Wenn du als Startup oder Corporate Spin-off durchstarten willst, dann bedeutet das, dass du ein neues Ökosystem betrittst. Ein Ökosystem ist eine Ansammlung von Firmen, Institutionen und anderen Playern, verbunden durch deren gemeinsames Ziel und ihrer Mission. Abhängig von deinem Startup, kann das Ökosystem lokal, global oder auch eine Mischung aus beidem sein. Eines ist jedoch immer gleich: Jedes Ökosystem ist voll von Unbekannten und Unsicherheiten.

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Kommunikation als Schlüssel zur Abschätzung des Risikos beim Gründen

Aus diesem Grund willst du dein Risiko und die Wahrscheinlichkeit mit deinen Ressourcen und der vorhandenen Konkurrenz erfolgreich zu werden, abschätzen können. Das ganze am besten schon bevor du startest und Kapital aufwendest. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten um das zu erreichen, aber die beste und effektivste Methode ist Kommunikation. Konversationen mit potentiellen Stakeholdern zu führen, um herauszufinden, ob diese dieselben Ziele anstreben wie man selbst, kann im besten Fall einem Scheitern vorbeugen.

Um das auch sinnvoll zu betreiben, will ich dir ein einfaches Modell vorstellen, dass dir helfen wird, in drei Schritten einen Überblick über die geführten Konversationen zu behalten und deine Position im Ökosystem zu verstehen:

Value Blueprints: Ein guter Überblick über dein Ökosystem

Die Basis bildet dabei Ron Adners Konzept der “Value Blueprints”. Sie können helfen, das große Ganze zu sehen. Sie unterstützen dich, die richtigen Player für Konversationen zu identifizieren und helfen bei der Abschätzung des Risikos einer Zusammenarbeit. Um ein Entrepreneurship-Ökosystem zu analysieren, werden wir die Blueprints um kompetitive und nicht kompetitive Player, sowie Player mit einer guten Übersicht über das Ökosystem erweitern. Die Blueprints können in wenigen einfachen Schritten aufgesetzt werden, welche ich dir hier näherbringen will.

1. Stakeholder definieren

Im ersten Schritt muss du deinen “End Customer” definieren, also denjenigen, der letztendlich von deinem Produkt bzw. deinem Service profitiert. Als nächstes müssen “Supplier” identifiziert werden, also die Stakeholder die man braucht, um Wert zu generieren, die sozusagen die Zutaten für das Produkt liefern. Danach muss festgestellt werden ob zwischen dem End Customer und dir noch jemand steht. Diese Player werden dann als “Intermediaries” bezeichnet. Zusätzlich werden “Complementors”, also Stakeholder die den Weg für Intermediaries ebenen, berücksichtigt. Zuletzt werden Player mit guter Übersicht über das Ökosystem und kompetitive und nicht kompetitive Player identifiziert.

Nachdem alle Stakeholder in die Blueprints eingetragen wurden, sieht der erste Entwurf in etwa so aus, wie in der folgenden Grafik:

(c) Alex Schuh

2. Das Risiko abschätzen

Es gibt zwei wichtige Fragen die du dir in Bezug auf alle Stakeholder stellen solltest: “Können sie die Aufgaben erfüllen, die ich von ihnen benötige?” (Co-innovation Risiko) und “Wollen sie die Aufgaben erfüllen, die ich von ihnen benötige?” (Co-adoption Risiko). Diese Fragen zu beantworten – bevor man in das Ökosystem Eintritt – ist extrem wichtig. Denn nur weil man eine Vision mit den anderen Stakeholdern teilt, heißt das nicht, dass man sich über den Weg, sie zu erreichen, einig ist. Wenn die Strategie von allen Playern Richtung Zusammenarbeit ausgerichtet ist, werden automatisch die dazugehörigen Strukturen angenommen.

