15.03.2023

AI im Unternehmen: Effizienzsteigerung ohne Kontrollverlust?

Ob die Angst vor Künstlicher Intelligenz (KI) im Unternehmen begründet ist? Die Datenexpertin Ana Simic verrät, wie sich KI auf Effizienz, Kosten und Kreativität im Unternehmen auswirkt und warum sich auch Startups über die KI-Schwelle trauen sollten.
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Ana Simic weiß, wo Künstliche Intelligenz im Unternehmen Vorteile bringt - und wo nicht. (c) Yvonne Fetz
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Die Ampel steht auf Rot. Die Motoren laufen. Aus dem Autoradio ertönen die Nachrichten: Künstliche Intelligenz könnte Arbeitsplätze gefährden. Der Trend sorgt für Unsicherheit. Doch ist diese begründet?

Die Breaking News der letzten Monate gehören für Ana Simic schon lange zum Alltag. Ana ist Digitalisierungs- und AI-Spezialistin und leitet das Wiener Büro des finnisch-deutschen Consultingunternehmens DAIN Studios. Ihr Spezialgebiet: Unternehmen bei der Anwendung von Künstlicher Intelligenz zu unterstützen und individuelle AI-Strategien zu entwickeln.

Warum sich vor etwaigen KI-Hürden niemand fürchten muss und wie Startups, KMUs und Konzerne betriebliche Prozesse mit AI effizienter gestalten? Ana Simic verrät die wichtigsten Tipps rund um Data Literacy, AI Maturity & Co.

Die Angst vor Neuerungen ist nichts Neues

“Angst vor Technologien hat es immer schon gegeben. Menschen sind zuerst immer skeptisch und brauchen Zeit, um sich an neue Technologien zu gewöhnen”, erzählt Ana. Der Grund: Die Angst vor Kontrollverlust. Und die Sorge, dass neue Technologien bestehende Strukturen verändern.

Ein Paradebeispiel ist das Auto. Im Jahr 1830 fuhr die erste Dampf-Buslinie in London, 1886 fegte das erste Gasmotoren-Fahrzeug über die Straßen Europas. Das Auto bahnte sich langsam seinen Weg durch die Gesellschaft. Skepsis herrschte anfangs aber auch bei jenem Verkehrsmittel, das heute für viele nicht mehr wegzudenken ist.

Die gelbe Ampel schlägt auf Grün

“Nach der Einführung des Autos hatten die Menschen Angst davor, mit 30 Kilometern pro Stunde auf den Straßen zu fahren. Heute fahren wir völlig unaufgeregt mit 130 km/h über die Autobahn”, erzählt Ana. Menschen gewöhnen sich also nur langsam an neue Technologien: “Wir brauchen Zeit, Geduld und das Wissen, wie wir technologische Innovationen in unseren Alltag integrieren können. Vor allem aber müssen wir Regeln definieren, damit uns neue Technologien sinnvoll unterstützen und Schäden vermieden werden.”

“Ähnlich wie beim Auto ist es auch mit Künstlicher Intelligenz”, erklärt Ana. “Das Auto hat unser Gesellschaftsleben grundlegend verändert, und noch viel größeres Potenzial steckt in Künstlicher Intelligenz.” Die Angst vor Kontrollverlust sei, Ana zufolge, also unbegründet. Zumindest so lange wir uns über Chancen und Risiken der KI-Welt bewusst sind.

Wie AI-reif bist du?

Während einige noch mit AI-Skepsis kämpfen, sind andere über-euphorisch, erzählt Ana aus Erfahrung: “Dafür haben wir das AI Maturity Framework entwickelt. In 10 Schritten helfen wir unseren Kund:innen bei der Analyse ihres Data- und AI-Reifegrades.”

Der Gedanke dahinter: Bevor Unternehmen AI in betriebliche Prozesse integrieren, braucht es eine Status-Quo-Analyse. Mit dem AI Maturity Framework hilft das DAIN Studios Team ihren Kund:innen, eine individuelle AI-Strategie zu entwickeln. “Wir sind die Außenperspektive, der kritische Blick, der versteckte Potenziale im Unternehmen entdeckt. Wir haken alle Checkpoints ab, die ein Unternehmen vor seiner KI-Reise erfüllen sollte”, erklärt die Datenspezialistin.

