02.10.2020

AVCO-Präsident Kinsky: “Es geht um den zukünftigen Wohlstand des Landes”

AVCO-Präsident Rudolf Kinsky spricht im Interview im Vorfeld der AVCO Annual Conference über die aktuelle Lage des VC- und PE-Bereichs in Österreich.
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AVCO-Präsident Rudolf Kinsky zum geplanten Investitionskontrollgesetz
(c) der brutkasten: AVCO-Präsident Rudolf Kinsky
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Voll und ganz zufrieden war die AVCO, die Dachorganisation der österreichischen !!Beteiligungskapital-Industrie, mit der Lage von Venture Capital ( !!VC) und Private Equity ( !!PE) im Land noch nie. Mehrere Forderungen, allen voran die Einrichtung eines staatlich unterstützten Dach-Fonds, bleiben seit Jahren von der Politik unerhört. Dennoch sorgt das Krisenjahr 2020 auch in diesem Bereich für eine außergewöhnliche Situation mit zusätzlichen Herausforderungen.


Das und noch mehr wird Gegenstand der AVCO Annual Conference, die am 8. Oktober online stattfindet – Detailinformationen dazu gibt es hier. Neben inhaltlichem Input bietet diese zahlreiche Vernetzungsmöglichkeiten mit dem Who is Who der Szene.


Bereits im Vorfeld der Konferenz haben wir mit AVCO-Präsident Rudolf Kinsky über die aktuellen Herausforderungen im !!VC- und !!PE-Bereich in Österreich und die Forderungen der Dachorganisation dazu gesprochen.

Zumindest in unserer Berichterstattung beim brutkasten gibt es dieses Jahr mehr Eigenkapital-Investments für Startups, als in den Vorjahren. Hat die Corona-bedingte Notlage vieler Unternehmen hier einen unbeabsichtigten Push gebracht?

Fonds haben Kapitalrunden eingelegt, damit der Runway von Startups verlängert wird und der Krise entgegengesteuert werden kann. Da hat sicherlich auch der Covid-Startup-Hilfsfonds geholfen, der Eigenkapital von Investoren aufgedoppelt hat. Das hat insgesamt 100 Millionen Euro an frischem Kapital für Startups gebracht und war eine richtige, rasche Maßnahme.

Gleich zu Beginn der Krise gab es auch die Diskussion, ob Down-Rounds in der Situation angebracht sind. Wie stehst Du aus heutiger Sicht dazu?

Da fehlt es mir ehrlich gesagt an einer Statistik, um wirklich eine Aussage machen zu können. Ich persönlich habe in den vergangenen Monaten keine Down-Rounds gesehen, aber das ist freilich nur mein unmittelbarer Blickwinkel. Da geht es ja auch um Investments in der Seed-Phase, die nicht unmittelbar an den Marktumständen leiden. Und alles, was mit Digitalisierung, MedTech, Robotics oder ähnlichen Themen zusammenhängt, ist ohnehin eher Krisengewinner.

Apropos: Es gab auch die Kritik, dass der Covid-Startup-Hilfsfonds vielfach von Unternehmen in Anspruch genommen wurde, die durch die Krise gar nicht negativ beeinträchtigt werden…

Ob Steuergelder ausgegeben wurden, wo es gar nicht notwendig war, ist schwer zu beurteilen. Es ist sicher so gewesen, dass jene im Vorteil waren, die schnell und smart gehandelt haben. Aber ich würde sagen: So ist das Leben. Der Topf war eben limitiert.

Man muss jedenfalls bedenken, dass die Funding-Situation eventuell schwieriger wird und es jedenfalls sinnvoll ist, Startups einen längeren !!Runway zu ermöglichen. Das ist sehr wahrscheinlich im Sinne der Steuerzahler und der Wirtschaft. In meinem Umfeld beobachte ich jedenfalls bereits: Viele, die im Angel-Bereich arbeiten und auch Stiftungen halten sich mit Investments schon wieder zurück. Sind momentan vorsichtig. Deshalb sagen wir ja auch, wir brauchen mehr Fonds. Die haben das Kapital bereits aufgenommen und können Startups durch die Krise durchfinanzieren.

Nun ist der Hilfsfonds seit Monaten ausgeschöpft, der angekündigte Runway-Fonds ist scheinbar “stecken geblieben”. Wie siehst du die aktuelle Finanzierungslage der heimischen Startups – auch in Anbetracht der wieder verschärften Corona-Maßnahmen?

Es wäre sicherlich – nach allem was wir aus dem Markt hören – wesentlich mehr Nachfrage für den Hilfsfonds da gewesen. Da hat man sich verschätzt bzw. standen nicht mehr staatliche Mittel zur Verfügung.

