05.07.2021

Experte: Das muss passieren, damit Bitcoin und Ethereum nachhaltig werden

Wie groß ist das Nachhaltigkeitsproblem von Bitcoin wirklich? Und wie kann es behoben werden? Wir haben beim Informatiker Ulrich Gallersdörfer nachgefragt, der unter anderem zum Energieverbrauch von Kryptowährungen forscht.
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Ulrich Gallersdörfer
Ulrich Gallersdörfer von der Technischen Universität München | Foto: Ulrich Gallersdörfer, Hintergrund: Adobe Stock
Dieser Artikel erschien zuerst im brutkasten-Magazin #12 (05/21).

Der Informatiker Ulrich Gallersdörfer forscht an der Technischen Universität München zu Blockchain-Themen. Er hat mehrere Studien zum Energieverbrauch von Bitcoin und anderen Kryptowährungen durchgeführt – zuletzt etwa im März 2020 das Paper “Energy Consumption of Cryptocurrencies Beyond Bitcoin” gemeinsam mit Lena Klaaßen und Christian Stoll. Im brutkasten-Interview erläutert er, wie groß das Nachhaltigkeitsproblem von Bitcoin wirklich ist und was es braucht, um Blockchain-Anwendungen nachhaltig zu machen. Das Gespräch wurde Mitte April geführt.

Bitcoin und Nachhaltigkeit – geht das zusammen?

Ulrich Gallersdörfer: Bitcoin und andere Kryptowährungen brauchen sehr viel Energie. Der Energieverbrauch an sich ist für mich aber noch nicht das Problem, sondern die damit einhergehenden CO2-Äquivalenz-Ausstöße. Die Energiequellen, die wir nutzen, sind nur zum Teil regenerativ. Daher wird CO2 ausgestoßen, was die Klimakrise vorantreibt. Das grundsätzliche Problem mit dem Energieverbrauch ist also, dass er mit einem CO2-Ausstoß einhergeht. Das gilt für Bitcoin, aber auch bei Streaming oder künstlicher Intelligenz. Den Energieverbrauch von Bitcoin kann man also hinterfragen – aber man sollte die größere Frage stellen: Wie können wir den Energiesektor dekarbonisieren?

Wie stark hat sich der aktuelle Boom um Bitcoin und andere Kryptowährungen auf den Energieverbrauch ausgewirkt?

Seit unserer jüngsten Studie vom März 2020 hat sich die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen dramatisch erhöht – von 150 Milliarden Dollar auf aktuell 1,5 Billionen Dollar. Damit geht natürlich ein höherer Energieverbrauch einher. Der Anteil von Bitcoin an der gesamten Marktkapitalisierung ist zwar zurückgegangen, in diesem aktuellen Bullenmarkt gibt es aber sehr viele Projekte, die eine hohe Marktkapitalisierung aufweisen, aber keine energieintensiven Algorithmen einsetzen – zum Beispiel Protokolle wie Chainlink oder Uniswap, die auf dem Ethereum-System aufbauen und dessen Infrastruktur nutzen.

Wenn man nur die Währungen betrachtet, die tatsächlich energieintensive Algorithmen verwenden, liegt der Anteil von Bitcoin weiterhin bei rund 80 Prozent und damit ungefähr genauso hoch wie vor einem Jahr. Spannend ist auch, dass der Anteil von Ethereum im selben Zeitraum von zehn auf 17 Prozent gestiegen ist. Der Anteil anderer Kryptowährungen, die einen Mining-Algorithmus nutzen, ging dagegen zurück.

Bei Ethereum gab es in den vergangenen Monaten Diskussionen über die hohen Transaktionsgebühren auf der Blockchain. Wie wirken sich denn diese auf den Energieverbrauch aus?

Eine sehr hohe Transaktionsgebühr kann tatsächlich dazu beitragen, dass der Energieverbrauch noch einmal gesteigert wird. Der Anreiz, dass Leute Hardware kaufen und einschalten, ist dann noch einmal größer. Meine subjektive Wahrnehmung ist auch, dass in Deutschland wieder stärker angefangen worden ist, zu minen. Dieser Effekt wird sich wieder ausgleichen: Indem mehr Menschen an dem Kuchen partizipieren, werden die Stücke für den Einzelnen kleiner – und dann wird es wieder unrentabel.

Ethereum befindet sich gerade in einem größeren Umbruch. Für das nächste Jahr ist das Upgrade auf Ethereum 2.0 geplant, das weitreichende Änderungen bringen soll. Wird dies den Energieverbrauch senken?

Ethereum verwendet aktuell wie Bitcoin den energieintensiven Proof-of-Work-Algorithmus für das Mining. Mit dem Update auf Ethereum 2.0 ist der Umstieg auf den energieeffizienteren Proof-of-Stake-Ansatz geplant. Meine persönlichen Hoffnungen dafür sind schon groß. Das ist ein Projekt, das Ethereum von der ersten Stunde an begleitet. Es war von Anfang an die Vision, dass man von Proof of Work wegkommt. Es wächst hier ein sehr großes Ökosystem. Mit dem hoffentlich zügigen Wechsel von Proof of Work auf Proof of Stake erwarte ich, dass sich Besserung einstellen wird.

