31.10.2018

BioTech und Healthcare: Medizin der Zukunft

Die BioTech-Szene in Österreich erfährt bisher in der Öffentlichkeit nicht die nötige Aufmerksamkeit, die sie verdient. Exzellenter Forschung und Industrialisierung von Ergebnissen stehen ein hoher Bedarf an Kapital und spezielle Rahmenbedingungen gegenüber. Im Lande erweist sich BioTech als ebenso vielfältig, wie die Förderlandschaft, von der sie abhängt. Eine Bestandsaufnahme rund um Healthcare-Apps, Implantate und RNA-Sequenzen.
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BioTech
(c) ra2 studio / Fotolia.

Wem der Begriff BioTech unterkommt, fühlt sich genötigt an eine Symbiose zwischen Mensch und Maschine zu denken. Andere wiederum steigen gerne in die utopischen Vorstellungen vom „ewigen Leben“ ein und beziehen sich dabei auf die gestiegene Lebenserwartung der letzten Jahrzehnte, die durch Medizin bewirkt wurde. Im Gespräch mit Experten des Feldes wird jedoch klar, dass sich zukünftig alles vielmehr um individuelle Therapien drehen wird und BioTech in Österreich eine Frage der (geduldigen) Finanzierung bleibt.

Life Science ist ein Begriff der die Felder BioTech & Pharma und Medical Device (Medizinprodukt) umfasst. Während 2016 in einer Studie der Modul-Universität Wien (für die 8 Experten wie etwa Wirtschaftsagentur Wien, TechGate und Vienna Biocenter plus und 16 Startups zum Startup-Standort Wien befragt wurden) infrastrukturellen Rahmenbedingungen hierorts ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wurde, scheint sich einerseits in dieser Hinsicht etwas bewegt zu haben – auf der anderen Seite gibt es weiterhin Wünsche diesen Bereich der Politik und Öffentlichkeit näher zu bringen. Hierzulande sind dem „Life Science Report“ der aws nach über 800 Unternehmen in den beiden Bereichen BioTech & Pharma und Medical Device aktiv tätig und für einen Umsatz von rund 20 Milliarden Euro verantwortlich. Zudem gibt es 55 Forschungsinstitutionen mit 20.000 Mitarbeitern und rund 52.000 weitere „employees in the life science industry“.

Hohe Dynamik

Insgesamt herrscht eine hohe Dynamik, es mangele aber an Sichtbarkeit, so die allgemeine Einschätzung. Mit einem genauen Blick erkennt man dennoch diverse Anwendungsgebiete, bei denen High-Tech bereits verwendet wird. Darunter Künstliche Intelligenzen, die Bild-Analysen erstellen oder Schattierungen auf Röntgenbilder erkennen und damit vorbeugende Diagnosen liefern können. Dazu zählen auch Patienten, die per VR-Brille Filme genießen und damit das Stresslevel senken – sowie Chirurgen, die während einer OP über Virtual Reality Daten einsehen.

Exzellente Förderlandschaft

Johannes Grillari, Professor am Institut für Biotechnologie spricht allgemein von einem guten Klima in Österreich. Der Wissenschaftler und Mitgründer von unter anderem Evercyte (Unternehmen, das sich um die Immortalisierung von Zellkulturen kümmert) und TamiRNA (zuständig für eine verbesserte Prognostik für Brüche mittels Mikro-RNA, Knochendichte-Messung und blutbasierenden Tests) hat für die heimische Szene Lob über: „Die Überlebensrate von Gründungen ist hoch und die Förderlandschaft exzellent“, sagt er und nennt als Beispiele die aws mit LISA (Life Science Austria), INiTS oder auch den Cluster LISA Vienna und die die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG. „Es gibt eine extrem aktive Szene für Anfänger“.

Marlis Baurecht – als aws Geschäftsfeldleiterin ist die studierte Genetikerin und Mikrobiologin für die Bereiche Entrepreneurship, Schutzrechte und Seedförderungen und somit für Life Sciences zuständig – weiß, dass Österreich entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Grundlagenforschung, zum Beispiel in der Molekularbiologie, bis hin zur Industrie exzellente Institute beherbergt. Jedoch sieht sie im Bereich der Industrialisierung von Produkten aus dem „Labor“ Verbesserungsbedarf. Bereits jetzt gibt es nicht für alle beantragten Projekte ausreichend Finanzierung, gleichzeitig stiegen die Anträge zuletzt um 20 Prozent pro Jahr. “Wir müssen leider auch exzellenten Projekten absagen“, sagt sie.