Aus unserer Sicht ist der !!Runway-Fonds – von der wenigen Information, die wir darüber haben – nicht sinnvoll. Hier soll ein Direktfonds mit einer staatlichen Garantie bestückt werden, mit einem Hebel von lediglich 1:2. Das lädt gerade dazu ein, schlechte Investments zu machen, selbst mit den besten Intentionen. Wenn das Geld privater Investoren sorgfältig investiert wird, braucht es keine Staatsgarantie. Außerdem hat die aws mit Kapitalgarantien in der Vergangenheit schlechte Erfahrung gemacht.

Wesentlich zielgerichteter wäre der von der AVCO entwickelte Dachfonds für die jetzige Situation geeignet. Damit wäre mit etwa 1:20 eine wesentlich höhere Hebelung einer Garantie – als einmalige Initialzündung – zu erreichen und es würde frisches institutionelles Kapital in den österreichischen Kapitalmarkt fließen

Der Dachfonds bzw. Fund of Funds ist seit Jahren eine der zentralen Forderungen der AVCO. Tut sich da irgendwas?

Leider haben wir dafür bis jetzt von der Regierung keine Unterstützung bekommen. Es wäre natürlich gerade jetzt genau das richtige Konzept. Hier geht es, wie gesagt, um eine einmalige Garantie über 50 Millionen Euro, aber 1,2 Milliarden Euro kommen dabei auf Zielfonds-Ebene heraus. Das wäre eine reine Initialzündung mit starker Umwegrentabilität – weil es nur eine Garantie ist, die zu einem AA+ Rating führt, und das Kapital nicht aktiv bereitgestellt werden müsste.

Der von der AVCO vorgeschlagene Fund of Funds wäre als Vehikel ideal für österreichische institutionelle Investoren, quasi ein Starter Kit, für das sie nicht viel Analyse machen müssen und unkompliziert investieren können. Das ginge etwa auch für kleine regionale Versicherungen. Der Dachfonds hätte volkswirtschaftlich einen großen Effekt und wäre wegen der breiten Streuung sicher profitabel. Und es geht dabei ja nicht nur um Startups, sondern auch um KMUs und Mittelstand – auch die brauchen mehr !!Eigenkapital.

Doch wie gesagt fehlt uns in der Regierung bislang noch der richtige Ansprechpartner. Und das, obwohl Kanzler Sebastian Kurz und etwa auch Innovationsministerin Leonore Gewessler durchaus sagen, es brauche mehr privates Kapital. Es fehlen aber in den involvierten Ministerien offenbar die personellen Kapazitäten. Es gibt einige wenige wirklich gute Ansprechpartner, aber die haben keine Zeit. Es ist einfach nicht auf der Prioritätenliste. Zu unserem vom bmdw vorgeschlagenen Entwurf eines Wagniskapitalfondsgesetzes haben wir etwa seit einem Jahr kein Feedback bekommen.

Es gibt da sicher auch die Frage der Kompetenzabgrenzung. Die Koordination zwischen den Ministerien scheint nicht immer so gut, wie sie sein sollte. Doch das zu kritisieren bringt letztlich gar nichts. Die Stärkung des Eigenkapitals ist in vieler Munde und wenn dann einmal doch der Bundeskanzler sagt, dass das jetzt Priorität ist, dann wird es auch passieren.

Was sind weitere Maßnahmen für den VC- und PE-Bereich, die in der aktuellen Situation aus Sicht der AVCO sinnvoll wären?

Die systemische Bedeutung von Wagnis- und Privatkapital hat Österreich bisher verschlafen. Es geht schlicht um den zukünftigen Wohlstand des Landes.

Wir brauchen für unsere Volkswirtschaft und Unternehmen querbeet mehr Eigen- bzw. Risikokapital. Nur leider fehlt es an den Kapitalmarktstrukturen und Rahmenbedingungen, aber vor allem an professionellen Kapitalverteilern. Wir haben keine extern gefundeten PE-Fonds und neben der Speedinvest nur eine Handvoll von aufstrebenden aber kleineren !!VC-Fonds. Es ist eine traurige Situation.

Wir glauben aber, dass sich Wien bzw. Österreich zu einem Dreh- und Angelpunkt für !!VC- und !!PE-Fonds mit regionaler Ausstrahlung entwickeln könnte. Das wäre ein echtes Standort-Thema und wir könnten dem Monopolisten Luxemburg als Fonds-Domizil ernsthafte Konkurrenz machen. Für Fonds unter 250 Millionen Euro ist Luxemburg einfach viel zu teuer. Dadurch würde sich ein Preis-Schirm anbieten, unter dem man einen Markt in Österreich entwickeln könnte. Nur braucht das Land dazu einen wettbewerbsfähigen Rechts- und Steuerrahmen. Das zuvor erwähnte, vom “AVCO Tax and Legal Committee” entworfene Wagniskapitalgesetz könnte das leisten. Aber es gibt, wie gesagt, nicht einmal Feedback dazu.

