01.03.2021

Bitcoin oder Gold: Was ist eigentlich das härtere Geld?

Unsere Währungen sind weich und werden immer weicher. Gold und Bitcoin bieten einen Gegenentwurf. Aber warum eigentlich? Und welches Geld ist härter?
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Hartes Geld: Bitcoin und Gold

Gold oder Bitcoin? Ist das hier die Frage? Nein, nicht wirklich. Beide Geldformen decken ähnliche Bedürfnisse ihrer Nutzer ab, bringen aber unterschiedliche Eigenschaften mit. Das Edelmetall hat sich über Jahrhunderte in der analogen Welt bewiesen, Bitcoin ist angetreten, um das digitale Gold zu werden. Das Verhältnis von Gold und Bitcoin habe ich hier schon beschrieben. Heute wollen wir die Frage beantworten, was „hartes“ Geld eigentlich ausmacht – und wie Gold und Bitcoin sich da schlagen.

Wir leben in einer Ära des weichen Geldes. Und es wird jeden Tag weicher. Diese Aussage kann niemand bestreiten. Die Europäische Zentralbank definiert „Preisstabilität“ mit einer Inflationsrate von rund zwei Prozent pro Jahr. Das bedeutet: Wer sein Geld 35 Jahre lang nur rumliegen lässt, verliert die Hälfte seiner Kaufkraft: Weiches Geld. Das ist einer der Gründe, warum Geldanlage so wichtig ist, wenn man langfristig denkt. Wer es gut macht, kann seine Kaufkraft erhalten. Wer es sehr gut macht, kann sie ausbauen. Wer es nicht macht, wird verlieren.

Weiches Geld: Der Dollar verliert stetig an Kaufkraft
(c) Agenda Austria

Diese Grafik stammt aus der neuen Arbeit der „Agenda Austria“ zu Bitcoin: „Geld ohne Staat“. Traditionell denken wir an Gold, wenn es um staatenloses Geld geht. Es ist der Gegenentwurf zu Dollar und Euro. Es ist ein weiches Metall, aber hartes Geld. Es ist selten, glänzt schön, ist leicht teilbar und dennoch unzerstörbar. Über Jahrhunderte hat Gold die monetäre Basis der menschlichen Wirtschaft gebildet. Nicht eine Regierung hat das entschieden. Es war der Markt. Was bedeutet: Die Menschen.

Gold: Gutes Geld wird nirgendwo anders als Rohstoff benötigt

Damit ein Rohstoff als Geld gut funktioniert, sollte er für andere Anwendungen nicht allzu nützlich sein. Oft hört man das Argument, Silber sei das bessere Gold, weil es auch in der Industrie benötigt wird. Aber das ist der falsche Blickwinkel. Ein Rohstoff, der von der Industrie stark nachgefragt wird, ist schlechtes Geld. Denn hartes Geld wird gern gehortet. Aber einen Rohstoff zu horten, der anderswo produktiv eingesetzt werden könnte, macht wenig Sinn.

Gold kommt nur in wenigen industriellen Anwendungen zum Einsatz. Wird es verwendet, dann meist als Schmuck. Dabei wird es nicht verbraucht. Ein Großteil der Schmucknachfrage ist mit Investmentnachfrage gleichzusetzen – vor allem im arabischen und asiatischen Raum. Diese Form von Schmuck ist auch eine Art der Hortung.

Weil Gold seit Jahrtausenden als wertvoll erachtet wird, passen wir in der Regel gut drauf auf. Weil es praktisch unzerstörbar ist, sind fast alle in der Geschichte geförderten Unzen noch im Umlauf – wobei wir nicht wissen, wieviel Gold am Meeresboden liegt oder im Wald vergraben wurde. Rund 200.000 Tonnen Gold existieren. Pro Jahr kommen etwas mehr als 3000 Tonnen hinzu. Dieses Verhältnis ist entscheidend. Die bestehende Menge (der „Stock“) ist viel höher als die jährlich neu geförderte Menge (der „Flow“). Dividiert man Bestand durch Produktion, bekommt man die „stock to flow ratio“.

