13.06.2023

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”

Interview. Borealis-CEO Thomas Gangl erläutert im Gespräch mit dem brutkasten, wie der Kunststoffhersteller den schrittweise Übergang zur Kreislaufwirtschaft schaffen möchte und warum das Unternehmen ein internationales Plastikabkommen begrüßen würde.
/artikel/borealis-ceo-thomas-gangl-interview
Thomas Gangl
Borealis Chef Thomas Gangl im Linzer Werk | (c) martin pacher / brutkasten

Die OMV-Tochter Borealis zählt weltweit zu den führenden Anbietern von sogenannten Polyolefinlösungen, die im Bereich der Kunststoffproduktion zur Anwendung kommen. Das Unternehmen hat sich den schrittweisen Übergang zur Kreislaufwirtschaft zum Ziel gesetzt – unter anderem soll der Einsatz von Rezyklaten in den nächsten Jahren sukzessive erhöht werden. Welche Herausforderungen sich dadurch ergeben, darüber spricht Thomas Gangl, Borealis-CEO, im Interview mit dem brutkasten. Zudem äußert sich Gangl zum geplanten UN-Plastikabkommen, zu den Fortschritten im Bereich des chemischen Recyclings sowie die mögliche Einführung von Science-Based-Targets.


Welche konkreten Ziele haben Sie sich im Bereich der Kreislaufwirtschaft gesetzt?

Im Bereich der Kreislaufwirtschaft haben wir für eine nachhaltige Produktion Ziele für 2025 und 2030 definiert. Diese umfassen einerseits das Recycling, andererseits den Einsatz von biobasierten Kunststoffen. Bis 2025 möchten wir 600.000 Tonnen zirkuläre Kunststoffe erzeugen. Die Menge soll überwiegend in Europa produziert werden, wobei wir die Produktion auch global ausrollen wollen. Bis 2030 soll die Menge auf 1,8 Millionen Tonnen gesteigert werden. Das ist eine enorme Herausforderung, weil wir uns einerseits teilweise noch in der Technologieentwicklung befinden. Andererseits brauchen natürlich die Kunden, die bereit sind, hier einen Mehrpreis zu zahlen. Uns allen muss bewusst sein, dass die Kosten für Produkte aus der Kreislaufwirtschaft etwas höher sind. Mittelfristig bis langfristig ist die Kreislaufwirtschaft allerdings die einzige Möglichkeit, um überhaupt ein nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen.

Sie sprechen die Bereitschaft der Kunden an, mehr für die Produkte zu bezahlen. Kein leichtes Unterfangen, oder? 

Ich glaube, dass in der Gesellschaft ein starker Trend in diese Richtung geht. Wir haben es beispielsweise bei Bioprodukten und dergleichen gesehen. Zusätzlich ist natürlich die Gesetzgebung gefordert, die passenden Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Künftig sollte es einfach weniger günstig sein, Material zu deponieren oder zu verbrennen, statt sie dem Kreislauf zurückzuführen. Insbesondere in der EU gibt es eine Gesetzgebung, die das unterstützt. Aber das ist natürlich noch ein Schritt, der zu kurz greift, um das nachhaltig in größerem Stil zu schaffen.

In welchen Bereichen sind die Anforderungen an Kreislaufwirtschaft am höchsten?

Überall dort, wo die Materialanforderungen gering sind, kann man mit einfachem Recycling schon die entsprechenden Produkte herstellen. Je höherwertiger die Anforderungen werden, desto selektiver wird es. Das trifft insbesondere auf Materialien zu, die in Kontakt mit Lebensmitteln kommen. Im Bereich der Technologieentwicklung gibt es die größten Herausforderungen beim chemischen Recycling. Aber auch im mechanischen Recycling gibt es noch Entwicklungspotential, um die entsprechenden Größenordnungen erzielen zu können. Das umfasst insbesondere die Errichtung von großen Anlagen. 

Wie viel Geld nehmen Sie in die Hand, um die von Ihnen erwähnten Ziele zu erreichen? 

