06.08.2018

Grazer Artis bläst ICO ab: “Es ist ein toxisches Umfeld”

Ende Mai war der Pre-Sale zum ICO des Grazer Blockchain-Startups Artis gestartet. Ende September hätte der Token Sale beginnen sollen. Der wurde nun abgesagt. Wir sprachen mit CEO Thomas Zeinzinger
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Artis-ICO abgesagt - Interview mit Thomas Zeinzinger
(c) Artis: Das Team

“Wir sind in den vergangenen Monaten tief in die Logiken von Token-Sales eingetaucht”, erzählt Thomas Zeinzinger, CEO des Grazer Blockchain-Startups Artis, im Gespräch mit dem Brutkasten. Und es sei klar geworden: “Der ICO-Hype wurde zu einem richtigen Industriezweig, der mehr Schattenseiten als positive Beispiele aufweist”. Er geht noch weiter: “Es ist ein toxisches Umfeld. Oder auf Österreichisch: Es ist richtig schiach!”. Deswegen habe man beschlossen, den Artis-ICO, dessen Pre-Sale seit Ende Mai lief und der Ende September starten hätte sollen, abzublasen. “Wir hätten uns sonst massiv verbiegen müssen”, sagt Zeinzinger.

Zahlungsflüsse in Echtzeit bei Artis

Tatsächlich tritt Artis, das aus der Grazer “Blockchain-Genossenschaft” Lab10 Collective entstanden ist, mit einem Maß an Idealismus an, wie man es in der Krypto-Welt nur noch selten antrifft. Begriffe wie Fairness, die Idee der “Sharing Economy”, der nachhaltige Einsatz von Energie und Verteilungsgerechtigkeit stehen im Zentrum des Konzepts. Dabei geht es durchaus um das liebe Geld. So genannte “Streems” sollen Zahlungsflüsse in Echtzeit ermöglichen. Die Abrechnung von Leistungen – ein besonders simples Beispiel sind Park-Gebühren – soll durch dieses “fließende Geld” fairer und effizienter werden. Basis dafür ist die Ethereum-Blockchain. Als Kooperationspartner wurden einige der großen und vor allem seriösen Player in der österreichischen Blockchain-Landschaft gewonnen, etwa das Austrian Institute of Technology (AIT) oder das Wiener WU-Kryptoinstitut.

Archiv: Video-Interview beim Artis-Launch-Event

“Überall hört man nur Marketing-Bla-Bla”

Bei einem Blockchain-Projekt dieses Umfangs lag natürlich auch der ICO als Finanzierungsinstrument nahe. Doch rund zwei Monate nach Start des Pre-Sale wirkt Zeinzinger, was den Token Sale angeht, merkbar resigniert. “Es ist fast unmöglich, sein Projekt sinnvoll zu kommunizieren. Überall hört man nur Marketing-Bla-Bla. Es geht nur darum, wer am lautesten schreien kann und nicht um die Qualität des Konzepts”, sagt er. Dem Großteil der Einzelinvestoren fehle letztlich die Urteilsfähigkeit, sie würden dem Herdentrieb folgen.

Es geht nur ums Geld Machen

Fast noch mehr stört den CEO aber eine weitere Dynamik, die sich mit dem ICO-Hype entwickelt habe. “Großinvestoren steigen bei vielen Tokens bereits im Pre-Sale stark ein und pushen den Preis, was FOMO (Anm. “fear of missing out”) erzeugt. Wenn dann die Kleininvestoren kommen, steigen sie wieder aus. Der Preis stürzt ab und das Projekt ist tot, egal ob es gut oder schlecht aufgesetzt war”. In dieser Dynamik müsse man letztlich eine Strategie fahren, bei der es nur mehr ums Geld Machen ginge. Oder man entscheide sich gegen den ICO. “Wir haben die zweite Option gewählt”, sagt Zeinzinger.

Archiv: Thomas Zeinzinger beim FifteenSeconds u.a. über den Artis-ICO

Pre-Sale-Anleger bekommen Ether zurück

Finanziell sei man nicht auf das Kapital aus dem Token Sale angewiesen, betont der Gründer. “Wir fühlen uns jetzt sehr wohl mit dieser Entscheidung. Es ist für das ganze Team eine ziemliche Entlastung – mental und auch zeitlich. Wir sind jetzt wieder viel näher an dem, was wir machen wollen und haben ausreichend Kapazitäten dafür”. Allen, die bisher in den Pre-Sale des Artis-ICO investiert hatten, werde man nun mit Hilfe von Anleitungen zeigen, wie sie ihre Ether wieder herausholen können.

