17.01.2020

Baltimore: Wie Amazon Schritt für Schritt eine ganze Stadt übernimmt

Shopping-Gigant Amazon ist für viele User die bequeme Online-Alternative, die mit einem Klick Konsum-Wünsche erfüllt und dann freihaus liefert. Doch in vielen US-Städten übt der Online-Händler einen bisher noch nicht dagewesenen Einfluss auf das tägliche Leben aus - wie noch kein Unternehmen vorher in der Geschichte der Ökonomie. Eine Betrachtung am Beispiel Baltimore.
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Amazon Business - Griff nach dem globalen Großhandel - Amazon-Quartalsbericht - Jeff Bezos
(c) Flickr/Steve Jurvetson - Amazon-Gründer Jeff Bezos ist als Teil von GAFA ins Visier der US-Politik geraten.

Es begann alles mit Baltimores “pleading pitch” um eine neue “Hauptquartier-Stadt” für Amazon zu werden. Die Gründe dafür liegen laut “usatoday” in den Versprechen von Amazon: Das Unternehmen stellte auf der Suche nach neuen und zusätzlichen Hauptquartieren fünf Milliarden US-Dollar Investment in die Region in Aussicht. Man plane 50.000 Vollzeitjobs zu schaffen – bei einem Durchschnittsgehalt von 100.000 US-Dollar pro Jahr. Zudem würden durch die Anwesenheit des Händlers rund 250.000 indirekte Jobs entstehen.

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Aus in Runde Eins

Baltimore schaffte es nicht, die erste Runde zu überstehen und schied, bei 238 Bewerbungen, als potentielle HQ-Stadt früh aus. Nichtsdestotrotz lässt sich die bevölkerungsreichste Stadt des US-Bundesstaats Maryland als jenes Beispiel hernehmen, wie Amazons Präsenz Städte formen kann.

Amazon Air Prime besser als FedEx und U.P.S.

Der leichteste Weg, die Veränderung zu sehen, gelingt – wie die New York Times herausstreicht – wenn man einen Blick auf den Baltimore-Washington International Airport wirft. Regelmäßig startet und landet der Amazon Prime Air, eines von insgesamt rund 30 Frachtflugzeugen des US-Riesen, die US-weit seit 2016 in Betrieb sind. Regional konnte Amazon damit kumuliert FedEx und U.P.S. beim “shipping” überflügeln.

Amazon-Streaming-Dienste für Football & Baseball

Im Südosten der Stadt findet man zwei riesige Amazon-Lagerhallen, in denen Arbeiter weniger als die Hälfte verdienen, als es ihre gewerkschaftlich organisierten Vorgänger taten. In der Nähe des Hafen wird in den beiden Stadien der lokalen Foot- und Baseball-Mannschaft jede Bewegung per Amazon Web Services (AWS) zu analytischen Zwecken gestreamed. Dabei wird eine künstliche Intelligenz verwendet. Jeder Football-Spieler hat jeweils einen Chip in den beiden Schulterpölstern, während die Baseball-Spieler per Radar getracked und dabei Bilder fürs TV und Daten für Trainer erzeugt werden.

Ring: Das Amazon-Überwachungsnetz

Im Nordwesten der Stadt gibt es ein Beispiel für die Nutzung von Amazon Ring. Die Pastoren Troy Randall und Terrye Moore haben in einer kirchlichen Koalition namens “Northwest Faith-Based Partnership” das Unternehmen Ring, das Amazon gehört, kontaktiert, nachdem die Stadt abgelehnt hatte, in der Gegend Sicherheitskameras aufzustellen – obwohl die Kriminalität immer stärker zunahm.

Die Kameras des Unternehmens können innerhalb oder außerhalb des Hauses aufgestellt und mit Schweinwerfern verbunden werden. Per Smartphone ist es dann möglich, Personen zu sehen, die sich vor dem Haus aufhalten und an der Tür klingeln. Durch die App “Neighbours” kann das Filmmaterial der Ring-Geräte und anderen Kameras hochgeladen werden, damit es jeder sehen kann.

Durch diverse von Steuerzahlern finanzierte Rabattprogramme konnte bisher landesweit ein großes Überwachungsnetz und Partnerschaften mit 600 Polizei-Stationen erreicht werden. In Baltimore ist die Nachfrage nach Ring größer als das Angebot.

