22.03.2024
BEYOND9TO5

4-Tage-Woche: Fluch oder Segen?

32 Stunden bei vollem Gehalt. Das haben involve.me-Gründer Vlad Gozman und sein Team für ein halbes Jahr getestet. Seit nunmehr eineinhalb Jahren ist die kürzere Woche fixer Bestandteil und funktioniert.
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involve.me- Gründer Vlad Gozman weiß, wie eine 32-Stunden-Woche für Unternehmen funktionieren könnte (c) involve.me

So richtig angefangen hat alles auf einem Retreat im Sommer 2022. Mit seinem Team fuhr Vlad Gozman, Gründer und Geschäftsführer von involve.me, ins Grüne, um einmal durchzuatmen. Wie viele andere Unternehmen sah auch das KI-Startup die Zeit nach den Lockdowns der Covid-Pandemie als Chance für Veränderung. Das Ziel: Die Arbeitswoche ohne Produktivitätsverlust um acht Stunden kürzen. Bei den Team-Building-Tagen sammelten alle Mitarbeiter:innen deshalb gemeinsam Ideen für die Umstellung auf 32 Stunden pro Woche bei gleichbleibendem Gehalt.

Gemeinsam gestalten

Wichtig war dem Gründer, dass alle aus dem involve.me-Team dabei sind. „Ich habe mich sehr gefreut, dass sogar alle Remote-Mitarbeiter:innen kommen und wir uns als Team gemeinsam Ziele setzen und Meinungen einholen konnten“, erzählt er. „Die Hauptfrage für uns war: Wie können wir unsere Mitarbeitenden konstant zufriedenstellen und unsere Prozesse gleichzeitig produktiver gestalten“, erzählt er im Gespräch mit brutkasten.

„Nach einer intensiven Woche ist es verständlich, dass die Motivation an Freitagen geringer ausfällt. Wir dachten uns daher: Warum nicht gleich einen Tag streichen und Planung sowie Management der Aufgaben effizienter machen?“, erklärt Gozman die Beweggründe für die Umstrukturierung. Beim Brainstorming konnte das derzeit 14-köpfige Team den Prozess von Anfang an mitgestalten. “Das hat uns geholfen die veränderte Firmenstruktur auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen.”

Flexibilität und Rahmenbedingungen des Unternehmens nutzen

Die Flexibilität dafür sei gerade bei Software-Unternehmen vorhanden, meint der Gründer, der mit involve.me ein personalisiertes Business-Tool entwickelt hat. Damit können Unternehmen binnen weniger Minuten Fragebögen, Nutzerverhaltensanalysen oder Engagement-Optimierungen mittels KI-gestützter Software im jeweiligen Corporate Design generieren, wie brutkasten berichtete.  

„Wir arbeiten international und haben Kund:innen in den USA, Asien und Australien. Die verschiedenen Zeitzonen erlauben uns also auch sehr viel Spielraum für die Planung unserer Projekte und können unabhängig von einer gängigen Fünf-Tage-Woche funktionieren“, erklärt Gozman.

In Abteilungen, wie etwa dem Costumer-Support verlange das aber auch eine gewisse Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter:innen für die Arbeitszeiten jenseits des 9-to-5-Systems. Ein fehlender Tag müsse gerade in Bereichen mit viel Kund:innenkontakt trotzdem abgedeckt werden. Hier setzt das Team von involve.me auf Schicht-Rotation, um die flexiblen Arbeitszeiten weiterhin zu gewährleisten.  

Effizienzsteigerung ohne Druck

Ein bisschen Skepsis lag damals schon noch im Raum, erinnert sich der Geschäftsführer, gerade beim Thema Effizienz und Produktivität hatten manche Mitarbeitenden anfangs Befürchtungen, die 4-Tage-Woche würde den Leistungsdruck begünstigen. Viele konnten sich nicht vorstellen, wie der Output bei einem Arbeitstag weniger, derselbe bleiben könne, ohne dass die Änderung schließlich doch zu einer Belastung wird.

Dem hält das Startup aber bis heute entschlossen entgegen. Das Erfolgsrezept lautet: Erst einmal testen, nichts überstürzen und hinterfragen. Ohne Erfolgsdruck dafür mit Mut zur Fehlerkultur wurde in den darauffolgenden Wochen also die Testphase für die 32-Stunden-Woche eingeläutet, immer wieder angepasst und allmählich für gut befunden.

Weniger Output ist nicht unbedingt schlechter

„Natürlich kann ich mir bei acht Stunden weniger Arbeitszeit definitiv nicht denselben Output von meinem Team erwarten. Dass wir hier teilweise Abstriche machen müssen, war uns aber klar“, betont Gozman. Damit die Unternehmens-Ziele trotzdem erreicht werden können, ohne dass die fehlenden Stunden sich wiederum auf die restlichen Tage aufteilen, sei es wichtig die Rollen und Aufgaben komplett neu zu denken. Und dazu brauche es ein gewisses Maß an Autonomie. Die wiederum funktioniere nur durch weniger Micromanaging in der Führungsebene.

