09.12.2018

Blockchain, 3D-Druck und Prosumer: Hat die Zentralisierung ausgedient?

Immer mehr Energie wird dort produziert, wo sie benötigt wird. Der 3D-Druck könnte lokale Güterproduktion wieder stark machen und die Blockchain ist die Antithese zur zentralen Cloud. Findet gerade womöglich ein schleichender Prozess der Dezentralisierung statt?
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Zentralisierung
(c) NicoElNino / Fotolia.

„Grown Respectfully“ heißt die neueste Initiative des Schweizer Lebensmittel-Giganten Nestlé: nachhaltig produzierter Kaffee, mit „Respekt für unsere Farmer, Respekt für die Dorfgemeinschaften und Respekt für unseren Planeten“. Dass der weltgrößte Nahrungsmittel-Produzent mit einem jährlichen Umsatz von 90 Milliarden Dollar die regionale Landwirtschaft hätschelt, ist die Reaktion auf Millionen Konsumenten, die immer stärker in Richtung Prosumer shiften. Prosumer wollen wissen, woher ihre Konsumgüter kommen, wer sie produzierte und wie sie hergestellt wurden. Sie fördern regionale, nachhaltige Produktion und bringen sich, wo es geht, aktiv in die Wertschöpfungskette ein. Small ist wieder beautiful. Regional das neue bio. Und die Zentralisierung ist böse.

Die technische Entwicklung

  • Die Blockchain wird mittlerweile für jede erdenkliche Art des sensiblen Datentransfers und der Speicherung eingesetzt, weil sie komplett dezentralisiert und damit durch einzelne Parteien praktisch nicht beeinflussbar ist.
  • Blockchain-basierte Kryptowährungen binden Prosumer durch „Mining“, also einer Art Transaktionsbestätigung, aktiv in den Prozess ein
  • 3D-Drucker machen Konsumenten zu Produzenten
  • Auch die Stromproduktion wird durch erneuerbare Energieträger in kleinere Einheiten aufgedröselt – bis hin zur Solarzelle am Hausdach
  • Digitale Workflows und Kommunikationsprozesse machen reale Arbeitsplatzpräsenzen und Meetings obsolet

Konzerne zentralisieren in nie da gewesenem Ausmaß

Wenn Produktionsketten, Währungssysteme, der Arbeitsplatz, die Energieversorgung dezentralisiert sind, wer braucht dann Headquarter, Finanzinstitute oder Behörden? Hier zeigen sich die Schwachstellen des Trends. Zunächst ist die Dynamik zu kleineren Einheiten nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich zentralisieren sich Konzerne in nie da gewesenem Ausmaß: Nestlé teilt sich mit einer Handvoll Firmen den Weltmarkt für Lebensmittel. Google ist Monopolist bei der Internetsuche. Amazon beliefert die Welt, Facebook kann Regierungen stürzen, quasi als Kollateralschaden seines Geschäftsmodells: Filterblasen und Echokammern, die durch die Kategorisierung des User-Verhaltens zum Zwecke der Bespielung mit Ads entstehen.

Dezentral birgt auch Gefahren

Die digitale Vernetzung kennt keine Zentrale. Aber die Netzinfrastruktur wird von immer weniger Herstellern angeboten. Selbiges gilt übrigens auch für Energienetze. Dezentral birgt auch Gefahren: Die Renationalisierungstendenzen vieler EU-Staaten schwächen die EU als Global Player. Wenn der 3D-Drucker voll funktionsfähige Kleinwaffen ausspuckt, wünscht man sich förmlich zentrale Kontrolle. Und ein Job, der nur mehr aus Bildschirm-Arbeit und Skype-Konferenzen besteht, ist auf Dauer recht einsam. Die Dezentralisierung hat das Potenzial, Menschen zu mündigeren Bürgern und Konsumenten zu machen. Aber sie müsste zu Ende gedacht werden. Und sie ist nicht überall sinnvoll und mitunter gefährlich. Also nein, die Zentralisierung ist weder rückläufig, noch hat sie ausgedient.