Problematische Partnerschaft

Wenn die Polizei eine derartige Partnerschaft mit Ring eingeht, so der Deal, soll sie für die Produkte von Ring werben. Im Gegenzug erhalten die Justizwächter Zugriff auf das “Ring’s Law Enforcement Neighborhood Portal“, eine interaktive Karte, mit der die Polizei direkt bei den Anwohnern Kamerabilder anfordern kann, ohne einen Haftbefehl zu erwirken. Selbstverständlich gab es gegen diese Zusammenarbeit große Proteste.

“Fight for Future” etwa startete im letzten Sommer eine Kampagne, um den Menschen dabei zu helfen, die Beendigung der Partnerschaft mit Ring durch ihre lokalen Regierungen und Polizeibehörden zu fordern. Im Oktober 2019 unterzeichneten 36 Bürgerrechtsgruppen einen offenen Brief, in dem sie ein Ende der Partnerschaft mit der Polizei, neue Vorschriften und eine Untersuchung des Unternehmens durch den Kongress forderten.

Koop oder K.O.

Doch: Baltimores Rathaus und die Johns Hopkins University kaufen bereits sogar bei lokalen Händlern (18.000 Seller aus Maryland auf Marketplace) via Amazon Business ein – und bewerben sogar Amazon in einem landesweiten TV-Spot. Dieses Beispiel steht stellvertretend dafür, dass Baltimores Geschäfte gezwungen werden, mit dem US-Rieses zusammenzuarbeiten, weil sie sonst Gefahr laufen, pleite zu gehen.

Weitere Beispiele für Amazons “Griff”

Die öffentliche Bibliothek Baltimores ist voll mit Audiobüchern von Amazon Audible, Amazon Studios dreht in Annapolis, der nahegelegenen Hauptstadt von Maryland, die hauseigene TV-Serie “Jack Ryan”. Zudem besitzt das Unternehmen zwei “Whole Foods grocery stores” und ist dabei, einen dritten zu eröffnen. Premium-Mitglieder können hierbei auf  eine versandkostenfreie Lieferung zugreifen. In weiteren Dutzenden Kleinmärkten und Läden stehen Amazon Lockers bereit, wo Kunden ihre bestellten Pakete abholen können. Für Rücksendungen ist Kohl’s zuständig, ein Einzelhandelsunternehmen das im S&P 500 gelistet ist. Die Trucks sind überall in der Stadt zu sehen.

Auch stellt Amazon das digitale Gerüst der Stadt. Amazon Web Services (AWS) liefert Computer-Infrastruktur für zahlreiche Institutionen, darunter die Johns Hopkins University, die Investmentfirma T. Rowe Price und das Sportbekleidungsunternehmen Under Armour. Sogar die National Security Agency (NSA) – südlich von Baltimore bei Fort Meade – gibt an, dass sie Amazon Web Services nutzt. Das Department für “Human Services” bedient sich ebenfalls der gleichen Software, um “social services” zu streamen.

Baltimore als Fallbeispiel für die USA

All diese Beispiele machen Baltimore zu einem Mikrokosmos, der nahtlos auf das gesamte Land umgelegt werden kann: Die Erosion der Klein- und Einzelhändler, unterbezahlte Arbeiter, ein aggressiver “Einfall” in öffentliche Institutionen, Expansion in der Luftfahrt-Logistik und die Verbreitung von Video- und Audio Überwachung. Doch damit scheint es nicht genug.

Bezos, der Weltenbeherrscher?

Wie Founder Jeff Bezos im Juni 2019 geekwire erzählte, plant er, 3.200 Satelliten zu starten, um das Internet-Service global zur Verfügung zu stellen. Es sei bei Amazons Größe Zeit für neue Herausforderungen, so der Gründer: “Amazon ist groß genug, sodass wir Dinge machen können, mit denen wir, falls sie gelingen, etwas richtig bewegen”.


⇒ Baltimore

⇒ Baltimore Gov.

⇒ AWS

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(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR
(vlonru.) Everest Carbon, cortEXplore, My Esel und Simventure nutzten und nutzen die umfassenden Möglichkeiten an den TECH HARBOR-Standorten | (c) TECH HARBOR / tech2b / My Esel / Simventure

Der Begriff “Co-Working-Space” wäre bei TECH HARBOR in Linz eindeutig zu kurz gegriffen. Viel zu kurz gegriffen. Denn hochwertige Büroräume für Startups gibt es an den zwei Standorten TECHCENTER und NEUE WERFT zwar durchaus. In einem üblichen Co-Working-Space würde man aber wohl sehr schnell an die Grenze stoßen, wenn man dort eine Serienproduktion für Fahrräder oder eine Produktionsstätte für hochpräzise chirurgische Geräte aufbauen wollte.

