22.06.2022

Österreichs Sozialunternehmen sind mit Unterstützung der Politik unzufrieden

Der jüngste Austrian Social Enterprise Monitor liefert die neuesten Daten & Fakten zu Sozialunternehmen in Österreich und sieht bei der Politik Handlungsbedarf.
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(c) AdobeStock

In den letzten Jahren hat sich in der österreichischen Gründerszene in Sachen “Social Entrepreneurship” einiges getan. Immer mehr Unternehmensgründungen entstehen aus der Motivation, Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Zudem konnten sich zahlreiche bekannte Startups aus diesem Bereich erfolgreich am Markt etablieren. Zu ihnen zählen beispielsweise Helioz, die Vollpension oder markta.

Das Social Entrepreneurship Center (SEC) an der WU Wien legte nun mit dem “Austrian Social Enterprise Monitor“ eine neue umfangreiche Untersuchung über die Bedeutung, den Einfluss und die Finanzierung von Sozialunternehmen vor. In Österreich gibt es nach Schätzungen des SEC rund 2500 Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind.

Die Ergebnisse des Austrian Social Enterprise Monitor

Die Ergebnisse des Austrian Social Enterprise Monitor basieren auf einer quantitativen Erhebung unter 258 Sozialunternehmen, die im Rahmen des European Social Enterprise Monitor mit über 50 internationalen Parteiorganisationen durchgeführt wurde, sowie einer qualitativen Befragung von 23 Expert:innen in Österreich. Die Studie ist laut ihren Autor:innen somit erstmals international vergleichbar. Hier ein Überblick über die vier Kern-Ergebnisse:

  • Mehr als die Hälfte der Sozialunternehmen sind Startups: 51 Prozent haben sich in den letzten zehn Jahren gegründet, mehr als ein Drittel befindet sich in einer frühen Entwicklungsphase.
  • Sozialunternehmen zeigen laut den Autor:innen großen Innovationswillen: knapp 85 Prozent der Gründungen basieren auf Innovationen und mehr als die Hälfte setzen in ihrer Arbeit Technologien wie künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Apps und Plattformen ein.
  • Sozialunternehmen beschäftigen im Schnitt 72 Vollzeitarbeitskräfte. Mehr als drei Viertel der Gründungen werden von ausschließlich weiblichen oder gemischtgeschlechtlichen Teams durchgeführt, 51 Prozent der Führungskräfte sind weiblich.
  • Sozialunternehmen waren stark von der Pandemie betroffen: Lediglich ein Viertel konnte im letzten Jahr Gewinne ausweisen, 21 Prozent schrieben sogar noch im zweiten Pandemiejahr Verluste.

Kritik an mangelnder Unterstützung durch die Politik

Zudem wurde im Rahmen des “Austrian Social Enterprise Monitor” auch die Stimmung unter den heimischen Sozialunternehmen abgefragt. Die Befragungen zeigen, dass österreichische Sozialunternehmen zum überwiegenden Teil unzufrieden mit der politischen Unterstützung für ihr Handeln sind. Dazu heißt es: “Lediglich 7,4 Prozent sind mit der gegenwärtigen Unterstützung aus der Politik zufrieden.” Das ist laut den Autor:innen auch im internationalen Vergleich ein sehr niedriger Wert: Im Vergleich zu 13 weiteren europäischen Ländern, für die im Rahmen internationale Vergleichsdaten verfügbar sind, rangiert Österreich an elfter und somit vorvorletzter Stelle.

„Komplexe Förderstrukturen, fehlende Finanzierung sowohl von staatlicher als auch privatwirtschaftlicher Seite, unzureichende Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und Personalmangel sind die größten Schwierigkeiten, mit denen österreichische Sozialunternehmen zu kämpfen haben“, so Peter Vandor, Leiter des WU Social Entrepreneurship Center und Co-Autor der Studie.

