04.05.2016

Bereits Gesellschafter einer GesbR ohne es zu wissen?

Viele Gründer wissen nicht, dass Sie bereits ein Unternehmen gegründet haben. Denn die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) ist die erste Rechtsform, die ein Start-Up automatisch per Gesetz hat, sobald bestimmte Schritte gesetzt wurden. Christoph Schmid von CMS in Österreich wirft einen genauen Blick darauf, wie Gründer ungewollte Rechtsfolgen vermeiden können.
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Managing Corporate Lifecycles by Ichak Kalderon Adizes (Santa Barbara, CA: Adizes Institute Publications, 1999)

Ja, es ist möglich bereits in der Garage eines Freundes Gesellschafter eines Unternehmens zu werden. Und nochmals ja, dies auch dann, wenn nichts unterschrieben wurde. Laut Adizes© Corporate Lifecycle wird das frühste Stadium eines Unternehmens „Courtship“ genannt. Bei diesem sinngemäßen „Balzverhalten“ geht es darum sich zusammenzuschließen, um eine gemeinsame unternehmerische Idee zu verfolgen und umzusetzen – dies ist jedoch bereits die Geburtsstunde des Unternehmens. Gesetzliche Regelungen, Rechtsfolgen und -tipps können für Gründer in dieser Phase von ganz entscheidender Bedeutung sein.

Willkommen in der GesbR

Ganz egal ob Sie gemeinsam mit Freunden die Idee geboren haben, eine neuartige App zu entwickeln oder ein Getränk auf den Markt zu bringen, Sie haben tatsächlich bereits dann ein Unternehmen gegründet, sobald Sie sich mit zumindest einer weiteren Person durch Vertrag zusammenschließen, um „mit einer bestimmten Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen“. Gerade für Nicht-Juristen ist dabei wohl verwunderlich, dass der Terminus „Vertrag“ keineswegs das Erfordernis eines Schriftstückes bedeutet. Ein solcher Vertrag kann nämlich auch völlig formfrei, also auch mündlich und theoretisch einfach durch ein entsprechendes Verhalten geschlossen werden. Anders gesagt, sind weder eine Unterschrift noch eine schriftliche Ausfertigung dieses Vertrages nötig. Vielmehr wurde oder wird bereits zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Willenserklärungen, gemeinsam unternehmerisch tätig zu werden, ein Unternehmen gegründet.

Sofern keine andere Rechtsform gewählt wurde, gibt es für ein solches formfrei gegründetes Unternehmen sogar ein eigenes – wenn auch nicht rechtsfähiges (d.h. nicht fähig selbst Träger von Rechten und Pflichten zu sein) – Rechtskonstrukt: die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR). Schon die Gründung dieser GesbR zieht beträchtliche Rechtsfolgen nach sich, die in Österreich seit 2015 speziell im GesbR-Reformgesetz klarer als davor geregelt sind.

Gute Freunde – strenge Rechnung

Bereits in dieser allerersten Unternehmensphase empfiehlt es sich jedoch, den Umfang und die Rahmenbedingungen der Tätigkeit möglichst genau festzulegen und dies auch schriftlich festzuhalten. Auch wenn es in dieser Phase normal ist, dass alles auf einmal erledigt werden muss, Rollen noch nicht klar verteilt sind und das Umsetzen der unternehmerischen Idee im Vordergrund steht, sollte man sich Zeit nehmen, um klare Vereinbarungen für das gemeinsame unternehmerische Handeln zu treffen. Denn für alles, das nicht vereinbart wird, gelten sonst gesetzliche Regelungen, ob es Ihnen gefällt oder nicht bzw. ob Sie diese kennen oder nicht.

Natürlich erscheinen zu diesem Zeitpunkt wirtschaftliche Überlegungen für das Produkt, Markteintritt und Finanzierung am wichtigsten und man denkt typischerweise an alles andere als zukünftigen Streit unter den Gesellschaftern, dennoch sollten Sie versuchen potenzielle Konflikte zu antizipieren. Auch wenn anfänglich unter Gründern meist euphorische Stimmung herrscht und dieser „Entrepreneurial Spirit“ nicht getrübt werden soll, ist es besonders wichtig, von Vornherein Klarheit zu schaffen was Beteiligung und Gewinnausschüttung, Vermögenseinbringung, Vertretung nach außen, Haftung oder auch Aufnahme und Ausscheiden von Gesellschaftern betrifft.

