17.01.2024

Ausmisten: Wie Gründer:innen mit “Weglassen” Innovationen etablieren können

Innovationen sind die Seele der Startup-Szene. Doch nicht immer leicht umzusetzen und manchmal fehlgeleitet. Um das zu verhindern haben die New Work-Expert:innen Manuela Grundner und Gregor Karlinger einen Leitfaden skizziert.
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Innovationen, Innovation, Weglassen, freiräume
(c) Chrsitine Rechling - Gregor Karlinger und Manuela Grundner plädieren für mehr "Freiräume" in Unternehmen.

Ideenflut. Oder eine Welle von Plänen, die man am liebsten am Folgetag umsetzen möchte. Eine Situation, mit der Gründer:innen – besonders wenn Veränderung auf der Agenda steht – tagtäglich konfrontiert sind. Firmen geht es ähnlich, wie Manuela Grundner, Co-Founderin der Grazer Beratungsagentur murbit und Co-Initiatorin der (Un)Conference Freiräume, weiß: Keine Zeit, kein Geld, kein Personal; wenn es um Innovationen geht, sind Unternehmen oft überfordert – denn ein forderndes Tagesgeschäft und Krisenmanagement würde oft alle Ressourcen verbrauchen.

Innovation gehemmt

Diese These wird von der globalen McKinsey-Studie „The State of Organisations“ aus dem Vorjahr unterstützt: Darin gelten zwei Drittel der Unternehmen als zu komplex und ineffizient – was die Produktivität und Innovationsfähigkeit hemme.

“In der operativen Arbeit bleibt wenig Platz für Neues, wenn wir nicht bewusst Dinge aus dem Weg räumen. Ohne Freiraum gibt es keine Innovation”, sagt Grundner, die sich mit New Work und Selbstorganisation in Unternehmen und in der Bildung auseinandersetzt.

“Die digitalen Technologien haben nicht zur erhofften Arbeitsentlastung, sondern zu einer weiteren Arbeitsverdichtung geführt”, meint Gregor Karlinger, Co-Initiator der Freiräume und Organisationsbegleiter bei Transferio – die Begeistermeister. Oder anders gesagt: Unternehmen sind häufig so stark mit dem Tagesgeschäft gefordert, dass sie kaum noch Raum und Ressourcen für Innovationen und Business Development haben.

Erfolgskriterien beim Weglassen nötig

Gerade der Jahresbeginn biete Anlass, zu hinterfragen: Was im Unternehmen bleiben soll, was weg darf und wie man Raum für Neues schaffen könne.

Wichtig dabei sei es, beim “Weglassen” Erfolgskriterien zu definieren, nach denen entschieden wird, was gestrichen wird und was bleibt: “Es geht darum, klug zu priorisieren und zu fragen: Wo wollen wir hin, was bringt uns voran, was nicht mehr, und was steht uns im Weg, um ans Ziel zu kommen?“, führt Grundner aus.

Sie und Karlinger haben daher zur Orientierung sechs Ebenen in Unternehmen skizziert, in denen durch “Weglassen” Platz für Innovation geschaffen werden kann. Diese sind:

