13.11.2017

Big Data: Nach dem Hype ist vor der Chance

Gastkommentar. Wie sich Beziehungen zwischen Agenturen und werbetreibenden Unternehmen ändern (müssen). Der digitale Wandel gibt vielen Mediaagenturen die große Chance.
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Gastkommentar von Alexander Igelsböck, Gründer und CEO von Adverity.


Werbung ist nicht mehr das, was sie einmal war. Das Internet und allen voran soziale Netzwerke sind aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken, so dass Werbetreibende und ihre Agenturen auch sämtliche Werbemaßnahmen auf diese Kommunikationswege zuschneiden: Video-Kampagnen sind viel mehr als nur ein TV-Spot, Content Marketing imitiert mit unterhaltsamen Geschichten das tägliche Leben und Relevanz ist für Werber weit wichtiger als Reichweite geworden. 

Eine Marke braucht ein aufmerksames Publikum viel dringender als umgekehrt. Und so geht es in den allermeisten Kampagnen immer weniger um das Produkt, als vielmehr um Emotionen und Eigennutzen für den Kunden. Die Liste an Produkteigenschaften ist längst der großen Geschichte dahinter gewichen. Menschen und deren bald gelösten Probleme rücken in den Vordergrund. So gesehen ist es wohl die beste Nachricht überhaupt: in der Werbung geht es nun mehr um den Kunden als je zuvor. 

Werbung = Wissenschaft + Kunst 

Nur noch die wenigsten wirklich großen Marken schaffen es, mit einer Kernaussage die große Masse zu erreichen. Kunden erwarten heutzutage eine personalisierte Ansprache, die zu ihren Bedürfnissen und Erwartungen passt. Branchenführer wie Amazon und Netflix lassen es einfach wirken, ihren Kunden ein Produkt zu zeigen, das ihnen sicher auch gefällt. Wie aber soll das für Werbetreibende funktionieren, die keine eigene Plattform in dieser Größe haben? Um diese Frage zu beantworten, müssen Werbetreibende und ihre Agenturen die Zielgruppe in und auswendig kennen. 

+++ Warum die Digitale Transformation in der Marketing-Abteilung beginnt +++

Vorbei sind die Zeiten, in denen Agenturen einen Mediaplan vorgelegt haben, der nur aus groben Zielgruppensegmenten bestand. Hohe Streuverluste und kaum nachweisbarer Return-On-Investment sind seit Jahren die größten Herausforderungen, die es zu meistern galt. Hier kommen dann Mediaagenturen ins Spiel: sie sind häufig das Nervenzentrum der Werbeaktivitäten, eine Art Jäger und Sammler an der perfekten Stelle wenn es um (Kunden)-Daten geht. Dank der schier unendlichen Datenmengen rund um Produkte, Marken und Kunden lassen sich Rückschlüsse und tiefgreifende Erkenntnisse über unsere Bedürfnisse erschließen – doch wie können diese Daten genutzt werden? 

Weniger oder mehr Kreativität durch Big Data? 

Diese und ähnliche Fragen begleiten uns täglich. Viele Agenturen und ihre Kunden sind unsicher, ob sich ihre Kampagnen und Werbeaussagen derart von Daten beeinflussen lassen sollen. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Erst durch den wissenschaftlichen Ansatz, durch die exakte Segmentierung, durch die Auswertung der Daten im Kaufprozess, kann die Kreation der entscheidende Unterschied sein. Erst durch die Reduzierung aufs Wesentliche kann die Kreativität ihre volle Stärke ausspielen.

+++ Nach dem Millionen Investment: Adverity im Interview +++

Sind dadurch Bauchgefühl und Experimente ausgeschlossen? Keineswegs. Nur im Zusammenspiel lassen sich aussagekräftige Rückschlüsse ziehen. Werbe- und Mediaagenturen haben hier die wichtige Aufgabe, ihren Kunden auf dem Drahtseilakt zu begleiten und ihn zu führen. Client Leadership wird dadurch immer wichtiger: nicht nur effektive Kommunikation, auch die Vermittlung von datenbasierten Erkenntnissen und Ansätzen ist essentiell in der täglichen Arbeit. Und so wird sich auch das Business Modell von Agenturen möglicherweise weiter ändern, weg von der Erstellung von Plänen und dem reinen Mediaeinkauf, hin zu echten Datenexperten, deren Service bei der Übermittlung von Werbemitteln noch lange nicht aufhört. 