It’s all about the money

Um als Unternehmen tätig zu werden, benötigen Sie Startkapital. Wenn Sie selbst Kapital einbringen, ob als Bareinlage oder als Sacheinlage (z.B. ein Fahrzeug), wird dieses zum Gesellschaftsvermögen. Durch die fehlende Rechtsfähigkeit einer GesbR gehört das Gesellschaftsvermögen jedoch nicht der Gesellschaft, sondern den Gesellschaftern. Als Gesellschafter sind Sie also ein sogenannter Miteigentümer von körperlichen Sachen, die in die Gesellschaft eingebracht wurden. Dies bedeutet auch, dass Sie, sobald Sie etwas einbringen, über die Sache als Ganzes nicht mehr alleine verfügen können. Sachenrechtlich gesehen könnten Sie zwar über Ihren sogenannten ideellen Miteigentumsanteil allein verfügen, schuldrechtlich betrachtet dürfen Sie dies allerdings im Innenverhältnis gegenüber Ihren Mitgesellschaftern nicht. Ein Beispiel: Wenn Sie zu 50% am Unternehmen beteiligt sind, können Sie theoretisch Ihren 50% Anteil an einer eingebrachten Immobilie verpfänden. War diese Verpfändung allerdings nicht von den Mitgesellschaftern genehmigt, machen Sie sich damit gegenüber den anderen Gesellschaftern haftbar. Für Verfügungen braucht es also die Zustimmung aller Gesellschafter – es sei denn, dies wurde anders geregelt.

Für unkörperliche Sachen (z.B. Geldforderungen) gilt Gesamthandeigentum. Dieses unterscheidet sich vom Miteigentum insofern, als dass es keine ideellen Anteile gibt. Verfügungen können auch hier nur alle Gesellschafter gemeinsam treffen.

Es gibt aber auch die Möglichkeit Vermögen derart in die Gesellschaft einzubringen, das man als Gesellschafter weiterhin alleiniger Eigentümer bleibt und die Gesellschaft diese eingebrachten Sachen lediglich nutzen darf. Eine weitere Option wäre eine Regelung, wonach man Eigentümer der eingebrachten Sache bleibt, diese jedoch im Innenverhältnis der Gesellschaft wirtschaftlich wie Eigentum der Gesellschafter zu behandeln ist.

Gründer aufgepasst: Seien Sie also bei Einbringungen von Sachen in das Unternehmen vorsichtig und stellen Sie klar, ob Sie lediglich den Gebrauch oder die ganze Sache in das Gesellschaftsvermögen einbringen möchten. Denn wird keine Regelung getroffen, wird gemäß
§ 1180 Abs. 1 ABGB vermutet, dass die Sache ins Miteigentum der Gesellschafter übergegangen ist bzw. Forderungen den Gesellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet werden. Wenn Sie ihr Eigentum an einer eingebrachten Sache nicht verlieren möchten, ist dies entsprechend zu vereinbaren.

Das der GesbR gewidmete Gesellschaftsvermögen wird auch als Sondervermögen bezeichnet und ist vom Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter zu trennen. Wie über dieses verfügt werden darf, sollte tunlichst klar vereinbart werden, denn durch unbefugte Entnahmen (z.B. Geldentnahmen) können Sie im schlimmsten Fall sogar strafrechtlich belangt werden (z.B. wegen Veruntreuung). Sofern nicht anders vereinbart, sind Verfügungen im Einklang mit allen anderen Gesellschaftern zu treffen.

Wer darf die GesbR nach außen vertreten?

