17.03.2022

So arbeitet die ABA bei Rot-Weiß-Rot-Karten und Co mit Startups zusammen

Was kann die österreichische Standortagentur ABA in- und ausländischen Unternehmen und insbesondere Startups bieten? Marion Biber, Head of Invest in Austria, und Margit Kreuzhuber, Head of Work in Austria, im Doppel-Interview.
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Marion Biber, Head of Invest in Austria, und Margit Kreuzhuber, Head of Work in Austria, im brutkasten-Interview | (c) ABA
Marion Biber, Head of Invest in Austria, und Margit Kreuzhuber, Head of Work in Austria, im brutkasten-Interview | (c) ABA

Die ABA (Austrian Business Agency) feiert dieses Jahr ihr 40-Jahr-Jubiläum. Mit Work in Austria wurde die ABA vor etwas mehr als zwei Jahren zur Standortagentur ausgebaut. Mit ihren drei Geschäftsbereichen Invest in Austria, Work in Austria und Film in Austria berät die ABA kostenlos internationale Unternehmen, Fachkräfte und Filmproduktionen bei Fragen rund um den Wirtschafts-, Forschungs- und Arbeitsstandort sowie Österreich als Drehort. Dabei werden diverse Unterstützungsleistungen angeboten. Die kürzlich präsentierte Jahresbilanz 2021 fiel positiv aus: Im Bereich Betriebsansiedlungen wurde etwa das zweitbeste Ergebnis in der 40-jährigen ABA-Geschichte erreicht – der brutkasten berichtete.

Im Interview erklären Marion Biber, Head of Invest in Austria, und Margit Kreuzhuber, Head of Work in Austria, welche Services ihre Abteilungen bieten, welche davon von Startups besonders häufig genutzt werden und in welche Richtung sich die ABA weiterentwickelt.


Was sind die wichtigsten Ziele von Invest in Austria?

Marion Biber: Das wichtigste Ziel ist es, den Wirtschaftsstandort Österreich im Ausland bekannter zu machen und internationale Unternehmen und Unternehmer von einer Ansiedlung hier zu überzeugen und bei der Gründung und Expansion in Österreich zu begleiten. Wir begreifen uns als One-Stop-Shop und wollen den Unternehmen den Einstieg hier so leicht wie möglich machen. Auch bereits hier angesiedelte Betriebe betreuen wir weiter. Sie können sich mit Fragen jederzeit an uns wenden. Und wir versuchen dafür zu sorgen, dass sich die internationalen Unternehmen noch stärker hier engagieren und zum Beispiel Forschungsprojekte in Österreich umsetzen oder unterstützen das lokale Management bei Argumentationen im Konzern für den Wirtschaftsstandort.

Den Bereich Betriebsansiedlung der ABA gibt es bereits seit 40 Jahren. Vor rund zwei Jahren ist “Work in Austria” dazu gekommen. Warum gab es diese Erweiterung?

Marion Biber: Unser Eigentümer, das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat entschieden, uns zu einer Standortagentur auszubauen. Mit unseren drei Geschäftsbereichen sprechen wir jetzt internationale Unternehmen, internationales Fachpersonal und internationale Filmproduktionen an und holen sie nach Österreich. Der internationale Wettbewerb dreht sich eben nicht mehr nur um die besten Unternehmen, sondern auch um die besten Köpfe. Daher passt das gut zusammen. Vor allem die kostenlose Unterstützung bei der Rot-Weiß-Rot-Karte ist für uns sehr hilfreich, da bei einer Ansiedlung ja oft auch internationale Spitzenkräfte nach Österreich kommen.

Welche Services bietet Work in Austria heimischen Unternehmen konkret?

Margit Kreuzhuber: Wir unterstützen Unternehmen bei der Suche nach internationalem Fachpersonal und bewerben den Arbeitsstandort Österreich im Ausland. So tritt Österreich bei Spezialist:innen, aber auch schon bei Studierenden bestimmter Fachrichtungen international stark in Erscheinung und wird als Zielland noch attraktiver.

Work in Austria unterstützt viele Unternehmen im bekanntlich relativ komplexen Antragsprozess der Rot-Weiß-Rot-Karte, die inzwischen zu einem ziemlich emotionalen Thema wurde. Sollte der Vorgang aus ABA-Sicht vereinfacht werden?

