23.08.2018

Österreich als Digitalisierungsgewinner? “Der Ball liegt am Elfmeter-Punkt”

Accenture Österreich präsentierte eine Studie zur digitalen Transformation der Top-100-Unternehmen des Landes. Die Kernaussage: Die Voraussetzungen Österreichs, zu einem Digitalisierungsgewinner zu werden, sind gut. Die Umsetzung muss aber erst gelingen.
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Accenture
(c) Martina Draper / Accenture Österreich: Country Managing Director Michael Zettel
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“Wir haben mit einer kühnen These gestartet: Österreich kann ein Digitalisierungsgewinner sein”, sagt Michael Zettel, Country Managing Director bei Accenture Österreich. Die Rede ist von der Studie “Leading the New – Die digitale Transformation von Österreichs Top-100” – bereits die sechste Ausgabe einer Serie. Dafür wurden statistische Daten der 100 umsatzstärksten Unternehmen Österreichs (Stand 2016) mit Manager-Befragungen kombiniert. “Die erfreuliche Nachricht ist: Die Studie belegt die These”, sagt Zettel. Österreich habe prinzipiell beste Voraussetzungen, als Profiteur aus der Digitalisierung hervorzugehen.

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Regional Champions, Hidden Champions & Public Champions

Denn zu einer insgesamt positiven Umsatzentwicklung bei den Top-100 und der immer besseren Verfügbarkeit innovativer Technologien käme die Struktur der österreichischen Wirtschaft als Pluspunkt. “Wir haben die ‘Regional Champions’, die etwa im CEE-Raum große Player sind, aber insgesamt dennoch flexibler sind, als die ‘Global Champions’. Wir haben die ‘Hidden Champions’ – Österreich ist hier mit rund 200 Weltmarktführern in der Nische international an der Spitze. Und – das wird oft vergessen – wir sind ‘Public Champions’: Österreich ist bei der Digitalisierung der Institutionen verhältnismäßig weit”, erklärt Zettel.

Drei Schlüsseltechnologien

Die Top-100 würden dabei genau in den richtigen, also besonders zukunftsträchtigen Branchen, stark wachsen. Die Anzahl der “Growth Champions”, also besonders wachstumsstarker Unternehmen, sei nach einem Hänger in den vergangenen Jahren wieder gestiegen. Neu dazu gekommen ist laut Studie etwa KTM. Schlüsseltechnologien würden bereits breitflächig eingesetzt. Vor allem drei würden dabei gegenwärtig herausstechen: Künstliche Intelligenz, die Cloud und das Internet der Dinge (IoT). “Das sind die Technologien, die jetzt da und verfügbar sind. Andere sind bereits auf dem Horizont”, sagt Zettel.

Michael Zettel im Video-Interview zur Studie:

KI: 98 Prozent der Manager erwarten spürbare Veränderung

Unter den drei genannten Schlüsseltechnologien, steche eine besonders heraus: Künstliche Intelligenz. Demnach gehen laut Studie 98 Prozent der befragten Top-Manager davon aus, dass die Technologie ihre Branche zumindest moderat transformieren wird. 26 Prozent erwarten gar eine “vollständige Veränderung”. In der eigenen Organisation sehen die Befragten das Potenzial aber durchschnittlich deutlich weniger stark. So erwarten etwa 15 Prozent der Befragten nur “wenig Veränderung”. “Eine Lücke, die noch geschlossen werden sollte”, kommentiert Zettel.

“Digitalisierung ist kein Job-Killer”

Der Frage, wie stark sich die Automatisierung, u.a. durch künstliche Intelligenz, auf den Arbeitsmarkt auswirkt, ist ein eigener Abschnitt der Studie gewidmet. “Digitalisierung ist kein Job-Killer”, sagt Zettel. Dabei sind in Österreich laut Studie momentan (2015) noch rund 23 Prozent der Jobs von Vollautomatisierung betroffen. “Das bringt aber auf der anderen Seite für Unternehmen die Möglichkeit, sich anderer Dinge, etwa auf zwischenmenschlicher Ebene, stärker anzunehmen”, sagt der Country Managing Director. Für 2035 erwartet die Studie für Österreich, dass aufgrund der Branchenstruktur nur mehr drei Prozent der Jobs in diese Kategorie fallen – ein international sehr guter Wert.