“Das ist als würde ich eine Station mit der U-Bahn fahren, um anschließend mit dem Taxi zu meinem Fahrrad zu fahren, um dieses zum Restaurant zu schieben.”

Einer unserer Kunden sagte einmal: “Es ist immer noch unglaublich, wie die Prozesse funktionieren: noch immer werden manuell Excel-Listen heruntergeladen und bearbeitet, um diese anschließend in Powerpoint-Präsentationen zu kopieren. Das ist als würde ich eine Station mit der U-Bahn fahren, um anschließend mit dem Taxi zu meinem Fahrrad zu fahren, um dieses zum Restaurant zu schieben.” 

Big Data verändert Business Modelle der Agenturen 

Was bedeutet das nun für das Verhältnis zwischen Agenturen und Kunden? Zum einen  verändert sich die Art der Kommunikation durch den Expertenstatus der Agentur: weniger Dienstleister für müßige Kleinarbeit, hin zu den Experten, die den Überblick der Datenströme, Kundensegmente und Analyseergebnisse beherrschen. Zum anderen wird die Entscheidungsgrundlage grundsätzlich verschoben: Es geht immer weniger um Meinung und Gefühle, immer mehr um konkrete Zahlen, die aus den Datensätzen sprechen – und Daten lügen nicht. Diese Datensätze sind besonders mächtig, wenn sie ganzheitlich betrachtet und analysiert werden. Von daher darf es zukünftig nicht nur um “die eine Auswertung” gehen oder um “ein Dashboard-Projekt”, vielmehr muss die Geisteshaltung grundlegend verändert, Prozesse automatisiert, datenbasierte Erkenntnisse für alle Mitarbeiter ersichtlich und manuelle Eingriffe vermieden werden. Jetzt ist die Zeit, wo Big Data mehr als nur ein Schlagwort im Pitch ist, sondern sich echte Möglichkeiten ergeben, systematische Grundlagen für die zukünftige Art der Agenturarbeit zu legen.

Oftmals sind die Erkenntnisse trivial: Einer unserer Agenturkunden konnte mithilfe einer großangelegten Analyse herausfinden, wann der beste Zeitpunkt für die Bewerbung von Wintersportkleidung seines Kunden war. Die Daten reichten viele Jahre zurück und wurden von allen erdenklichen Quellen zusammengeführt. Als Basis fungierten vor allem Verkaufs-, Kampagnen-, demographische- und lokale Temperaturdaten. Die große Überraschung: Es war nicht sobald der erste Schnee fällt.


Alexander Igelsböck ist Mitgründer und CEO des Wiener Startups Adverity, das sich als Ziel gesetzt hat, Agenturen und Werbetreibenden die Arbeit mit ihren Marketingdaten radikal zu vereinfachen.

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Bodo B. Schlegelmilch, Dekan der WU Executive Academy und Ikigai-Expertin Klara Palucki. (c) WU Executive Academy

Globale Pandemie, Klimakatastrophen, Kriege, politische Unruhen: In unserer Welt scheint kaum mehr etwas beständig oder vorhersehbar zu sein. Auch die österreichische Wirtschaft bleibt von diesen Entwicklungen nicht verschont. Die Unsicherheiten am Arbeitsmarkt stellen Unternehmen und besonders Führungskräfte vor große Herausforderungen.

Genau hier setzt das Lebenskonzept Ikigai an. Es soll dazu beitragen, das Berufsleben mit mehr Sinn und Orientierung zu füllen. Wie Ikigai Führungskräfte zu mehr Erfolg verhelfen soll, erklären Bodo B. Schlegelmilch, Dekan der WU Executive Academy, und Ikigai-Expertin Klara Palucki.