Bitcoin wird alle vier Jahre noch härter

Je höher sie ist, desto geringer sind die potenziellen Preisbewegungen, die neue Produktion ausmachen kann. Assets mit einer hohen „stock to flow ratio“ eignen sich gut als Wertspeicher und damit auch als Geld – solange sie weitere Eigenschaften wie Teilbarkeit, Beständigkeit, Knappheit und die Möglichkeit zum leichten Transport mitbringen. Gold hat die höchste „stock to flow ratio“ unter den Edelmetallen. Aber dann kam Bitcoin.

Hartes Geld: stock to flow ratio von Bitcoin, Gold, Silber, Platin und Palladium
(c) Agenda Austria

Bitcoin ist als virtueller Rohstoff konzipiert, dessen „stock to flow ratio“ sich alle vier Jahre erhöht – immer dann, wenn bei einem „Halving“, die Produktionsrate halbiert wird. Wie die Grafik zeigt, war Bitcoin schon 2019 „härter“ als Silber, Platin und Palladium. Aktuell liegt es nur knapp hinter Gold. Aber da wir wissen, dass in etwa vier Jahren das nächste „Halving“ stattfindet, wissen wir auch, wann die „stock to flow ratio“ sich erhöhen wird. Im Jahr 2025 wird Bitcoin also fast doppelt so „hart“ sein wie Gold.

Bitte: Das heißt nicht, dass Bitcoin besser ist als Gold. Auch dessen Minenproduktion geht zurück während die Gesamtmenge steigt, es wird also auch „härter“. Aber langsamer. Und wie Hedgefonds-Manager Paul Tudor Jones geschrieben hat, ist in einem Umfeld des immer weicheren Papiergeldes, damit zu rechnen, dass das kleinere und jüngere Bitcoin größere Sprünge macht. Gold und Bitcoin sind beide extrem harte Geldformen, aber in Gold stecken heute schon rund zehn Billionen Dollar – in Bitcoin nur ein Zehntel davon. Auch, weil Gold sich über die Jahrtausende bewiesen hat und Bitcoin erst zwölf Jahre alt ist


Zum Autor

Niko Jilch ist Finanzjournalist, Podcaster und Speaker. Website: www.nikolausjilch.com Twitter: @nikojilch

Disclaimer: Dieser Text sowie die Hinweise und Informationen stellen keine Steuerberatung, Anlageberatung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Sie dienen lediglich der persönlichen Information. Es wird keine Empfehlung für eine bestimmte Anlagestrategie abgegeben. Die Inhalte von brutkasten.com richten sich ausschließlich an natürliche Personen.

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Symbia-Managerin Baurecht: „Für Micromanagement gibt es keinen Platz“

Der Tiroler VC Symbia schlug seine Wurzeln schon 1948. Um das Erbe heute noch weiterzutragen, investiert Symbia als Venture-Capital-Arm der Pfeifer Gruppe in wachstumsfreudige Startups. Investment-Managerin Marlis Baurecht verrät im Interview, worauf es dabei ankommt.
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Das Team von Symbia: Mira Raggl, Marlis Baurecht, Alex Burger und Johannes Oberdanner | Foto: SymbiaVC

Die Holz- und Forstwirschaft befindet sich im Umbruch – genauso wie die Baubranche. Deshalb braucht es neue Technologien, Innovationen und eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft.

Diese Vision verfolgt das Venture-Capital-Unternehmen Symbia. Der VC geht aus dem österreichischen Familienunternehmen der Pfeifer Holding mit Hauptsitz im Tiroler Imst hervor. Pfeifer besitzt über 13 Sägewerke in mehreren europäischen Ländern. Ihr Fokus ist die Holz- und Forstwirtschaft – und neue Technologien in dieser.

Marlis Baurecht ist Investment Managerin bei SymbiaVC. Mit Erfahrung bei der aws und FFG hilft Baurecht nun, Startups und Jungunternehmen vorwiegend in ihrer Frühphase zu unterstützen.

Wie sich Startups für das Symbia-Portfolio qualifizieren und in welchen Branchen sich Wachstumsfinanzierung auch künftig lohnen könnte, verrät die Investment-Managerin im Gespräch mit brutkasten.


brutkasten: Frau Baurecht, was macht man als Investment-Managerin?

Marlis Baurecht: Ich bin seit eineinhalb Jahren bei Symbia für das Investment-Management zuständig. Dabei suche ich neue Startups, lote Projekte aus und bin in unserem Steering-Comitee mit der Familie Pfeifer, unseren beiden Stiftungsvorständen Peter Kunz und Bernhard Gröhs und unserem Symbia-Team. Dort präsentiere ich unter anderem Investment-Vorschläge.

