03.09.2020

Anteil gesunken: Nur 14 von 191 ATX-Vorständen sind Frauen

Der Anteil von Frauen in Vorständen von ATX-Unternehmen ist von 7,7 auf 7,3 Prozent gesunken, wie eine aktuelle Studie zeigt.
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Frauenanteil in Unicorns und Konzernen gering
(c) Adobe Stock / Elnur

Der Gendermix kommt bei börsennotierten Unternehmen in Österreich nicht wirklich vom Fleck. So ergibt eine aktuelle Untersuchung von EY, dass zum Stichtag 1. August 2020 nur 14 von insgesamt 191 Vorstandsmitglieder in ATX-Konzernen Frauen sind. In absoluten Zahlen stagniert die Anzahl somit, in prozentuellen Anteilen ist es sogar ein Rückgang von 7,7 auf 7,3 Prozent. Grund dafür ist, dass der Anteil der Frauen in Vorstandsetagen gleich geblieben ist, es unter den Männern hingegen neun Neuzugänge gab.

Gleichberechtigung erst im Jahr 2073?

„Dieses eindeutige Missverhältnis zeigt, dass der Aufstieg für Frauen in die Vorstandsetagen weiterhin sehr schwierig ist und die Unterstützung von Politik, Unternehmen und auch vom persönlichen Umfeld teilweise fehlt“, sagt dazu Helen Pelzmann, Partnerin (EY Law) und Verantwortliche für die Initiative „Women. Fast Forward“ bei EY Österreich: „Wenn die Zahl der Frauen weiter im Tempo der letzten Jahre von unter einem Prozentpunkt steigt, wird es bis zum Jahr 2073 dauern, bis in den Vorstandsgremien 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer sitzen.“

Fünf Branchen ohne Frauen im Vorstand

Nach wie vor ist in 45 von 58 österreichischen börsennotierten Unternehmen noch keine Frau im Vorstand vertreten. Immerhin drei der insgesamt 14 Frauen in Vorstandsetagen leiten das Unternehmen als CEO: Herta Stockbauer bei der BKS Bank, Karin Trimmel beim Kräuterlikörhersteller Gurktaler und Elisabeth Stadler bei der Vienna Insurance Group. Sechs Frauen stehen dem Finanz-Ressort vor.

Die meisten Frauen sind momentan in den Chefetagen in der Konsumgüterbranche anzutreffen, wo ihr Anteil bei 19 Prozent liegt. An zweiter Stelle folgt die IT-Branche (12,5%) und an dritter Stelle die Finanzbranche (7,7%). Keine einzige Vorständin gibt es in fünf Branchen: Automobil, Immobilien, Rohstoffe, Telekommunikation und Transport.

Die Gründe für die Stagnation

Doch woran liegt es, dass die Entwicklung so langsam voranschreitet? „Obwohl Unternehmen immer mehr den Wert und die Notwendigkeit von vielfältig zusammengestellten Teams erkennen und auch wissen, dass sie im ‚War for Talents‘ nicht auf Frauen verzichten können, scheuen sie diesen Veränderungsprozess noch in den obersten Leitungsfunktionen und verkennen so auch die hohe Symbolkraft weiblicher Führungskräfte“, sagt Pelzmann: „Dies gilt nicht nur in Hinblick auf junge weibliche Nachwuchskräfte, sondern für die junge Generation insgesamt, der Diversität sehr wichtig ist.“

Keine Frauen in den Vorstandsetagen seien „ein starkes Indiz, dass es sehr wohl Aufstiegshindernisse gibt und Tradition anstatt Wandel, Aufbruch und Fortschritt gelebt wird. Es braucht jedenfalls gemeinsame Anstrengungen, um zu verhindern, dass die zarten Entwicklungen der letzten Jahre durch die Coronakrise zunichte gemacht werden“, so Pelzmann.

