05.06.2024
RAUMFAHRT

Astronaut Scott Parazynski über die Kunst des Fundraisings

Scott Parazynski ist ausgebildeter Arzt, Astronaut – und nun auch Serial Entrepreneur. Mit brutkasten hat der US-Amerikaner darüber gesprochen, wieso seine neueste Berufung als Startup-Gründer die bisher härteste ist.
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Scott Parazynski beim Training zu seiner Zeit als NASA-Astronaut. (c) Picryl

Scott Parazynski war auf dem Everest, hat als Unfallarzt gearbeitet und heikle Missionen im All bestritten – allesamt prekäre Situationen, die viel Mut und noch mehr Vorbereitungen erfordern. Umso erstaunlicher, dass der „AstroDoc“, wie er sich auf Social Media nennt, sein jetziges Dasein als Startup-Unternehmer als den schwierigsten Abschnitt seiner bisherigen Karriere bezeichnet.

Scott Parazynski am diesjährigen Wiener Exporttag

Gründer von Fluidity, OnwardAir und Jabs Medtech, zusätzlich noch Co-Gründer und Teammitglied von mehreren anderen Startups: Scott Parazynski hat innerhalb einer knappen Dekade mehr Gründungserfahrung gesammelt als viele Unternehmer:innen in ihrem ganzen Leben.

„Mit dem breiten Skillset, der Menge an Leute, die man involvieren muss, und dem nötigen Durchhaltevermögen ist Entrepreneurship bestimmt gleichauf mit den Herausforderungen, die sich einem stellen, wenn man Astronaut wird oder ein Medizinstudium absolviert“, so Parazynski. Am diesjährigen Exporttag der WKÖ am 18. Juni in Wien spricht der 62-Jährige über seine Startups – und woher er seinen Unternehmergeist hat.

Von drei Dollar am Konto zu achtzigtausend Dollar schweren Investments

Sein erstes Startup, Fluidity Technologies, gründete Parazynski im Jahr 2016. Mittlerweile wurde es verkauft; was bleibt, sind die vielen Lektionen, die er für weitere Gründungen mitnehmen konnte. Als “Bumps in the Night” bezeichnet er die unvorhersehbaren Hürden, mit denen er und sein Team mit Fluidity oft unerwartet zu kämpfen hatten.

Zum Beispiel während der Series-A-Runde, als bürokratische Verzögerungen zu weiteren Verstrickungen führten, bis das fünfköpfige Team nur noch knapp drei US-Dollar auf dem Bankkonto hatte. Auf die Frage: „Was nun, Boss?“, antwortete Parazynski: „Wir rufen jede einzelne Person an, die wir in unserem Leben je getroffen haben, erzählen ihnen von Fluidity und versuchen, Investments zu holen.“ Und siehe da: innerhalb von 48 Stunden schaffte es das Team, ein Netzwerk an Interessenten zu knüpfen, das in kürzester Zeit mit rund 80.000 US-Dollar Fluidity wieder liquide machte.

Kapitalgeber:innen den Hof machen

Nach Fluidity gründete er letztes Jahr das Tech-Startup OnwardAir, das sich auf chirurgische Robotik, Transportation und Evakuierung spezialisiert, und das MedTech Jabs, das darauf abzielt, die Kommunikation zwischen Gesundheitsdienstleistern zu verbessern. Mittlerweile haben vor allem Business Angels in diese Startups investiert.

Die Investmentsuche bezeichnet Parazynski als „den schwierigsten Teil eines jeden Startups“. Laut ihm reiche eine gute Idee nicht aus, um erwarten zu können, dass Investor:innen ihr Geld nach einem werfen. Man müsse sie hofieren, um sie werben – eine Kunst, in der Parazynski, wie er selbst sagt, mittlerweile recht gut geworden sei.

USA ≠ USA

In Europa, wo Startups oft Schwierigkeiten mit Fundraising haben, hält sich nach wie vor das Bild von den USA als das Land, in dem Milch und Honig in Form von Risikokapital fließen – aber wie sieht Parazynski das? „Ich glaube, das ist regional unterschiedlich“, sagt er. „In Silicon Valley, Boston und einigen anderen Orten an den Küsten gibt es viel Geld, das guten Ideen zur Verfügung steht. In Texas hier ist es etwas schwieriger.“ Laut ihm würden Kapitalgeber:innen vor allem in ihnen vertraute Themen investieren – in Houston sei das vor allem Energie. Für Parazynskis Ideen in den Bereichen Tech, Raumfahrt und Gesundheitswesen sei nicht annähernd so viel Kapital da.