Wie kann man sich einen Investment-Pitch vorstellen?

Vor einem Pitch gibt es immer ein Vier-Augen-Gespräch innerhalb unseres Teams. Jeder bringt hier spannende Inputs mit ein und wir diskutieren immer auf Augenhöhe. Das ist wirklich etwas sehr Wertvolles: Unser Team, darunter Johannes Oberdanner, Alex Burger und Mira Raggl, ist wirklich ein unfassbar geniales Team. Wir sind alle sehr offen und schätzen uns gegenseitig.

Liegt die Entscheidung, ob in ein Startup investiert wird, alleine bei euch im Team?

Nicht ganz. Nachdem wir unsere Pitches besprochen haben, präsentieren wir sie dem Board. Im Steering-Committee sitzen die beiden Familienmitglieder Clemens und Michael Pfeifer, die sensationelles Know-how zur Holzbranche sowie Technik-Know-how im Allgemeinen besitzen. Sind die Pitches auch vom Board genehmigt, wird die Due Diligence geprüft. Wenn dieser Prozess gut gelaufen ist und das Startup überall positiv abschneidet, dann willkommen im Portfolio.

Symbia hat einen sehr interessanten Zielmarkt, insbesondere die Holz- und Forstwirtschaft. Warum dieser Fokus?

Pfeifer ist ein Holzkonzern mit 13 Sägewerken in vier verschiedenen europäischen Ländern. Natürlich braucht es in der Holzindustrie Innovationen, um sich am Markt etablieren zu können. Gerade im Bausektor kommt es aktuell zu massiven Umbrüchen. Unter anderem durch EU-Regulatorien, die Anpassungen auf der Herstellerseite fordern: Sei es die neue Taxonomie-Verordnung oder die entwaldungsfreien Lieferketten. Unter anderem interessiert uns deshalb: Wie kann man Holz, egal in welcher Form, auch als Abfall- oder Side-Produkte länger im CO2-Kreislauf halten?

Das klingt sehr nachvollziehbar. Das heißt, ihr investiert rein in Startups aus der Holz- und Forstwirtschaft?

Nein, es muss nicht nur Holz- oder Forstwirtschaft sein. Die Wertschöpfungskette, in die wir eingebunden sind, ist eine viel größere. Die reicht von Logistik, neuen Energien, neuen Produktionsmethoden oder Technologien bis hin zu neuen Einsatzmöglichkeiten von Holz. Die Holz- und Forstwirtschaft ist der Ursprung der Pfeifer Gruppe, die hinter uns steht, aber wir sind noch viel breiter vertreten.

Was genau ist der Ursprung der Pfeifer Gruppe?

Der geht zurück auf das Jahr 1948. Die Pfeifer-Geschichte begann mit Barbara Pfeifer. Sie hat das Unternehmen nach dem zweiten Weltkrieg gegründet, nachdem sie im Jahr 1945 ihren Mann im Krieg verloren hat. Sie musste versuchen, ihre Familie zu ernähren. Also hat sie ein Sägewerk gekauft und damit den Ursprung der Pfeifer Holding gelegt. Diese DNA begleitet uns auch heute noch – gerade jetzt, wo sich die Baubranche in einer Umbruchphase befindet.

Wie müssen Startups aufgestellt sein, um dem Umbruch am Markt Stand zu halten?

Trends und Lösungsansätze gibt es an jeder Ecke. Wir zum Beispiel schauen immer auf Team, Markt und Technologie, wobei das Team an allererster Stelle steht. Wir schauen uns bei jedem Startup an: Wie seid ihr untereinander aufgestellt, wie reflektiert und adaptiv seid ihr, wie flexibel könnt ihr euch auf neue Situationen einstellen?

In welcher Entwicklungsphase befinden sich die Startups, in die ihr investiert?

Wir sind einer der wenigen, die auch Entwicklungsfinanzierungen machen. Das heißt: Wir investieren durchaus in Early-Stage-Startups. Wir schauen uns auch an Universitäten um, welche Entwicklungen es dort gibt und welche Technologien Potenzial mit sich bringen.

Investiert ihr auch in Startups, die bereits anderwertig unterstützt werden?