Corona bremste die Entwicklung

„Wie unterschiedliche Studien zeigen, hat die Corona-Pandemie zu einer verstärkten Rückkehr traditioneller und überholter Geschlechterstereotypen geführt. Um den Haushalt und Homeschooling haben sich vermehrt die Frauen in der Familie gekümmert, auch weil sie öfter in Teilzeitstellen arbeiten“, sagt Pelzmann: „Hier sind die Unternehmen gefordert, durch ein flexibles Arbeitsumfeld und die Möglichkeit, von Zuhause zu arbeiten, eine gute Grundlage zu schaffen, um beiden Geschlechtern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern und dadurch die Gleichstellung der Frauen voranzutreiben.“

Mehr Frauen im Aufsichtsrat

Einen Lichtblick gibt es trotzdem, denn immerhin ist der Anteil weiblicher Mitglieder in den Aufsichtsräten gestiegen: Seitdem mit 1. Jänner 2018 die gesetzliche Genderquote von 30 Prozent in Kraft getreten ist, erhöhte sich der Frauenanteil in den Kontrollgremien der österreichischen WBI-notierten Unternehmen von 18,8 auf 27,2 Prozent.

Das liegt daran, dass jene österreichischen im WBI notierten Unternehmen, die die Quote erfüllen müssen, mehr Frauen in den Aufsichtsräten haben. Gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt ist die Zahl der Frauen in den Aufsichtsräten der österreichischen WBI-Unternehmen von 26,3 auf 27,2 Prozent gestiegen. Von den derzeit 534 Aufsichtsratsmitgliedern der im WBI notierten österreichischen Unternehmen sind 145 Frauen.

Der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder ist damit bereits das siebte Halbjahr in Folge gestiegen. In 66 Prozent der gelisteten österreichischen Unternehmen sind inzwischen mindestens zwei Aufsichtsräte Frauen, bei 81 Prozent gibt es zumindest ein weibliches Gremiumsmitglied.

Am höchsten ist der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder wie im Vorjahr in der Energiebranche (35,5%), wo jedes dritte Aufsichtsratsmitglied eine Frau ist. Ähnlich hoch ist der Anteil in der Finanz- (33,1%), Transport- (29,6%) und Telekommunikationsbranche (26,7%).

Quote wirkt – doch es gibt Aufholbedarf

„Bei der Einführung der Quotenregelung für Aufsichtsräte gab es viele Bedenken und Diskussionen. Auch wenn Quoten sicher kein Allheilmittel sind, sehen wir in diesem Fall einen ganz klaren Effekt. Seit der Einführung vor zweieinhalb Jahren ist der Frauenanteil in den Kontrollgremien deutlich gestiegen. Die Quote hat die Themen Diversität und Gleichstellung deutlich nach oben an die Spitze der Unternehmens-Agenda gehievt. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass gemischte Teams besser arbeiten und auch die wirtschaftliche Performance des Unternehmens positiv beeinflussen“, sagt Pelzmann.

Trotz deutlicher Fortschritte bei der ausgewogenen Besetzung von Aufsichtsräten gebe es immer noch Aufholbedarf, sagt Pelzmann: „Die Genderquote zeigt Wirkung, es gibt 44 weibliche Aufsichtsratsmitglieder mehr als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens. Dieser Zuwachs ist zu einem überwiegenden Teil darauf zurückzuführen, dass jene österreichischen im WBI notierten Unternehmen, die die Quote erfüllen müssen, mehr Aufsichtsratsposten an Frauen vergeben haben. Allerdings ist das Ziel noch nicht erreicht. Fast jedes vierte verpflichtete österreichische Unternehmen erfüllt die Genderquote im Aufsichtsrat noch nicht.“

Auch hier sei die Corona-Pandemie der Grund dafür, dass es im vergangenen halben Jahr vergleichsweise wenig Veränderung gab, sagt Pelzmann: „Manche Unternehmen haben ihre planmäßige Hauptversammlung und damit auch die Neubestellung des Aufsichtsrats in den Herbst verschoben. In den nächsten Monaten werden wir wieder deutlich mehr Bewegung sehen.“

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Wiener Startup von Maggie Childs erleichtert Ukrainer:innen den Zugang zum Arbeitsmarkt

Das Wiener Startup mypaperwork.ai ist kürzlich mit seinem ersten Produkt online gegangen. Der KI-gestützte Assistent soll ukrainischen Geflüchteten dabei helfen, die Antragstellung für die RWR-Plus-Karte erheblich zu vereinfachen.
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Das Founder-Team von © mypaperwork.ai (v.l.): Benjamin Wolf, Maggie Childs, Vít Lichtenstein.