Genau das und noch viel mehr passiert in den TECH HARBOR-Standorten. Sie bieten Hardware-Startups mit komplexen technischen Anforderungen und teilweise viel Platzbedarf eine Heimat. Große Werkstattbereiche, Techlabs für Forschung und Entwicklung und Lagermöglichkeiten machen dabei den entscheidenden Unterschied.

My Esel: Vom Prototypen bis zur Serienproduktion im TECHCENTER

Ein Unterschied, der etwa dem mittlerweile einer breiten Öffentlichkeit bekannten Holzfahrrad-Startup My Esel mehr als nur die ersten Schritte ermöglichte. “In der Zeit im TECHCENTER fand die Entwicklung von den ersten Prototypen hin zur Serienproduktion statt”, erzählt Gründer Christoph Fraundorfer. 2016 sei nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne von dort aus der Markstart erfolgt. “Parallel wurde an der Optimierung der Rahmenkonstruktion und an den My Esel E-Bikes gearbeitet. 2019 konnten noch aus dem TECHCENTER die ersten E-Bikes ausgeliefert werden.”

Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) TECH HARBOR
Im TECHCENTER kam Christoph Fraundorfer mit My Esel vom Prototypen bis zur Serienproduktion | (c) My Esel

Ebenfalls im Jahr 2019 Jahr zog My Esel dann um. “In Traun fanden wir in den ehemaligen Produktionsstätten der Carrera-Brillen unseren neuen Standort. Inzwischen nutzen wir hier über 800 Quadratmeter und konnten 2023 mit etwas mehr als 1.000 Bikes zirka 2.7 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften”, erzählt Fraundorfer.

Simventure: Im TECH HARBOR-Standort zum Wingsuit-Simulator

Die Räumlichkeiten im TECHCENTER blieben danach freilich nicht leer. Auch aktuell arbeiten viele spannende Startups im TECH HARBOR-Standort und schreiben die Erfolgsgeschichten der Zukunft. Einer der Mieter ist etwa Simventure. Das Startup baut Geräte, mit denen Extremsportarten vollimmersiv simuliert werden können. Das erste dieser Geräte – WingSim – simuliert den Flug in einem Wingsuit – in Realität bekanntlich ein hochriskantes Unterfangen.

“Seit dem Einzug im TECHCENTER Anfang 2023 haben wir die Hard- und Software für unseren Prototypen entwickelt. Wir haben diesen Prototypen im Techlab gebaut und umfangreich getestet. Nun können wir den Demonstrator Kunden und potentiellen Investoren vorführen. Wir haben den Firmenwert seit dem Einzug vervielfacht”, sagt Gründer Norman Eisenköck.

Das Simventure-Team baut im TECHCENTER seine Simulatoren | (c) Simventure

Das TECHCENTER biete die idealen Voraussetzungen für das Startup und seine Wachstumsherausforderungen, so der Simventure-Gründer. “Ein Startup ist während der Unternehmensgründung und dem Unternehmens-Aufbau Schwankungen im Bedarf an Büroflächen und – in unserem Fall – eines Mechatronik Labors unterworfen. Die Flexibilität des TECHCENTER hat uns geholfen, diese Schwankungen sehr gut zu berücksichtigen.” Und die Infrastruktur diene nicht nur dem Team zur Arbeit, sondern biete auch schöne Repräsentationsräume, um Partner und Kunden zu empfangen.

cortEXplore: Von der NEUEN WERFT zu Yale und MIT als Kunden

Absolute HighTech-Produkte sind auch aus dem Standort NEUE WERFT schon vielfach hervorgegangen. Bis 2024 hatte dort etwa das Startup cortEXplore seinen Sitz, das eine Technologie für Gehirn-OPs für Forschungszwecke entwickelt hat. “Wir verkaufen unsere Technologie international in die EU, die USA und China und haben Kunden wie die US-Unis Berkeley, Yale und MIT”, sagt Gründer Stefan Schaffelhofer. Diesen April wurde das Unternehmen mehrheitlich von einem internationalen Medizintechnikkonzern übernommen.