Ja, natürlich! Gerade in der aws im Frühphasenbereich, in der Seed-Finanzierung, sitzen wirkliche Branchenkenner. Vor allem, wenn es im Hightech-Bereich schon zu einer Förderung gekommen ist, weiß ich, dass schon ein profundes Auge auf das Startup gelegt worden ist.

Wie bringen Sie sich strategisch bei den Startups ein, in die Sie investieren?

Wir sind mit unseren Startups und auch mit den anderen Co-Investoren auf dem Cap-Table eng vernetzt und haben immer wieder gemeinsame Catch-Ups. Sollte mal was nicht klar sein, heißt es bei uns: Am besten gleich anrufen oder eine kurze WhatsApp schreiben. Das ist wirklich wichtig: die offene, transparente Kommunikation zu den Gründerinnen und Gründern. Es menschelt überall, auch im Investmentbusiness.

Wie kann man am besten mit Gründer:innen zusammenarbeiten?

Während meiner Zeit bei der aws hab ich Vieles gelernt, aber vor allem eines ist mir wichtig zu betonen: Gründer:innen nehmen ein existenzielles Risiko auf sich und gehen diesen Weg für eine Sache, an die sie glauben. Das ist schon außergewöhnlich mutig.

Deshalb möchte ich mir nicht anmaßen, aus meiner Investmentposition, ihnen jetzt mit Micromanagement zu sagen, was sie zu tun haben. Unterstützung ja, Vogelperspektive ja, und natürlich gibt es auch klare Eckpfeiler. Dafür haben wir auch Regeln aufgestellt – ein sogenanntes Shareholder-Agreement. Aber für Micromanagement gibt es keinen Platz.

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell im Startup-Sektor, insbesondere in der Bauwirtschaft?

Das Entwicklungsrisiko ist derzeit sehr verhalten in der VC-Szene. Man spürt, dass gerade asset-heavy oder technologie-entwicklungsintensive Startups, die noch keine Umsätze oder keine großen Umsätze haben, sicherlich keine leichte Situation am Markt haben.

Welche Trends und Technologien sehen Sie groß im kommen?

Ich empfinde große Relevanz neuer Technologien in Richtung Nachhaltigkeit. Ich glaube auch, dass CleanTech eine Riesenchance für Europa ist. Ein weiteres Thema, womit wir uns noch nicht so beschäftigt haben, was aber ein Riesenmarkt ist, ist die Rüstungsindustrie.

Dann braucht das Holzbausegment viel in der Automatisierung. Wir sprechen dabei von Modulbauten und nachhaltigen Gesamtlösungen. In Bezug auf die Forstwirtschaft beschäftigen uns folgende Fragen: Wie geht man mit Altholz oder Schadholz um, um Holz möglichst lang im Kreislauf zu halten? Und dann auch neue Energieformen: Wie geht man mit Biomasse um? Welche effizienteren Energiegewinnungen gibt es?

Was ist Ihr primärer Zielmarkt?

Unser Sweetspot ist Europa, relativ viel investieren wir in Skandinavien. Ein sehr spannendes Projekt ist Modvion aus Schweden. Das Startup stellt Windräder aus Holztürmen her. Diese Windräder können vor Ort zusammengebaut werden.

Modvion, das klingt interessant. Was ist an diesem Startup besonders?

Was uns da besonders interessiert, ist der End-of-Life-Circle: Was passiert nach den 30 bis 40 Jahren Durchschnittszeit von einer Windkraftanlage? Wie kann man dieses gebundene CO2 oder in Holz gebundene CO2 weiter verwerten? Dabei hilft Modvion mit seiner Lösung.

In welchem finanziellen Rahmen bewegen sich Ihre Investments typischerweise?

Der Sweet-Spot liegt bei bis zu einer Million Euro pro Runde. Es hängt aber immer davon ab, wie hoch das Entwicklungsrisiko ist. Wir checken immer ab: Was braucht das Startup und was wird mit dem Investment gemacht? Und: Was können wir Ihnen beyond Money noch zur Verfügung stellen?

Welche Ratschläge würden Sie einem Startup geben, das nach seiner strategischen Ausrichtung und Investoren sucht?

Ich glaube, es ist ganz entscheidend, mit wem man zusammen gründet – auch wenn natürlich der monetäre Druck groß sein kann. Man muss sich Menschen auf Augenhöhe suchen, die eine positive Stimmung mitbringen.