„Ein doofes kleines Spiel, das ich mit mir selbst spiele“

Parazynskis Strategie, um seine Startups trotzdem abzusichern: „Ich habe mir zu Herzen genommen, immer für Regentage abgesichert zu sein“, sagt er. Das bedeute, Reservepolster einzurichten und Plan A bis F auszuarbeiten – auch wenn es unangenehm sei, Worst-Case-Szenarien durchzudenken. „Ich bereue es nicht, dieses Leben gewählt zu haben“, sagt der Ex-Astronaut. „Es ist eine große Entschädigung zu sehen, wie neue Technologien das Leben von Menschen verändern.“

Mittlerweile, so Parazynski, sehe er die Welt durch eine Linse, mit der er ständig versuche, Probleme zu finden, die eine Lösung brauchen. „Das ist ein doofes kleines Spiel, das ich mit mir selber spiele“, sagt er. Ein Spiel, das wahrscheinlich nie zu Ende gehen wird – man darf also gespannt sein, welche Züge seine nächsten sein werden.

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Tractive, Hauster Versicherung, Insurance, Pet Cover
(c) Tractive - Michael Hurnaus, CEO von Tractive.

Er hat es bereits im Mai angekündigt und nun erreicht. Beim Pet-Tracking-Scaleup Tractive stehen aktuell 100 Millionen Euro jährlich wiederkehrender Umsatz zu Buche. Gründer Michael Hurnaus sieht mehrere Aspekte, die dem Erfolg zugrundeliegen.

Tractive: “Mitarbeiterwachstum kein Indikator”

“Wir hatten immer schon 40 bis 50 Prozent Wachstum, haben aber dabei immer im Vordergrund gehabt, nicht das Mitarbeiterwachstum als Indikator zu sehen, sondern nachhaltig zu wachsen”, sagt er. “Wir bewegen uns mit dem Haustiermarkt in einem dankbaren Markt, ja. Aber unsere gute Arbeitsleistung kommt nun zurück. Da hat uns die 4-Tage-Woche sehr geholfen. Wir haben nicht die faulen Mitarbeiter bekommen, die nur vier Tage arbeiten wollen, sondern gute Leute, die sich mit der Firma identifizieren.”

Das Paschinger Startup wagte erst vor rund dreieinhalb Jahren den Sprung in die USA, der auch gut vorbereitet war. “Wir haben acht Jahre lang gewartet, diesen Schritt zu gehen”, erklärt Hurnaus. “Wir wussten, wenn wir ‘in Europa gewinnen’, dann wird es leichter für uns, als für einen US-Amerikaner, der nach Europa will. Wir haben hier verschiedenen Länder, mehr Sprachen und unterschiedliche Währungen. Für uns war es die richtige Entscheidung.”

USA überholt Deutschland

Mittlerweile hat der US-Markt den bisherigen Spitzenreiter Deutschland überholt. Schätzungsweise 66 Prozent der US-Haushalte oder etwa 86,9 Millionen Familien besitzen in den Vereinigten Staaten ein Haustier. Dies geht aus der National Pet Owners Survey 2023–2024 der American Pet Products Association (APPA) hervor.

“Unsere Marktpenetration ist wesentlich geringer als in Deutschland”, sagt Hurnaus. “Wir werden im ersten Quartal 2025 auch in Mexiko launchen, in den nächsten beiden Jahren aber keine weitere Erweiterung anstreben. Der Fokus bleibt auf diesen Märkten.”

Tractive bald in Mexiko

Tractive hat in der Zeit seines Bestehens eine Wandlung erfahren. Jedes zweite Jahr hat man bisher ein Produkt für Hund und Katze herausgebracht – vor wenige Wochen den neusten Tracker. Dabei aber “sehr stark eine Transformation durchlaufen”, wie der Founder erklärt. Weg vom einfachen GPS-Tracker hin zum Gesundheitstracker.

“Es ist ein Frühwarnsystem und soll nicht den Tierarzt ersetzen. Wir sagen nur, dass wir etwas bemerkt haben, eine Veränderung im Verhalten oder bei der Bewegung, etc…”, erklärt Hurnaus. “Da steckt viel Potential darin. Denn wir haben erkannt, dass Leute den Bedarf haben, zu wissen, wie es dem eigenen Haustier wirklich geht.”

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