18.05.2017

Auf der Überholspur

Die Erfindung des Rads oder des Automobils – Revolutionen im Mobilitätsbereich haben unser Leben verändert. Und wieder stehen wir vor dem großen Umbruch.
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(c) Jakub Jirsák - fotolia.com : E-Mobility ist auf dem Vormarsch.
Drei Brüder entwickeln Akkus und Motoren für Elektroautos. Sie starten ein Business in einer Garage. Ihre Firma istauf Anhieb in den schwarzen Zahlen, im zweiten Geschäftsjahr machen sie bereits 15 Millionen Euro Umsatz. Eine weitere Erfolgsstory aus dem Silicon Valley?  Nein, die Rede ist von Kreisel Electric aus Freistadt, Oberösterreich. Große Autokonzerne lassen sich von den drei Brüdern und ihrem Team Prototypen bauen. Eine Serienfertigung ist bereits in Verhandlung, eine neue Fabrik im Nachbarort – komplett selbst finanziert – ist im Bau. Die Kreisels profitieren von einem Umbruch im Mobilitätsbereich, der vielerorts als Revolution bezeichnet wird. Und gerade in dem Bereich hat die Welt imLaufe der Geschichte schon einige Revolutionen erlebt – etwa die Erfindung des Rads, den Bau des transnationalen Eisenbahnnetzes, die Durchsetzung des Autos als Massenprodukt oder die Entwicklung großer Passagierflugzeuge. Es waren Innovationen, die die ganze Welt nachhaltigverändert haben – im Geschäfts- und im Privatleben.

Die Grenze zwischen Revolution und Entwicklung

Im Marketing ist das Wort „Revolution“ generell beliebt. Gerne wird dem eigenen Produkt die Fähigkeit zum großenUmbruch zugesprochen. Doch wo ist die Grenze zwischen Entwicklung und Revolution? Es geht darum, dass die gesamte Gesellschaft davon nachhaltig betroffen ist. Und die Hypes um Tesla, Google Cars, Uber und noch viele mehr deuten darauf hin, dass im Moment sogar mehrere Revolutionen parallel im Gange sind. E-Mobility, selbstfahrende Autos und die Entinstitutionalisierung des Personenverkehrs sind schließlich vordergründig nicht miteinander verbunden, haben aber alle das Zeug dazu, die Mobilität nachhaltig zu verändern. Und es passiert derzeit noch viel mehr, auf das das zutrifft.

Das Auto als Handy-App

Einen dieser Umbrüche drückte Audi-Elektronik-Entwicklungschef Ricky Hudi beim Pioneers Festival etwa so aus: „Bald hat ein Auto keine andere Funktion mehr als eine App am Handy.“ Dazu sprach er aus, woran alle großen Corporates im Mobilitäts-Bereich sich nun messen müssen: „Die Industrie ist in einer disruptiven Phase. Es ist schwer, mitzuhalten und den Anschluss nicht zu verlieren.“ An dieser Disruption haben, wie auch in anderen Branchen, Startups einen erheblichen Anteil. Und auch österreichische Gründer treiben die Revolutionen im Mobilitätsbereich voran. Da wären etwa im E-Mobility-Sektor die zuvor erwähnten Kreisel-Brüder oder NRGkick aus der Steiermark, die mit einem Converter das Aufladen von E-Cars an Haussteckdosen ermöglichen.
Dazu kommen mehrere E-Bike-Startups und diverse Carsharing-Plattformen mit unterschiedlichem Fokus. Das Wiener Startup Parkbob hat mit seiner App zur Parkplatzsuche in Österreich überhaupt ein neues Segment eröffnet.

Vernetzung als Chance

In welchem Mobilitäts-Bereich die besten Chancen für Startups bestehen, lässt sich natürlich nicht leicht sagen. ÖAMTC-Chef Oliver Schmerold sieht für österreichische Jungunternehmen vor allem die Vernetzung als Chance:„Wo einzelne Verkehrsanbieter zu träge sind, können Startups die Brücke bilden“, sagt er gegenüber dem Brutkasten. Denn die große Herausforderung im Moment sei die möglichst barrierefreie Vernetzung unterschiedlicher Mobilitätsarten mit digitalen Services. Die Hardware, also die Verkehrsmittel, seien bereits vorhanden. Im Softwarebereich bestünde dagegen noch viel Potenzial.
Auf die E-Mobility angesprochen, nimmt Schmerold das Wort „Revolution” nicht in den Mund. Er gehe zwar davon aus, dass sie  einen fixen Platz einnehmen werde, glaubt aber nicht, dass Verbrennungsmotoren komplett ersetzt werden. „Man braucht für unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse unterschiedliche Fahrzeuge“, sagt er. Und man werde, so seine Prognose, zusehends davon abkommen, all diese Fahrzeuge selbst besitzen zu wollen. Der Carsharing-Sektor werde dadurch wachsen – nicht nur durch kommerzielle Anbieter, sondern auch im Peer-to-Peer-Bereich. Folgt man Schmerold, könnte also fast exakt hundert Jahre, nachdem mit dem Ford Modell T die Revolution zur Individualisierung des Personenverkehrs eingeläutet wurde, nun eine andere Revolution zu einer neuen, verbesserten Form der Kommunalisierung zurückführen.

