Gründungsfonds II: Neuer aws-Fonds für Startups ist 72 Mio. Euro schwer
Das Wirtschaftsministerium wird bis zu 72 Mio. Euro in den Nachfolger des aws-Gründerfonds einzahlen. Mittels privaten Co-Investitionen soll er laut Minister Kocher auf rund eine halbe Milliarde "gehebelt" werden.
500 Mio. Euro – das ist viel Geld. Auch für einen Venture-Capital-Fonds. Und gleich vorweg: So hoch ist das Volumen des neuen Gründungsfonds II nicht. Der nun geschlechtsneutral benannte Nachfolger des bis 2022 gelaufenen Gründerfonds wird wieder vom Austria Wirtschaftsservice (aws) umgesetzt und dazu vom Ministerium für Arbeit und Wirtschaft mit 72 Mio. Euro ausgestattet. Aber: “Mit Co-Investitionen aus dem privaten Bereich wird dieses Kapital auf rund 500 Mio. Euro gehebelt”, kündigte Wirtschaftsminister Martin Kocher auf einer Pressekonferenz am Dienstag an.
Gemeint ist hier: Investiert der aws-Fonds in ein Startup, beteiligen sich an diesen Finanzierungsrunden im Regelfall auch private Investor:innen. Deren Investment wird in Kochers Darstellung als Hebelwirkung auf das von der aws investierte Kapital interpretiert. Beim Vorfängerfonds, dem Gründerfonds, hatte die aws etwa 60 Mio. Euro investiert. Insgesamt waren die Finanzierungsrunden, an denen der Fonds beteiligt war, aber 500 Mio. Euro schwer.
Auf Rückfrage des brutkasten, wie sicher es aus Sicht des Ministers sei, dass der Betrag von 500 Mio. Euro erreicht werde, sagte Kocher: “Wir wissen aus Studien, dass das Signal von der öffentlichen Hand ein sehr wichtiges ist. Ich kann nicht sagen, wer investieren wird und wie viel es sein wird. Ich bin aber recht optimistisch, dass wir die 500 Mio. Euro erreichen werden. Garantieren kann ich es natürlich nicht”.
Gründungsfonds beteiligt sich mit Beträgen zwischen 100.000 Euro und 5 Mio. Euro
Der neue Fonds wird jedenfalls pro Beteiligung mindestens 100.000 Euro und maximal fünf Millionen Euro investieren. Er nimmt sowohl Erst- als auch Folgeinvestititonen vor. Die ersten Beteiligungen will der Fonds im Laufe des zweiten Quartals eingehen. Er investiert mittels offener Beteiligungen oder eigenkapitalähnlicher Mezzaninfinanzierungsinstrumenten. Die Konditionen sollen marktüblich sein. Thematisch unterliegt der Fonds keinen Einschränkungen.
“Mit dem neuen Gründungsfonds II schaffen wir damit ein Instrument, dass Startups den Zugang zu Risikokapital erleichtert, insbesondere in der frühen Wachstumsphase”, sagte Kocher weiter. Bei der Gestaltung des neuen Fonds würde das Modell des Gründerfonds, also eine Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und privaten Investor:innen, als “langfristiges Unterstützungsmodell” fortgeführt werden.
In einer ersten Reaktion begrüßte die Industriellenvereinigung die Ankündigung: Die Neuauflage des Gründungsfonds mit rund 72 Mio. Euro sei ein wesentlicher Grundstein zur Unterstützung von Startups in einer frühen Phase. “In einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld, wie wir es gerade erleben, ist der Zugang zu Risikokapital für frühphasige Unternehmen besonders wichtig, um Innovationen und Unternehmertum entsprechend zu fördern und Innovationen voranzutreiben und marktfähig zu machen”, wird Generalsekretär Christoph Neumayer in einer Aussendung zitiert.
Das KI-Jahr 2024: Europa, der scheiternde Kontinent
Gastbeitrag. Clemens Wasner ist Mitgründer von AI Austria und CEO des Startups enliteAI. Für brutkasten blickt er auf die wichtigsten Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz im Jahr 2024 zurück.
