07.09.2021

Blockchain in der Finanzwelt: Die Technologie ist nicht die Herausforderung

In Österreich haben große Finanzmarkts-Institutionen spannende Blockchain-Projekte gestartet. Die Technologie ist dabei nicht die größte Challenge.
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V.l.: Sara Grasel (brutkasten), Alfred Taudes (WU Wien), Angelika Sommer-Hemetsberger (OeKB) und Ökonom Stefan Schmitz © brutkasten/Dervisevic
V.l.: Sara Grasel (brutkasten), Alfred Taudes (WU Wien), Angelika Sommer-Hemetsberger (OeKB) und Ökonom Stefan Schmitz © brutkasten/Dervisevic
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Innovationen und neue Technologien werden maßgeblich über den Kapitalmarkt finanziert. Aber auch die Institutionen am Finanzmarkt selbst beschäftigen sich intensiv mit neuen Technologien. Seit einigen Jahren spielt dabei die Blockchain-Technologie eine zentrale Rolle. “Es handelt sich um etwas Außergewöhnliches”, sagte der bekannte Digitalisierungs-Vordenker und Bestsellerautor Don Tapscott 2016 über Blockchain. “Eine nicht manipulierbare, nicht zu hackende dezentrale Datenbank für digitale Vermögenswerte. Das ist eine Plattform für Wahrheit und eine Plattform für Vertrauen. Die Folgen sind gewaltig, nicht nur für die Finanzindustrie, sondern auch für praktisch alle Bereiche der Gesellschaft”. Fünf Jahre später lässt die große Revolution zwar noch auf sich warten, aber die Finanzindustrie setzt mittlerweile in einigen Bereichen auf die Blockchain, um schneller, effizienter oder zuverlässiger zu werden.

Sicheres Umfeld für Innovation

“Die Blockchain-Technologie ist eine Technologie, die man einsetzen kann, aber nicht unbedingt muss”, betonte Angelika Sommer-Hemetsberger, Vorstand der Oesterreichischen Kontrollbank AG, im Rahmen des sechsten Future Forums der Wiener Börse. Technologie solle nie Selbstzweck sein, sondern immer einen Mehrwert stiften. Welcher das im Fall von Blockchain sein kann, damit beschäftigt sich der österreichische Kapitalmarkt bereits seit einigen Jahren. “Der österreichische Kapitalmarkt ist sehr sicher und krisenresistent. Deshalb können sich alle Akteure am Finanzmarkt mit neuen Technologien beschäftigen”, so Sommer-Hemetsberger, stellvertretende Aufsichtsratvorsitzende der Wiener Börse. 

Blockchain-Projekte in Österreich

Die Kontrollbank zählt zu den Pionieren unter Finanzmarkts-Institutionen, die sich mit Einsatzbereichen für die Blockchain auseinandersetzen. Im Echtbetrieb kam die Technologie bereits 2018 zum Einsatz. “Bei der Begebung von Bundesanleihen haben wir die Blockchain bereits in einem Support-Prozess eingesetzt; ganz konkret in der Daten-Notarisierung. Das hat so gut funktioniert, dass es nach wie vor so in Verwendung ist”, erklärt die Kontrollbank-Vorständin. Ziel des Einsatzes der Blockchain ist in diesem Fall ein Mehr an Sicherheit. Mithilfe der Notarisierung auf Blockchain-Basis wird die Unverfälschtheit des Originaldokuments garantiert. Dazu wird mittels eines Verschlüsselungsverfahrens aus Dokumenten ein unverwechselbarer elektronischer Fingerprint, der sogenannte Hash-Wert, ermittelt. Dieser Hash-Wert ist eindeutig dem Ausgangsdokument zuordenbar, lässt aber umgekehrt keine Rückschlüsse auf konkrete Dateninhalte zu.  

2021 ist in Österreich ein neues, sehr breit angelegtes Forschungsprojekt gestartet, mit dem nicht nur technisch Neuland betreten wird. Im Projekt “DELPHI” geht es darum, die Emission von Bundesanleihen gegen die Ausgabe eines digitalen Euros zu testen. Also nicht mehr nur um einen Support-Prozess, sondern die Emission selbst. “Sinn und Zweck ist, herauszufinden, ob es technisch möglich ist, wie die rechtlichen Rahmenbedingungen sein müssen und ob das ganze wirtschaftlich sinnvoll machbar ist”, fasst Sommer-Hemetsberger zusammen. 