Zuallererst ist hier zu erwähnen, dass es grundsätzlich möglich ist, dass Sie als Gesellschafter durch das Handeln anderer Gesellschafter verpflichtet werden, das Unternehmen rechtswirksam nach außen zu vertreten – auch wenn dies gegen Regeln im Innenverhältnis gegenüber den Mitgesellschaftern verstößt. Ein solcher Verstoß kann zwar Schadenersatzpflichten auslösen, ist aber im Innenverhältnis gegenüber dem pflichtwidrig handelnden Gesellschafter geltend zu machen. Geschäfte mit außenstehenden und gutgläubigen Dritten sind dennoch gültig. So können Sie dieses Geschäft zwar nicht mehr rückgängig machen, allerdings durchaus den pflichtwidrig handelnden Gesellschafter belangen.

Grundsätzlich geht das Gesetz davon aus, dass sich bei der GesbR die Geschäftsführungsbefugnis mit der Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis deckt. Im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gilt seit der jüngsten GesbR-Reform Alleinvertretungsbefugnis mit Widerspruchsrecht jedes anderen Gesellschafters. Dritte dürfen auf die Einzelvertretungsbefugnis jedes Gesellschafters vertrauen – es sei denn, der Mangel der Vertretungsbefugnis war ihnen bekannt oder hätte ihnen auffallen müssen. Daraus ergibt sich nun für jeden Gesellschafter die Gefahr, aus Alleingängen eines anderen Gesellschafters verpflichtet zu werden. Umgekehrt könnten auch Sie als Gesellschafter jederzeit Geschäfte abschließen, die andere Gesellschafter mitverpflichten.

In Summe bedeutet dies: Sollten Sie Ihre Befugnis überschreiten, können Sie im Nachhinein gegenüber einem Dritten nicht geltend machen, dass Sie ja zum Abschluss des Geschäfts gar nicht befugt gewesen wären. Gleichzeitig können gegen Sie Schadenersatzforderungen Ihrer Mitgesellschafter entstehen.

Vorsicht Pflichten!

Mit der bewussten oder auch unbewussten Gründung einer GesbR übernehmen Sie gegenüber Mitgesellschaftern eine Mitwirkungs-, Interessenwahrungs- und Gleichbehandlungspflicht. Erstere heißt für alle Gründer sich bewusst zu sein, dass Untätigkeit im Unternehmen Folgen haben kann. Zweitere wiederum meint, dass mit dem Handeln die Interessen der Gesellschaft zu wahren sind und Gesellschafter einem Wettbewerbsverbot unterliegen. Sind Gesellschafter zum Beispiel bereits im gleichen Geschäftsbereich wie die GesbR tätig, ist sicherzustellen, dass dies allen Gesellschaftern von Beginn an bekannt ist, und zu vereinbaren, dass Sie Ihre sonstigen Tätigkeiten weiter ausüben.

Ansonsten wäre eine Situation denkbar, die zu Rechtsverletzungen führen kann. Geht ein Gesellschafter einer GesbR einer hauptberuflichen Tätigkeit nach und beschließt nach Gründung, eine gemeinsame Geschäftsidee lieber im Rahmen dieser unselbständigen Tätigkeit für seinen Arbeitgeber umzusetzen, entsteht hier ein Schaden für die GesbR und die Interessen der anderen Gesellschafter sind verletzt. Ein derartiges Verhalten könnte den Ausschluss aus der GesbR mittels Klage und Schadenersatzforderungen der anderen Gesellschafter zur Folge haben – all dies wohlgemerkt auch dann, wenn einem nicht bewusst war, dass man bereits eine GesbR gegründet hat und dadurch Pflichten entstanden sind.

Als Gesellschafter einer GesbR kann man unter Umständen auch dazu verpflichtet werden, einen Nachschuss in das Gesellschaftsvermögen zu leisten, selbst wenn diese Nachschusspflicht nicht vereinbart war. Denn für den Fall, dass die Gesellschaft sonst nicht mehr fortführbar wäre, genügt ein Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter zur Leistung eines Nachschusses. Hier überstimmte Gesellschafter können dann entweder freiwillig austreten oder mittels Klage der übrigen Gesellschafter ausgeschlossen werden.

Kündigung mit Folgen

Ein zweifelsohne unangenehmes Thema, über das sich allerdings besser früher als später Gedanken zu machen ist, betrifft Kündigungsrechte bzw. den Ausschluss von Gesellschaftern. Gerade im Lichte der neuen GesbR-Reform erhält dieses Thema besondere Brisanz. Nach neuer Rechtslage können Gesellschaftsverhältnisse lediglich zum Ende eines Geschäftsjahres unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist gekündigt werden. Erleichternde Regelungen sind zwar zulässig, müssen aber natürlich vorab vereinbart werden.