  • Projekte: Gerade in der Wissensarbeit gibt es Handlungsbedarf: “Oft erlebe ich, dass Organisationen versuchen, viel zu viel quasi gleichzeitig zu machen, was zu einem Wildwuchs an Projekten führt. Es ist hilfreicher, sich auf einige wenige Projekte zu fokussieren, die wirklich einen Mehrwert bringen, die der DNA des Unternehmens entsprechen und auf die gesteckten Ziele einzahlen, statt parallel 17 Jonglierbälle in der Luft zu halten”, betont Karlinger. Wichtig sei bei der Entrümpelung von Projekten: Sich einen klaren Überblick zu verschaffen, die strategische Ausrichtung von Projekten zu hinterfragen und auch mutig zu sein, manche sterben zu lassen, die nicht mehr zum angestrebten Ziel beitragen.
  • Regeln: Karlinger ortet zudem in vielen Unternehmen auch historisch gewachsene Regeln, die oft zu einem Übermaß an Administration und damit Zeitverschwendung führen und nicht immer zielführend seien: “Regeln wurden oftmals geschaffen, weil fünf Prozent der Belegschaft eine Sache falsch gemacht haben. Für 95 Prozent der Mitarbeitenden wären die Regeln aber gar nicht nötig und kosten nur Energie und Zeit. Stichwort Reisekostenabrechnung: ich war selbst einmal in einem Unternehmen beschäftigt, das ein 70-seitiges Kompendium dafür vorgesehen hat”, erzählt er.
  • Digitale Tools und Prozesse: Bei der Digitalisierung entstehen, so die beiden Expert:innen, unnötige Zeit- und Energiefresser für die Belegschaft: “Oft werden einfach ineffiziente Prozesse digitalisiert, anstatt kritisch zu hinterfragen, ob sie überhaupt sinnvoll sind. Ein digitalisierter schlechter Prozess bleibt allerdings ein schlechter Prozess”, so Karlinger. Hinzu käme “verschlimmbesserte” Software auf Basis veralteter Systeme oder ein Chaos durch zu viele digitale Tools: “Die Automatisierung sollte auch genutzt werden, um ineffiziente Prozesse zu identifizieren und zu entrümpeln. Die Digitalisierung soll Freiräume für Neues schaffen, nicht noch mehr belasten. Änderungsbedarf sollte mit dem IT-Team und betroffenen Mitarbeitenden abgestimmt werden.
  • Arbeitsabläufe und Tätigkeiten: Ebenso kommen in dieser Aufzählung historisch gewachsene Routinen bei Arbeitsabläufen und Aufgaben hinzu. “Routinen müssen regelmäßig hinterfragt werden, um sicherzustellen, dass sie noch für die Zielerreichung Sinn machen und nicht nur aus Gewohnheit durchgeführt werden”, erklärt Grundner. “Wichtig ist dabei, die Arbeitsabläufe und Aufgaben ganz bewusst potenzialbezogen und nach Interessen und Kompetenzen der Mitarbeitenden zu verteilen. Häufig machen Mitarbeitende die Aufgaben in einer bestimmten Position und Abteilung, weil es immer schon so gemacht wurde. Hier geht viel Motivation verloren.”
  • Planung und Kontrolle: “Es macht keinen Sinn, sich komplett durchzuplanen und durchzutakten. Denn dann entsteht Scheuklappendenken. Günstige Gelegenheiten und glückliche Zufälle á la Serendipity für die Weiterentwicklung des Unternehmens werden dann übersehen”, sagt Karlinger. Zu viel Planung und Kontrolle der Mitarbeitenden etwa durch Micromanagement und Arbeitszeitaufzeichnungen würden die Organisation behäbig und starr werden lassen. “Die Frage ist: Was ist tatsächlich an Planung und Kontrolle notwendig und wo können gerade Führungskräfte mehr ins Vertrauen gehen und sich auf die Arbeitsergebnisse fokussieren?” Grundner rät, in einem Pilotprojekt oder im Team auszuprobieren, mit weniger Planung und Kontrolle zu arbeiten.
  • Meetings: Nur die Hälfte der Meetings wird als “gut genutzte Arbeitszeit” gesehen, 35 Prozent werden sogar als unnötig eingestuft, wie der internationale State of Work-Report des Collaboration-Tools Slack unter Desk-Workern zeigt. Laut dem Mc-Kinsey Report verbringen CEOs ganze 72 Prozent ihrer Arbeitszeit in Meetings: “Es braucht eine klare Meeting-Kultur, sonst werden Meetings zu Zeitfressern ohne wirklichen Mehrwert”, so Grundner abschließend. Sie empfiehlt zudem, das Prinzip der offenen Kommunikation zu etablieren: “Damit wird es Teil der Meeting-Kultur, dass Teilnehmende einander darauf hinweisen dürfen und sollen, sich an die Agenda zu halten.” Dies würde Meetings entschlacken und den Fokus auf Ergebnisse lenken., wie auch Karlinger erklärt: “Auch hier könnten Prinzipien eingeführt werden – etwa, dass Mitarbeitende selbst die Entscheidung treffen, an welchen Meetings sie teilnehmen – nämlich nur dann, wenn sie etwas Wichtiges dazu beitragen können.”
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Maimuna Mosser, Country Director Google Austria & Rainer Will, Geschäftsführer österreichischer Handelsverband
Maimuna Mosser, Country Director Google Austria & Rainer Will, Geschäftsführer österreichischer Handelsverband (c) Brutkasten

Künstliche Intelligenz hat in den letzten Jahren vor allem die digitale Welt geprägt. Weniger bekannt jedoch ist der Einfluss auf den österreichischen Handel. Neben Automatisierungsprozessen im Supply Management findet generative KI auch im Bereich des Costumer Care.

Am Dienstag versammelten sich deshalb Maimuna Mosser, Country Director Google Austria, Rainer Will, Geschäftsführer österreichischer Handelsverband und Joerg Bauer, Managing Director Sales, MediaMarkt Österreich für eine Pressekonferenz.

Dabei ging es nicht nur um die vom Google implementierten Anwendungen und wie diese von Konsument:innen verwendet werden, sondern auch konkret um den Einfluss von KI auf den österreichischen Handel und wie die MediaMarktSaturn Retail Group intern KI verwendet.