Ikigai dient als “eine Art Kompass” für Führungskräfte

Das BANI-Umfeld der 2020er Jahre beschreibt eine Wirtschaft in zunehmender Unbeständigkeit und Komplexität. Das Akronym steht für eine Welt, die brüchig, ängstlich, nicht linear und unbegreiflich ist. Es wird also zunehmend wichtiger, dass Unternehmen lernen mit unberechenbaren Krisen zurechtzukommen. Das BANI-Modell soll dabei helfen, Veränderungen in der Arbeitswelt frühzeitig zu erkennen und sich flexibel anzupassen.

In dieser unvorhersehbaren BANI-Welt kann das Lebenskonzept Ikigai Führungskräften als „eine Art Kompass“ dienen. Es unterstützt dabei, “den Fokus auf das Wesentliche zu richten und Entscheidungen wertorientiert zu treffen”. Schlegelmilch betont: „In turbulenten Zeiten ist es entscheidend, sich seiner Werte klar zu werden und danach zu handeln. Ikigai hilft dabei, die innere Sicherheit zu finden, die man braucht, um auch in unsicheren Zeiten Kurs zu halten“.

Die vier Fragen von Ikigai

Das japanische Wort „Ikigai“ lässt sich als „die Freude und der Lebenssinn“ übersetzen. Ikigai basiert auf vier grundlegenden Fragen: Was liebst du? Worin bist du gut? Was braucht die Welt? Wofür kannst du bezahlt werden? Diese Fragen werden in einem Venn-Diagramm dargestellt, wobei der Schnittpunkt dieser vier Dimensionen den persönlichen Lebenssinn – das Ikigai – symbolisiert.

Dieser Ansatz bietet insbesondere Führungskräften eine Möglichkeit, für sich und ihre Teams einen „sinnorientierten und nachhaltigen Weg einzuschlagen“. Expertin Palucki fügt hinzu: „Wenn ich weiß, wohin ich gehen will, dann bin ich bereits auf dem Weg zur Selbstführung. Diese persönliche Klarheit ist eine Führungskompetenz, die sich positiv auf das gesamte Team auswirkt“.

Wie kann das Lebensmodell im Arbeitsumfeld helfen?

Führungskräfte, die den Sinn in ihrem Leadership erkennen, können ihre Teams dazu inspirieren, ebenfalls einen sinnorientierten Weg einzuschlagen. Sie schaffen ein Arbeitsumfeld, in dem individuelle Stärken und Interessen der Mitarbeitenden berücksichtigt werden. Hierbei spielt Job Crafting – die aktive Gestaltung der eigenen Arbeitsaufgaben und des Umfelds – eine zentrale Rolle.

„Wenn ich in meinem Job nicht glücklich bin, kann ich mir in kleinen Schritten ansehen, welche Aufgaben mir liegen und welche weniger. Dadurch lässt sich ein Arbeitsumfeld schaffen, das besser zu den eigenen Bedürfnissen passt. Oft hilft es auch, genauer hinzuschauen, wo der Sinn abhandengekommen ist. Indem wir Aufgaben im Sinne von Job Crafting shiften und neu verteilen oder neue Projekte initiieren, können wir wieder Sinn entdecken“, so Palucki.

“Ikigai ist wie ein Rezeptbuch, um den Purpose eines Unternehmens zu finden”

Für Führungskräfte ist es entscheidend, nicht nur ihr persönliches Ikigai, sondern auch das ihres Unternehmens zu verstehen. Die gleichen Fragen, die jeder auf dem Weg zum eigenen Ikigai beantwortet, können Führungskräfte auch auf das Unternehmen anwenden. Schlegelmilch vergleicht das so: „Ikigai ist wie ein Rezeptbuch, um den Purpose eines Unternehmens zu finden”.

„Letztendlich geht es aber darum, dass man Freude an dem hat, was man tut”, betont er. „Führungskräfte sollten sich fragen, warum sie das tun, was sie tun, und ob es ihnen auch tatsächlich Erfüllung bringt“. Weiterbildungen bieten hierbei eine gute Gelegenheit, um mehr Sinn und Orientierung in die eigene Karriere zu bringen.

In der heutigen Welt wird Sinnorientierung zu einer grundlegenden Voraussetzung für modernes, nachhaltiges Leadership, ergänzt Palucki. „Menschen wollen zunehmend Teil von etwas Größerem sein und bleiben eher im Unternehmen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit einen (guten) Zweck erfüllt“.

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