Das lässt sich so nicht einfach beziffern. Wir investieren aber in entsprechende Anlagen und werden auch entsprechende Zukäufe machen. Daher ist es schwierig, eine konkrete Zahl zu nennen, die wir auch nach außen tragen wollen. Es geht hier um sehr relevante Summen. Hier sprechen wir von mehr als zweistelligen Millionenbeträgen.

Beim chemischen Recycling steht oftmals der hohe Energieverbrauch in der Kritik. Welche Herausforderungen ergeben sich in diesem Bereich?

Die Energieintensität macht mir hier keine Sorgen. Eine Herausforderung ist eher die Skalierbarkeit der Anlagen. Die OMV hat hier eine ReOil-Anlage in der Raffinerie Schwechat, die mit Jahresende fertiggestellt werden soll. Zudem sind wir mehrheitlich an einer Anlage in Ostende (Belgien) beteiligt, die bereits fertig steht und produziert. Das heißt, es gibt erste Mengen, die auch sehr stark gefragt sind. Hier haben wir auch Kunden, die sich bereits anstellen. Allerdings sind die entsprechenden Mengen noch nicht verfügbar. Beim chemischen Recycling ist die Skalierung der Anlagen wirklich die Herausforderung, um auch die entsprechenden Mengen produzieren zu können.

Wie hoch ist aktuell der Einsatz von Rezyklaten beim mechanischen Recycling?

Wir  haben mit der neuesten Borstar-Technologie die Möglichkeit geschaffen, dass man bis zu 50 Prozent an Rezyklaten im Verpackungsbereich bei manchen Produkten zumischen kann. Hier haben wir wirklich eine neue Benchmark erreicht, die in der Vergangenheit so nicht möglich war. Allerdings geht es hier in erster Linie nicht unbedingt um die Frage, wie viel man zumischen kann, sondern eher um die Anforderungen der Kunden an die Qualität der Materialien.

Sie haben sich ambitionierte Klimaziele gesetzt. Erwägen Sie eventuell auch die Einführung von Science-Based-Targets?

Wir prüfen die Einführung von Science-Based-Targets. Das ist für uns ein sehr spannendes Thema. Allerdings ist es auch so, dass derzeit noch nicht ganz klar ist, wie eine genaue Ausgestaltung ausschauen kann. Generell gibt es in diesem Bereich gemeinsam mit der gesamten chemischen Industrie intensive Aktivitäten, um das auch zu definieren. Zu den Science-Based-Targets werden wir wahrscheinlich heuer noch eine Entscheidung treffen, wie es hier weitergehen wird.

Auf internationaler Ebene wird aktuell ein Plastikabkommen verhandelt. Wie stehen Sie einem derartigen Abkommen gegenüber? 

Wir unterstützen diese Initiative nicht nur, indem wir sagen “wir finden es gut”, sondern sind auch aktiv dabei. Hier gibt es ganz wesentliche Ziele zu erreichen. Global muss nämlich wirklich dafür gesorgt werden, dass man für die Entsorgung von Kunststoffen eine Lösung findet. Es gibt auch Bereiche, wo es völlig klar ist, dass es zu einer Beschränkung kommen muss. In der EU gibt es beispielsweise das Thema Mikroplastik, das aktuell in Kosmetika-Produkten aktiv zugeführt wird. 

Bei all den Regelungen ist es allerdings wichtig, dass es nicht nur eine österreichische oder europäische Lösung gibt. Wir würden daher ein internationales Abkommen sehr begrüßen. Eine globale Regelung würde auch dazu führen, dass das Thema Kreislaufwirtschaft einen deutlichen Schub bekommt. Es wird dann nicht mehr ausreichen, die Materialien einfach in eine Deponie zu stecken. Die Verpflichtung zur Wiederverwertung, aber auch die Ökologie schon beim Design von Produkten zu berücksichtigen, wird dann auf globaler Ebene stärker zum Tragen kommen.

Zudem müssen wir uns bewusst sein, dass das größte Wachstum im Bereich der Kunststoffindustrie aktuell in Asien stattfindet. Allein das Wachstum in China in den nächsten zehn Jahren wird größer sein, als die gesamte Produktion, die aktuell in Europa erfolgt. 