Archiv: Michael Zettel und Mark Turrell im Video-Interview zu “Scaling Innovation”:

“Wir müssen das Tor noch schießen”

So gut die Voraussetzungen auch seien: “Der Ball liegt am Elfmeter-Punkt. Wir müssen das Tor aber noch schießen”, sagt Zettel. Die Regierung setze zwar einige sehr positive Schritte, es brauche zusätzlich aber noch eine “digitale Vision”. Als Hürde macht die Studie Regulierungen aus. “Wenn Europa sich zu Tode reguliert” ist der wenig schmeichelhafte Titel eines Abschnitts, der unter anderem die DSGVO behandelt. Dabei schränkt Zettel ein: “Digitale Sicherheit und digitales Vertrauen sind hoch relevant. Die EU hat hier eine Vorreiterrolle. Die bringt eben auch Herausforderungen mit sich”.

Empfehlung an Top-100: “Ein Fuß im Heute, einer im Morgen”

Um den sprichwörtlichen Ball im Tor zu versenken sei aber nicht nur die offizielle Seite gefragt. Zettel gibt eine klare Handlungsempfehlung für Unternehmen: “Man muss einen Fuß im Heute und einen Fuß im Morgen haben”, sagt er. Der notwendigerweise erste und mit Abstand wichtigste Schritt in der Digitalisierung sei die Konzentration auf die Transformation des Kerngeschäfts. Im zweiten Schritt ginge es um die Erschließung neuer Geschäftsfelder. Zettel gibt zu bedenken: “Diese neuen Investitionen dürfen das Kerngeschäft nicht kannibalisieren. Die große Herausforderung ist es, hier die richtige Balance zu finden”.

⇒ Offizielle Page zur Studie

⇒ Download-Link (pdf)

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AI Landscape 2024, Wasner, Hochreiter
(c) Stock.Adobe/GamePixel - Die AI Landscape 2024 ist da.

Die Austrian AI Landscape von Clemens Wasner (EnliteAI, AI Austria) zeigt AI-Startups und -Unternehmen aus der heimischen Startup-Szene. Das Branding dazu wurde von Andreas M. Keck, Kopf und Gründer von “beamr. brand consulting studio” pro-bono durchgeführt. Es ist bereits die insgesamt achte Ausgabe der österreichischen KI-Landschaft.

AI Landscape 2024 wird größer als ihre Vorgänger

“Heuer gibt es 70 neue Unternehmen, ein Novum in dieser Größenordnung. Es ist ein internationales Phänomen, denn die Eintrittsbarriere für die Gründung eines KI-Unternehmens ist gesunken. Ein Grund ist, dass viele Basistechnologien als ‘open source’ verfügbar sind und nicht mehr von Grund auf selbst entwickelt werden müssen”, erklärt Wasner die gestiegene Anzahl an KI-Unternehmen in Österreich.

Besonders im Bereich “Corporate Early Adopters” zeigt sich eine starke Steigerung. “Unternehmen, die teilweise 100 Jahre alt sind, haben eigene AI-Business-Units aufgebaut, eigene Teams zusammengestellt und sind Joint Ventures eingegangen. AI ist schlussendlich in der Realwirtschaft angekommen”, so der AI-Experte weiter.

Die AI Landscape Austria 2024

(c) EnliteAI, AI Austria, Andreas M. Keck (beamr) – Die gesamte Austrian AI Landscape.

Cybersecurity-Bereich steigt

Allgemein ist festzustellen, dass sich – entgegen der letzten Jahre – mehr Firmen mit “Cybersecurity & Defence” beschäftigen. Die Gründe dafür sind, dass es einerseits, wie erwähnt, mehr Open-Source-Modelle gibt, auf die man zurückgreifen kann, ohne selbst Basis-Modelle entwickeln zu müssen. Andererseits hat der Ukraine-Krieg ein Bewusstsein für diese Branche geschaffen.