Das KI-Jahr 2024: Europa, der scheiternde Kontinent
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Entgegen der Erwartungshaltung vieler Skeptiker hat sich die KI-Entwicklung in 2024 noch beschleunigt: Im Wochentakt erfolgten neue technische Durchbrüche, der Launch neuer Services oder die Integration von KI in bestehende Lösungen. Über die rasanten Entwicklungen im abgelaufenen Jahr könnte man ohne weiteres ein Buch füllen, weshalb ich hier nur einen kurzen Abriss über die wichtigsten Entwicklungen geben kann.
Large Language Models: Mit den Claude-Modellen von Anthropic hat sich ein Konkurrent zu OpenAI etabliert. Auch Google hat sich nach Startschwierigkeiten zu einem ernsthaften Player entwickelt. Den eigentlichen Wendepunkt stelle jedoch der Open-Source-Bereich dar. Während zu Beginn des Jahres LLama2 und vergleichbare Modelle einen Rückstand von etwa 18 Monaten gegenüber GPT4 hatten, gab es im Sommer mit Llama3 erstmals ein Open-Source-Foundation-Model, das seine Closed-Source Konkurrenten in Rankings und Benchmarks übertraf. Seitdem hat Meta mit LLama3.2, einer multimodalen Variante die Text und Bild als Input akzeptiert, Open-Source-seitig noch nachgelegt (auch wenn die kommerzielle Nutzung in der EU leider nicht erlaubt ist).
Bild und Video-Generierung: Die letzten Jahre waren von Dall-e, Mid Journey und RunwayML geprägt. Mit Flux, einer der sehr seltenen europäischen Erfolgsstories im KI-Bereich, ist ein neues Modell zur Generierung von Bildern neu hinzugekommen, das von vielen als das aktuell beste angesehen wird.
Im Dezember erfolgte schließlich der lange erwartete Launch von OpenAIs Sora (nicht in der EU) sowie die Vorstellung von Google’s Veo2 (nicht in der EU), welches technisch einen Riesensprung gegenüber der Konkurrenz darstellt. In 2025 ist auf Social Media eine ähnliche Schwemme an AI-generierten Videos zu erwarten, wie wir sie in 2023 für KI-generierte Bilder erlebt hatten.
In 2024 wurden die ersten sogenannten “Reasoning-Modelle” vorgestellt. Ein Reasoning-Modell wie GPT o1 kann nicht nur Texte anhand erlernter Muster erstellen, sondern auch echte logische Zusammenhänge erkennen und nachvollziehen. Dies ist ein vollkommen anderer Ansatz als bisher, da KI-Systeme dadurch fundierter argumentieren können, anstatt lediglich die „wahrscheinlichste“ Antwort aus riesigen Textmengen herauszufiltern bzw. vorherzusagen. Ein paar Tage vor den Weihnachtsfeiertage wurde GPT o3 vorgestellt (brutkasten berichtete), dass bei komplexen wissenschaftlichen Aufgaben, Mathematik und Coding-Benchmarks eine neue Ära einläutet.
KI wird ‘Personal’
Während die letzten Jahre KI vor allem auf der Cloud stattfand und wir mit unseren Endgeräten lediglich darauf zugegriffen haben, wurden in 2024 die Weichen für KI am Smartphone und Computer (Windows & Mac) gestellt.
Apple Intelligence (derzeit nicht in der EU verfügbar) ist Apples hauseigene KI-Plattform, die neben einer für andere KI-Modelle offenen Architektur vor allem auf Datenschutz und lokale Datenverarbeitung setzt. Googles Assistent Gemini (nur eingeschränkt in der EU verfügbar) auf Android-Smartphones geht noch einen Schritt weiter, was App- und Datenübergreifende Assistenzfunktionen betrifft.
Beide Lösungen stellen die allererste Version eines persönlichen Assistenten dar, der nicht an einzelne Services (wie MS Copilot) oder Umgebungen (wie Browser) gekoppelt ist, sondern übergreifend analysieren und agieren kann. Bis von diesen auch komplexere Aufgaben übernommen werden können, wird es noch einige Versionen benötigen, die Basis hierfür wurde jedoch in 2024 gelegt.