Auf EU-Ebene hat sich das EU-Parlament für ein verschärftes Lieferkettengesetz ausgesprochen. Der Gesetzesentwurf wird nun in den Trilogverhandlungen weiter verhandelt. Was würden Sie am derzeitigen Entwurf eventuell noch ändern wollen?

Ich glaube, dass es keine Industrie gibt, die hier nicht noch was ändern möchte. Es ist gut, dass es hier klare Richtlinien gibt. Genauso wichtig ist es aber auch, dass sie umsetzbar sind. Wichtig ist, dass man kein System schafft, das schlussendlich eine Verlagerung bewirkt.


Disclaimer: Das Interview entstand im Rahmen einer Pressereise des Fachverbands Chemische Industrie Oberösterreich (FCIÖ). Reisekosten und Unterbringung wurden vom FCIÖ übernommen.

Deine ungelesenen Artikel:
21.11.2024

GemeinsamErleben: Wiener Freizeit-Plattform-Startup schon bei 1 Million Mitgliedern

Nachdem GemeinsamErleben 2021 den größten deutschen Mitbewerber übernahm, kommt das Scaleup mittlerweile auf mehr als 1.000 neue Mitglieder pro Tag im DACH-Raum.
/artikel/gemeinsamerleben-1-million-mitglieder
21.11.2024

GemeinsamErleben: Wiener Freizeit-Plattform-Startup schon bei 1 Million Mitgliedern

Nachdem GemeinsamErleben 2021 den größten deutschen Mitbewerber übernahm, kommt das Scaleup mittlerweile auf mehr als 1.000 neue Mitglieder pro Tag im DACH-Raum.
/artikel/gemeinsamerleben-1-million-mitglieder
GemeinsamErleben-CEO Alexander Lendl
GemeinsamErleben-CEO Alexander Lendl | (c) GemeinsamErleben

200 Millionen Seitenaufrufe pro Monat, mehr als 1.000 Neuregistrierungen pro Tag, 20.000 monatlich organisierte Aktivitäten und nun insgesamt mehr als eine Million Mitglieder – diese Zahlen veröffentlichte das 2019 gegründete Wiener Scaleup Synexit nun über seine Freizeit- und Sport-Plattform GemeinsamErleben.

“Kampf gegen die Einsamkeit” im Zentrum

Über die Plattform werden in 70 “Themen-Communities” gemeinsame Aktivitäten organisiert, wobei die Teilnehmer:innen sich dazu nicht vorher kennen müssen. In der Kommunikation von GemeinsamErleben ist klar: Im Zentrum steht der “Kampf gegen die Einsamkeit”. Damit schaffe man auch gesellschaftlichen Mehrwert. Und das Angebot sei gerade in den anstehenden Feiertagen wichtig. “Niemand sollte die Festtage alleine verbringen müssen”, wird CEO Alexander Lendl in einer Aussendung zitiert. “Es ist an der Zeit, das Thema Einsamkeit zu enttabuisieren und offen darüber zu sprechen.”

Übernahme des größten Mitbewerbers im DACH-Raum 2021

Das Konzept scheint – folgt man den Zahlen – aufzugehen. Man zeige, “dass auch Startups im Bereich des sozialen Miteinanders skalieren können”, heißt es vom Unternehmen. Synexit hat 2021 den größten deutschen Mitbewerber Spontacts vom Medienkonzern ProSiebenSat.1 für einen nicht genannten Betrag übernommen – brutkasten berichtete und Lendl war damals in Video-Talk zu Gast.

GemeinsamErleben “stellt Weichen” für weitere Internationalisierung

Seitdem baute GemeinsamErleben seine Kund:innenbasis im DACH-Raum deutlich aus – die Zahl der monatlichen Neuregistrierungen habe sich in der Zeit um mehr als 1.000 Prozent gesteigert, heißt es vom Scaleup. Mittlerweile würde man auch bereits “die Weichen für eine Internationalisierung in neue Sprachregionen” über den DACH-Raum hinaus stellen. Zudem stehe ein großes Plattform-Update bevor.

.

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Borealis-CEO: “Wir würden ein internationales Plastikabkommen sehr begrüßen”