Margit Kreuzhuber: Das Thema Verfügbarkeit von Fachpersonal ist klarerweise ein sehr emotionales Thema, weil der Unternehmenserfolg davon abhängt. Man sollte an allen verfügbaren Schrauben drehen, um die Situation zu verbessern. Es gibt konkrete Vorschläge der österreichischen Bundesregierung zum Thema Stärkung der internationalen Mobilität: es steht einiges dazu im Regierungsprogramm und es gibt auch darauf aufbauend einen Ministerratsvortrag. Die Vorschläge werden von uns unterstützt. Aber trotzdem braucht es auch im Vollzug eine individuelle Unterstützung und Hilfestellung für die Unternehmen, damit die Verfahren möglichst rasch und reibungslos abgewickelt werden können. Das sehen wir als unsere Aufgabe bei Work in Austria.

Was müssen Unternehmen zur ABA mitbringen, um die größten Erfolgsaussichten bei einem RWR-Karten-Antrag zu haben?

Margit Kreuzhuber: Idealerweise sollte man noch vor der Antragstellung zu uns kommen, damit wir gleich einschätzen können, wie erfolgsversprechend der Antrag ist. Da geben wir gerne einen reality check. Dann sehen wir uns gemeinsam an, ob die notwendigen Dokumente vollständig sind. Wir helfen beim Ausfüllen aller Unterlagen und unterstützen im gesamten weiteren Prozedere. Wenn wir merken, dass es mit einer Behörde Schwierigkeiten gibt, treten wir als Vermittler auf und versuchen den Prozess so reibungslos wie möglich mitzugestalten.

Es gibt inzwischen einige Player am Markt, die von privater Seite Hilfe bei einem RWR-Karten-Antrag anbieten. Ist das eine Konkurrenz zum Angebot von Work in Austria?

Margit Kreuzhuber: Wir sehen das absolut als Bereicherung. Wir begreifen uns als Partner für diese neuen Anbieter und kooperieren mit mehreren davon. Es gibt dabei eine klare Rollenverteilung. Wir versuchen generell bei den RWR-Karten-Verfahren eine Vogelperspektive einzunehmen. Die Verfahren sind sehr vielschichtig. Es hängt vom AMS, von den Aufenthaltsbehörden und von den Vertretungsbehörden im Ausland ab und wir wollen zwischen diesen Playern bestmöglich vermitteln, damit das Prozedere so rund wie möglich verläuft.

Marion Biber, Head of Invest in Austria, und Margit Kreuzhuber, Head of Work in Austria, im brutkasten-Interview | (c) ABA
Marion Biber, Head of Invest in Austria, und Margit Kreuzhuber, Head of Work in Austria, im brutkasten-Interview | (c) ABA

Welche weiteren Services von Work in Austria sind für Startups besonders relevant?

Margit Kreuzhuber: Ganz neu ist der “Immigration Guide”. Dort kann man sich selbst durch die Möglichkeiten der Arbeitskräfte-Einwanderung durchklicken. Man kann etwa in Erfahrung bringen, welche Rot-Weiß-Rot-Karte im konkreten Fall infrage kommt und welche Dokumente man für den Antrag braucht. Man wird auf sehr praktikable Art durch den gesamten Prozess durchgeleitet, was eine gute Basis für weitere Beratung schafft.

Wichtig sind auch unsere Services im Bereich Relocation, also Leben und Arbeiten in Österreich. Für die Entscheidung für ein Land ist es natürlich ausschlaggebend, wie die Rahmenbedingungen für die Familienangehörigen sind. Es gibt von uns einen Support für die Aufenthaltsgenehmigung der Familienmitglieder, aber auch für Themen wie Wohnung, Schulbesuch, Krankenversicherung und weitere Themen in dem Zusammenhang. Dabei kooperieren wir auch eng mit den Standortagenturen in den Bundesländern.

Ein weiterer wichtiger Service von uns ist die Bewerbung des Arbeitsstandorts Österreich im Ausland. Wir haben auch eine Jobbörse, die wir bei unseren Aktivitäten im Ausland vorstellen. Indem sie ihre offenen Stellen in unserer Jobbörse posten, können auch Startups besser geeignetes Fachpersonal im Ausland erreichen. Unsere Angebote werden von den Unternehmen sehr gerne in Anspruch genommen; das Feedback das wir bekommen, ist sehr positiv.

Wenn Gründer:innen aus dem Ausland nach Österreich kommen, werden sie von Invest in Austria unterstützt. Welche Services werden da angeboten?

Marion Biber: Wir begleiten internationale Gründer:innen bzw. Unternehmen wirklich in allen Phasen des Ansiedlungsprozesses. Noch bevor sie sich für einen Standort entschieden haben und während sie vielleicht gerade noch mehrere Länder evaluieren, liefern wir ihnen bereits die gesamten Informationen, die sie zu Österreich brauchen und versuchen sie natürlich zu überzeugen.