Darum wurde ein Ampelfarbensystem eingeführt, um dieses Risiko simpel innerhalb eines Ökosystems zu bewerten. Grünes Licht bedeutet “Alles wie geplant”, gelbes Licht bedeutet “Sie können es noch nicht”, oder “Sie wollen es noch nicht”, und rotes Licht bedeutet “Das funktioniert nie”. Wichtig ist, dass ein paar gelbe Ampel kein großes Problem darstellen, besonders nicht am Anfang. Diese können durch verschiedene Anreize auf grün gestellt werden. Rote Lichter sind jedoch ein größeres Problem. Du musst dann andere Player finden, um die Lücke zu füllen. Oder, wenn das unmöglich scheint, sogar dein Geschäftsmodell ändern.

Die folgende Grafik zeigt die Blueprint erweitert um die Ampelfarben:

(c) Alex Schuh

3. Eine Iteration nach der anderen

Nehmen wir an, du besitzt einen Online-Buchhandel. Bevor du die Blueprints zum ersten Mal aufzeichnen kannst, müssen die Player mit einer guten Übersicht über das Ökosystem und kompetitive und nicht kompetitive Player befragt werden, um die Lücke im Ökosystem zu identifizieren. Somit hast du deinen Startpunkt gefunden. Beispiele für kompetitive Player sind in diesem Fall Amazon und Offline-Buchhandlungen. Nicht kompetitive Player sind andere Plattformen, welche komplementäre Güter für deine Kunden anbieten.
Nachdem der Startpunkt gefunden wurde, muss die Struktur der Value Blueprints erstellt werden (Bild 1) und anschließend das Risiko der Stakeholder bewerten (Bild 2). “Supplier” in unserem Beispiel sind Verlage und IT Infrastruktur Services. “Intermediaries” sind Reseller der Buchhandlung und “Complementors” sind Lieferservices.

Nach der ersten Iteration ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass einige Änderungen vorgenommen werden müssen. Also setzt du dich hin, bearbeitest die Blueprints auf Basis des Feedbacks, dass du bekommen hast, und validierst sie wieder und wieder und wieder…

Umdenken zu “Wenn wir es machen, wie kommen sie dort hin?”

Die Value Blueprints können unter Umständen als relativ unübliche Methode angesehen werden, im Speziellen für Manager in großen Unternehmen, da sie viele offene Konversationen mit externen Personen im Voraus verlangen. Die “darüber reden wir später im Prozess”-Methode ist heutzutage einfach nicht mehr angebracht und kann zu großen Problemen führen. Ein Umdenken von “Wenn wir es machen, kommen sie?” zu “Wenn wir es machen, wie kommen sie dort hin?” in Bezug auf die Stakeholder muss stattfinden. Wenn die Antwort “Wir sind nicht sicher” ist, willst du das definitiv herausfinden bevor du deine Zeit und dein Geld investierst.


Systematik

Dieses Modell zur Abschätzung des Risikos beim Gründen wurde in meiner Masterarbeit anhand eines Biotech Hubs, welches in Wien starten wird, getestet. Dazu wurden zehn Interviews mit zentralen Playern aus dem Wiener Ökosystem geführt, teilweise mit Fokus auf Deeptech. Um Aussagen über ein Hub im Biotech-Bereich generalisierbarer zu machen, wurden weitere Interviews in den Niederlanden (Nijmegen und Umgebung) geführt. Diese Gegend ist als “Health Valley” bekannt und hatte daher einen sehr guten fit. In zwei Iterationen wurden dann auf Basis des Inputs die Value Blueprints erstellt und Risiken analysiert.

Zum Autor

Alex Schuh arbeitet aktuell als Innovation Consultant bei Pioneers im Bereich Corporate-Startup-Collaboration. Zusätzlich arbeitet er als Network Developer beim Entrepreneurship Ecosystem Research Network.

Wenn du an dem Artikel oder am Thema Kollaboration bzw. Ökosysteme interessiert bist, kontaktiere Alex gerne via E-Mail.

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