Dabei hat bereits die Kündigung nur eines Gesellschafters grundsätzlich die Auflösung der Gesellschaft zur Folge. Allerdings können die verbliebenen Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Dies verhindert, dass der kündigende Gesellschafter die Herausgabe des auf ihn entfallenden Teils des Realvermögens in natura erzwingen kann. Aus anderer Sicht betrachtet: Bei Kündigung ist nicht damit zu rechnen, dass man eingebrachte Sachen in natura wieder zurückbekommt. Nur unter Umständen wird der Wert in Geld erstattet. Diese Bewertung ist oft Gegenstand einer Streitfrage und wird vor Gericht im worst case von einem Sachverständigen vorgenommen, der sich in seinem Gutachten an unteren Mittelwerten orientiert.

Wie werden Sie unangenehme Gesellschafter wieder los?

Gerade bei Gesellschaftern, die lediglich aufgrund eines finanziellen Engagements in die Gesellschaft aufgenommen wurden, könnte sich diese Frage stellen. Denn möglicherweise tragen diese in weiterer Folge wenig zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft bei, blockieren mit Widersprüchen wichtige Geschäftsführungsmaßnahmen und verfolgen komplett andere Interessen als die übrigen Gesellschafter. Die Gesellschaft finanziert sich mittlerweile aber selbst, ist nicht mehr auf Finanzspritzen des unleidlichen Gesellschafters angewiesen und würde ein weit besseres Ergebnis erwirtschaften, wenn die Strategie der übrigen Gesellschafter verfolgt werden würde.

Solch lästige Gesellschafter können jedoch lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes mit einer gerichtlichen Klage ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund ist es ungemein wichtig, sich genau zu überlegen, mit wem man gemeinsam ein Unternehmen gründet. Denn die zwingende Prozessführung ist besonders für die übrigen Gesellschafter riskant und beschwerlich, wenn der auszuschließende Gesellschafter aufgrund seiner finanziellen Ressourcen im Prozess längeren Atem hat. Auch ist dabei zu beachten, dass ein Ausschluss auf diesem Weg auch nur mittels gemeinsamer Klage aller übrigen Gesellschafter möglich ist.

Wenn Sie die eben skizzierte unangenehme Situation vermeiden möchten, vereinbaren Sie, wann ein Ausschluss eines Gesellschafters möglich sein soll. Im Speziellen empfiehlt es sich, den Prozesszwang vertraglich abzubedingen.

Kurz zusammengefasst

Sie befinden sich durchaus schon in einer gesetzlich klar geregelten Unternehmensform, auch wenn Sie sich dessen noch gar nicht richtig bewusst sind. Bereits ab dem Zeitpunkt, in dem Sie mit Ihren Partnern beschließen gemeinsam „mit einer bestimmten Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen“ sind Sie Gesellschafter einer GesbR.

Um bösen Überraschungen vorzubeugen, sollten Sie schon zu Beginn grundsätzliche Regelungen hinsichtlich

  • (Gewinn-) Beteiligung bzw. Ausschüttung
  • Vermögenseinbringung
  • Geschäftsführung und Vertretung nach außen
  • Arbeitsleistung
  • Nebengeschäfte
  • Haftung
  • Aufnahme/Ausscheiden von Gesellschaftern

vereinbaren. Am besten schriftlich in Form eines grundsätzlichen Gesellschaftsvertrages, selbst wenn Sie sich vielleicht noch keine fundierte juristische Beratung leisten können.