Könnte sich Österreich mit den richtigen Maßnahmen also aus der Krise einen Vorteil gegenüber anderen Ländern verschaffen?

Die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber unseren Nachbarn hängt unmittelbar mit der Entwicklung eines funktionierenden Kapitalmarktes zusammen. Wir würden uns wünschen, dass die Politik uns besser unterstützt und mit mehr Vision und Mut zur Durchsetzung ans Werk ginge. Die Prioritäten sollten endlich auf die Ermöglichung von marktgerechten Finanzierungen und die Deregulierung von Unternehmensgründungen etc. ausgerichtet werden. Eine einfachere Gesellschaftsform mit der Ermöglichung der Mitarbeiterbeteiligung – wie gerade in Arbeit – geht allerdings schon in die richtige Richtung.

Anschlussfinanzierungen und größere Investments in KMU bzw. den Mittelstand kommen heute ausschließlich aus dem Ausland. Damit verlieren wir die Kontrolle über unsere schnell wachsenden Unternehmen mit der Gefahr, auch einen Großteil der Wertschöpfung aus der Hand zu geben.

Abschließend: Wie optimistisch oder pessimistisch bist Du im Hinblick auf die kommenden Monate?

Vorsichtig optimistisch aus Prinzip, weil wir durch die Krise den Stellenwert von privatem !!Eigenkapital zu erkennen scheinen, aber aus der Erfahrung der letzten Jahre leider eher pessimistisch. Wir bräuchten im Finanzwesen eine Systemveränderung, aber leider sitzt die Trägheit tief in der DNA des Landes.

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Gründerin Lilly Messner und Markenbotschafter & Profifußballer Kevin Danso (c) Green Lilly

In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Startups vegane Ersatzprodukte auf den Markt gebracht, die meist konventionelle Fleischprodukte wie Burger-Patties, Würstel oder Leberkäse nachahmen. Das oberösterreichische Startup Green Lilly hingegen möchte mit einem anderen Ansatz überzeugen: Es konzentriert sich auf die Herstellung pflanzlicher Brotaufstriche in Tuben. Die Produkte sollen nicht nur ausschließlich für Veganer:innen attraktiv sein, sondern auch die breite Zielgruppe der Fleischesser:innen ansprechen.

Die Geschäftsführerin und Gründerin des Unternehmens ist Lilly Messner. Die 22-jährige stammt aus der Familie Reiter/Messner, die seit drei Generationen Wurstwaren in Oberösterreich produziert. Mit Green Lilly bringt Lilly Messner nun ihre eigenen Produkte auf den Food-Markt. Im Gespräch mit brutkasten verraten Lilly Messner und Elisabeth Drzaic-Lang – sie kam als Beraterin und Co-Founderin ins Unternehmen – was die Green Lilly-Produkte so einzigartig macht.

Green Lilly führt mit pflanzlichen Aufstrichen die Familientradition fort

Am Familienstandort in Eberschwang in Oberösterreich stellt das Startup Green Lilly pflanzliche Brotaufstriche her, die mit ihren natürlichen Zutaten, hohem Proteinanteil und praktischen Tubenverpackungen überzeugen wollen. Die veganen Aufstriche bieten eine „unkomplizierte, ausgewogene und nachhaltige Alternative“ für alle, die sich bewusster ernähren möchten. Ganz nach dem Unternehmensmotto: “Bei uns kommt nur das Beste in und aus der Tube“. 

Der Familienbetrieb blickt auf über 75 Jahre Erfahrung in der Wurstwarenproduktion zurück. Tochter Lilly führt diese Familientradition mit einem modernen Ansatz fort, möchte jedoch klarstellen, dass Green Lilly als eigenständiges Unternehmen auftritt.

CEO Lilly Messner: Vom Familienunternehmen zur eigenen Vision

Die Idee des Startups stammt von der Namensgeberin Lilly. Obwohl die 22-jährige Studentin im Familienunternehmen, das Fleischprodukte herstellt, aufgewachsen ist, bevorzugt sie pflanzliche Alternativen. Bei der Entwicklung ihrer Idee war es ihr wichtig, „dieses Handwerk und die Tradition der Qualität“, die sie aus ihrer Familie kennt, in ihr neues Unternehmen zu integrieren. 

