Ein Online-Portal zur Organisation einer Bestattung von zuhause aus – das war die Idee, mit der Stefan Atz und Alexander Burtscher 2017 antraten. Mit ihrem Startup Benu wollten sie die Bestattungsbranche als “Bestatter ohne Urnen und Särge” erobern. Nach einem Auftritt bei 2 Minuten 2 Millionen (Ausstrahlung im Frühjahr 2019) ging es richtig los. Zwar platzte damals der Deal, doch das Wiener Unternehmen holte sich andere Investoren an Bord. In der Zwischenzeit entwickelte sich das Geschäft gut – das Startup ist aber von seinem rein digitalen Ansatz abgekommen.
Team auf 30 Leute angewachsen – eigenes Bestattungspersonal in Wien und NÖ
Schon im Sommer 2019 organisierte Benu rund 30 Bestattungen im Monat, wie der brutkasten damals berichtete. “Inzwischen hat sich die Anzahl mit über 100 Bestattungen pro Monat sogar mehr als verdreifacht”, sagt Mitgründer Atz nun. Dieser Erfolg zeige, dass mit Kostentransparenz, Digitalisierung und einfühlsamer Betreuung genau der Zahn der Zeit getroffen werde und eine längst überfällige Entwicklung in der Branche stattfinde, meint der Gründer.
Das Team ist in der Zeit von acht auf 30 Leute angewachsen. Das ist vor allem auch dem Aufbau eines eigenen Bestattungsteams für Wien und Niederösterreich geschuldet. “Hier werden mittlerweile alle Bestattungen durch das eigene Personal abgewickelt, was auch noch stärkeren Fokus auf die Weiterentwicklung der Dienstleistung ermöglicht”, erklärt Atz. In den restlichen Teilen Österreichs werden die Bestattungen nach wie vor von ausgewählten Bestattungspartnern abgewickelt.
Benu Concept Store ohne Besichtigen von Särgen oder Urnen
Noch während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 war Benu mit Begräbnis-Livestreams mit einer weiteren digitalen Dienstleistung aufgefallen. Im Herbst vergangenen Jahres wagte das Startup aber auch in Sachen Kundenakquise und -beratung den Schritt in die physische Welt. Der Benu Concept Store in der Burggasse in Wien Neubau soll dezidiert nicht an ein klassisches Bestattungshaus erinnern.
(c) west68: Benu Concept Store
“Das Besichtigen von Särgen oder Urnen und das Durchblättern von dicken Trauerdruck-Katalogen entspricht längst nicht mehr den aktuellen Bedürfnissen von Bestattungskundinnen und -kunden. Stattdessen stehen bei uns Transparenz in Bezug auf Leistungen und Kosten sowie die persönliche Beratungssituation in angenehmer Atmosphäre im Vordergrund”, sagt Atz. Das Konzept komme bei den Kunden ausgesprochen gut an. Deshalb wolle man noch in diesem Jahr mindestens drei weitere Standorte eröffnen.
Vorsorge als weiteres Standbein – ein “Playbook für den Tag X”
Ein weiteres Standbein des Startups ist Bestattungsvorsorge, wo man inzwischen zusätzlich zu den akuten Bestattungen monatlich “deutlich über 100 Anfragen” verzeichne. Die Produkte aus diesem Segment sollen es Kunden ermöglichen, sowohl finanziell als auch inhaltlich für die eigene Bestattung vorzusorgen und so die Angehörigen zu entlasten.
Das Thema Vorsorge greift auch ein weiteres Produkt auf, die “Benu BoX” – “für den Tag X”. Diese soll Kunden Themen wie das Testament, die Bestattungsvorsorge oder die Vorsorgevollmacht “verständlich und spielerisch näherbringen”. Der in der Box enthaltene Leitfaden gebe Antworten auf die häufigsten Fragen und biete eine Möglichkeit, sich selbstständig zu informieren, erklärt Atz. “Das Playbook bietet unterschiedliche Leitfäden und Inspirationen, um sein eigenes Vermächtnis zu schaffen und schöne Erinnerungen an die Familie und Freunde weiterzugeben. Die Box selbst bietet einen physischen Ort, an dem alle Unterlagen, Dokumente und persönlichen Gegenstände rund um die Vorsorgeplanung aufbewahrt werden können”, so der Gründer.