Abschließend: Wie sehen Sie die Zukunft von SymbiaVC und worauf legen Sie in den nächsten Jahren Ihren Fokus?

Wir sind ja relativ neu. Wir müssen natürlich auch schauen, wie sich die Unternehmen, die wir bereits im Portfolio haben, entwickeln. Was wir schon gemerkt haben ist, dass das Portfolio-Management sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und immer auf Augenhöhe passieren muss.

Und wir würden als strategischer Investor nie unsere Startups, in denen wir investiert sind, in ihrem Wachstum behindern. Wir freuen uns auch, wenn sie mit anderen Partnern aus der Branche zusammenarbeiten. Bitte wachst und verdient Geld – und natürlich nicht nur mit uns. Ja, und dann wollen wir natürlich weiter nach spannenden Beteiligungen suchen, die auch das Potenzial der Firma Pfeifer mit neuen Märkten, neuen Geschäftsmodellen oder neuen Produkten ausschöpfen.

vor 17 Stunden

Symbia-Managerin Baurecht: „Für Micromanagement gibt es keinen Platz“

Der Tiroler VC Symbia schlug seine Wurzeln schon 1948. Um das Erbe heute noch weiterzutragen, investiert Symbia als Venture-Capital-Arm der Pfeifer Gruppe in wachstumsfreudige Startups. Investment-Managerin Marlis Baurecht verrät im Interview, worauf es dabei ankommt.
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Der Tiroler VC Symbia schlug seine Wurzeln schon 1948. Um das Erbe heute noch weiterzutragen, investiert Symbia als Venture-Capital-Arm der Pfeifer Gruppe in wachstumsfreudige Startups. Investment-Managerin Marlis Baurecht verrät im Interview, worauf es dabei ankommt.
Das Team von Symbia: Mira Raggl, Marlis Baurecht, Alex Burger und Johannes Oberdanner | Foto: SymbiaVC

Die Holz- und Forstwirschaft befindet sich im Umbruch – genauso wie die Baubranche. Deshalb braucht es neue Technologien, Innovationen und eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft.

Diese Vision verfolgt das Venture-Capital-Unternehmen Symbia. Der VC geht aus dem österreichischen Familienunternehmen der Pfeifer Holding mit Hauptsitz im Tiroler Imst hervor. Pfeifer besitzt über 13 Sägewerke in mehreren europäischen Ländern. Ihr Fokus ist die Holz- und Forstwirtschaft – und neue Technologien in dieser.

Marlis Baurecht ist Investment Managerin bei SymbiaVC. Mit Erfahrung bei der aws und FFG hilft Baurecht nun, Startups und Jungunternehmen vorwiegend in ihrer Frühphase zu unterstützen.

Wie sich Startups für das Symbia-Portfolio qualifizieren und in welchen Branchen sich Wachstumsfinanzierung auch künftig lohnen könnte, verrät die Investment-Managerin im Gespräch mit brutkasten.


brutkasten: Frau Baurecht, was macht man als Investment-Managerin?

Marlis Baurecht: Ich bin seit eineinhalb Jahren bei Symbia für das Investment-Management zuständig. Dabei suche ich neue Startups, lote Projekte aus und bin in unserem Steering-Comitee mit der Familie Pfeifer, unseren beiden Stiftungsvorständen Peter Kunz und Bernhard Gröhs und unserem Symbia-Team. Dort präsentiere ich unter anderem Investment-Vorschläge.

Wie kann man sich einen Investment-Pitch vorstellen?

Vor einem Pitch gibt es immer ein Vier-Augen-Gespräch innerhalb unseres Teams. Jeder bringt hier spannende Inputs mit ein und wir diskutieren immer auf Augenhöhe. Das ist wirklich etwas sehr Wertvolles: Unser Team, darunter Johannes Oberdanner, Alex Burger und Mira Raggl, ist wirklich ein unfassbar geniales Team. Wir sind alle sehr offen und schätzen uns gegenseitig.

Liegt die Entscheidung, ob in ein Startup investiert wird, alleine bei euch im Team?