Neben Schnitzel, Arnold Schwarzenegger und Red Bull ist Österreich noch für eine andere Sache bekannt: Bürokratie. Für viele Einwander:innen gestaltet sich der Zuzug ins Land häufig schwierig – komplizierte Formulare und ein Mangel an Digitalisierung machen den Prozess oft mühsam. Genau hier setzt das Wiener Startup mypaperwork.ai an: Es hat es sich zum Ziel gesetzt, den Umzug für Menschen aus dem Ausland zu erleichtern.

Durch den Einsatz eines KI-Assistenten sollen Migrationsprozesse automatisiert werden und strukturierter ablaufen. Nun hat mypaperwork.ai sein erstes Produkt offiziell auf den Markt gebracht – eine Lösung, die sich speziell auf die Visumantragstellung für Ukrainer:innen konzentriert. „Aber das ist erst der Anfang. Wir bauen digitale Tools, die Migration und Bürokratie in ganz Europa fairer, schneller und verständlicher machen“, behauptet das Startup. Im Gespräch mit brutkasten erzählen die Co-Founder Maggie Childs und Benjamin Wolf, wie ihr Startup den österreichischen Arbeitsmarkt nachhaltig verändern möchte.

mypaperwork.ai bringe „Klarheit, Struktur und Sicherheit“

Für viele kann der Einwanderungsprozess nach Österreich überwältigend sein. Eine fremde Sprache, komplexe gesetzliche Vorgaben und zeitaufwändige Behördengänge gehören oft dazu. Der KI-Assistent von mypaperwork.ai soll “Klarheit, Struktur und Sicherheit bringen beim Beantragen des österreichischen Visums”, so das Startup.

Kürzlich wurde das erste Produkt vorgestellt: der sogenannte “RWR-Plus-Anwendungsassistent”. Diese digitale Lösung richtet sich “wirklich konkret an Ukrainer, die von ihrer blauen Karte für Vertriebene auf die Rot-Weiß-Rot-Karte Plus umsteigen”. Derzeit leben rund 88.000 ukrainische Menschen in Österreich. Will man bleiben, muss man bald den befristeten Schutzstatus in einen langfristigen Aufenthaltstitel (RWR-Plus-Karte) umwandeln.

Das Team arbeitet bereits seit einiger Zeit an der Plattform und gründete das Unternehmen im März 2024 als FlexCo. “90 Prozent der Features, die wir live haben wollten, sind jetzt live. Wir sind sehr sehr glücklich darüber”, sagt Co-Founderin und CEO Maggie Childs. Derzeit ist die Plattform ausschließlich in Österreich verfügbar, denn “Österreich ist doch auch unter allen europäischen Ländern laut vielen Quellen am schwierigsten und wir dachten uns: if you can make it there, you can make it anywhere.”

KI erlaubt Skalierbarkeit

Mypaperwork.ai bietet ein digitales Dashboard, auf dem alle erforderlichen Dokumente organisiert und gespeichert werden. Nutzer:innen können dort den aktuellen Status ihres Antrags einsehen sowie die nächsten Schritte und Fristen für die Visumbeantragung nachvollziehen. Zusätzlich erhalten sie eine Schritt-für-Schritt Anleitung, sowie Unterstützung durch einen KI-Assistenten, der in ihrer Muttersprache kommunizieren kann. Die KI speichert zudem eingegebene Informationen und füllt zukünftige Formulare automatisch aus.

Für die Gründer war der Einsatz von KI ein entscheidender Faktor bei der Entwicklung des Startups. Dadurch konnte das Produkt “als etwas Skalierbares gemacht werden, was auf allen Ebenen funktionieren kann, sowohl multilingual als auch für alle Märkte und für alle Herkunftsländer”. Ohne KI wäre dies aufgrund der Datenkomplexität und dieser “Dreifaltigkeit” nicht realisierbar gewesen, erklärt Childs im Gespräch mit brutkasten. Die Plattform bietet verschiedene Pricing-Modelle und Betreuungsangebote im Abo-Stil.

Ausweitung der Plattform geplant

Das Startup verspricht, mit seiner ganzheitlichen Lösung sowohl Kosten zu senken als auch Zeit zu sparen. Behördengänge seien häufig “relativ kompliziert, sodass die Leute natürlich viel Angst davor haben. Sie zahlen oft den Anwälten sehr viel, damit das ja richtig gemacht wird”, erklärt COO Benjamin Wolf im Gespräch mit brutkasten.