Schließlich geht es bei allen diesen Themen darum, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Für vieles, das nicht vereinbart ist, greifen ansonsten gesetzliche Regelungen, die Ihnen später unter Umständen zur Last fallen. Für Gründer gilt: „Vorbeugen ist weit besser als heulen und heilen.“

Autor: Christoph Schmid ist Associate bei CMS Wien, [email protected]

Rückfragen:
Gregor Famira, Partner und Ansprechpartner für Startups bei CMS in Wien, [email protected]

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Das Gründerteam Christian Hill und Gerhard Prossliner © BRAVE Analytics, Leljak

Das Grazer Spin-off BRAVE Analytics wurde von Christian Hill und Gerhard Prossliner im Jahr 2020 gegründet. Den Gedanken an ein gemeinsames Unternehmen gab es schon einige Zeit davor an der MedUni Graz. Nach erfolgreicher Dissertation und dem FFG Spin-off Fellowship kam es zur Ausgründung, zu ersten Kund:innen und einem Standortwechsel. Und schließlich zur erfolgreichen Einbindung in den Life Science Cluster Human.technology Styria unterstützt von der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG.

Mittlerweile zählt BRAVE Analytics ein 14-köpfiges Team und sitzt im ZWT Accelerator in Graz, einem Kooperationsprojekt zwischen SFG und Medizinischen Universität Graz.

Das Team von BRAVE Analytics (c) © BRAVE Analytics, Leljak

Mut in der Geschäftsphilosophie

BRAVE Analytics steht für Mut in der Geschäftsphilosophie der beiden Gründer und des gesamten Teams: Christian Hill und Gerhard Prossliner fühlen sich “zu Entdeckungen hingezogen und lieben es, die Dinge aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Und genau diesen Spirit leben wir auch im Team.”

Wahrlich hat das Gründerduo mit seinem Spin-off das Forschungsgebiet Life Science in ein neues Licht gerückt: Denn BRAVE Analytics beschäftigt sich mit der automatisierten Qualitätssicherung für Pharma-, BioTech-Produkte, Wasser, Mineralien und Chemikalien. “Und das auf Partikel-Ebene. Das Ganze nennt sich Partikel-Charakterisierung und -Analytik”, erklärt Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten.

Neu ist die Technologie insofern, als dass die Partikel-Analyse direkt im Herstellungsprozess von Pharmaprodukten passiert. Also integriert, das heißt weder vor- noch nachgelagert, und damit effizient und kostensparend. “Damit machen wir eine sogenannte Prozessanalytik im Nano-Bereich”, erklärt Co-Founder Hill.

Die Lösung für ein Bottleneck

Damit haben die beiden Gründer zusammen mit ihrem Team eine Lösung für ein bis dato bestehendes “Bottleneck in der Industrie” geschaffen. Mit den modularen Messgeräten von BRAVE Analytics kann die Qualität von Produkten im Pharma- und BioTech-Sektor nämlich in Echtzeit gemessen werden. Das Kernstück der Lösung bildet die vom Spin-off eigens entwickelte, mehrfach patentierte OF2i Technologie.

Doch bekannterweise benötigen Life-Science-Lösungen wie diese einen breiten Umfang an Forschungsinfrastruktur, der sich gerade für frisch gegründete Spin-offs schwer stemmen lässt. Und: Es braucht die richtigen Verträge, das richtige Kapital und das richtige Team. Auf der Suche danach gab es für BRAVE Analytics einige Schlüsselmomente, wie Co-Founder Hill im Gespräch mit brutkasten erzählt.

Der Standort für Life Science Startups

Die ersten Hardware-Aufbauten und Experimente fanden an der Medizinischen Universität Graz statt, die von den Anfängen mit Infrastruktur und Forschungspersonal unterstützte, die Universität Graz deckte die Bereiche Theorie und physikalisches Modelling und in Kooperation mit dem FELMI/ZFE der Technischen Universität Graz wird seit 2022 ein Zusatzmodul entwickelt.

Beim Schutz des geistigen Eigentums standen die Medizinische Universität Graz, die Steirische Wirtschaftsförderung SFG und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG als helfende Hände zur Seite. Konkret mit Unterstützung für die Erarbeitung von Exklusiv-Lizenzen, Agreements und generell mit dem Know-how, wie man eine Firma aufbaut. Hier waren uns auch das Unicorn der Universität Graz, die Gründungsgarage und der Science Park Graz eine große Hilfe”, so Prossliner.