In 2024 wird auch als jenes Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich ein Pfad für die Einführung von Augmented Reality (auch xR) herauskristallisierte. Damit ist weniger das im Februar dieses Jahres erschienene Apple Vision Pro gemeint, das zum aktuellen Preis und Formfaktor nicht viel mehr als ein Developer Kit darstellt, sondern die xR-Plattformen von Google und vor allem Meta.
Mit den Orion Glasses hat Meta im September einen Prototypen vorgestellt, der einen guten Ausblick darauf gibt, welche Möglichkeiten uns in etwa 5 Jahren erwarten: echtes Augmented Reality gepaart mit generativer KI. Wer sich von Sprachsteuerung und GenAI bereits heute ein bild machen will dem seien die Meta Rayban Smartglasses empfohlen, welche u.a. Live-Übersetzungen und Bilderkennung ermöglichen – wie üblich gilt: nicht in Europa.
Österreich wird Lifesciene-lastiger und KI-affiner
Das österreichische KI-Ökosystem entwickelt sich nach wie vor sehr gut. Vor allem im Bereich der Corporates und IT-Dienstleister kam es zu einem sprunghaften Anstieg von Unternehmen die KI einsetzen bzw. anbieten. Als Highlight im wissenschaftlichen Bereich kann das von Michael Bronstein geleitete AITHYRA-Institut genannt werden, welches von der Boehringer Ingelheim Stiftung mit 150 Mio. Euro gefördert wird (brutkasten berichtete). “AI in Lifescience” stellt bereits heute den größten Bereich für KI-Startups dar, ein Trend der sich mit diesem Institut sicher noch verstärken wird.
Wie zu erwarten, fanden im Superwahljahr 2024 keine strategischen Weichenstellungen statt. Ausgehend von den Wahlprogrammen und den aktuell noch andauernden Koalitionsverhandlungen wird KI auch in der nächsten Legislaturperiode keine Rolle spielen. Ein Rekorddefizit und geschwächte Wirtschaftsleistung sind kein guter Nährboden für ambitionierte Projekte, derer es aber sehr viele bedürfte. Auch eine mögliche Neuwahl wird daran leider nichts ändern, da die relevanten Parteien geistig noch in den 1930ern, 1950ern oder 1970ern leben.
Aus Sicht der Bevölkerung lässt sich festhalten, dass KI hierzulande mittlerweile so alltäglich wie Google-Suche geworden ist.
Europa, der scheiternde Kontinent
Üblicherweise würde ich den Ausblick mit einer europäischen Perspektive abschließen – leider gibt es diese im Technologiebereich nicht. Jedem Durchbruch der letzten 20 Jahre wurde mit einer Kombination aus Skepsis, Pessimismus und Protektionismus begegnet. Darstellungen wie diese verstärken den Eindruck eines gescheiterten Kontinents – ein Narrativ, der mittlerweile das europäische Bild in den USA und Asien dominiert.
In Anbetracht der Sachlage macht es keinen Sinn, die EU und ihre Mitgliedstaaten in eine Diskussion über den Status Quo und zukünftige Entwicklungen von KI mit einzubeziehen. Eine Trendumkehr wird im KI-Bereich nicht mehr passieren können, dazu sind die Versäumnisse mittlerweile zu zahlreich und der Rückstand in Bereichen wie Infrastruktur, Kapitalmarkt und Skilled Migration zu groß.
Anstatt sich für Steuergeldverschwendung wie Gaia-X oder Regulierung wie den AI Act selbst auf die Schulter zu klopfen, muss das Augenmerk auf die nächste Generation von Unternehmen gelegt werden – Startups. Das Zeitfenster hierfür schließt sich: Wenn es uns Europäern nicht binnen der nächsten fünf Jahre gelingt, Gründen in Europa attraktiver und erfolgreicher zu machen, wird die Erzählung von einem reichen Europa für nachfolgende Generationen ebenso unglaublich sein wie von einem österreichischen Imperium.
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