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #7 “Die Welt in 5 Jahren”.

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Trive Studio Acheron Emotional Data Extension Handcheque JobRocker Frydo VivaBack wiederverkaufen.at Skilltree Swilox breddy's Firmeninsolvenzen Firmen-Insolvenzen Unternehmensinsolvenzen KSV1870 Statistik
(c) Adobe Stock - Axel Bueckert

Ein Startup-Studio nach Vorbild von Rocket Internet sollte es werden. Acht Startups in vier Jahren aufzubauen lautete der Plan in Zahlen des Wiener Startup-Studios Trive Studio. Und die Zeichen standen gut. Es war Jänner 2022, die Boomphase seit Ende 2020 war in vollem Gange und niemand sollte ahnen, dass diese mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ein jähes Ende finden würde.

“Es gab noch nie eine bessere Zeit, um etwas zu gründen. Denn aktuell passen alle Rahmenbedingungen, man muss es nur tun”, sagte Trive Studio-Gründer Martin Sirlinger damals zum offiziellen Start im brutkasten-Interview. Das erste Startup des Studios – Emma Wanderer – war bereits einige Monate zuvor gelauncht worden.

Liquidation von Holding-Gesellschaft trive studio GmbH & Co KG

Doch keine drei Jahre später ist es mit dem “ersten Vollblut-Startup-Studio Österreichs”, wie Sirlinger es damals nannte, vorbei. Die trive studio GmbH & Co KG, die als Holding-Gesellschaft fungiert hat und namhafte Investoren, darunter Hansi Hansmann, an Bord hatte, wird liquidiert.

Unter der Hand gegenseitige Kritik nach Konkursen und Übernahme

Die Bilanz: Zwei Startups wurden gegründet, in ein weiteres investiert. Von diesen drei Startups wurde eines verkauft, die beiden anderen mussten Konkurs anmelden. Begleitet wurden diese Vorgänge von Kritik an Sirlinger und der Arbeit von Trive Studio – immer unter der Hand. Von Trive Studio gab es auf brutkasten-Anfrage kein öffentliches Statement dazu. Ein geplantes Interview kam nicht zustande. Fest steht: Zumindest einige der involvierten Akteur:innen gingen nicht im Guten auseinander.

Pluz Care lebt weiter, Emma Wanderer kürzlich neu gestartet

Dabei leben im Trive Studio geschaffenen Ideen auf die eine oder andere Weise weiter. Emma Wanderer startete kürzlich mit dem alten Gründer:innen-Team und einem neuen Konzept erneut. Pluz Care, das zweite im Studio gegründete Startup, besteht als Teil des Wiener Startups Teledoc, von dem es 2023 übernommen wurde, weiter. Doch Sirlingers Anfang 2022 formuliertes Ziel, zu “beweisen, dass das Studio-Modell als Assetklasse für Investor:innen sehr spannend sein kann und in der Lage ist, mit dem klassischen VC-Modell mitzuhalten”, kann wohl als gescheitert angesehen werden.

Statement von Trive-Studio-Gründer Martin Sirlinger

Edit: Nach Veröffentlichung dieses Artikels erhielt brutkasten ein Statement von Trive-Studio-Gründer Martin Sirlinger, das folgend im Wortlaut wiedergegeben wird:

“Die Liquidation der trive studio GmbH & Co KG ist der letzte Schritt eines geordneten Rückzugs. Er erfolgt aufgrund der Nichterreichung unserer gesetzten Ziele. Diese Maßnahme ist leider ebenso notwendig wie unausweichlich.

Das Studio-Modell per se zu kritisieren, trifft zu kurz. Externe Faktoren, wie etwa die Verschlechterung der makroökonomischen Lage, als auch interne Entwicklungen waren im Nachhinein betrachtet wesentlich ausschlaggebender.

Alle Beteiligten haben aus meiner Sicht ihr Bestes gegeben und es sind auch gute Dinge passiert, auf die man in Zukunft aufbauen kann.”

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