06.04.2018

Analyse: AI erobert langsam KMU und Institutionen

In Österreich ist das Interesse an AI voll entbrannt. Noch kennt man in erster Linie Projekte der großen Konzerne. Doch auch KMU und öffentliche Einrichtungen nutzen die Technologie, trauen sich aber noch kaum aus der Deckung. Und alle brauchen das Knowhow der Startups.
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AI
(c) fotolia.com - phonlamaiphoto - Die Zukunft spricht AI.

Bei Menschen wie Jai Menon gehört der Optimismus zur Jobbeschreibung: “Wir haben die Vision, dass 2018 beim Arztbesuch nicht nur eine Gewebeprobe entnommen wird, sondern nach einer Genanalyse auch gleich die individuell richtige Therapie begonnen werden kann”. Menon war beim Gespräch mit dem Brutkasten in Austin, Texas, vor rund zwei Jahren Forschungschef des US­-amerikanischen IT­-Konzerns Dell und arbeitete gemeinsam mit seinem Team an der dafür notwendigen Infrastruktur. Menon, heute beim Unternehmen Cloudistics, setzte sogar noch eins drauf: “Genanalyse wird bald günstiger sein, als die Toilette zu spülen – das Zitat ist aber nicht von mir”. In der dafür notwendigen Analyse von riesigen Datenmengen in Kombination mit Formen der künstlichen Intelligenz (AI) oder des kognitiven Computings, wie es immer öfter heißt, steckt unglaubliches Potenzial: für IT­-Firmen, für die Wirtschaft generell, die Gesellschaft und natürlich jeden Einzelnen – wie gerade die medizinischen Einsatzmöglichkeiten zeigen.

+++Artificial Intelligence: Können Maschinen kreativ sein?+++

AI: Weiter Weg, um die Medizin umzukrempeln

Diesen Visionen lässt sich bislang auch wenig entgegensetzen, denn viele Konzepte sind ja noch lange nicht so umgesetzt. “Alle stehen hier am Anfang”, sagt Isabell Kunst. Sie ist CEO des österreichischen Unternehmens Xephor Solutions und befasst sich mit allgemeiner künstlicher Intelligenz. Das Unternehmen kann seit vergangenem Jahr von den Umsätzen leben und versucht dabei nicht, mit ausgefeilten Algorithmen riesige Datenbanken zu durchsuchen, sondern mit den Programmen die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns selbst nachzuempfinden und so kreativere und neuere Lösungen zu finden als mit anderen AI-Ansätzen. Und obwohl es noch ein weiter Weg ist, bis AI die Medizin so richtig umkrempelt, will sich Xephor Solutions strategisch trotzdem genau um diesen Bereich kümmern. Das Interesse für die neuen Technologien ist nun auch in der österreichischen Wirtschaft angekommen. Für die Wirtschaftskammer berät Kunst Unternehmen in Sachen künstlicher Intelligenz: “2016 war die Nachfrage kaum vorhanden. Das hat sich geändert”.

Künstliche Intelligenz als “heißes Eisen”

Diese Dynamik sehen auch andere: “Künstliche Intelligenz ist gerade ein heißes Eisen”, sagt zum Beispiel Klaus Schmid, Österreich-Chef des IT-Unternehmens NTT Data. Das Unternehmen bringt als Systemintegrator neben anderen Technologien auch AI in Unternehmen und war mit einer Masterclass Ende Februar beim AI Inside Summit in Wien vor Ort. Allein diese Veranstaltung hat gezeigt, dass AI auch ein Thema der heimischen Wirtschaft geworden ist. Nachdem also über Spracherkennung bis hin zu autonomem Fahren oder spielenden Computern bei Amazon über Google bis hin zu IBMs Watson die Rede war, ist AI nun auch hierzulande ein strategisch wichtiges Thema. “Die Idee für den Gipfel kam am Rückweg aus dem Silicon Valley”, erzählt Veranstalter Haimo Lorenz von Uberall Scene Development im Interview mit dem Brutkasten. Da in den USA schon so viel passiert sei, stellte sich ihm unweigerlich die Frage nach der Situation in Österreich. Hier denkt man zuerst an Projekte in den großen Unternehmen. “Die Umsetzung von AI-Projekten benötigt, genauso wie andere Technologien – zum Beispiel Robotics –, einen Hebel, der den Einsatz sinnvoll macht”, erklärt Gerald Dipplinger, beim Beratungsunternehmen PwC für neue Technologien zuständig.