Nicht ganz. Nachdem wir unsere Pitches besprochen haben, präsentieren wir sie dem Board. Im Steering-Committee sitzen die beiden Familienmitglieder Clemens und Michael Pfeifer, die sensationelles Know-how zur Holzbranche sowie Technik-Know-how im Allgemeinen besitzen. Sind die Pitches auch vom Board genehmigt, wird die Due Diligence geprüft. Wenn dieser Prozess gut gelaufen ist und das Startup überall positiv abschneidet, dann willkommen im Portfolio.

Symbia hat einen sehr interessanten Zielmarkt, insbesondere die Holz- und Forstwirtschaft. Warum dieser Fokus?

Pfeifer ist ein Holzkonzern mit 13 Sägewerken in vier verschiedenen europäischen Ländern. Natürlich braucht es in der Holzindustrie Innovationen, um sich am Markt etablieren zu können. Gerade im Bausektor kommt es aktuell zu massiven Umbrüchen. Unter anderem durch EU-Regulatorien, die Anpassungen auf der Herstellerseite fordern: Sei es die neue Taxonomie-Verordnung oder die entwaldungsfreien Lieferketten. Unter anderem interessiert uns deshalb: Wie kann man Holz, egal in welcher Form, auch als Abfall- oder Side-Produkte länger im CO2-Kreislauf halten?

Das klingt sehr nachvollziehbar. Das heißt, ihr investiert rein in Startups aus der Holz- und Forstwirtschaft?

Nein, es muss nicht nur Holz- oder Forstwirtschaft sein. Die Wertschöpfungskette, in die wir eingebunden sind, ist eine viel größere. Die reicht von Logistik, neuen Energien, neuen Produktionsmethoden oder Technologien bis hin zu neuen Einsatzmöglichkeiten von Holz. Die Holz- und Forstwirtschaft ist der Ursprung der Pfeifer Gruppe, die hinter uns steht, aber wir sind noch viel breiter vertreten.

Was genau ist der Ursprung der Pfeifer Gruppe?

Der geht zurück auf das Jahr 1948. Die Pfeifer-Geschichte begann mit Barbara Pfeifer. Sie hat das Unternehmen nach dem zweiten Weltkrieg gegründet, nachdem sie im Jahr 1945 ihren Mann im Krieg verloren hat. Sie musste versuchen, ihre Familie zu ernähren. Also hat sie ein Sägewerk gekauft und damit den Ursprung der Pfeifer Holding gelegt. Diese DNA begleitet uns auch heute noch – gerade jetzt, wo sich die Baubranche in einer Umbruchphase befindet.

Wie müssen Startups aufgestellt sein, um dem Umbruch am Markt Stand zu halten?

Trends und Lösungsansätze gibt es an jeder Ecke. Wir zum Beispiel schauen immer auf Team, Markt und Technologie, wobei das Team an allererster Stelle steht. Wir schauen uns bei jedem Startup an: Wie seid ihr untereinander aufgestellt, wie reflektiert und adaptiv seid ihr, wie flexibel könnt ihr euch auf neue Situationen einstellen?

In welcher Entwicklungsphase befinden sich die Startups, in die ihr investiert?

Wir sind einer der wenigen, die auch Entwicklungsfinanzierungen machen. Das heißt: Wir investieren durchaus in Early-Stage-Startups. Wir schauen uns auch an Universitäten um, welche Entwicklungen es dort gibt und welche Technologien Potenzial mit sich bringen.

Investiert ihr auch in Startups, die bereits anderwertig unterstützt werden?

Ja, natürlich! Gerade in der aws im Frühphasenbereich, in der Seed-Finanzierung, sitzen wirkliche Branchenkenner. Vor allem, wenn es im Hightech-Bereich schon zu einer Förderung gekommen ist, weiß ich, dass schon ein profundes Auge auf das Startup gelegt worden ist.

Wie bringen Sie sich strategisch bei den Startups ein, in die Sie investieren?

Wir sind mit unseren Startups und auch mit den anderen Co-Investoren auf dem Cap-Table eng vernetzt und haben immer wieder gemeinsame Catch-Ups. Sollte mal was nicht klar sein, heißt es bei uns: Am besten gleich anrufen oder eine kurze WhatsApp schreiben. Das ist wirklich wichtig: die offene, transparente Kommunikation zu den Gründerinnen und Gründern. Es menschelt überall, auch im Investmentbusiness.

Wie kann man am besten mit Gründer:innen zusammenarbeiten?