INiTS-CEO Irene Fialka weiß ebenfalls, dass BioTech viel Kapital braucht, das geduldig sein muss. Seit der Gründung des Inkubators drehe sich alles um die Aufgabe Akademiker mit innovativen und skalierbaren Geschäftsideen bei der Gründung zu unterstützen. „Österreich hat eine vielfältige Förderlandschaft mit Impuls-, Seed- und Preseed-Programmen“, sagt sie. Sie nennt das FFG-Fellowship als ein Beispiel für einen ersten Versuch, Forschungsergebnisse in Richtung Verwertbarkeit zu testen. Bei dieser Initiative können Forscher an der Universität bleiben, während sie an Prototypen für ihre Idee arbeiten.

Spezielle Bedürfnisse für BioTech-Startups

Was jedoch trotz imposanter Entwicklungen weiterhin als verbesserungswürdig erachtet wird, ist die Frage der Finanzierung, die sich in einer späteren Etappe direkt auf die Ökonomisierung einzelner Produkte auswirkt. Durch die speziellen Anforderungen, die BioTech-Startups an Büroflächen haben, gestalte sich die Suche nach Räumlichkeiten gerade in der Gründungsphase schwer. Neben klassischen Büroflächen brauchen BioTech- und Life-Sciences-Startups auch Platz für Labors. „Man muss in der präklinischen Phase ansetzen. Es herrscht ein hoher Finanzierungsbedarf und Forschungsergebnisse müssen in die Produktion integriert werden. Da braucht es Infrastruktur und mehr Initiative der Politik. Man kann nicht von VCs verlangen, das Risiko zu gehen“, sagt Baurecht. Sie würde sich mehr Aufmerksamkeit für die Branche in Öffentlichkeit und Politik und mehr Investments wünschen, „Es gibt zwar lange Entwicklungsphasen in diesem Bereich, aber auch zugleich einen hohen volkswirtschaftlichen Mehrwert. Wir dürfen den Zug nicht verpassen“.

Die Ergebnisse der Life Sciences sind laut Baurecht trotz aller Komplexität und Problembehaftung in Sachen R&D und verbesserungswürdiger Industrialisierung hierzulande bemerkenswert. Die Nennung aller Unternehmen, die in der BioTech- und Healthcare-Szene herausragende Arbeit leisten, würde den Rahmen sprengen. Deshalb folgt eine kleine Auswahl von Startups und Firmen, die mit beachtlichen Leistungen aufgefallen sind und den Sprung von der Forschung auf den Markt geschafft haben.

Lernende Software und RNA-Sequenzen

Mysugr, die an Roche Ventures verkauft wurden, haben mittels ihrer App medizinischen Mehrwert geschaffen, etwa in Form eines Insulinrechners oder per Diabetes-Beratung in Echtzeit. Ihr Produkt gelte auch als die erste App, die in den USA von der FDA (Food and Drug Administration) für den Medizinmarkt zugelassen wurde.

NP Life Science Technologies entwickelt und produziert nervenähnliche Implantate, die den Körper bei der Regeneration zerstörter peripherer Nerven unterstützen. Dabei bildet das Implantat die zellfreie Struktur eines Nervs aus vielen kleinen, parallel ausgerichteten Kanälchen nach. Regenerierende Nervenzellen erhalten somit sofort eine Wachstumsrichtung zwischen den Nervenenden und die Regeneration wird beschleunigt.

Das ImageBiopsy Lab entwickelt neuartige Softwarelösungen für die Röntgenbildanalyse, um die Diagnose der Arthrose zu verbessern. Dabei greift das Unternehmen auf eine Software zurück, die auf einem lernenden Algorithmus basiert und innerhalb weniger Sekunden Röntgenbilder standardisiert und objektiv analysiert. Die Datenbank, auf die sich das „Deep-Learning-System“ stützt, umfasst 150.000 Röntgenbilder.

In Sachen Next Generation Sequency hat sich besonders Lexogen hervorgetan. Das Wiener BioTech Unternehmen entwickelt und vertreibt weltweit ein umfassendes Portfolio an Produkten, die der Forschung und der Industrie erlauben, in kürzester Zeit Millionen und Milliarden von RNA Sequenzen zu analysieren. Mit SLAMseq ist seit dem Vorjahr ein Produkt auf dem Markt, das für medizinische Screenings oder das Testen von Medikamenten an lebenden Zellen enormes Potential bringe.