2030 bis zu 15.7 Billionen US-Dollar an Wertschöpfung durch künstliche Intelligenz

Wenn sich beispielsweise nur ein Standardprozess mit der neuen Technologie vereinfachen lasse, dann sei das wirtschaftlich betrachtet manchmal einfach nicht rentabel. Je größer aber ein Unternehmen, desto größer sei oft der Hebel. Dann würden die Ansätze ihr volles Potenzial ausspielen. Das Potenzial ist in Zahlen gemessen enorm: 2030 wird AI weltweit mit 15,7 Billionen US-Dollar zur Wertschöpfung beitragen, so eine PwC-Studie. Dabei kommen etwa 6,6 Billionen US-Dollar lediglich durch höhere Produktivität zustande. Eine Studie von NTT Data wiederum kommt zu dem Ergebnis, dass bereits in den nächsten zwei Jahren etwa 75 Prozent aller Arbeiter mit intelligenten Assistenten arbeiten werden und dass bereits heute in der Forschung ein Großteil der Systeme zumindest in einem Bereich auf AI-Ansätzen beruht. Und natürlich werden die Systeme auch schon in der Wirtschaft genutzt. Dies zeigt etwa ein Blick in den Unternehmensalltag von PwC: AI ist längst in der Steuerberatung angekommen. Dabei werden alle Rechnungen automatisch analysiert – nur Auffälligkeiten landen in der Folge noch beim menschlichen Experten. Im Kern geht es darum, die Spezialisten nicht mit Standardprozessen zu beschäftigen, sondern sie für die Fragen freizuspielen, die so komplex sind oder interpretiert werden müssen, dass ein Computer damit allein nicht fertig wird. Die Computer lernen aber laufend, immer bessere Ergebnisse auszugeben und immer mehr Prüfungen selbst durchzuführen.

AI hält in Institutionen Einzug

An einem ähnlichen System arbeitet die österreichische Sozialversicherung. Sie verfügt über einen schier unglaublichen Datenschatz, den es nun gilt, im Sinne der Kunden mit AI zu nutzen. “In unserem ersten Projekt werden wir die Erstattung von Wahlarztkosten stärker automatisieren und damit die Abwicklung beschleunigen“, erzählt Martina Paul von ITSV, dem IT-Serviceprovider der Sozialversicherung. Mittels Texterkennung werde die AI die eingereichten Rechnungen und deren relevante Informationen erkennen und Leistungen plausibilisieren. “Das schluckt momentan noch sehr viele Arbeitsstunden”, sagt Paul. Es sind Beispiele ganz im Sinne der Wirtschaftlichkeit, und sie schließen dabei von vornherein auch die größte Angst aus. Zuletzt haben ja Prominente wie Stephen Hawking oder Elon Musk vor der Macht dieser Systeme gewarnt. “Das System darf nicht zur Blackbox werden”, sagt Gerald Dipplinger. Es müsse zwar selbst lernen, die Entscheidungsfindung bleibe dabei aber nachvollziehbar. Um dieses Verstehen geht es auch bei anderen Beispielen: “Der Berater holt den Anrufer emotional ab”, sagt Klaus Schmid über ein gemeinsames Projekt mit Wiener Wohnen. AI wird hier im Callcenter eingesetzt. Aber anstatt mit einem Computer zu sprechen, spricht der Anrufer mit einem Mitarbeiter, der sich um die emotionale Ebene kümmert. Das System hört mit und gibt auf Stichwort mögliche Lösungen aus.