Veränderung im Peer-to-Peer-Bereich

Startups zeigen, dass sie von Carsharing sowohl im kommerziellen als auch im Peer-to-Peer-Bereich profitieren können. In Österreich gibt es da etwa das Vorarlberger Startup Caruso, das ein System für genossenschaftlich genutzte Elektroautos an fixen Plätzen entwickelt hat. Der Dienst zielt, anders als die meisten anderen in dem Bereich, vor allem auf ländliche Regionen ab. Und es gibt bereits Standorte in ganz Österreich. Im Peer-to-Peer-Bereich wäre etwa das Wiener Startup Ibiola zu nennen. Über die Plattform carsharing24/7 wird das private Teilen von Fahrzeugen organisiert. Menschen, die ihr Auto selten nutzen, können so die Fixkosten mit anderen Nutzern teilen.

Die Revolution frisst ihre Kinder

Welche der derzeitigen Entwicklungen nun als Revolution in die Geschichte eingeht, wird wohl erst in vielen Jahren endgültig geklärt sein; das Potenzial haben jedenfalls viele. So gut viele Startups diese möglichen Revolutionen im Mobilitäts-Sektor für sich nutzen können, müssen deren Founder jedoch trotzdem eine über 200 Jahre alte Erkenntnis im Hinterkopf behalten. Der Französische Revolutionär Pierre Vergniaud prägte am Schafott, bevor er seinen Kopf verlor, die geflügelten Worte: „Die Revolution frisst ihre Kinder.“ Selbst maßgeblich am Gelingen der Französischen Revolution 1789 beteiligt, wurde er, wie sehr viele seiner Mitstreiter, 1793 von einer konkurrierenden Revoltionärsgruppe hingerichtet. Ein weniger

blutiges, aber doch ähnliches Schicksal hatten im Laufe der Geschichte auch viele Unternehmer, die an technischen Revolutionen beteiligt waren, man denke nur andie Luftfahrtpioniere Gebrüder Wright, deren Unternehmen scheiterte, während andere mit ihren Entwicklungen reich wurden.
Startups muss klar sein: Technische Revolutionen werden nie nur von einem Unternehmen getragen. Und wer nicht dierichtige Strategie und das richtige Timing hat, wird eben gefressen.
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SSCH Büro Wien
Das neue SSCH Büro in Wien (c) SSCH

Das ursprünglich im oberösterreichischen Hagenberg angesiedelte Forschungszentrum Software Competence Center Hagenberg (SCCH) findet sich seit November diesen Jahres auch in Wien. Das neu eröffnete Büro in der Bundeshauptstadt ist bei der TÜV AUSTRIA Data Intelligence angesiedelt.

Das Forschungszentrum SSCH befasst sich seit rund 25 Jahren mit Data- & Software-Science. Die außeruniversitäre Einrichtung fokussiert sich dabei auch schon länger auf die enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Startups (brutkasten berichtete).

Office in der Innenstadt 

„Der Hauptsitz des SCCH ist Hagenberg, hier sind wir fest verankert. Allerdings haben wir viele Mitarbeiter:innen aus Niederösterreich oder Wien, die gerne das Angebot eines Büros in Wien nützen. Das bietet uns auch unmittelbaren Zugang zu potenziellen Kunden und neuen Geschäftsmöglichkeiten“, sagt CEO Markus Manz.

Ein weiterer Vorteil für Manz sind die zahlreichen Studierenden in der Stadt: „In Wien finden wir sehr gut ausgebildete Fachkräfte. Regelmäßig vergeben wir Praktika, Masterarbeiten und natürlich auch konkrete Jobangebote. Nicht alle wollen ihren Lebensmittelpunkt nach Oberösterreich verlegen – jetzt können wir ihnen auch hier attraktive Arbeitsplätze vor Ort anbieten.“

Austausch mit TÜV

Das neue SCCH-Büro ist bei der TÜV AUSTRIA Data Intelligence angesiedelt. Diese ist Teil der TÜV Austria Gruppe und entwickelt KI- und Softwarelösungen, die auf die spezifischen Anforderungen von Unternehmen zugeschnitten sind. Ziel ist es, Geschäftsprozesse und Entscheidungen durch digitale Werkzeuge wie Data Engineering, Data Science und Machine Learning zu vereinfachen und zu optimieren.

„Sowohl im Team von TÜV AUSTRIA Data Intelligence als auch beim SCCH arbeiten hochqualifizierte Expert:innen. Der interdisziplinäre Austausch – sei es beim Kaffee oder in gemeinsamen Projekten – bringt beiden Unternehmen spürbare Vorteile“, betont Martin Hofstätter, General Manager von TÜV AUSTRIA Data Intelligence.

Zusammenarbeit bei der Zertifizierung von KI  

Das Joint Venture von TÜV AUSTRIA und SCCH arbeitet in enger Kooperation mit dem Institut für Maschinelles Lernen der JKU Linz daran, die neuesten Standards im Bereich der KI-Sicherheit zu entwickeln und zu sichern. „Wir beobachten ein steigendes Interesse an der Zertifizierung von KI-Systemen. Hier in Wien können wir unser Know-how optimal an Kunden, Interessensvertretungen und Netzwerkpartner weitergeben“, sagt Markus Manz.

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