Wenn der Entschluss gefallen ist, nach Österreich zu kommen, verstehen wir uns als One-Stop-Shop. Wir bieten etwa erste Informationen zu rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen und haben dazu in unserem Netzwerk Anwalts- und Steuerberatungskanzleien, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Wir helfen auch bei der Suche nach dem idealen Standort und der passenden Immobilie. Dann vermitteln wir zu den Förderinstitutionen und noch mehr. Wir sind ein sehr internationales Team. Ganz oft geht es darum zu erklären, warum etwas in Österreich anders ist, als im Heimatland. Fragen sind etwa, wie die Suche nach Personal in Österreich funktioniert oder wie sich das Arbeitsrecht unterscheidet.

Gibt es Services, die gerade für ausländische Neugründer:innen besonders wichtig sind und bei Betriebsansiedlungen weniger relevant?

Marion Biber: Es ist weniger der Unterschied zwischen Neugründungen und Betriebsansiedlungen, sondern mehr zwischen kleinen und großen Unternehmen. Die kleinen freuen sich umso mehr, unsere Dienstleistungen kostenlos in Anspruch nehmen zu können. Oft sind die internationalen Gründer:innen sehr überrascht, dass es so ein Service gibt und sie freuen sich, wenn man sie wirklich bei der Hand nimmt und ihnen etwa zeigt, wo sie sich die Gewerbeberechtigung holen können oder welche Banken besonders gut mit Startups zusammenarbeiten. Das sind wirklich sehr praxisnahe Hilfestellungen. Bei den großen Unternehmen geht es meistens darum, sie bei der gesamten Standort-Suche inklusive Organisation aller Termine, Locationsuche und -besichtigung und Vernetzung mit den Regionalagenturen zu unterstützen.

Deutschland ist laut kürzlich präsentierten Zahlen das mit Abstand häufigste Herkunftsland bei Betriebsansiedlungen über Invest in Austria. Welche anderen Länder sind besonders wichtig?

Wir sind im Team geografisch organisiert und decken so praktisch die ganze Welt ab. Natürlich gibt es Märkte, aus denen besonders viele ausländische Direktinvestitionen kommen. Deutschland ist Österreichs Handelspartner Nummer 1 und hat bei uns ebenfalls jährlich einen Anteil von etwa 30 Prozent bei Betriebsansiedlungen, aber auch bei Bestandsinvestitionen. An zweiter Stelle liegen Italien und die Schweiz, die sich immer wieder abwechseln – also ebenso Nachbarländer.

Osteuropa ist in den vergangenen Jahren immer stärker geworden. Da haben wir über die vergangenen Jahrzehnte beobachtet, dass sich die Rolle des österreichischen Wirtschaftsstandortes geändert hat. Wir sind nicht mehr nur die Brücke in den Osten, sondern wirklich die Drehscheibe für osteuropäische Unternehmen, darunter auch viele Startups, die von hier aus weiter Richtung Westen expandieren. Wir betreuen aber etwa auch die USA, Kanada, Japan und China aktiv.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung seit der Gründung von Work in Austria? Wie soll es weitergehen?

Marion Biber: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren im Zuge der Entwicklung zur Standortagentur bei Invest in Austria eine stärker qualitätsorientierte Strategie eingeschlagen. Wir sprechen verstärkt Unternehmen aus den Bereichen IT und Life Sciences sowie Startups und Unternehmen, die in diesen Bereichen Forschung betreiben, an. Voriges Jahr ist es uns gelungen, den Prozentanteil der Ansiedlungen aus diesen strategisch wichtigen Bereichen von 14 auf 21 Prozent zu steigern. Wir sehen in der Praxis, dass die Schnittstellen zwischen Invest in Aaustria und Work in Austria immer enger werden. Und es ergeben sich immer mehr solche Schnittstellen, an die wir zu Beginn gar nicht gedacht haben.

Wie sind die vergangenen zwei Jahre aus Work in Austria-Sicht verlaufen? Was ist zu erwarten?

Margit Kreuzhuber: Der Bereich hat sich extrem erfolgreich entwickelt. Im Vorjahr haben wir 494 Unternehmen bei uns beraten. Drei Viertel der Unternehmen kamen aus dem Mint-Bereich. 90 Prozent der bearbeiteten Fälle konnten positiv abgeschlossen werden. Das ist eine sensationelle Quote. Man sieht, dass es den Bedarf an dieser Unterstützung gibt. Und wenn man sich das Fachpersonal-Thema und die demografische Entwicklung ansieht, bin ich sehr fest davon überzeugt, dass das Thema weiter an Fahrt gewinnen wird und auch, dass wir gut dafür aufgestellt sind.

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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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