Handlungsempfehlungen an die Politik

Im Rahmen des “Austrian Social Enterprise Monitor” werden zudem auch Empfehlungen an die Politik abgeben. Demnach bräuchte es die Entwicklung einer nationalen Strategie für Sozialunternehmen in Österreich. Auch die Schaffung eines “Rechtsstatus Social Enterprise” wird als Maßnahme genannt, der die Sichtbarkeit von Sozialunternehmen in Österreich stärken soll. Als weitere Maßnahme wird zudem ein “gleichberechtigter Zugang” von Sozialunternehmen bei bestehenden Förderungen für Startups, Innovation und Digitalisierung angeführt. Grundlage bildet hierfür die Stärkung des nicht-technologischen Innovationsbegriffs im Förderwesen, so die Expert:innen.


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Das Gründerteam von Kern Tec | (c) Kern Tec
Das Gründerteam von Kern Tec | (c) Kern Tec

Der Marketed Innovation Prize, verliehen von EIT Food, wählt Startups aus der Lebensmittelbranche aus, die „den Übergang zu einem gesünderen und nachhaltigeren Lebensmittelsystem unterstützen“. Insgesamt wurden Preisgelder in Höhe von 55.000 Euro vergeben. EIT Food wird vom Europäischen Innovations- und Technologieinstitut (EIT) gefördert, einer Einrichtung der Europäischen Union.

Eines der ausgezeichneten Startups ist das niederösterreichische Unternehmen Kern Tec. Es verwandelt Obstkerne, die normalerweise als Abfall gelten, in hochwertige Zutaten für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Diese finden zudem auch Anwendung in kosmetischen und industriellen Produkten.

Kern Tec: “Die Anerkennung bestärkt uns in unserer Mission”

Luca Fichtinger, Co-Gründer von Kern Tec, freut sich gemeinsam mit seinem Team über den Marketed Innovation Prize. Er sagt: „Die Anerkennung bestärkt uns in unserer Mission, Lebensmittelabfälle in wertvolle, nachhaltige Produkte umzuwandeln. Indem wir Aprikosenkerne zu nahrhaften Snacks aufwerten, wollen wir Abfälle reduzieren und gleichzeitig ein zirkuläreres und nachhaltigeres Lebensmittelsystem fördern. Dieser Preis bestätigt nicht nur unsere Bemühungen, sondern inspiriert uns auch, weiterhin innovative und skalierbare Lösungen zu entwickeln, die zu einem besseren Lebensmittelsystem für alle beitragen“.

Preise für “innovative Lebensmittel-Startups”

Insgesamt vergab EIT Food acht Preise an europäische Startups im Bereich Lebensmittelinnovationen. Mit dem Preis sollen „innovative und einflussreiche Agrar- und Lebensmittel-Startups“ ausgezeichnet werden, die „wirkungsvolle Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt” brachten, wie die Organisation erklärt.

„Diese Gewinner des Marketed Innovation Prize führen den Wandel in unserem gesamten Lebensmittelsystem an, von der Förderung der Proteindiversifizierung bis hin zur Entwicklung KI-gestützter landwirtschaftlicher Lösungen. Sie bieten den Verbrauchern spannende, gesündere Alternativen und geben Lebensmittelproduzenten innovative und nachhaltige Techniken an die Hand, um Effizienz und Produktivität zu steigern“, betont Richard Zaltzman, CEO von EIT Food.

2023: Kern Tec erhielt Investment von 12 Mio. Euro

Kern Tec rund um Gründer-Team Michael Beitl, Luca Fichtinger, Sebastian Jeschko und Fabian Wagesreither startete 2019 mit einer Technologie, um Öle und Proteine aus Obstkernen zu gewinnen. Dabei verwendete man Obstkerne von Marillen, Kirschen und Zwetschken – typische Abfallprodukte der heimischen Obstindustrie. Inzwischen brachte das Startup pflanzliche Alternativen von Milch, Joghurt, Eis und Käse auf Basis von Obstkernen auf den Markt.

Im vergangenen Jahr sicherte sich Kern Tec in einer Series-A-Finanzierungsrunde ein Investment von 12 Millionen Euro – brutkasten berichtete. Die Finanzierungsrunde wurde von Telos Impact angeführt, mit Beteiligung des PeakBridge Growth 2 Fonds und des European Innovation Council (EIC) Fonds. Mit diesem Kapital plante das Unternehmen, international zu expandieren und seine Produktpalette weiter auszubauen.

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