Während meiner Zeit bei der aws hab ich Vieles gelernt, aber vor allem eines ist mir wichtig zu betonen: Gründer:innen nehmen ein existenzielles Risiko auf sich und gehen diesen Weg für eine Sache, an die sie glauben. Das ist schon außergewöhnlich mutig.

Deshalb möchte ich mir nicht anmaßen, aus meiner Investmentposition, ihnen jetzt mit Micromanagement zu sagen, was sie zu tun haben. Unterstützung ja, Vogelperspektive ja, und natürlich gibt es auch klare Eckpfeiler. Dafür haben wir auch Regeln aufgestellt – ein sogenanntes Shareholder-Agreement. Aber für Micromanagement gibt es keinen Platz.

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell im Startup-Sektor, insbesondere in der Bauwirtschaft?

Das Entwicklungsrisiko ist derzeit sehr verhalten in der VC-Szene. Man spürt, dass gerade asset-heavy oder technologie-entwicklungsintensive Startups, die noch keine Umsätze oder keine großen Umsätze haben, sicherlich keine leichte Situation am Markt haben.

Welche Trends und Technologien sehen Sie groß im kommen?

Ich empfinde große Relevanz neuer Technologien in Richtung Nachhaltigkeit. Ich glaube auch, dass CleanTech eine Riesenchance für Europa ist. Ein weiteres Thema, womit wir uns noch nicht so beschäftigt haben, was aber ein Riesenmarkt ist, ist die Rüstungsindustrie.

Dann braucht das Holzbausegment viel in der Automatisierung. Wir sprechen dabei von Modulbauten und nachhaltigen Gesamtlösungen. In Bezug auf die Forstwirtschaft beschäftigen uns folgende Fragen: Wie geht man mit Altholz oder Schadholz um, um Holz möglichst lang im Kreislauf zu halten? Und dann auch neue Energieformen: Wie geht man mit Biomasse um? Welche effizienteren Energiegewinnungen gibt es?

Was ist Ihr primärer Zielmarkt?

Unser Sweetspot ist Europa, relativ viel investieren wir in Skandinavien. Ein sehr spannendes Projekt ist Modvion aus Schweden. Das Startup stellt Windräder aus Holztürmen her. Diese Windräder können vor Ort zusammengebaut werden.

Modvion, das klingt interessant. Was ist an diesem Startup besonders?

Was uns da besonders interessiert, ist der End-of-Life-Circle: Was passiert nach den 30 bis 40 Jahren Durchschnittszeit von einer Windkraftanlage? Wie kann man dieses gebundene CO2 oder in Holz gebundene CO2 weiter verwerten? Dabei hilft Modvion mit seiner Lösung.

In welchem finanziellen Rahmen bewegen sich Ihre Investments typischerweise?

Der Sweet-Spot liegt bei bis zu einer Million Euro pro Runde. Es hängt aber immer davon ab, wie hoch das Entwicklungsrisiko ist. Wir checken immer ab: Was braucht das Startup und was wird mit dem Investment gemacht? Und: Was können wir Ihnen beyond Money noch zur Verfügung stellen?

Welche Ratschläge würden Sie einem Startup geben, das nach seiner strategischen Ausrichtung und Investoren sucht?

Ich glaube, es ist ganz entscheidend, mit wem man zusammen gründet – auch wenn natürlich der monetäre Druck groß sein kann. Man muss sich Menschen auf Augenhöhe suchen, die eine positive Stimmung mitbringen.

Abschließend: Wie sehen Sie die Zukunft von SymbiaVC und worauf legen Sie in den nächsten Jahren Ihren Fokus?

Wir sind ja relativ neu. Wir müssen natürlich auch schauen, wie sich die Unternehmen, die wir bereits im Portfolio haben, entwickeln. Was wir schon gemerkt haben ist, dass das Portfolio-Management sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und immer auf Augenhöhe passieren muss.

Und wir würden als strategischer Investor nie unsere Startups, in denen wir investiert sind, in ihrem Wachstum behindern. Wir freuen uns auch, wenn sie mit anderen Partnern aus der Branche zusammenarbeiten. Bitte wachst und verdient Geld – und natürlich nicht nur mit uns. Ja, und dann wollen wir natürlich weiter nach spannenden Beteiligungen suchen, die auch das Potenzial der Firma Pfeifer mit neuen Märkten, neuen Geschäftsmodellen oder neuen Produkten ausschöpfen.

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