“Wir sind klassische Science-Preneure”

Die fachspezifische Unterstützung kam im richtigen Moment: “Wir sind die klassischen Science-Preneure. Unser Background ist das Universitäts- und Ingenieurswesen. Für uns war es wichtig zu lernen, wie man in das Unternehmertum reinkommt und den Produkt-Market-Fit findet. Man muss diese Produktverliebtheit, die man als Erfinder meistens hat, loswerden. Und das passiert ganz viel durch Learning by Doing.”

Besonders hilfreich habe sich vor allem das Bootcamp des FFG-Spin-off-Fellowship und das LBG Innovator’s Road Programme erwiesen, welche “eine schrittweise Einführung für den Weg von der Wissenschaft in Richtung Unternehmung” geboten haben, so Hill. Förderungen erhielt das Spin-off außerdem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, der Austria Wirtschaftsservice aws, der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG und auf EU-Ebene.

Die Szene, die “Gold wert” ist

Nicht nur “by doing”, sondern vor allem auch “von anderen, die die gleichen Themen, Probleme und Potenziale haben”, hat das Startup im Aufbau sehr viel an Know-how und Erfahrung gewonnen. “Das Peer-Learning ist für uns einer der wichtigsten Wissensfonds”, so Co-Founder Prossliner im Interview.

Ein dafür zugeschnittenes Netzwerk gibt es in der Grazer Life Science Szene: “Auch abseits institutioneller Veranstaltungen befinden wir uns hier in einem sehr lebendigen Startup-Umfeld. Vieles passiert auf Eigeninitiative von Gründer:innen. Das Startup-Leben hier ist wirklich Gold wert.”

Global Player nur “fünf Rad-Minuten entfernt”

“Wir sind Hardware-Hersteller, wir brauchen Hochpräzisionsfertiger für unsere Prozesstechnologie. Die Steiermark und insbesondere Graz haben sich zu einem Stakeholder-Nest der besonderen Vielfalt entwickelt. Kooperationspartner aus Industrie, Wirtschaft und Forschung sitzen hier in unmittelbarer Nähe. Wir finden Experten, Lieferanten und Fertiger mit extremer Präzision und einer super Verlässlichkeit”, erzählt Prossliner und meint weiter: “Wir arbeiten hier in einem sehr engen Umfeld mit einer sehr schnellen Dynamik. Das ist unglaublich wertvoll.”

Ein ganzes Stakeholder-Feld mit internationaler Spitzenstellung findet sich also im Grazer Becken. Oder, wie es Gründer Prossliner erneut unterstreicht: “Da sind Global Player dabei, die wir in wenigen Rad-Minuten erreichen. Man muss also nicht gleich nach Asien oder in die USA, das Netzwerk gibt es hier auch.” Nicht umsonst spricht man seit geraumer Zeit von der “Medical Science City Graz” – mit Playern wie der Medizinischen Universität und dem Zentrum für Wissens- und Technologietransfer ZWT im Netzwerk.

Gerhard Prossliner (links) und Christian Hill (rechts) mit der Geschäftsführung des ZWT – Anke Dettelbacher (Mitte rechts) und Thomas Mrak (Mitte links) ©ZWT/Lunghammer.

Besenrein eingemietet

Grund genug auch für BRAVE Analytics, sich hier als aufstrebendes Life-Science-Startup niederzulassen. Nach seinen Anfängen in den Räumlichkeiten der MedUni Graz hat sich BRAVE Analytics nämlich im ZWT Accelerator einquartiert: “Wir waren unter den Ersten, die hier eingezogen sind. Als alles noch ziemlich besenrein war.”

Mittlerweile wird auch mit anderen dort sitzenden Startups stockwerkübergreifend genetzwerkt. Sei es im Stiegenhaus, bei Weihnachtsfeiern oder informellen ZWT-Treffen. Manchmal wird auch gemeinsam gefrühstückt und in den Abendstunden philosophiert. Daneben gibt es regelmäßige Get-Together-Formate wie das ZWT-Frühstück. Im Zuge der Startupmark finden auch themenspezifische Kooperationsformate wie der Life Science Pitch Day, ein exklusives Pitchingevent für Startups und Investor:innen aus dem Life Science-Bereich, statt.