“Ich brauche einen langen Atem und einen entsprechenden Use Case”

“Bei Wiener Wohnen gibt es über 3.000 Geschäftsprozesse. Ein Kundendienstmitarbeiter müsste alle kennen”, sagt Schmid. Mit Unterstützung muss es der Mitarbeiter gar nicht versuchen, sondern er liefert die emotionale Brücke zwischen Kunden und Unternehmen und stimmt den idealen Lösungsweg ab. Ist im Winter die Heizung oder ein Fenster kaputt, kann der Mitarbeiter mitfühlen, der Computer sagt aber, welche Schritte als Nächstes erledigt werden. Hier ist der Hebel längst groß genug für die erfolgreiche Integration von AI. Es ist ein großes Projekt für ein großes Unternehmen – Wiener Wohnen betreut 220.000 Wohnungen. Die Technologie stammt dabei vom Startup Deep Search. “AI ist grundsätzlich Open Source”, sagt PwC-Experte Dipplinger. Sie könne von jedem Unternehmen genutzt werden. Aktuell funktioniere es im Kontext großer Unternehmen aber am besten. “Ich brauche einen langen Atem und einen entsprechenden Use Case”, so Dipplinger. PwC hat etwa weltweit 237.000 Mitarbeiter und in Österreich immerhin noch knapp 1.000. Um diese freizuspielen, lohnen sich auch höhere Investitionen.

“KMU’s trauen sich noch kaum aus der Deckung”

Der Blick auf die Großen trügt allerdings: Wie NTT Data kooperieren viele Konzerne längst mit kleineren Anbietern. Dies werde sich noch verstärken, sagt Schmid. Die Systeme seien so spezialisiert, dass es dafür auch absolute Spezialisten brauche. Der Schein trügt auch deshalb, weil AI auch in den KMU längst angekommen ist. Hans Sailer, Österreich-Chef der Innovationsagentur Hyve, kommt als Initiator des M2M-Forums oft mit Unternehmen ins Gespräch. Aktuell hätten einige bereits AI-Projekte laufen. “Die KMU’s trauen sich aber noch kaum aus der Deckung”, sagt Sailer und verweist auf ein Projekt der Hyve-Tochter Tawny, wo es um das Erkennen von Emotionalität geht. Durchgeführt wurde es mit Unterstützung von Red Bull. Aufklärung kann hier der AI Inside Summit bringen, mit Beispielen wie dem Sachverständigenbüro Ernst Stibl aus Lunz am See. Das Unternehmen mit 150 Mitarbeitern untersucht Schäden an Autos und nutzt dabei auch AI. Bald soll es mehr Beispiele aus Österreich geben – ein nächster AI-Gipfel könnte aufgrund des großen Interesses sogar noch dieses Jahr stattfinden.

+++ Wo steht die Artificial Intelligence wirklich? +++


Dieser Artikel erschien in gedruckter Form im aktuellen Brutkasten Magazin #6

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(c) martin pacher | brutkasten

Unter dem Motto “Navigating the Unknown“ bot das Future Forward-Event am vergangenen Donnerstag im Wiener weXelerate auch in diesem Jahr wieder eine Plattform für den Austausch zwischen Startups, Branchenführern und Tech-Visionären. Im Fokus stand Japan als Gastland. Das Land ist nicht nur globaler Innovationstreiber, sondern im nächsten Jahr auch Austragungsort der EXPO 2025.

Japan als Innovationsland

Die enge Verbindung zwischen Japan und Österreich sowie die Bedeutung der bilateralen Zusammenarbeit für die Zukunft hob auch der japanische Botschafter in Österreich Ryuta Mizuuchi hervor, der zu Beginn der Veranstaltung eine Keynote über die engen Handelsbeziehungen beider Länder hielt. Ein herausragendes Beispiel sei die Präsenz des japanischen Pharmariesen Takeda, der in Österreich eine seiner größten Forschungs- und Produktionszentralen betreibt.

Zudem betonte er die Arbeit des Global Incubator Networks Austria, das über das GO AUSTRIA-Programm Startups aus asiatischen Zielregionen nach Österreich bringt – darunter auch japanische Startups. “Startups aus Japan wie Spiral, die Drohnen- und KI-Technologien entwickeln, stehen exemplarisch für den Erfolg unserer Zusammenarbeit”, so der Botschafter.