Marinomed ist ein biopharmazeutisches Unternehmen. Es erforscht und entwickelt neuartige Technologieplattformen für innovative Therapien gegen Atemwegs- und Augenerkrankungen. Und arbeitet mit antiviralen Produkten, die direkt Viren und nicht bloß die Symptomatik bekämpfen.

Apeiron ist ein Wiener Biotechnologie-Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und Kommerzialisierung neuartiger Immuntherapien für Krebserkrankungen spezialisiert hat. Das Unternehmen adressiert innovative therapeutische Targets mit Hilfe tumorspezifischer, zielgerichteter Wirksubstanzen und der Stimulation des Immunsystems durch neue proprietäre Wirkungsmechanismen (Checkpoint-Blockade). Damit werden die natürlichen Abwehrmechanismen des menschlichen Körpers im Kampf gegen den Krebs mobilisiert.

Den Tod besiegen?

Man merkt, das Startup-/Unternehmens-Spektrum in Österreich ist ebenso breit, wie es die Förderlandschaft ist. Forschung in Richtung ewiges Leben ist in Österreich kaum vertreten und erweist sich international eher als Mix zwischen zweifelhaften Studien und seriösen Experimenten, die die Lebensspanne bei Tieren verlängert haben. Besonders Investor Peter Thiel oder Silicon-Valley-Milliardär Larry Ellison, Mitgründer der Softwarefirma Oracle, treiben die Forschung in diese Richtung voran. Aubrey de Grey, Biogerontologe und Co-Founder der Methuselah-Stiftung in Virginia hat sogar als Ziel ausgeschrieben, Menschen ewig 25 zu halten.

Ob dies in naher oder entfernter Zukunft möglich sein wird, bleibt heute ungeklärt. Wie Baurecht sagt, gehe es eigentlich gar nicht darum, den Tod zu besiegen, sondern im Alter Lebensqualität zu erzeugen und in Bewegung zu bleiben. Dazu passend betont auch Fialka, dass mit BioTech und Healthcare ein fortschreitender Paradigmenwechsel in der Medizin zu erkennen ist. Sie sagt: „Es gibt einen Umbruch weg von der Therapie hin zu einer Gesundheitsökonomie als Vorbeugung. Früher wurde der Patient im Sinne eines ‘Einheitsbrei’ behandelt. Heute geht es in Richtung Präzisionsmedizin. Und um exakte Analysen und individuelle Patientenbehandlung“.

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #7 “Die Welt in 5 Jahren”

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Benefits, Home-Office
(c) GrECo - Joachim Schuller, Competence Center Manager Health and Benefits GrECo.

Es herrscht eine Zeit im Arbeitswesen, in der sich sehr viele Personen mit der Zukunft und davon ausgehend mit Benefits von Unternehmen beschäftigen. Dabei steht vor allem die betriebliche Vorsorge hoch im Kurs. Neun von zehn Befragte finden eine Pensionsvorsorge (91 Prozent), eine private Krankenversicherung (90 Prozent) oder steuerfreie Zukunftsleistungen wie lohnsteuerfreie betriebliche Vorsorge (89 Prozent) bei der Jobsuche besonders attraktiv. Das zeigt die aktuelle “Health & Benefits Studie” des Versicherungsunternehmens GrECo, die sowohl die Arbeitnehmer:innen- als auch die Arbeitgeberseite befragt hat.

Benefits: Anforderungen an Jobs steigen

Die unternehmenseigene Befragung unter österreichischen Unternehmen wurde im Juli und August 2024 durchgeführt, um die Sichtweisen und Strategien der Arbeitgeber zu beleuchten. Diese Umfrage richtete sich an heimische Entscheidungsträger:innen aus den Bereichen “Human Resources” und “Benefits-Management”. Insgesamt nahmen 274 Unternehmensrepräsentant:innen an der Befragung teil. Dabei lag der Fokus auf den geplanten Benefits-Maßnahmen der nächsten zwei Jahre.

“Die Anforderungen an den Job steigen weiter. Viele Arbeitnehmer:innen wünschen sich, dass ihr Arbeitgeber sie bei den alltäglichen Herausforderungen unterstützt. Auch eine zusätzliche Pensions- und Krankenvorsorge, die deutlich über die staatliche Grundversorgung hinausgeht, wird zunehmend geschätzt. Lösungen, die Mitarbeiter:innen auch in Zukunft gut absichern, stehen insgesamt an oberster Stelle der Wunschliste”, erklärt Joachim Schuller, Competence Center Manager Health and Benefits bei GrECo.