Das DAIN Studios Team hilft Startups, KMUs und Konzernen bei der Optimierung ihrer persönlichen AI-Strategie. (c) DAIN Studios

Reif für Effizienzsteigerung

Zwei Begriffe, die zukünftige AI-Anwender:innen kennen sollten, sind Data Literacy und AI Maturity. “Data Literacy ist die Basis, also das Know-How, das mir dabei hilft, Funktionsweise und Anwendungsmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz zu verstehen”, erklärt Ana.

AI Maturity hingegen bezeichnet den Reifegrad im bewussten, kompetenten Einsatz von KI. “Das Ziel unseres AI Maturity Frameworks ist es, Arbeitsprozesse herunterzubrechen, ihre Einzelteile zu analysieren und jene Stellen zu identifizieren, in denen AI als Prozess-Unterstützer eingesetzt werden kann. Dafür braucht es neben Wissen und Souveränität vor allem die notwendige Infrastruktur und die Bereitschaft zur Veränderung.”

Das Ergebnis? Die Steigerung von Produktivität, Effizienz und Effektivität. “Wir experimentieren, bauen Strukturen und versuchen, unsere Kund:innen ganzheitlich fit für Künstliche Intelligenz zu machen.” Ist der Reifeprozess durchlaufen, sind alle Voraussetzungen für einen aktiven Kulturwandel gegeben. “Am Ende unserer Reise sind unsere Kund:innen dann nicht nur data literate, sondern AI mature.”

No Risk, no AI

“Trotz AI Maturity sollte man beim Einsatz von KI lieber keine roten Ampeln überfahren”, warnt Ana metaphorisch. “Wichtig ist, dass sich Unternehmen bewusst sind, welche Verantwortung sie mit der Anwendung von KI übernehmen. Sie müssen nicht nur wissen, wie und wo AI-Tools anwendbar sind, sondern auch, welche Daten sie an die KI verfüttern.”

Dass dabei auch etwas schiefgehen kann, zeigte der AI-Skandal des Online-Händlers Amazon vor zwei Jahren: Die im Recruiting-Prozess eingesetzte Künstliche Intelligenz soll die Bewerbungen von Frauen geringer als jene von männlichen Bewerbern bewertet haben.

“Der HR-Fauxpas von Amazon zeigt, dass KI auch nur von Menschen gemacht ist. Amazon hat den Fehler mit kritischem Blick gefunden und veröffentlicht.” Der verantwortungsbewusste Einsatz von KI erfordere also genau das, was Amazon 2018 zuerst übersehen und dann richtig gestellt hat: “Das Bewusstsein darüber, welche Folgen der Einsatz von KI haben kann, wenn man den Input unbeachtet lässt”, so die Datenexpertin.

“Der Turn-Off-Button liegt in unserer Hand”

KI deshalb aber nicht einzusetzen, wäre schade. Denn sie senkt Kosten und lässt Geschäftschancen steigen, wodurch Unternehmen ihre Geschäftsfähigkeit am Markt stärken können. “Eine ausgereifte AI Maturity ist wirklich ein klarer Wettbewerbsvorteil”, ermutigt Ana. “Wie intensiv wir KI schlussendlich nutzen, liegt bei uns. Der Turn-Off-Button liegt immer noch in unserer Hand.”

KI ist nicht nur was für Große

“KI ist nicht teuer und kompliziert. Für ihren Einsatz sind keine großen Investitionen notwendig. KI kann jede und jeder genauso einsetzen, wie er oder sie es möchte”, erklärt Ana. Die Datenexpertin ermutigt auch Startups und KMUs, sich über die Artificial Intelligence Schwelle zu trauen: “KI eignet sich optimal für junge Unternehmen und kleine Projekte. Startups und KMUs können sich so eine gute Basis für ausgereifte Geschäftsmodelle bauen. Wichtig ist nur, Fehler zu vermeiden, vor allem in Hinblick auf Privacy, Ethics und Data Security.”

“Vergessen wir nicht, dass wir Menschen sind”

Im Rennen um die effizienteste KI-Strategie appelliert Ana Simic auch an einen nüchternen Umgang mit AI: “Wir müssen uns gut überlegen, wo wir Künstliche Effizienz einsetzen können, damit sie mir und meinem Unternehmen Vorteile bringt. Daraus ergeben sich schnellere Prozesse und gewonnene Arbeitszeit, die wir für Neues nutzen können.”