Arbeit an der “Plasma Chain”

Indessen habe es auch technisch weitere Entwicklungen im Projekt gegeben.”Es geht in Richtung Plasma Chain”, sagt Zeinzinger. Dabei handelt es sich um ein erst vor wenigen Monaten vorgestelltes Konzept, dass das Skalierungsproblem der Ethereum-Blockchain lösen soll (vereinfacht: ähnlich dem Lightning Network bei Bitcoin). “In zwei bis drei Jahren wird niemand mehr über Transaktionen pro Sekunde reden”, ist Zeinzinger sicher. Und für die Implementierung bedürfe es auch beim Artis-Team nun intensiver Entwicklungsarbeit. Daneben wolle man weiter am Ausbau der Business-Kontakte arbeiten, bevor man sich in weitere Folge den EndkundInnen zuwenden werde.

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(c) Adobestock

Wie steht es um die Haltung und Aktivitäten rund um Nachhaltigkeit in der heimischen Wirtschaft? Ein umfassendes Bild liefert eine neue Befragung der Unternehmenberatung Deloitte, die gemeinsam mit Foresight im Herbst 2024 über 400 Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiter:innen befragt hat.

Strategische Verankerung fehlt

Das Ergebnis: Unternehmen erkennen zunehmend die Relevanz von Nachhaltigkeit. So schätzen 86 Prozent der Befragten das Thema als entscheidend für ihren künftigen Geschäftserfolg ein. Zudem haben mehr als die Hälfte der Unternehmen Maßnahmen zur Dekarbonisierung eingeleitet, etwa durch Photovoltaikanlagen oder den Umstieg auf grünen Strom. Diese Maßnahmen bleiben laut Deloitte jedoch häufig oberflächlich. Die strategische Verankerung von Nachhaltigkeit im Kerngeschäft – inklusive klarer Zielsetzungen – ist oft nicht ausreichend ausgeprägt.

“Zwar setzen viele Betriebe bereits Einzelmaßnahmen um, aber es fehlen die strategische Verankerung sowie klar definierte und laufend überprüfte Nachhaltigkeitsziele. Die nachhaltige Transformation kann allerdings nur mit einem klaren strategischen Fokus gelingen“, so Karin Mair, Managing Partnerin Risk Advisory & Financial Advisory bei Deloitte Österreich.

Geschäftskunden üben Druck aus

Besonders der Druck aus den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen treibt Unternehmen an. 60 Prozent der Befragten berichten, dass ihre Geschäftskunden (30 Prozent) sowie öffentliche und private Kunden die Haupttreiber für Nachhaltigkeitsmaßnahmen sind. Dieser Druck wird durch strikte Berichtspflichten und die zunehmende Nachfrage nach Transparenz verstärkt.

Im Fokus vieler Nachhaltigkeitsagenden steht vor allem die Reduktion der CO2-Emissionen. 61 Prozent der Befragten haben dazu zwar mit der Umsetzung konkreter Maßnahmen begonnen, hinsichtlich der erwartbaren Kosten für eine umfassende Dekarbonisierung herrscht aber große Unsicherheit. So kann oder will über ein Drittel (39 Prozent) derzeit keine Angaben über die diesbezügliche Kostenveranschlagung des Unternehmens machen.

Investitionsbereitschaft geht zurück

Gleichzeitig geht auch die Investitionsbereitschaft zurück: Der Anteil jener Betriebe, die von 500.000,- bis über fünf Millionen Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Dekarbonisierung aufwenden wollen, ist von 26 Prozent im Vorjahr auf 17 Prozent gesunken.

Ein wesentlicher Stolperstein ist die fehlende Klarheit bei der Umsetzung europäischer Richtlinien in nationales Recht. Rund ein Viertel der Unternehmen in Österreich weiß noch nicht, ob sie von der neuen Berichtspflicht betroffen sind, was Unsicherheiten bei der Planung verstärkt. Gleichzeitig bleibt die Bürokratie für viele kleinere Unternehmen eine fast unüberwindbare Hürde.



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