28.02.2022

Welche Probleme Bitcoin in Russland jetzt wirklich lösen könnte

Der russische Staat wird nicht so schnell auf Kryptowährungen umschwenken. Aber für Bürger:innen könnte Bitcoin kurzfristig eine Lösung sein.
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Krypto, Bitcoin
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Die EU hat in Abstimmung mit den USA einen Ausschluss russischer Banken aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem Swift auf den Weg gebracht. Am Sonntag hatte die EU zudem bekannt gegeben, alle Vermögenswerte der russischen Zentralbank in der EU einzufrieren. Es gilt als die härteste ökonomische Sanktion und es ist mit weitreichenden Folgen zu rechnen – auch für Europa. Russland selbst wird nun Alternativen suchen. Für den Staat wird diese Antwort kaum in Kryptowährungen liegen. Für große Transaktionen zwischen Staaten und Finanzinstituten ist Bitcoin ungeeignet, erklärt Experte Niko Jilch: “Die Konzentration auf die Frage, ob der russische Staat jetzt Bitcoin nutzen könnte, ist verfehlt. Darum geht es nicht. Nichts von dem, was jetzt sanktioniert wird, kann durch Bitcoin ersetzt werden”.

Dafür wäre die Technologie schlicht nicht geeignet, meint Matthias Reder von Coinfinity: “Das liegt alleine schon in der Komplexität der Bankgeschäfte sowie Transaktionen mit zB Kreditnehmern und weltweiten Rohstoffhändlern. Diese müßten ja im ersten Schritt mit großen Summen Bitcoins ankaufen, welche sie dann nach Russland transferieren. Das wird meiner Meinung nach aufgrund der Sanktionsbestimmungen für Dienstleister in Bezug auf virtuelle Währungen aufgrund des Verwendungszwecks der Wechseltransaktion gar nicht möglich sein, da diese den Wechselwunsch gemäß Bestimmung nicht durchführen werden.
Niemand kann heutzutage irgendwo weltweit einfach so Millionenbeträge aus FIAT in Bitcoin wechseln. Der Markt ist hochreguliert und muss sich natürlich an die geltenden Regeln halten”.

Bitcoin als Alternative für Bürger:innen

Wem Kryptowährungen aber sehr wohl helfen könnten, sind die Bürger:innen. Eine Folge des Swift-Ausschlusses wird wahrscheinlich der Verfall der nationalen Währung Rubel sein. Durch die Sanktionen gegen die russische Zentralbank wird Russland Experten zufolge seine Devisenbestände nicht mehr nutzen können, um den Rubel zu stabilisieren. Vor den Geldautomaten bildeten sich in Russland noch am Sonntag lange Schlangen. “Wenn in Russland jetzt Panik ausbricht, und das ist zu befürchten, dann kann Bitcoin den Menschen sehr wohl helfen. Genauso wie es in der Ukraine helfen kann, wie verschiedene Berichte bereits zeigen. Bitcoin ist zuerst für Personen und Familien hilfreich, nicht für Staaten. Das sollte man verstehen in diesen furchtbaren Zeiten”, so Jilch.

Wertspeicher und Spenden

Bitcoin verstehen viele Menschen auch als Wertspeicher in Zeiten des Währungsverfalls. Jilch weist allerdings darauf hin, dass diese Aufgabe Gold besser erfüllen könne – was sich auch in den Kursbewegungen widerspiegelte, als sich der Krieg abzeichnete. Gleichzeitig können Menschen auf Bitcoin ausweichen, die keine anderen Alternativen haben, wenn ihre Banken von den Sanktionen betroffen sind oder aufgrund eines Banken-Runs keine Auszahlungen mehr möglich sind. In der Ukraine kann Berichten zufolge kaum mehr Geld abgehoben werden. Am Wochenende blieb der Bitcoin-Kurs nach der Ankündigung des Swift-Ausschlusses stabil.

Auch Spendenaktionen werden zunehmend über Bitcoin abgewickelt. Zuletzt rief sogar der offizielle Twitter-Account der Ukraine dazu auf, in Kryptowährungen zu spenden. Das könnte auch für Russland relevant werden, denn ein Learning aus dem Swift-Ausschluss des Iran 2012 und 2018 war, dass NGOs vor Ort in Finanzierungsschwierigkeiten gerieten und Spenden und Hilfsgelder nicht mehr ankamen. In der Ukraine soll die NGO Come Back Alive über eine Spendenkampagne in Bitcoin umgerechnet sogar 5 Millionen Dollar eingesammelt haben. Die Kampagne wurde von der Spendensammel-Plattform Patreon gestoppt, da die NGO das Militär direkt unterstützt und die Unterstützung des Kaufs militärischer Ausrüstung gegen die Regeln der Plattform verstoße.

“Bitcoin ist das weltweit größte und bekannteste dezentrale Werteübertragungssystem. Egal ob zum Spendensammeln für die Ukraine oder für russische Transaktionen – das System steht jedem zur Nutzung offen. Die Technik ist hier vollkommen neutral. Der einzelne User führt dem Netzwerk seinen Nutzen zu, egal ob uns das gefällt oder nicht. Die Transaktion selbst ist jedoch pseudonym und nicht anonym. Das bedeutet man weiß in den meisten Fällen wer daran beteiligt ist und kann hier entsprechende Informationen auslesen”, sagt Reder – als Mittel um Regeln zu umgehen ist Bitcoin seiner Meinung nach also kaum geeignet.

EU könnte Krypto-Regulierung beschleunigen

Die EU könnte die Debatte rund um Kryptowährungen als Swift-Alternative für Russland dennoch zum Vorwand nehmen, die geplante härtere Regulierung schneller umzusetzen. “Es gibt immer kriminelle Wege, um ein Verbot zu umgehen. Deshalb ist es so wichtig, dass MiCA so schnell wie möglich durchgesetzt wird, damit wir einen Rechtsrahmen haben”, sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, laut Bloomberg in einer Pressekonferenz auf die Frage, ob Russland Kryptowährungen nutzen könnte, um Strafen zu umgehen. In der EU wird für dieses Jahr die “Markets in Crypto Assets”-Verordnung (MiCA) erwartet. 

Ukraine ruft zur Sperre von russischen Krypto-Nutzern auf

Die Sorge, dass Russland die Sanktionen des Westens mit Kryptowährungen umgehen könnte, treibt auch die ukrainische Führung um. Vize-Premier Mychajlo Fedorow appellierte via Twitter an Kryptobörsen Nutzer:innen aus Russland zu sperren. “Es ist entscheidend, nicht nur die Adressen zu sperren, die mit russischen und belarussischen Politikern in Verbindung stehen, sondern auch normale Nutzer auszusperren”, schrieb er auf Twitter. Die ukrainische NFT-Plattform dmarket soll diesem Aufruf bereits nachgekommen sein.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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