Wie wär’s also mit ein bisschen mehr Zeit für Kreatives und Beziehungen? “KI könnte Unternehmen einerseits beim Arbeitskräftemangel helfen, aber ihnen auch jene zeitlichen Ressourcen zurückgeben, die wir durch Mehrarbeit über Jahre verloren haben”, erklärt die Datenspezialistin. “Nutzen wir also die Chance und vergessen wir nicht, dass wir Menschen und keine Maschinen sind.”

Zur Person

Ana Simic leitet das Wiener Büro der DAIN Studios, einer finnisch-deutschen Unternehmensberatung, die KI- und Data-Strategien entwickelt und umsetzt und mit der DAIN Academy den Führungskräften und Experten hilft, die KI zu verstehen und anzuwenden. Als erfahrene Marketing- und Digitalisierungsexpertin bringt sie Perspektiven und Knowhow aus unterschiedlichen Branchen mit, unter anderem Telekommunikation, Consumer Goods und Gaming.

Hier geht’s zur Website der DAIN Studios
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Lalamu, Konkurs
(c) Lalamu

Zuerst eine Tonspur, dann das Video eines Gesichts (etwa auch auf einem Foto oder nicht allzu abstrakten Gemälde oder sogar auf einer Statue) aufnehmen – fertig. Die Aufnahmen werden vom Server mittels KI-basiertem Tool verarbeitet. Das Lip Sync-Video kommt nach ein paar Sekunden zurück und kann auf TikTok und Co gepostet werden. Das konnte das Produkt des Wiener Startups Lalamu.

Lalamu: Neben Lip-Sync auch B2B-Angebot

Die B2C-App, die in der Basis-Version kostenlos war und für die es mehrere Packages mit längerer Video-Dauer und ohne Werbung zu kaufen gab, war jedoch nicht der einzige Geschäftszweig. Lalamu wollte auch mit einem B2B-Angebot durchstarten. Konkret wandte man sich an Filmindustrie, Museen und Agenturen, die das AI-Algorithmus-basierte Tool des Startups für ihre Zwecke einsetzen sollten.

Mit diesen Vorhaben konnte man ein Investment ergattern: Das Wiener Unternehmen holte sich insgesamt 245.000 Euro von Investor:innen. Es wurde auch ins Microsoft for Startups-Programm aufgenommen, schaffte es mit der Lalamu Studio App in den Canva App Store mit mehr als 400.000 Usern und entwickelte schlussendlich die unabhängige Web-Platform lipsyncer.ai. Nun aber berichtet der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) vom Konkurs des KI-Startups.

Konkurs eröffnet

“Die LaLaMu EntertAInment GmbH kann ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Vom zuständigen Handelsgericht Wien wurde ein Konkursverfahren eröffnet”, heißt es dort.

Das sagt der Founder

Auf Anfrage erklärt Founder Matthias Spitzer, dass es in einer Zeit, in der das Startup Unterstützung gebraucht hätte, etwa für neue Developer, keine gegeben habe. Die Konkurrenz aus den USA (Runway und Sync Labs) hätten dagegen über die letzten Jahre mehrere Millionen US-Dollar an Investment erhalten.

“Das ist ein Genickbruch”, sagt Spitzer. “Da kommst du nicht mehr weiter.” Lalamu habe noch versucht mit Lipsyncer.ai “die Kurve zu kratzen”, habe die Videoqualität verbessert und optimiert, damit sie etwa bei Werbevideo-Vorproduktionen oder Erklärvideos zum Einsatz kommen kann. Doch leider hätten die vielen User:innen bloß den Free Modus-Bereich genutzt, wie der Founder erwähnt.

“Unser Umsatz hat es einfach nicht erlaubt, zu wachsen”, ergänzt Spitzer. “Wir wurden links und rechts überholt. Eigentlich waren wir ja eine Zeit lang im Sektor weltweit bekannt bzw. namhaft und spürten eine klare Bewegung nach vorne. Wir haben uns sehr erhofft mehr gesehen zu werden und eine großzügige Finanzspritze zu erhalten. Aber, was wirklich schade ist, keiner in Österreich hat sich getraut im großen Stil zu investieren.”

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