An DELPHI beteiligt sind die Oesterreichische Nationalbank (OeNB), die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (OeBFA), die die heimischen Staatsschulden managt, die OeKB CSD GmbH, die auf Zentralverwahrung von Wertpapieren spezialisierte Tochter der Österreichischen Kontrollbank sowie die beiden Großbanken Erste Group und Raiffeisen Bank International (RBI). Das Forschungsprojekt simuliert, wie eine österreichische Bundesanleihe als Security Token auf einer Blockchain begeben werden und abgewickelt werden kann. Dazu wird die OeNB eine sogenannte CBDC (Central Bank Digital Currency), also eine von einer Zentralbank herausgegebene Digitalwährung, zur Verfügung stellen.

Decentralized Finance: Neue (umstrittene) Wege im Finanzsektor

Während Institutionen wie Nationalbank und Kontrollbank an Blockchain-Projekten forschen, hat sich im privatwirtschaftlichen Bereich rund um “Decentralized Finance” (DeFi) bereits eine ganze Industrie gebildet. “Decentralized Finance funktioniert außerhalb des klassischen Bankensystems. Das sind offene Protokolle, auf denen man zum Beispiel seine Kryptowährungen gegen Zinsen verborgen kann”, erklärt Alfred Taudes, Leiter des Instituts für Kryptoökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien. 

Rund 90 Milliarden Dollar stehen derzeit in DeFi-Systemen unter Verwaltung. Systeme, die der Wirtschaftsprofessor aus einer Forschungsperspektive interessant findet, weil sie ganz anders funktionieren, als der traditionelle Finanzmarkt. “Decentralized Exchanges haben kein Orderbuch wie eine klassische Börse, sondern die haben liquidity pools, die durch Arbitrage Kurse stabilisieren. Darüber kann man Zinsen verdienen”, so Taudes. Bis dahin konnte man nur auf die Kursentwicklung wetten.

“Sie haben auch eine neue Art der Governance. Das ist sehr wichtig. Solche Systeme haben meist eigene Governance-Tokens und ein dezentrales Governance-System”. Es sei “auf jeden Fall reizvoll, neue Wege aufzuzeigen, wie man Grundprobleme im Finanzsektor angehen kann”. 

Bedroht brauche sich der regulierte Finanzbereich aber keineswegs fühlen, betont der Wiener Ökonom Stefan Schmitz. Der globale Finanzmarkt wird auf ein Volumen von rund 400 Billionen Dollar geschätzt – da seien die 90 Milliarden Dollar in DeFi vergleichsweise vernachlässigbar, findet Schmitz. “Eigentlich haben wir es hier mit einem Bankensystem ohne Banklizenz zu tun, ohne Eigenkapital, ohne Liquiditätsreserven, ohne Aufsicht, ohne Regulierung, ohne Governance-Struktur. Das ist meiner Ansicht nach kein valides Geschäftsmodell”. 

“Ein komplexes, aber sehr gutes System”

Es brauche die Regulierung, um solche Lösungen überhaupt skalieren zu können, ist auch Sommer-Hemetsberger überzeugt. Es sei sehr wichtig, dass bei dem Forschungsprojekt DELPHI ausschließlich regulierte Player dabei sind: “Wenn eine solche Lösung massentauglich werden soll, muss sie reguliert sein und diese Player haben Erfahrung damit”. Dabei spiele auch Anlegerschutz eine zentrale Rolle, betont Schmitz: “Das traditionelle Finanzsystem hat ein komplexes, aber sehr gutes System geschaffen, wenn es um die Frage geht, wem ich mein Geld gebe und wie er dann damit umgeht”.

Schmitz sieht als Experte für makroprudenzielle Aufsicht auch gewisse Risiken, die DeFi für die traditionelle Finanzwelt birgt. Essentiell sei dabei die direkte Schnittstelle zur Finanzwelt, in der Regel über Banken: “Viele dieser Stablecoins werden gegen Dollar getauscht. Ich brauche also einen Zugang in das traditionelle Finanzsystem. Viele dieser Zugänge sind aber nicht bei den Top-Adressen weltweit”. Relevant seien außerdem Governance-Risiken und technologische Risiken.