Für Unternehmen gilt es, sich bewusst zu machen, dass Benefits, die zeitgemäß und besonders relevant für die Lebensqualität der Mitarbeitenden sind, den besten Pull-Faktor darstellen und einen direkten Einfluss auf die Loyalität haben.

Langfristig vs. kurzfristig

Vor allem langfristige Benefits wie Vorsorgelösungen hätten laut der Umfrage für acht von zehn Befragten (83 Prozent) eine höhere Priorität als kurzfristige Vorteile wie Fitnessangebote. Ein Unterschied zeigt sich jedoch bei der Gen Z, deren Fokus auf anderen Herausforderungen wie beispielsweise mentaler Gesundheit und der Vereinbarkeit von Familie und Karriere gerichtet ist.

“Das liegt nicht daran, dass die Gen Z Pensionsvorsorge oder Krankenversicherung nicht schätzt. Untersuchungen zeigen, dass die Gen Z anfälliger für Burnout und Stress ist. Der Mental Health-Aspekt wird somit immer wichtiger, um Fluktuation und geringer Produktivität entgegenzuwirken“, erklärt Schuller. “Es geht hier um ein abgestimmtes Paket, das sowohl Prävention als auch die entsprechende Absicherung im Bedarfsfall sicherstellen kann.”

Bemerkenswert ist, dass trotz aller Bemühungen aktuell 67 Prozent der Unternehmen die Vorteile betrieblicher Vorsorgeleistungen noch nicht ausschöpfen. Dabei bieten steuerfreie Zukunftssicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherung und Pensionszusagen gerade die finanzielle Sicherheit, die sich die Mitarbeiter:innen wünschen würden, so die Studie.

Der Jahresbericht der Pensionsversicherung Österreich zeigt, dass ein Viertel der österreichischen Arbeitnehmer:innen (25 Prozent) noch vor dem Ruhestand berufsunfähig sind und nur vier Prozent der Erwerbstätigen in Österreich eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben.

“Diese Lücke wird aber nach wie vor auch in der Praxis von nur rund 17 Prozent der Unternehmen abgedeckt. Auch eine “Pensionszusage” bieten nur 27 Prozent an und das, obwohl sie angesichts der steigenden Lebenserwartung ein wichtiges Angebot wäre, um die Erhaltung des Lebensstandards im Alter sicherzustellen”, liest man im Bericht.

Benefits kein Obstkorb

Im Kampf um die besten Talente steigt der Druck auf die Arbeitgeber, über das Gehalt hinaus ansprechende Sozialleistungen anzubieten. Über ein Drittel (35 Prozent) der heimischen Arbeitnehmer:innen ist sogar bereit, auf zehn Prozent des Gehalts zu verzichten, wenn sie dafür wichtige Benefits erhalten – in der Gen Z ist es sogar jede:r Zweite (46 Prozent).

Benefits wie Home-Office oder flexible Arbeitszeiten, zählen jedoch nicht dazu. Sie werden viel mehr als selbstverständliche Voraussetzung betrachtet und sind wie der Obstkorb, den nur mehr 24 Prozent als sehr ansprechend bewerten, seit langem kein Alleinstellungsmerkmal mehr.

“Eine ‚One-size-fits-all-Lösung‘ bei Benefits ist nicht mehr zeitgemäß. Unternehmen, die die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen erkennen und entsprechend handeln, sind für die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt besser gerüstet und langfristig erfolgreicher”, so Schuller weiter.

Kommunikation mangelhaft

Aufholbedarf gibt es auch in der Kommunikation: Nur 56 Prozent der Mitarbeiter:innen kennen auch alle angebotenen Benefits. Auf Seite der Arbeitgeber gilt es dringend, eine zugängliche Übersicht der angebotenen Benefits zu schaffen und diese laufend zu kommunizieren. Etwa ein Drittel (32 Prozent) der befragten Unternehmen gibt zudem an, keine genaue Kenntnis darüber zu haben, wie viel Prozent der Lohnsumme für Benefits aufgewendet werden.

“Das zeigt deutlich, dass Unternehmen ihre Kommunikationsstrategie für bestehende Mitarbeiter:innen dringend verbessern müssen, denn 88 Prozent wünschen sich einen Arbeitgeber, der sich um sie kümmert”, fasst Schuller abschließend zusammen. “Nur wer langfristige Absicherung und moderne Arbeitsmodelle kombiniert, wird im Wettbewerb um die besten Talente bestehen können – erst recht in Zeiten des Fachkräftemangels.”

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