20.04.2021

Ist es mehr als ein PR-Gag, wenn Unternehmen in Bitcoin investieren, Herr Hahn?

US-Unternehmen wie Tesla oder MicroStrategy haben Bitcoin als Finanzanlagen in ihre Bilanz genommen. Doch welchen Nutzen hat dies wirklich? Ein Interview mit dem Blockchain-Experten Carsten Hahn von Capco.
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Carsten Hahn ist Senior Partner bei Capco
Carsten Hahn ist Senior Partner bei Capco. | Foto: Capco

Unternehmen, die Bitcoin in der Bilanz halten – was bis kurzem noch ausschließlich auf Firmen aus der Krypto-Branche beschränkt war, ist zuletzt zumindest in den USA immer häufiger auch außerhalb vorgekommen. Prominentestes Beispiel: Tesla. Der Elektroautohersteller hat Anfang des Jahres bekanntggegeben, 1,5 Mrd. Dollar in Bitcoin investiert zu haben. MicroStrategy soll sogar über 2 Mrd. Dollar in Bitcoin gesteckt haben. Und auch außerhalb der USA gibt es Beispiele: In China etwa hält die Tech-Firma Meitu Bitcoin im Wert von 100 Mio. US-Dollar. Wir haben dazu Carsten Hahn von der auf die Finanzdienstleistungsbranche spezialisierten Beratung Capco befragt.

Dass Techunternehmen in Bitcoin investieren und diese als Finanzanlagen in der Bilanz halten – ist dies einfach Ausdruck des Hypes, den wir aktuell um Kryptowährungen erleben, eine PR-Maßnahme oder gibt es unabhängig von der Krypto-Kursrally der vergangenen Monate handfeste Gründe für solche Investitionen?

Sicherlich hat die jüngste Kursrally des Bitcoin die mediale Wahrnehmung und öffentliche Diskussion stark befördert, bei genauer Betrachtung ergeben sich – abseits der Diskussion von Kryptowährungen als Spekulationsinstrument – aber durchaus auch praktische Gründe für die Investition in Kryptos als Wertspeicher. Aus Treasury-Sicht lockt die Absicherung von Teilen der Unternehmensliquidität unabhängig von der aktuellen Zinspolitik und den damit verbunden negativen Effekten.

Das Vorhalten von Liquiditätsreserven bei Banken bedeutet derzeit, dass in der Regel Verwahrentgelte zu bezahlen sind. Eine Entwicklung, die an Fahrt gewinnt. Diese Entgelte werden bei der Nutzung von Kryptowährungen nicht fällig. Das Halten von Kryptos erweitert die Palette der Treasury-Instrumente, die Unternehmen unabhängiger von Finanzinstituten macht. Ich sehe die Entwicklung daher nicht als PR-Maßnahme, sondern als durchaus praktikable Diversifizierung.

Dazu gibt es schließlich auch den durchaus praktischen Wert als Zahlungsmittel. Die Akzeptanz von Kryptowährungen im Wirtschaftsleben nimmt stetig zu, somit ist auch bei Bedarf der Einsatz der Krypto-Liquiditätsreserven relativ gut möglich. Die Nutzung im Rahmen des internationalen Zahlungsverkehrs ist hier nur ein Beispiel. Noch ist die Validierungsdauer für eine Krypto-Transaktion zwar recht hoch, die Entwicklungen sind aber vielversprechend. Darüber hinaus ist auch mit einer zunehmenden Emission von weiteren elektronischen Zahlungsmitteln auf Kryptobasis („E-Money“) zu rechnen, sei es als Stable Coins von Firmen oder als elektronische Variante der existierenden Fiat-Währungen.

Daran anschließend: Wenn der aktuellen Bull Run am Kryptomarkt endet und es möglicherweise zu einer stärkeren Korrektur kommt, wie es in der Geschichte von Bitcoin ja öfter bereits der Fall war – was wird dies dann für die Relevanz von Bitcoin im Treasury bedeuten?

Das ist sicher ein Risiko, welches aktiv gemanagt werden muss. Es empfiehlt sich für Unternehmen, Alternativen zu prüfen und den Fokus nicht nur auf den Bitcoin zu legen. Treasurer müssen – abseits des Hypes – auch andere zentrale Kryptowährungen in Betracht ziehen. Die Währungen haben unterschiedliche Risikoprofile, diese müssen bei der Entscheidung über eine Nutzung als Liquiditätsspeicher genau analysiert werden.

Hier empfiehlt sich wie bereits erwähnt auch die Erweiterung des Anlagespektrums auf E-Money sowie weitere digitale Assets, etwa tokenisierte Anleihen oder Aktien, die von einem Preisverfall der klassischen Kryptowährungen natürlich nicht betroffen wären.