Zum Start richtet sich das neue Produkt zunächst an eine spezifische Zielgruppe. “Aber die Grundarchitektur bleibt die Gleiche. Also beim jetzigen Launch haben wir einfach den größten Need und die größte Dringlichkeit gesehen. Aber aufbauend auf dem werden wir jetzt quasi Monat für Monat das zu anderen Arten von Rot-Weiß-Rotkarten und überhaupt verschiedensten bürokratischen Abläufen ausweiten.”

Childs kennt Zielgruppe „in und auswendig“

Co-Founderin Maggie Childs setzt sich seit knapp einem Jahrzehnt mit Integration in Österreich auseinander. Dies zeigt sich auch in mehreren ihrer Gründungsprojekte: So war sie unter anderem Co-Founderin des englischsprachigen „Metropole Magazins“. Das 2022 eingestellte Magazin sollte Zugezogene dabei unterstützen, sich in Wien zurechtzufinden. Bereits dort arbeitete sie mit ihrem heutigen Co-Founder, Benjamin Wolf, zusammen.

“Dadurch kennen wir diese Zielgruppe in und auswendig. Wir haben damals schon als Medium ganz viele Leserbriefe bekommen von Leuten, die verzweifelt ihr Visum erneuern wollen und richtig Probleme damit hatten”, erzählt Childs. „Nach jahrelanger Beschäftigung damit haben wir einfach gesagt, okay, jetzt müssen wir ein Ding bauen, um das zu bewältigen, weil es uns einfach verfolgt hat“.

Internationales Team

Durch seinen internationalen Hintergrund kenne das Team die bürokratischen Hürden und bringe Erfahrung mit, wie sich diese überwinden lassen, erzählt Childs. “Wir haben im ganzen Team mehrmals erlebt, welche Prozesse die Arbeitskräfte durchgehen müssen, um in Österreich und in anderen europäischen Ländern ein Arbeitsvisum zu bekommen”, so Childs. Die Teammitglieder stammen aus New York, Prag, Wien, Kiew und Bangalore.

Neben Childs und Wolf komplettiert Vít Lichtenstein als CPO das Gründer-Trio. Laut Firmenbuch sind die Unternehmensanteile gleichmäßig unter den Gründer:innen aufgeteilt. Zehn Prozent entfallen auf den sogenannten „Unternehmenswertanteil“- also Anteile die in einer FlexCo als Mitarbeiter:innenbeteiligung ausgegeben werden können. Das Team besteht derzeit aus drei weiteren Mitarbeitenden.

Startup will erstmal „equity free“ bleiben

Das Startup finanziert sich bisher ausschließlich aus eigenen Mitteln. Unterstützung erhielt es unter anderem durch den aws First Incubator sowie das Technology-Incubation-Programm von Czech Invest. Auch Investor:innen haben bereits Interesse am Unternehmen geäußert, erzählt Childs. “Wir haben aber bis jetzt noch keine Runde aufgemacht – mit Absicht, weil wir auch eben dieses Go Live unbedingt haben wollten, bevor wir jetzt fremdes Geld anschauen.” In dieser frühen Phase setzt das Team darauf, noch “equity free” zu arbeiten.

Geplante Expansion im Schengen-Raum

Österreich soll nicht das einzige Land bleiben, in dem mypaperwork.ai seine Plattform in den Markt einführt. Als nächstes steht Tschechien auf dem Plan, wofür bereits ein Unternehmen vor Ort gegründet wurde. Anschließend ist Deutschland als dritter Markt vorgesehen. “Das ist halt auch doch ein komplexerer und größerer Markt und deswegen möchten wir diese zwei kleineren Märkte als erstes angehen”, sagt Childs im Gespräch mit brutkasten. Die Expansion ist innerhalb der nächsten 18 Monate geplant.

“Wir erwarten, dass wir in dieser Phase relativ wenig Geld aufstellen müssen und im Endeffekt viel mehr am Produkt feilen und das Ganze optimieren können. Wir wären dann auch sehr Revenue-stark, hoffentlich, wenn unsere Forecasts auch wahr werden”, so Childs. Das langfristiges Ziel ist es, den ganzen Schengen-Raum zu bedienen. 

vor 21 Stunden

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Das Founder-Team von © mypaperwork.ai (v.l.): Benjamin Wolf, Maggie Childs, Vít Lichtenstein.

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