Blockchain im Settlement

Traditionelle Börsen setzen bereits in Teilbereichen auf die Blockchain-Technologie. Die meisten Projekte konzentrieren sich dabei auf den Settlement-Bereich, also die Erfüllung eines Börsengeschäfts. Die Schweizer Börse entwickelt derzeit ein kombiniertes Settlement- und Trading-System auf Blockchain-Basis, das demnächst auch in den Echteinsatz kommen soll. Und auch auf europäischer Ebene tut sich laut Taudes etwas: “Ich habe kürzlich mit der Nationalbank ein Paper geschrieben, wie das europäische Settlement-System auf einer Blockchain-Basis ausschauen könnte”. Der Vorteil einer solchen Lösung liege in der Geschwindigkeit und in der Flexibilität:  “Diese Systeme können dann relativ generische Assets traden, nicht nur klassische Wertpapiere, sondern eben auch zum Beispiel Krypto-Assets, wenn das einmal regulatorisch möglich ist”. 

In Österreich ist heuer mit einer Änderung im Depotgesetz ein wichtiger Digitalisierungs-Schritt im Börsenhandel gelungen. “Eine digitale Sammelurkunde ist einer physischen nun komplett gleichgestellt für Papiere wie Anleihen oder Zertifikate. Was auf dieser Basis aber noch nicht funktioniert, sind Aktien. Da müsste man schon sehr intensiv ins Gesellschaftsrecht eingreifen”, erklärt Sommer-Hemetsberger. Was sie sich wünschen würde, wäre eine Harmonisierung betroffener Rechtssysteme in der EU – denn die technologische Herausforderung sei am Ende eben nicht so groß wie die regulatorische.

Blochchain in der Finanzwelt: 6. Future Forum der Wiener Börse zum Nachsehen:

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Cocoon Capital Advisory Sebastian Kurz - Startups und Beteiligungen - Dream Security
Sebastian Kurz | (c) EVP via Wikimedia Commons

Vor gut zwei Jahren co-gründete der österreichische Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz das Cybersecurity-Startup Dream Security. Mit an Bord ist Shalev Hulio, Ex-CEO der Spionagefirma NSO. Bereits zum Start holte sich das Unternehmen 20 Millionen US-Dollar Kapital. Kurz hielt danach ein Drittel der Anteile.

Investment an Gaza-Grenze

Im November 2023 holte sich Dream ein neues Investment in Höhe von 33,6 Millionen US-Dollar. Kurz hielt danach noch rund 20 Prozent der Anteile. Das Kapital kam primär von den Bestandsinvestoren Aleph und Group 11 – beide aus Israel. Kurz darauf bezifferte das Wall Street Journal die Bewertung der Kurz-Startups mit rund 200 Millionen US-Dollar.

“Die heutige Cyberlandschaft erfordert innovative Ansätze, um aktuellen Bedrohungen effektiv und zielgerichtet zu begegnen. Dank dieser Finanzierungsrunde sind wir in der Lage, weiterhin rasch zu wachsen”, kommentierte der Ex-Kanzler in einem Statement, das brutkasten damals erhielt.

Seither zeigt der eskalierte Gaza-Konflikt Auswirkungen auf Dream Security. So war CEO Shalev Hulio zum Zeitpunkt des letztjährigen Investments selbst als Reservist in der israelischen Armee tätig. Unterschrieben wurde der damalige Investment-Vertrag von Hulio in Uniform an der Grenze zu Gaza.

125 Millionen US-Dollar Umsatz

Im November 2023 zählte das Unternehmen noch 70 Mitarbeiter:innen – 60 davon in Israel. Mittlerweile sei die Belegschaft auf 150 Mitarbeitende gewachsen. “Ihr seid der Grund dafür, dass wir heute dort stehen, wo wir sind”, so der Ex-Kanzler in einem seiner jüngsten LinkedIn-Postings. Gedankt wird auch den bisherigen Investor:innen, darunter Dovi Frances, der Group 11 und Michael Eisenberg, Partner bei Aleph. Überdies verkündet Ex-Kanzler Kurz, mit Dream bereits “über 125 Millionen US-Dollar Umsatz in Europa, dem Nahen Osten und Asien” erreicht zu haben.

Party in der Wüste

Darüber hinaus schreibt Kurz auf LinkedIn: “Für uns als Österreicher war es eine neue Erfahrung, eine Party in der Wüste zu feiern, und dazu noch dem Thema entsprechend gekleidet zu sein… das hat auf jeden Fall eine Menge Spaß gemacht!” Gefeiert wurden die genannten Meilensteine laut dem Posting im Rahmen eines “Tribe-Events”.

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