In welchem Ausmaß ist es für Unternehmen überhaupt angemessen, in Bitcoin zu investieren? Inwiefern steht die doch weiter relativ hohe Volatilität der Rolle von Bitcoin dem Treasury entgegen?

Die Volatilität ist ein Risikofaktor, der nicht zu vernachlässigen ist. Daher gilt immer die Empfehlung, auch andere Kryptowährungen zu betrachten. Durch die zunehmende Verbreitung des Bitcoin als Treasury-Instrument ist die Volatilität zwar zurückgegangen, es ist aber auch nicht auszuschließen, dass Kryptowährungen mit deutlich geringerer Volatilität in Zukunft deutlich stärker in den Fokus als Treasury-Instrument rücken. Man sollte die klassischen Risikomaße – wie Sharpe Ratio, Risk-adjusted Returns, etc. – auch bei Investments in digitale Assets nicht außer Acht lassen.

Die Website bitcointreasuries.org listet Unternehmen, die Bitcoin in der Bilanz halten. Die meisten die in der Kryptobranche tätig sind. Ist das Thema auch für Unternehmen außerhalb der Branche interessant?

Der Umstand ist wenig überraschend – das Geschäftsmodell erzeugt eine natürliche Nähe zu Kryptowährungen. Diese Firmen verfügen über das notwendige interne Know-how, um Kryptowährungen bewerten zu können. Vor dem Hintergrund der bereits genannten Verwahrentgelte für Liquiditätsreserven auf klassischen Bankkonten kann die Nutzung von Kryptowährungen absolut sinnvoll sein. Zwingend notwendig ist aber der Aufbau von internem Know-how im Treasury, um das Risiko von Kryptowährungen adäquat zu managen. Dies ist keineswegs banal und muss als neue Disziplin im Treasury betrachtet werden.

Die Beimischung von digitalen Assets dient hier neben der erwähnten Unabhängigkeit von Finanzinstituten auch der Risikostreuung. Die Eintrittsschwelle für viele Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, ist jedoch oftmals hoch, da die technischen Infrastrukturen zur Nutzung von Kryptowährungen nicht implementiert sind. Allerdings nimmt auch hier die Verbreitung stetig zu und die Marktangebote von Dienstleistern steigen. Prominente Vorreiter aus den USA, zuletzt etwa Tesla oder PayPal, rücken das Thema stärker ins Bewusstsein von Unternehmen – aber letztlich auch von Kunden.

Gibt es aus Ihrer Sicht Hinweise darauf, dass das Thema auch für Unternehmen im deutschsprachigen Raum interessant werden könnte? Wenn ja, in welchen Branchen – abseits von Krypto – würden Sie entsprechende Schritte am ehesten erwarten?

Da der Bitcoin bzw. Kryptowährungen unabhängig von FX-Wechselrisiken sind, sehen wir aktuell eine intensive Diskussion in Unternehmen, deren Geschäftsmodell Aktivitäten in unterschiedlichen Währungsräumen umfasst. Insbesondere Produkthersteller bzw. -vertrieb und Industrieunternehmen werden aktiv. Kryptos bieten für den globalen Zahlungsverkehr unzweifelhaft spannende Potentiale. Ich glaube, wir werden in den nächsten Jahren weitere Entwicklungen sehen, welche die Rolle der neuen Währungen weiter stärkt.

Großunternehmen, deren Kunden oder Lieferanten mitunter in exotischen Fremdwährungen zahlen, werden diese über kurz oder lang in das eigene Repertoire aufnehmen. Insofern ist bei Kryptos eine ähnliche Entwicklung wahrscheinlich. Dies kann in der verarbeitenden Industrie auch als sinnvolle Ergänzung des Einsatzes von Blockchain-Technologie im Bereich der Supply Chain gesehen werden – etwa, wenn Zahlungen und Rückverfolgbarkeit über dieselbe Kryptoplattformen laufen.

Wäre es regulatorisch in Deutschland oder Österreich für Unternehmen überhaupt problemlos möglich, direkt in Bitcoin oder andere Kryptowährungen zu investieren und diese als Finanzanlagen zu halten?

Grundsätzlich ist das möglich. Allerdings sind aus buchhalterischer Sicht einige Fallstricke zu beachten. So werden Kryptos gemäß US GAAP „at cost“ gebucht. Wertsteigerungen schlagen sich nicht in der Bilanz nieder – etwaige Verluste jedoch schon. Dies geht mit Herausforderungen und Risiken einher.

In den vergangenen Jahren hat sich die Wahrnehmung von Bitcoin bei vielen etwas verändert – weg von einem potenziellen Zahlungsmittel, hin zu einem Wertspeicher (“digitales Gold”). Allerdings halten kaum Unternehmen Gold in größerem Ausmaß in der Bilanz – könnte man das als schlechtes Zeichen für Bitcoin im Treasury interpretieren?