KI in Europa: “Müssen aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”
Was braucht es, damit Österreich und Europa bei künstlicher Intelligenz nicht zurückfallen? Diese Frage diskutierten Hermann Erlach (Microsoft), Marco Porak (IBM), Peter Ahnert (Nagarro) und Jeannette Gorzala in der vorerst letzten Folge der brutkasten-Serie "No Hype KI".
KI in Europa: “Müssen aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”
Was braucht es, damit Österreich und Europa bei künstlicher Intelligenz nicht zurückfallen? Diese Frage diskutierten Hermann Erlach (Microsoft), Marco Porak (IBM), Peter Ahnert (Nagarro) und Jeannette Gorzala in der vorerst letzten Folge der brutkasten-Serie "No Hype KI".
Wo stehen wir wirklich, was die Adaption von künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft angeht? Diese Frage zu beantworten war eines der Ziele der Serie “No Hype KI“, die brutkasten anlässlich des zweijährigen Bestehens von ChatGPT gestartet hat. Die ersten fünf Folgen beleuchten unterschiedliche Aspekte des Themas und lieferten eine Bestandsaufnahme.
Im Staffelfinale, der sechsten Folge, war der Blick dann in Richtung Zukunft gerichtet. Dazu fanden sich die Österreich-Chefs von Microsoft und IBM, Hermann Erlach und Marco Porak, sowie Nagarros Big Data & AI Practice Lead für Central Europe, Peter Ahnert, und KI-Expertin Jeannette Gorzala, die auch Mitglied des KI-Beirats der österreichischen Bundesregierung ist, im brutkasten-Studio ein.
“Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache”
Eine der Erkenntnisse der Serie: Unternehmen und Institutionen verabschieden sich von überschwänglichen Erwartungen und sehen sich stattdessen an, wie KI tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird. „Der Hype ist weg und das ist eine gute Sache, weil jetzt kann man auf den Use Case gehen“, sagt Hermann Erlach, General Manager von Microsoft Österreich, im Videotalk. Er vergleicht den aktuellen Reifegrad von KI mit dem Beginn einer langen Reise: „Wenn ich so eine Reise angehe, dann brauche ich ein Ziel, einen Plan und Mitreisende. Alleine macht das wenig Spaß.“
Auch Marco Porak, General Manager von IBM in Österreich, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er sieht das abgelaufene Jahr als eine Phase der Erkenntnis. Den Status Quo bei KI in Österreichs Unternehmen beschreibt er im Talk folgendermaßen: “Wir haben allerorts sehr viel ausprobiert, sind vielleicht da und dort auf die Nase gefallen”. Gleichzeitig habe es auch “schöne Erfolge” gegeben. Für Porak ist klar: “Die Frage der Stunde lautet: Wie machen wir jetzt von hier weiter?“
AI Act: “Jetzt müssen wir ins Tun kommen”
Ein großes Thema dabei ist der AI Act der EU. Jeannette Gorzala, Gründerin von Act.AI.Now, plädiert für eine pragmatische Haltung gegenüber der EU-Verordnung: “Der AI-Act ist ein Faktum, er ist da. Jetzt müssen wir ins Tun kommen.” Sie sieht in dem Regelwerk einen Wegweiser: “Wir müssen die entsprechenden Kompetenzen aufbauen und die Möglichkeiten nutzen, die diese Regulierung bietet. Das ist der Reiseplan, den wir brauchen.”
Auch Marco Porak sieht den AI Act positiv: „Er hat nicht die Algorithmen reguliert, sondern gesagt, was wir in Europa gar nicht wollen, etwa Sozialpunktesysteme oder Gesichtserkennung in Echtzeit.“ So entstehe für Unternehmen im globalen Wettbewerb ein Vorteil, wenn sie ihre KI-Anwendung nach europäischen Maßstäben zertifizieren lassen: „Das ist wie ein Gütesiegel.“
“Müssen positiv aggressiv reingehen, um unseren Wohlstand zu halten”
Hermann Erlach von Microsoft bezeichnet den Ansatz des AI Act ebenfalls als “gut”, betont aber gleichzeitig, dass es jetzt auf die Umsetzung von KI-Projekten ankomme: “Wir haben eine Situation, in der jedes Land an einem neuen Startpunkt steht und wir positiv aggressiv reingehen müssen, um unseren Wohlstand zu halten.”