Spannend wird jedoch, wie die Miner reagieren. Diese haben viel Geld in ihre Hardware, hauptsächlich Grafikkarten, investiert. Es könnte sein, dass die mit dem alten Ethereum-System weiterarbeiten wollen, und dann laufen beide Systeme parallel. Die Hardware kann aber auch für das Mining von anderen Kryptowährungen eingesetzt werden. Es wird spannend, zu sehen, wie stark die Miner zu anderen Krypto- währungen abwandern. Die Frage ist, ob diese ähnliche Renditen bringen.

Ist zu erwarten, dass die dominierenden Kryptowährungen energieeffizienter werden?

Ich glaube, dass Bitcoin aufgrund seiner Marke als Wertspeicher und aufgrund der zugrundeliegenden Idee weiter stark nachgefragt sein und auf Platz eins bleiben wird. Gleichzeitig glaube ich nicht, dass Bitcoin vom energieintensiven Proof-of-Work-Ansatz auf den energieeffizienteren Proof-of-Stake-Ansatz umsteigen wird. Im Gegensatz zu Ethereum war das auch nie der Plan. Werden aber energieeffizientere Blockchains an Relevanz gewinnen? Ich glaube, ja. Es gibt eine große Nachfrage aus institutioneller Perspektive, dort sagen viele, dass es nicht sein kann, im Jahr 2021 Energie ohne Ende zu verbrauchen, um eine Blockchain zu betreiben.

Allerdings ist der Energieverbrauch auch kein Selbstzweck. Bei Bitcoin garantiert er etwa die Sicherheit des Netzes. Man kann daher auch nicht sagen, dass der energieeffizienteste Algorithmus automatisch der beste ist. Man muss sich hier auch andere Aspekte ansehen – etwa die Dezentralität oder die Geschwindigkeit eines Systems. Wenn nur ein einziger PC vor sich hinrechnet, ist es natürlich energieeffizienter als ein dezentrales System mit Tausenden Rechnern.

Meine Sorge ist, dass man irgendwann glaubt, man bräuchte unbedingt immer den energieeffizientesten Algorithmus. Aber in einem gewissen Bereich spielt es keine Rolle mehr, ob zehn oder 20 Kilowattstunden verbraucht werden.

Wie schätzen Sie das Bewusstsein innerhalb der Blockchain-Szene für das Thema Nachhaltigkeit ein?

Jedem, mit dem ich rede, ist klar, dass Klimawandel und CO2-Ausstoß existieren. Diese Diskussion muss nicht mehr geführt werden. Es gibt aber dennoch zwei Lager im Bitcoin-Bereich: Manche sagen, dass Bitcoin grüne Energie fördert, weil so eine hohe Nachfrage nach Energie entsteht. Aber auf der anderen Seite gibt es sehr viele Stimmen, die den derzeitigen Energieverbrauch für nicht in Ordnung halten.

Insgesamt sehe ich schon, dass in der Branche der Druck zunimmt, was Nachhaltigkeit angeht. Das hat sich auch beim Hype um Non-Fungible Token (NFT, Anm.) und digitale Kunst gezeigt. Da sind Künstler auf uns zugekommen, die wissen wollten, wie viel CO2 sie zu verantworten haben, wenn sie ihre Kunstwerke als NFT verkaufen. Das Bewusstsein steigt Tag für Tag.

In der Bitcoin-Community argumentieren viele, dass bereits jetzt viel Mining in China mit erneuerbaren Energien stattfinden würde – stimmt das?

Die Miner lassen sich kaum in die Karten schauen. Ihre Energiekosten und wie sie Energie nutzen, ist ihr Geschäftsgeheimnis. Es gibt Studien, dass 70 Prozent der Miner mit erneuerbarer Energie arbeiten. In unserer Forschung haben wir jedoch festgestellt, dass zwar in China erneuerbare Energie eingesetzt wird, dies jedoch sehr saisonal ist. Es kann sein, dass manche Miner zum Beispiel im Sommer Wasserkraft verwenden, dann aber im Winter wieder die Kohlekraftwerke angeschmissen werden müssen, weil die Miner diesen Energiebedarf haben.

Dazu kommt, dass die Mining-Hardware extrem schnell veraltet. Jeder Tag, an dem Sie dieses Gerät nicht einschalten, kostet Sie richtig Geld. Wenn Sie auf den grünen Strom warten wollen, kann es sein, dass Sie gar nicht in der Lage sind, Ihre Kosten hereinzubekommen. Die Mining-Hardware muss nach ihrer Anschaffung daher sofort eingeschal- tet werden und so lange laufen, bis die Kosten eingespielt sind.