Den Grundstein dafür legte cortEXplore am TECH HARBOR-Standort. “Wir haben in der NEUEN WERFT gestartet. Wir hatten zunächst Platz für die Entwicklung, hatten aber auch später ein Lager dort und Platz für Assemblierungen unserer Produkte”, erinnert sich der Gründer. “Es ist die optimale Location in Linz. Sie ist gut für Anlieferungen und den Versand der Produkte. Und es gibt Räumlichkeiten für Veranstaltungen und die Einladung von Kunden.”

cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon
cortEXplore baute in der NEUEN WERFT seine Hightech-Produkte für Gehirn-OPs | (c) tech2b/Andreas Balon

Everest Carbon: “Unser Fortschritt übertrifft unsere Erwartungen”

Und auch in der NEUEN WERFT kamen seitdem viele spannende Unternehmen nach, etwa Everest Carbon, das diesen Sommer eingezogen ist. “Momentan entwickeln wir unser erstes Produkt, einen digitalen Umweltsensor für die Bindung von CO2 in Projekten basierend auf dem Prozess des beschleunigten Verwitterns, und testen es in Feldern hier in der Umgebung”, erklärt Gründer Matthias Ginterseder.

In der NEUEN WERFT baue man seit dem Einzug den primären Forschungs- und Produktionsstandort auf. “Wir sind gerade dabei, unser Team in der NEUEN WERFT zu vervollständigen, um Anfang nächsten Jahres die Produktionszahlen unserer ersten Produktlinie bedeutend erhöhen zu können”, sagt der Everest Carbon-Gründer. “Unser Fortschritt dabei übertrifft unsere Erwartungen, nicht zuletzt wegen der proaktiven Unterstützung durch Georg Spiesberger und sein Team hier im TECH HARBOR.” Und auch die Location selbst sei “hervorragend” für das Startup: “Das flexible Platzangebot sowie die zahlreichen Events, helfen uns sehr dabei, unsere Bedürfnisse in verschiedenen Entwicklungsstadien zu decken”, so Ginterseder.

Everest Carbon baut in der NEUEN WERFT gerade seine Produktion auf | (c) TECH HARBOR

Große Zukunftspläne – vom TECH HARBOR in die ganze Welt

Die Voraussetzungen für große Zukunftspläne und weitere Erfolgsgeschichten, wie die oben genannten, sind damit also perfekt gegeben. Der Everest Carbon-Gründer gibt einen Einblick: “Wir wollen in naher Zukunft unser erstes Produkt am Markt etablieren und unsere Technologie als eine bahnbrechende Lösung für zukunftsträchtige Formen von negativen Emissionen etablieren.”

Auch Simventure will am TECH HARBOR-Standort noch viel erreichen, wie Gründer Norman Eisenköck erklärt: “Wir werden weiterhin sowohl die Büroflächen als auch das Techlab für die Entwicklung weiterer Bewegungsplattformen nutzen. Es ist geplant, das weitere Wachsen des Teams und der Produktlinien im TECHCENTER zu machen.” Der erste WingSim werde aber schon bald ins Ars Electronica Center übersiedelt, um dort – ganz in der Nähe – für Kundenvorführungen zur Verfügung zu stehen. “Im Techlab werden dann neue Produkte entwickelt”, so der Gründer.

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Baltimore: Wie Amazon Schritt für Schritt eine ganze Stadt übernimmt

Es begann alles mit Baltimores “pleading pitch” um eine neue “Hauptquartier-Stadt” für Amazon zu werden. Das Unternehmen stellte auf der Suche nach neuen und zusätzlichen Hauptquartieren fünf Milliarden US-Dollar Investment in die Region in Aussicht. Die bevölkerungsreichste Stadt von Maryland lässt sich als Beispiel hernehmen, wie Amazons Präsenz Städte formen kann. In der Nähe des Hafen wird in den beiden Stadien der lokalen Foot- und Baseball-Mannschaft jede Bewegung per Amazon Web Services zu analytischen Zwecken gestreamed. Wenn die Polizei eine Partnerschaft mit Ring eingeht, so der Deal, soll sie für die Produkte von Ring, Überwachungskameras, die man am Smartphone nutzen kann, werben. Im Gegenzug erhalten die Justizwächter Zugriff auf das “Ring’s Law Enforcement Neighborhood Portal”, einer interaktiven Karte, mit der die Polizei direkt bei den Anwohnern Kamerabilder anfordern kann, ohne einen Haftbefehl zu erwirken.

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