28.10.2019

Accordium: Warum ein dänisches Startup sein HQ nach Wien verlegt

Dem Trend des Abwanderns erfolgreicher Startups aus Österreich lassen sich in den letzten Jahren immer mehr Geschichten entgegensetzen, in denen sich die Gründer bewusst dazu entschieden haben, ihr Headquarter aus dem Ausland nach Österreich zuverlegen. Im Interview mit dem brutkasten spricht der Gründer des dänischen Startups Accordium, warum er gemeinsam mit seinem Team den Schritt nach Wien wagte.
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Accordium
Alexander Brix, COO and Co-Founder von Accordium

Geschichten von erfolgreichen Startups, die in Österreich gegründet wurden und anschließend ins Ausland abwanderten, gab es in den letzten Jahren immer wieder. Eine der bekanntesten ist wohl die Geschichte rund um N26 – mittlerweile unterhält die Challenger-Bank wieder ein Office in Wien.

Es gibt aber auch Startups, bei denen sich die Geschichte andersherum erzählen lässt: Im Ausland gegründet und anschließend für das weitere Wachstum nach Wien gezogen. Eines dieser Startups ist Accordium, das von Alexander Brix und seinen Co-Foundern in Dänemark gegründet wurde. 2019 entschloss sich das Team das Headquarter des Startups nach Wien zu verlegen.

Accordium hat eine technische Lösung entwickelt, mit der Sales-Mitarbeiter mit nur wenigen Klicks eine persönliche Videobotschaft mit ihrem Laptop aufnehmen und diese an Kunden per E-mail verschicken können. Das Startup kümmert sich dabei um das Rendering, Hosting und Tracking. Dadurch soll die Kundenbeziehung zwischen Sales-Mitarbeitern und potentiellen Käufern verbessert und eine höhere Abschlussquote erzielt werden.

Für den brutkasten hat Accordium Co-Founder Brix erläutert, warum er sich gemeinsam mit seinem Team dazu entschlossen hat das Headquarter nach Wien zu verlegen und welche Vorteile der österreichische Standort mit sich bringt.

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Warum habt ihr euch damals entschieden das Startup in Dänemark zu gründen? 

Zwei meiner Mitgründer waren unter den ersten Mitarbeitern von Trustpilot in Kopenhagen, eine der Erfolgsstories aus der dänischen Techszene. Die Gründer und C-Level Manager von Trustpilot haben uns daher unterstützt und uns die Türen zu lokalen VCs geöffnet. Zum Beispiel hat Jesper Lindhardt, ehemals CCO von Trustpilot, selbst in Accordium investiert. Dieses Netzwerk hat uns dann auch geholfen das erste Funding aus Dänemark zu sichern.

Wie hast du Dänemark als Gründerland wahrgenommen?

Dänemark ist extrem innovativ und offen für neue Technologien. Egal ob es um das bargeldlose Bezahlen oder das Gründen einer GmbH geht, alles ist extrem einfach, fortgeschritten und vor allem digital. Durch den relativ kleinen Markt und die wirtschaftliche Konzentration auf die Stadt Kopenhagen ist es auch relativ einfach und schnell Aufmerksamkeit zu bekommen und sich einen initialen Kundenstamm aufzubauen, was vor allem am Anfang eines Startups sehr wichtig ist. 

Jedoch wird die Marktgröße auch schnell zum Verhängnis: Startups müssen sich sehr bald um die Internationalisierung Gedanken machen. Viele Startups gründen daher schon früh eine weiteres Office in Großbritannien, was wiederum bald zum Hauptstandbein des Unternehmens wird. Ein aktuelles Beispiel dafür ist Peakon. Das Startup hat erst kürzlich eine Series-C-Finanzierungsgrunde angekündigt und nun auch schon sein Headquarter von Kopenhagen nach London verlegt.

Warum habt ihr euch entschieden Kopenhagen aufzugeben?

Einer der Hauptgründe warum wir uns entschieden haben, Kopenhagen aufzugeben, sind die Kosten. Lebenshaltungskosten sind extrem hoch: ein WG Zimmer kostet gerne mal 1000 Euro im Monat, dementsprechend hoch sind auch die Gehaltserwartungen: ein Einstiegsgehalt von 50.00 Euro nach einem Bachelorstudium ist nicht ungewöhnlich.

Gleichzeitig ist der Wettbewerb um Talente sehr hoch, was es jungen Startups nicht einfach macht mit dem Cashburn ihrer Konkurrenten aus Berlin oder Wien mitzuhalten. Viele Startups machen daher sehr oft den Sprung nach London, da hier ähnlich hohe Kosten entstehen, aber ein viel größeres Netzwerk an Corporates und Investoren zu erwarten sind. 

Hast du in Dänemark mit Sprachbarrieren zu kämpfen gehabt?

Kaum, Englisch ist sehr weit verbreitet. Es stört keinen, wenn man selbst an der Supermarktkasse oder beim Bäcker auf Englisch antwortet. Dänen stehen Europäischen Ausländern sehr offen gegenüber und heißen sie gerne willkommen. Als kleines Land haben sie erkannt, dass sie auf Knowhow von Außen angewiesen sind um als Technologie Standort zu bestehen – etwas das ich in Österreich subjektiv etwas vermisse. 

Um aber wirklich tiefe Freundschaften und Beziehungen in Dänemark aufzubauen, ist es sicherlich hilfreich etwas Dänisch zu sprechen. Die Nordics sind schließlich für ihre “Kälte” und Zurückhaltung bekannt, Sprachbarrieren machen dies nicht unbedingt einfacher. 

Was waren die Beweggründe das HQ eures Startups nach Wien zu verlegen?

Es ist allgemein bekannt, dass die Lebensqualität in Wien extrem hoch. Das spricht sich mittlerweile auch international herum. Wir glauben daher, dass Wien einer der Startup-Standorte ist, der in den kommenden Jahren stark wachsen wird.

Darüber hinaus ist Wien nicht so überlaufen wie Berlin, London oder Amsterdam, wo Lebenshaltungskosten und der War for Talents bereits zu Wachstumsproblemen in Startups führen. 

Österreich hat mittlerweile glücklicherweise auch schon einige Exits gesehen, was die Aufmerksamkeit internationaler Investoren auf sich zieht. Außerdem beginnt jetzt die zweite oder gar dritte Generation der Mitarbeiter dieser Unternehmen neue Startups – ein Kreislauf beginnt der ein starkes Startup-Ecosystem nach sich ziehen wird.

Schwimmst du damit gegen den Strom?

Glaube ich nicht, ich glaube wir sind eher ein Vorreiter. Man sieht an Firmen wie N26 die jetzt wieder nach Wien zurückkehren, dass der Standort Wien mittlerweile auf dem Schirm der Großen angekommen ist. Auch lokale Player wie Waterdrop oder Bitpanda zeigen, dass der Markt reif ist für Startups mit mehr als 100 Mitarbeitern. 

Welche Herausforderungen habt ihr derzeit in Österreich zu bewältigen?

Leider muss ich auch hier nochmals die Bürokratie anmerken. Ich habe nun den dritten Banktermin hinter mir um für unsere GmbH-Gründung ein Konto zu eröffnen – bisher ist jeder österreichischen Großbank unser internationales Setup zu aufwendig. 

Fachkräftemangel habe ich bisher keinen bemerkt. Auf unsere ausgeschriebenen Marketing- und Sales-Rollen haben sich sehr viele Bewerber gemeldet und wir konnten in kürzester Zeit alle Stellen besetzen. Für technische Rollen kann ich das im Moment nicht beurteilen. 


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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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