Konsument:innen informieren sich mehrheitlich online

“Unsere Fragen drehen sich einfach laufend darum: Wie können wir KI nutzen und was kann es bringen?”, sagt Maimuna Mosser, CEO von Google Austria, und betont die Wichtigkeit von Google für den Handel: im europaweiten Ranking der Suchmaschinen sprechen Konsument:innen Google das meiste Vertrauen aus. Das spiegelt sich auch in den Suchanfragen wider. Rund 61 Prozent der österreichischen Nutzer:innen informieren sich laut Smart Shopping Studie online nach neuen Produkten.

Um diese Menge an Anfragen präzise zu beantworten, greift Google wenig überraschend auf die Unterstützung durch KI-Modelle zurück – laut Mosser gilt das für alle Google Produkte. So auch für die Visuelle Suchengine “Google Lens”, also die Suche in reiner Bildform. “Wir haben rund 12 Milliarden visuelle Anfragen im Monat und davon ist bereits jede vierte kommerziell”, so Mosser.

Daneben gibt es auch im Bereich der Google Ads Neuerungen: Konkret wurde von Mosser hierbei die Anwendung von KI in der Tourismusbranche genannt, beispielsweise zur Erstellung statischer, neuartiger Bildern von Hotelzimmern auf Basis bereits vorhandener. Ob es für die Unternehmen am Ende tatsächlich hilfreich ist, ihre Bilder von einer KI zu generieren, sei dahingestellt.

“Der Handel war immer ein Innovationstreiber”

Erst im Juli dieses Jahres wurde eine von Google in Auftrag gegebene Studie der Implement Consulting Group veröffentlicht, welches Österreich bei gleicher Resourcennutzung ein potentielles Wirtschaftswachstum von 35 bis 40 Milliarden Euro rein durch die Nutzung von generativer KI zuschreibt. Das entspräche acht Prozent des BIP über die nächsten zehn Jahre – brutkasten berichtete.

Dieses Möglichkeit im volkswirtschaftlichen Wachstum liegt vor allem an der österreichischen Bereitschaft für Innovationen, angetrieben durch den Handel, meint Rainer Will vom österreichischen Handelsverband. “Man erkennt, dass unsere Unternehmen schon wahrgenommen haben, wie wichtig Innovation ist. Der Handel war immer ein Innovationstreiber”, so Will.

KI ist bereits bei 52 Prozent der Händler im Einsatz, wenn auch nur geringfügig wie etwa bei der Generierung von Produktbeschreibungen. Rund 37 Prozent der Händler verwenden KI-Tools breitflächig, etwa in der Prozesskette, beim Sortimentsmanagement oder auch im Marketing.

Die Studie der Implement Consulting Group zeigt im Trend eine klare Aufwärtsbewegung: 45 Prozent der Unternehmen planen, in den nächsten fünf Jahren in Künstliche Intelligenz zu investieren. Rund ein Drittel der österreichischen Unternehmen erwarten einen signifikanten Produktivitätsschub durch den Einsatz von generativer KI, wodurch etwa 2,8 Millionen Arbeitsplätze in Österreich künftig unterstützt werden können.

KI-Einsatz bei MediaMarkt & Saturn

Handelsunternehmen wie MediaMarkt & Saturn stellen sich die Frage: “Wie können wir hier diesen technischen Vorteil auch für uns nutzen?”, so Joerg Bauer. MediaMarkt & Saturn zählt sich zu den 37 Porzent, welche die breitflächige Anwendung von KI bereits implementierte.

Allem voran verwendet das Handelsunternehmen eine KI-basierte, interne Suchmaschine für Mitarbeiter:innen, welche firmeninterne Prozesse über einen Chat-Assistenten erklärt. Dieser soll vor allem vielschichtige SharePoint-Seiten obsolet machen.

Im Bereich Costumer Care spricht Bauer von First Level Support über einen Chat- & Voicebot welcher die Interaktion zu Kund:innen erleichtert. Im Kundenservice kommen diese Bots zum Einsatz, um Anfragen zu Öffnungszeiten, Rückgabeverfahren und Produktinformationen zu beantworten. Auch für Produktempfehlungen sowie bei SEO-Inhalten auf der Website verwendet der Konzern KI. 

Ziel des Handelsunternehmens ist es, einen generativen KI Costumer-Care-Hub zu entwickeln, welcher durch Echtzeitübersetzungen und durch Anpassung der Tonalität auf Emotionen der Konsument:innen reagieren kann. Zusätzlich soll der Costumer-Care-Hub unzeitgemäße Bedienungsanleitungen ersetzen und dem Handelsunternehmen, zeitaufwendige Support Anrufe aussparen. Dennoch spricht Bauer die menschliche Kundenberatung des Unternehmens nicht ab.

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