Häufig wird auch darauf verwiesen, dass andere Assetklassen – wie Gold – ebenfalls umweltschädlich seien. Wie beurteilen Sie dieses Argument?

Rein theoretisch stimmt es, dass für den Goldabbau auch viel Energie verbraucht wird. Das ist keine zielgerichtete Diskussion, denn wir müs- sen die Probleme im Krypto- und im Energiemarkt generell lösen. Es gibt auch Vergleiche mit dem US-Dollar, die ebenfalls zutreffend sein mögen, aber dennoch nicht hilfreich sind. Das Problem ist sicher größer und globaler, aber einfach darauf hinzuweisen, dass es woanders auch Dreck gibt, hilft niemandem.

Was braucht es, damit Blockchain-Anwendungen nachhaltig werden?

Auf globaler Ebene müssen wir unseren Energiesektor dekarbonisieren; auf der Blockchain-Ebene müssen wir weiter Bewusstsein schaffen. Es fragen sich bereits jetzt immer mehr Menschen, welchen CO2-Ausstoß sie verursacht haben, wenn sie Kryptowährungen kaufen. Da gibt’s mittlerweile Internetseiten, die das berechnen und einem dann helfen, diesen Ausstoß zu kompensieren. Eine Ebene darüber müssen wir uns ansehen, wer Bitcoin-Mining betreibt und mit welchem Strom dies geschieht.

Es gibt erste Ansätze, dass Miner sich selbst verpflichten, grünen Strom zu nutzen. Aber über kurz oder lang wird es wohl staatliche Regulierungen brauchen, die festlegen, in welchem Rahmen Mining stattfindet. Ein Beispiel dafür ist Kanada: Dort gibt es sehr viel grüne Energie. Das hat dann so viele Miner angezogen, dass es Netzprobleme gab. Daraufhin wurde dies reguliert. Wenn das so passiert, sind wir auf einem richtigen Weg. Aber allein über Regulative wird man es nicht vollständig steuern können, weil das System dezentral ist und niemand mitbekommt, wenn ich in meinem Keller mine.

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Wie steht es um die Haltung und Aktivitäten rund um Nachhaltigkeit in der heimischen Wirtschaft? Ein umfassendes Bild liefert eine neue Befragung der Unternehmenberatung Deloitte, die gemeinsam mit Foresight im Herbst 2024 über 400 Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiter:innen befragt hat.

Strategische Verankerung fehlt

Das Ergebnis: Unternehmen erkennen zunehmend die Relevanz von Nachhaltigkeit. So schätzen 86 Prozent der Befragten das Thema als entscheidend für ihren künftigen Geschäftserfolg ein. Zudem haben mehr als die Hälfte der Unternehmen Maßnahmen zur Dekarbonisierung eingeleitet, etwa durch Photovoltaikanlagen oder den Umstieg auf grünen Strom. Diese Maßnahmen bleiben laut Deloitte jedoch häufig oberflächlich. Die strategische Verankerung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft – inklusive klarer Zielsetzungen – ist oft nicht ausreichend ausgeprägt.

“Zwar setzen viele Betriebe bereits Einzelmaßnahmen um, aber es fehlen die strategische Verankerung sowie klar definierte und laufend überprüfte Nachhaltigkeitsziele. Die nachhaltige Transformation kann allerdings nur mit einem klaren strategischen Fokus gelingen“, so Karin Mair, Managing Partnerin Risk Advisory & Financial Advisory bei Deloitte Österreich.

Geschäftskunden üben Druck aus

Besonders der Druck aus den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen treibt Unternehmen an. 60 Prozent der Befragten berichten, dass ihre Geschäftskunden (30 Prozent) sowie öffentliche und private Kunden die Haupttreiber für Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind. Dieser Druck wird durch strikte Berichtspflichten und die zunehmende Nachfrage nach Transparenz verstärkt.

Im Fokus vieler Nachhaltigkeitsagenden steht vor allem die Reduktion der CO2-Emissionen. 61 Prozent der Befragten haben dazu zwar mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen begonnen, hinsichtlich der erwartbaren Kosten für eine umfassende Dekarbonisierung herrscht aber große Unsicherheit. So kann oder will über ein Drittel (39 Prozent) derzeit keine Angaben über die diesbezügliche Kostenveranschlagung des Unternehmens machen.

Investitionsbereitschaft geht zurück

Gleichzeitig geht auch die Investitionsbereitschaft zurück: Der Anteil jener Betriebe, die von 500.000,- bis über fünf Millionen Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Dekarbonisierung aufwenden wollen, ist von 26 Prozent im Vorjahr auf 17 Prozent gesunken.

Ein wesentlicher Stolperstein ist die fehlende Klarheit bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in nationales Recht. Rund ein Viertel der Unternehmen in Österreich weiß noch nicht, ob sie von der neuen Berichtspflicht betroffen sind, was Unsicherheiten bei der Planung verstärkt. Gleichzeitig bleibt die Bürokratie für viele kleinere Unternehmen eine fast unüberwindbare Hürde.



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