Peter Ahnert sieht dabei auch ein Problem in der öffentlichen Wahrnehmung: KI werde tendenziell nicht nur zu klein gedacht, sondern meist auch in Zusammenhang mit Risiken wahrgenommen: “Es werden die Chancen nicht gesehen.” Woran liegt es? “Zu einem erheblichen Teil daran, dass noch zu wenig Bildung und Aufklärung an dem Thema da ist. In Schulen, in Universitäten, aber auch in Unternehmen und in der öffentlichen Hand.” Hier müsse man ansetzen, sagt der Nagarro-Experte.
Jeannette Gorzala sieht das ähnlich: “Bildung und Kompetenz ist das große Thema unserer Zeit und der zentrale Schlüssel.” Verstehe man etwas nicht, verursache dies Ängste. Bezogen auf KI heißt das: Fehlt das Verständnis für das Thema, setzt man KI nicht ein. Die Opportunitätskosten, KI nicht zu nutzen, seien aber “viel größer” als das Investment, das man in Bildung und Governance tätigen müssen. “Natürlich ist es ein Effort, aber es ist wie ein Raketenstart”, sagt Gorzala.
IBM-Programm: “Die Angst war weg”
Wie das in der Praxis funktionieren kann, schilderte IBM-Chef Porak mit einem Beispiel aus dem eigenen Unternehmen. IBM lud weltweit alle Mitarbeitenden zu einer KI-Challenge, bei der Mitarbeiter:innen eigene KI-Use-Cases entwickelten, ein – mit spürbaren Folgen: “Die Angst war weg.” Seine Beobachtung: Auch in HR-Teams stieg die Zufriedenheit, wenn sie KI als Assistenz im Arbeitsablauf nutzen. “Sie können sich auf die komplexen Fälle konzentrieren. KI übernimmt die Routine.”
Microsoft-Chef Erlach warnt auch davor, das Thema zu stark unter Bezug auf rein technische Skills zu betrachten: “Die sind notwendig und wichtig, aber es geht auch ganz viel um Unternehmens- und Innovationskultur. Wie stehen Führungskräfte dem Thema AI gegenüber? Wie steht der Betriebsrat dem Thema AI gegenüber?”, führt er aus.
Venture Capital: “Müssen in Europa ganz massiv was tun”
Soweit also die Unternehmensebene. Einen große Problemstelle gibt es aber noch auf einem anderen Level: Der Finanzierung von Innovationen mit Risikokapital. “An der Stelle müssen wir in Europa ganz massiv was tun”, merkte Ahnert an. Er verwies auf Beispiele wie DeepMind, Mistral oder Hugging Face, hinter denen jeweils europäische Gründer stehen, die aber in den USA gegründet, ihre Unternehmen in die USA verkauft oder zumindest vorwiegend aus den USA finanziert werden.
Der Nagarro-Experte verwies dazu auf eine Studie des Applied AI Institute, für die Startups aus dem Bereich generative KI zu den größten Hürden, mit denen sie es zu tun haben, befragt wurden. “51 Prozent haben Funding genannt. Weit abgeschlagen an zweiter Stelle mit 24 Prozent erst kam die Regulierung und unter 20 Prozent waren Themen wie Fachkräftemangel oder Zugang zu Compute Power.” Ahnerts Appell: “Bei dem Thema Finanzierung müssen wir was tun, damit wir in der nächsten Welle an der Spitze sind.”
Erlach: Adaption entscheidend
Letztlich sei aber vielleicht gar nicht so entscheidend, wo eine Technologie produziert werde, argumentierte Hermann Erlach von Microsoft. Denn es komme auf die Adaption an: “Vielleicht ist die Diskussion Europa vs. Amerika in Teilbereichen die falsche.” Die wichtigere Frage sei also: “Wie adaptiere ich diese Technologie möglichst schnell, um meinen Wohlstand zu erhöhen?”
Marco Porak ergänzt: “Ganz, ganz wesentlich ist Mut. Ganz, ganz wesentlich ist unsere kulturelle Einstellung zu dem Thema.” Man müsse die Chancen sehen und weniger das Risiko. In der Regulatorik könne man dies begleiten, indem man Anreize schafft. “Und ich glaube, wenn wir das als Österreich mit einem großen Selbstbewusstsein und auch als Europa mit einem großen Selbstbewusstsein machen, dann haben wir in fünf Jahren eine Diskussion, die uns durchaus stolz machen wird.”
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