Das japanische Technologieunternehmen Spiral Inc. ist ein weltweit führender Anbieter von automatisierten Indoor-Drohnenlösungen. 2024 gründete das Unternehmen in Österreich eine FlexCo und wurde bei der Ansiedelung vom Global Incubator Network Austria (GIN) unterstützt (brutkasten berichtete). Die Ansiedelung erfolgte über das GO AUSTRIA PLUS-Programm, das auch das japanische KI-Startup Godot nutzte und bereits 2023 einen Standort in Wien errichtete.

Ryuto Mizuuchi beim Future Forward-Event | (c) martin pacher | brutkasten

Werner Müller, FFG-Programmleiter des Global Incubator Network Austria (GIN), erklärt: „Japan ist eine strategische Zielregion für unser Netzwerk. Seit 2016 haben wir 40 Startups aus Japan über das GO AUSTRIA-Programm nach Österreich geholt.” Die Zusammenarbeit mit Japan, so Müller, profitiere von der starken Innovationskultur beider Länder. Während in Österreich KMUs und Forschungseinrichtungen maßgeblich Innovationen vorantreiben, dominieren in Japan große Konzerne.

Werner Müller | (c) martin pacher

Unter anderem werden über das GO ASIA-Programm des Global Incubator Network Austria (GIN) auch österreichische Startups nach Japan geholt. Müller hob zudem die Chancen der EXPO 2025 hervor: “Die EXPO bietet eine großartige Plattform, um österreichische Innovationen einem internationalen Publikum zu präsentieren. Geplant sind Delegationsreisen, Hackathons und Präsentationen im österreichischen Pavillon in Osaka.”

Sechs Startups auf der Bühne

Ein weiteres Highlight im Rahmen des Future Forward-Events und der Eventpartnerschaft mit dem Global Incubator Network Austria (GIN) war die Beteiligung von Startups aus ganz Asien. Sechs asiatische Startups aus dem aktuellen Durchgang von GO AUSTRIA präsentierten ihre Technologien auf der Bühne, darunter auch Alexis Huang vom taiwanesischen Startup Allxon. Das Unternehmen bietet eine Lösung für Remote Device Management, die insbesondere auf KI-gestützte Geräte zugeschnitten ist. Alexis erklärt: „Unser Ziel ist es, Geräte immer verfügbar zu machen, was der Name Allxon – ‚Always On‘ – widerspiegelt.”

Alexis Huang | (c) martin pacher / brutksaten

Die Teilnahme am GO AUSTRIA-Programm war für Allxon ein entscheidender Schritt, um den europäischen Markt zu erschließen. Alexis betont: „Wir haben bereits viele Nutzer in Westeuropa, aber wir möchten unsere Marktpräsenz in Mittel- und Osteuropa ausbauen. Österreich ist dafür ein idealer Ausgangspunkt – geografisch zentral gelegen, mit hervorragenden Flugverbindungen und einer aufgeschlossenen Kultur.”

Die Rolle der Mentoren

Ein wichtiger Erfolgsfaktor des GIN-Programms sind erfahrene Mentoren wie Jasper Ettema, der Startups bei ihrem Markteintritt in Österreich unterstützt. Ettema erläutert seine Motivation das Programm zu unterstützen.: “Das GO AUSTRIA-Programm ist eine großartige Initiative, weil es gezielt die Stärken einzelner Länder berücksichtigt und Startups die Möglichkeit bietet, auf diese zuzugreifen. Meine Aufgabe ist es, Startups dabei zu helfen, ihr Potenzial in Österreich und darüber hinaus voll auszuschöpfen.”

Jasper Ettem | (c) martin pacher | brutkaten

Ettema spricht auch über die besondere Dynamik des österreichischen Marktes: „Österreich ist ein überschaubarer Markt, bietet aber durch seine Nähe zu Deutschland und die starke Forschungslandschaft ideale Voraussetzungen für Unternehmen, die eine solide Basis in Europa suchen.“

Ein Beispiel seiner Arbeit zeigt die Zusammenarbeit mit dem japanischen Drohnen-Startup Spiral, das durch das GIN-Programm in Österreich eine Niederlassung gründete: „Wir haben mit ihnen gemeinsam überlegt, wie ihre Technologie die österreichische Industrie unterstützen kann. Durch mein Netzwerk konnten wir wertvolle Verbindungen herstellen, die langfristig Wachstum ermöglichen.”


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