Fußläufig flexibel

Thomas Mrak, Geschäftsführer des ZWT, erzählt dazu: “Vernetzung steht bei uns an erster Stelle. Und zwar nicht nur unter Foundern, sondern auch zwischen bereits etablierten Firmen, Unis, Instituten, Professor:innen und Ärzt:innen, die alle flexibel und fast fußläufig zu erreichen sind. Ich würde sagen, das ist die Essenz der Medical Science City Graz und bildet das optimale Umfeld, um als Spin-off Fuß zu fassen.”

Unterstützung gibt es im Grazer ZWT auch mit einer optimalen Infrastruktur und “startup freundlichen” Mietverträgen und Mietkonditionen: “Wir bieten Startups, die bei uns einziehen, ein einzigartiges Preis-Leistungsverhältnis, eine perfekte Ausstattung und sehr flexible Bedingungen. Vor allem hohe Investitionskosten und lange Bindungszeiten sind für Startups schon aufgrund ihrer dynamischen und teils volatilen Entwicklungen sehr kritisch, dabei helfen wir. Je nach Möglichkeit stellen wir nicht nur Büros und Laborinfrastruktur, sondern auch Seminar- und Besprechungsräume zur Verfügung.”

“Wir verstehen uns hier einfach sehr gut”

Unverkennbar gestaltet sich der Life Science Bereich in Graz als multidimensionaler Hub für Startups und Spin-offs – und das nicht nur auf akademischer Ebene: “Wir verstehen uns hier alle untereinander sehr gut. Es gibt kurze Wege, kurze Kommunikationswege und wir arbeiten zusammen auf Augenhöhe. Es klappt einfach zwischenmenschlich”, so Mrak.

BRAVE Analytics-Co-Founder Prossliner empfiehlt dahingehend: “Nutzt das tolle österreichische Förderungssystem. Wir haben hier vonseiten der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, des Austria Wirtschaftsservice aws und der Steirischen Wirtschaftsförderung SFG tolle Unterstützung erhalten. Vom ZWT, der MedUni Graz, der Uni Graz und der TU Graz ganz zu schweigen.”

Und: “Bindet schon frühzeitig Kund:innen ein. Nur so ermittelt man die real-life Kundenbedürfnisse potentieller Märkte, und man kann vielleicht auch erste Umsätze generieren, die man wiederum mit Förderungen hebeln kann. Man muss sich schließlich auch finanziell stabilisieren, um für Investor:innen attraktiv zu sein.”

Der Asia Pull für Life Science

Aktuell erarbeitet BRAVE Analytics eine Investitionsrunde. Mittlerweile hält das Spin-off unterschiedliche Produkte und Kunden am Markt. Auch Industriepartner sind vorhanden. Aktuell befinde man sich in der Prescaling-Phase – mit einem starken “Asia Pull”. Interesse kommt nämlich zunehmend von Abnehmern aus Asien, wie Christian Hill erzählt:

“Unsere Technologie eignet sich nicht nur für die Pharmaindustrie, sondern auch für Wasser, Kläranlagen und Mikroplastik – und sogar für die Halbleiterindustrie. Wir bewegen uns hier in einem multidimensionalen Anwendungsfeld, gerade für das Umwelt- und Wassermonitoring. Das zieht viele Kunden aus Übersee an. Jetzt heißt es: die richtigen Schritte setzen und klug skalieren.”

Damit Christian Hill und Gerhard Prossliner ihre Ziele auch weiter verfolgen können, braucht es Menschen, die in den Life Science Sektor investieren: “Life Science ist ein Technologie- und Wissenschaftsfeld, das uns in Zukunft noch viel intensiver begleiten wird. Und auf das wir angewiesen sind”, so Thomas Mrak. Der ZWT-Geschäftsführer appelliert indes: “Es arbeiten so viele tolle Menschen mit persönlicher Motivation in diesem Feld. Diese haben das Potenzial, die Zukunft maßgeblich zu verändern. Doch dafür braucht es finanzielle Unterstützung, fundierte Netzwerke und noch mehr Aufmerksamkeit.”

Mehr Informationen zum steirischen Startup-Ökosystem und der Startupmark sind hier zu finden.

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