Nein, die beiden Instrumente sind nur bedingt vergleichbar. Durch die mögliche Nutzung des Bitcoin bzw. der Kryptowährungen als Zahlungsmittel kann im Treasury sehr dynamisch agiert und damit der Liquiditätsspeicher aktiviert werden. Kryptowährungen lassen sich im internationalen Zahlungsverkehr für das operative Geschäft nutzen. Das ist in dieser Form mit Gold nicht möglich. Gerade dieser Multinutzen ist eine Besonderheit der Kryptowährungen.


Carsten Hahn ist Senior Partner bei der auf die Finanzdienstleistungsbranche spezialisierten Beratung Capco. Er ist Fachmann für die Potentiale der Blockchain-Technologie sowie der Kryptowährungen.

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Die Projektpartner:innen: von TU Wien, Forschung Burgenland. KEBA und kW-Soltions | (c) kW-Solutions

Bidirektionales Laden eröffnet für E-Autos weitreichende Möglichkeiten, die weit über die klassische Nutzung als Fortbewegungsmittel hinausgehen. Mit dieser Technologie können Elektrofahrzeuge nicht nur Energie aus dem Netz beziehen, sondern auch gespeicherten Strom wieder zurückspeisen. Dadurch werden sie zu mobilen Energiespeichern, die flexibel in verschiedene Szenarien eingebunden werden können – so zumindest in der Theorie. In der Praxis ist bidirektionales Laden in Österreich jedoch noch Zukunftsmusik. Ein neues Forschungsprojekt, an dem das Wiener Startup kW-Solutions beteiligt ist, möchte das nun ändern.

Bidirektionales Laden: Innovationsbedarf in Österreich

Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Projekt Interoperable Communication for Bidirectional Charging (ICBC) hat sich zum Ziel gesetzt, die technischen und formalen Hürden von bidirektionalem Laden zu überwinden.

kW-Solutions-Gründer Korbinian Kasinger erläutert: “Es braucht jemanden, der den Vehicle-to-Grid-Prozess in Österreich durchmoderiert – sowohl technisch als auch formell“, so Kasinger​. Eine Herausforderung ist etwa die Zertifizierung des zurückgespeisten Stroms. “Bei einer PV-Anlage weiß man, dass es Grünstrom ist. Bei Autobatterien ist das nicht so einfach”, so der Gründer.

Technologisch ermöglicht es der Vehicle-to-Grid-Prozess (V2G), Strom aus der Batterie zu entnehmen und zurückzuverkaufen oder dem Regelenergiemarkt zur Verfügung zu stellen. Das ICBC-Projekt soll genau diese Möglichkeiten ausloten und zur Marktreife bringen​.

Das Konsortium hinter ICBC

Hinter dem ICBC-Projekt steht ein Konsortium aus kW-Solutions, der Technischen Universität Wien (TU Wien), Forschung Burgenland und KEBA​. Während die TU Wien für die Entwicklung von Kommunikationsschnittstellen sorgt, untersucht Forschung Burgenland die ökonomischen Vorteile von V2G. KEBA bringt seine Expertise in der Entwicklung von Ladeinfrastruktur-Hardware ein​.

kW-Solutions selbst arbeitet an einer flexiblen Software-Architektur, die V2G-Technologie effizient ins bestehende Netz integrieren soll. Das 2021 gegründete Startup hat sich auf die Bereitstellung intelligenter Ladelösungen für Elektrofahrzeuge spezialisiert.

Ein zentrales Produkt ist die Energiemanagement-Software “Charly”, die speziell für Mehrparteienanlagen entwickelt wurde, um ein effizientes Lastmanagement und eine automatisierte Verrechnung zu ermöglichen. 2023 konnte das Startup eine sechsstellige Finanzierungsrunde abschließen und FSP Ventures für sich gewinnen (brutkasten berichtete). Das Family Office ist an zahlreichen bekannten österreichischen Startups beteiligt, darunter Woom, Agrobiogel, Ecop Technologies oder Swimsol.

Pilotprojekte als nächster Schritt

Das ICBC-Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und soll erste Antworten auf diese Fragen liefern. “In ein bis zwei Jahren werden wir valide Pilotprojekte in Österreich starten“, so Kasinger​. Ein flächendeckender, standardisierter Einsatz von V2G könnte allerdings noch drei bis fünf Jahre dauern​.

Das ICBC-Projekt legt laut Kasinger großen Wert auf praxisnahe Lösungen. In sechs Arbeitsbereichen werden nun Use-Cases, Schnittstellen und Systemarchitekturen entwickelt, um die Marktfähigkeit sicherzustellen​. Bidirektionales Laden könnte laut dem Gründer für Österreich nicht nur die Elektromobilität attraktiver machen, sondern auch zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.


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