Die EU hat etwa am 15. März 2024 das Arbeitsprogramm für den European Defence Fund veröffentlicht. Die offizielle Ausschreibung wurde am 20. Juni geöffnet, eine Einreichung war bis zum 5. November 2024 möglich. Diese Ausschreibung war mit 1,1 Milliarden Euro dotiert, wovon 40 Millionen Euro für disruptive Technologien und 67 Millionen Euro für KMU vorgesehen sind.

AI Landscape: GenAI als Treiber

Einen anderen Faktor für die Steigerung der Anzahl an KI-Firmen in Österreich sieht Wasner darin, dass viele Unternehmen in der Vergangenheit auf Automatisierung gesetzt hätten. Belege erkennen, den E-Mail-Posteingang lesen und ins CRM schieben – das sei mit der eigenen Technologie natürlich limitiert gewesen, durch Generative AI und LLMs (Large Language Models) wären nun sehr viele in diesem Bereich tätig. “Das ist etwas, das weltweit parallel passiert”, so Wasner. “Und Chatbots oder Dashboards beinhaltet.”

Auch bemerkenswert ist, dass im Bereich “Life Science” mittlerweile 30 Unternehmen aus Österreich vertreten sind. Für den KI-Experten “wenig verwunderlich”, da es hierzulande mit LISAvienna, INITS und mit dem Science Park Graz gleich drei Ökosysteme gibt, die in diesem Feld “Firmen produzieren”.

Zudem ist der Proptech-Bereich auffällig stark geworden, was wiederum an der Nutzung von LLMs liegt, zum Beispiel wenn es um die Auswertung von Dokumenten rund um Bauprojekte geht. Überall dort, wo man auf unstrukturierte Daten treffe – Baupläne, etc. – sei nun GenAI vermehrt einsatzbar und das ganze Proptech-Feld gehe “durch die Decke”. Insgesamt, so Wasner, gebe es heuer einfach mehrere große Themenfelder in der heimischen AI Landscape.

Beachtlich sei zudem, dass in der KI-Branche wenig Firmen pleite gegangen sind. “Dieses Jahr habe ich im Vergleich zum Vorjahr nur drei, vier Firmen herunternehmen müssen”, sagt er. “Davor waren es rund 30.”

Doch der KI-Experte warnt vor zu großer Euphorie. Er sieht den Moment jetzt als “Ruhe vor dem Sturm” und erwartet eine Konsolidierungswelle für das kommende Jahr. In diesem Sinne prognostiziert er einen Akquise-Trend, der uns bevorsteht. Größere Firmen würden, so seine Einschätzung, Unternehmen aus der Sparte “Operations & Search” aufkaufen, weil sich deren Angebot als replizierbares Business für Dienstleister auszeichne (Knowledge-Management, Bots, Suche mit LLMs).

Mehr Deregulierung, aber…

Was den europäischen Standort betrifft, wünscht sich Wasner mehr Deregulierung, allerdings nicht unbedingt auf der KI-Seite, wie er sagt. Europas KI-Problem liege vor allem im Umstand begründet, dass es hier schwieriger sei, zu gründen bzw. etwa Mitarbeiterbeteiligungen schwerer zu implementieren wären. “In Europa gibt es 27 Rechtsformen bei der Unternehmensgründung, das ist einfach nicht ‘investible'”, sagt er. Auch seien die Finanzierungen zu gering, vor allem dann, wenn man eine KI-Foundation baue. Mistral aus Frankreich wäre da der einzige Ausreißer, was europäische Top-KI-Firmen betreffe.

Als zweiten Punkt nennt Wasner, dass sich die “Compute-Infrastruktur” als zu klein für den europäischen Raum zeige und es von der EU-Seite Investitionen von mindestens 20 Milliarden Euro – wenn nicht mehr – bräuchte, um im KI-Konzert der Großen eine Chance zu haben. Der dritte und letzte Faktor, den Wasner in Sachen Wettbewerbsfähigkeit erwähnt, ist, auf “skilled immigration” zu setzen, um die besten Talente ins Land zu holen, wie er sagt: “Das allerdings geht nur, wenn man die ersten beiden Punkte löst.”

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