanz der Immobilie, das Recht auf den Nettoüberschuss aus den laufenden Mieteinnahmen, hat unendliche Laufzeit, beteiligt die Investor:innen zu 100 Prozent am Überschuß eines etwaigen Liquidationserlöses und kann durch die Emittent:in nicht ordentlich gekündigt werden. Dadurch ergibt sich die wirtschaftliche Gleichstellung zu Immobilieneigentümer:innen für die Investor:innen, diese müssen sich aber nicht um die Verwaltung der Immobilie kümmern.

Ein besonderes Highlight: Die digitalen Immobilienanteile werden auch in das Grundbuch eingetragen. Das gab es so noch nie… aber darüber werden wir in Kürze mehr berichten.

Brickwise hat kürzlich eine sechsstellige Förderung im Rahmen des Förderprogramms Innovation der Wiener Wirtschaftsagentur erhalten, mit der nun ein Launchpad entwickelt werden soll, über das Verkäufer:innen Immobilien direkt auf der Brickwise Plattform platzieren können. Wie platzieren Verkäufer:innen derzeit Immobilien auf der Plattform und wie wird sich dieser Prozess mit dem Launchpad verändern?

Aktuell können sich Interessent:innen die eine Immobilie auf der Brickwise Plattform platzieren, also tokenisieren, wollen bei uns melden. Das sind in der Regel Immobilienunternehmen, -entwickler oder -makler oder Bauträger:innen. Wir haben einen strengen Kriterienkatalog der definiert, welche Immobilien auf der Plattform gelistet werden dürfen und wie diese Beschaffen sein müssen. Entspricht eine Immobilie diesen Kriterien folgt eine Due-Dilligence-Prüfung, bei der unter anderem ein gerichtlich beeideter Sachverständiger den Zustand der Immobilie überprüft und ein Gutachten anfertigt, das wir allen Investor:innen in der Brickwise-App zur Verfügung stellen.

Durch das neue Launchpad können alle Immobilienverkäufer:innen, also sowohl gewerbliche also auch private ihre Immobilien direkt selbst tokenisieren und das Ganze wird so einfach sein, wie ein Inserat auf einer der großen Anzeigenplattformen, wie willhaben oder Immoscout24 zu schalten.

Für das Launchpad ist eine KI-basierte Datenerfassung inklusive Virtual Reality Capturing vorgesehen – was ist da genau darunter zu verstehen, wie funktioniert das genau?

Beim Verkauf von Immobilien sind zwei Dinge besonderes relevant: der Preis und eine ansprechende Vermarktung. Genau darum geht es hier: mittels KI erhalten potenzielle Immobilienverkäufer:innen oder jene die ihre Immobilie tokenisieren wollen, eine Bewertung ihrer Immobilien. Das Virtual Reality Capturing ermöglicht es auf einfache Art und Weise, konkret mit dem eigenen Smartphone, ein 3D-Modell der Immobilie zu kreieren, über das dann die Investor:innen die Immobilie über die Brickwise-App virtuell besichtigen können.

Was sind neben dem offiziellen Launch im November eure Pläne für die nächsten Monate – oder auch langfristiger gesehen?

Unsere Vision ist, Immobilieninvestments für jede:n einfach zugänglich zu machen, denn wir sind davon überzeugt, die Welt wäre eine bessere, wenn jede:r einen Teil davon hätte. Daher werden wir nach dem erfolgreichen Marktstart bereits im ersten Halbjahr 2022 nach Deutschland expandieren um unseren Plan, der größte Immobilien Marktplatz Europas zu werden, zu verwirklichen. In den nächsten Jahren planen wir mit einem Handelsvolumen von über einer Milliarde Euro und werden damit eines der nächsten österreichischen Unicorns 😉

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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