Durch das Familienunternehmen hatte Lilly schon früh die Gelegenheit, die Produktionsabläufe hautnah zu erleben. Bei Green Lilly sei sie der „kreative Kopf“, die neuen Ideen einbringt und die Verantwortung trägt, „das Produkt zu den Menschen zu bringen und möglichst authentisch zu sein“. CEO Lilly Messner verfolgt die Vision einer „ausgewogenen, nachhaltigen Welt“ und ist überzeugt, dass „gutes Essen das Wohlbefinden fördert“.

Green Lilly soll kein Fleischersatz sein

Gemeinsam mit Elisabeth Drzaic-Lang und ihrer Mutter Simone Messner entwickelte Lilly ihre Produktidee weiter. Im März 2024 gründeten sie schließlich das Unternehmen Green Lilly in Form einer flexiblen Kapitalgesellschaft. Momentan halten Lilly Messner und Elisabeth Drzaic-Lang jeweils 25 Prozent der Anteile am Startup, während Simone Messner die restlichen 50 Prozent besitzt.

Green Lilly sieht sich nicht als Marke für Fleischersatzprodukte, sondern konzentriert sich ausschließlich auf die pflanzlichen Erzeugnisse. Die Gründerinnen möchten Fleischprodukte „nicht ersetzen, […] auch keinen Fleischgeschmack nachbauen, sondern […] Produkte erschaffen aus dem, was die Natur uns bietet“. Die Gemüseaufstriche sollen eine breite Zielgruppe ansprechen, einschließlich Fleischliebhaber:innen. „Wir wollen Genuss verkaufen und nicht fleischlos oder Fleischersatz verkaufen“, betont Drzaic-Lang gegenüber brutkasten.

Haltbarkeit und cremige Konsistenz macht Green Lilly besonders

Der Weg zu den heutigen Green Lilly-Produkten war für die Gründerinnen ein „extrem schwieriger und steiniger Prozess“. Es stellte sich als eine Herausforderung heraus, geeignete Rezepturen zu entwickeln, die sowohl gut schmecken als auch ihren Vorstellungen entsprechen. Nach zahlreichen Versuchen zeigen die Gemüseaufstriche nun ihre Besonderheit: Die cremige Konsistenz aus der Tube soll eine natürliche Haltbarkeit bieten. Diese erreiche man durch einen Erhitzungsprozess, der ohne Konservierungsstoffe oder künstliche Zusätze auskomme.

Aktuell produziert das Unternehmen fünf verschiedene Sorten von Gemüseaufstrichen: Sunny Tomate, Spicy Rote Rübe, Fine Basilikum Pesto, Sweet Karotte-Pastinake Cumin und Roasted Kürbis. Die Formulierung der Produkte kombiniert natürliche Erbsen- und Hefeproteine mit Gemüse. Die Aufstriche sind in 100g-Alu-Tuben erhältlich, die fast vollständig recycelbar seien. Green Lilly soll sich durch den hohen Proteingehalt, den natürlichen Geschmack und die lange Haltbarkeit hervorheben. Der Großteil der Zutaten stammt aus Europa.

Ziel: europaweiter Vertrieb der Green Lilly-Produkte

Das Startup Green Lilly finanzierte sich von Anfang an privat. Drzaic-Lang betont, dass das Unternehmen derzeit keine Finanzierungsrunden plant. Aktuell sei Green Lilly „sehr gut aufgestellt“, sodass sie hoffen, den weiteren Markenaufbau durch Partnerschaften und Umsätze finanzieren zu können.

Obwohl die Gemüseaufstriche in Österreich hergestellt werden, verfolgt das Unternehmen von Beginn an die Absicht, die Produkte auch international zu vertreiben. Mit einem internationalen Key-Account-Manager im Team startet das Startup breit gefächert in verschiedenen Kanälen in ganz Europa. Zudem befindet sich Green Lilly derzeit in der Abschlussphase von Verhandlungen mit europäischen Partnerunternehmen. Für das Startup sei Österreich allein zu klein, um das angestrebte Wachstum zu erreichen. 

Fokus auf internationale Expansion

Um den Markenaufbau und die Brand Awareness voranzutreiben, sucht das Startup künftig nach weiteren Partnerschaften in den Nachbarländern. Das Startup kann sich trotzdem vorstellen, zukünftig in den österreichischen Einzelhandel und den HoReCa-Bereich zukommen. Momentan liegt der Fokus jedoch ausschließlich auf dem Online-Markt und dem Export. Seit Oktober 2024 können österreichische Kund:innen die Green Lilly-Produkte im Onlineshop erwerben.

Gründerin Lilly Messner äußert gegenüber brutkasten ihren “Traum”, dass die Green Lilly-Produkte in fünf Jahren in ganz Europa erhältlich sind. Bis dahin sollen auch weitere Sorten von Gemüseaufstrichen verfügbar sein.


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