„Es liegt an uns zu gestalten, wie wir künftig arbeiten wollen.“

Vlad Gozman, Co-Founder von involve.me

Die Veränderung passiert im Kopf

„Durch die Umverteilung der Bereiche und Projekte, kann ich mich jetzt viel mehr auf das Management konzentrieren und mich um die größeren strategischen Fragen kümmern“, erzählt der Co-Founder. Das entlastet nicht nur seine Mitarbeiter:innen, sondern bietet auch mehr Freiraum für neue Ideen und Kreativitätsprozesse. Das Hinterfragen der bisherigen Rollen im Unternehmen bringt neue Perspektiven mit sich und schärft den Fokus auf den Prozess von Projektplanung bis hin zum Kundenkontakt.

„Es liegt an uns zu gestalten, wie wir künftig arbeiten wollen.“ Als SaaS-Startup gehört involve.me dabei zu jenen Startups, bei denen die freie Einteilung besonders gut funktioniert. Unabhängig von Geschäftszeiten lassen sich die Deadlines der Projekte Kund:innen- aber auch Mitarbeiter:innen-orientiert setzen.

Bessere Firmenkultur und deutlich weniger Krankenstände

Die eigenverantwortliche Gestaltung ist es auch, die zu dem wohl positivsten Effekt der Umstrukturierung geführt hat: „Die Motivation und Energie meines Teams ist spürbar höher. Voller Tatendrang zu sein ist bei uns nicht nur eine Floskel.“ Und das hat auch Auswirkungen auf die allgemeine Firmenkultur. Die Knappheit, die eine 4-Tage-Woche mit sich bringt, sei gleichzeitig ein Appell an die Management-Fähigkeiten seines Teams. Zeitliche Freiheiten zu haben und parallel dazu die jeweiligen Projekt-Ziele zu erreichen, bringt viel Verantwortung mit sich, auf die man bei erfolgreichen Abschlüssen stolz sein kann. Das steigere auch die Identifikation mit den Projekten und dadurch auch mit dem Unternehmen, wie Co-Founder Gozman erzählt.

Zudem haben sich die Krankenstände seit der Umstellung deutlich verringert, betont er. Auch die selbstständige Einteilung von Meetings oder auch Pausenzeiten fließe hier mit ein. „Man weiß dann, ‘okay wir haben vier Tage in einer Woche. Das heißt, es liegt an mir, meine Zeit so gut wie möglich für das Projekt und für mich zu managen’.“

Zwischenzeitlich warteten auch einige Herausforderungen auf das Startup. So seien manche Auszeiten und Pausen, die die Mitarbeiter:innen gemeinsam verbracht haben “manchmal ausgeartet”, das gehöre aber dazu und sei nicht auf New Work-Modelle zurückzuführen. Der Schlüssel zum Erfolg bei flexiblen Zeitmodellen sei Vertrauen, so der Gründer.

Ein Drittel möchte New Work- Modell

Von den bisher verzeichneten Positiv-Effekten auf das Team positioniert sich involve.me mit Fokus auf New Work auch als attraktiver Arbeitgeber für potenzielle neue Mitarbeiter:innen am Arbeitsmarkt. Die Ergebnisse einer im März veröffentlichten Studie der Arbeitsplattform Xing zu New Work bestätigen die Bereitschaft an der 4-Tage-Woche. So kann sich ein Drittel der Arbeitnehmer:innen vorstellen ihre Woche künftig bei gleichbleibendem Lohn auf 32 Stunden zu komprimieren. Involve.me steht als SaaS-Unternehmen dabei klar im Vorteil: „Selbstverständlich kann nicht jedes Unternehmen die Arbeitszeiten derart modellierbar anbieten, wie wir und andere Software-Unternehmen. Durch kundengetriebene Abläufe und externe Deadlines müssen sie punktgenau landen“, erzählt der Co-Founder, „das machen wir natürlich auch, aber der Weg dorthin ist bei uns genauso individuell, wie das Produkt.”

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Das Gründerteam von Kern Tec | (c) Kern Tec
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Der Marketed Innovation Prize, verliehen von EIT Food, wählt Startups aus der Lebensmittelbranche aus, die „den Übergang zu einem gesünderen und nachhaltigeren Lebensmittelsystem unterstützen“. Insgesamt wurden Preisgelder in Höhe von 55.000 Euro vergeben. EIT Food wird vom Europäischen Innovations- und Technologieinstitut (EIT) gefördert, einer Einrichtung der Europäischen Union.

Eines der ausgezeichneten Startups ist das niederösterreichische Unternehmen Kern Tec. Es verwandelt Obstkerne, die normalerweise als Abfall gelten, in hochwertige Zutaten für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Diese finden zudem auch Anwendung in kosmetischen und industriellen Produkten.

Kern Tec: “Die Anerkennung bestärkt uns in unserer Mission”

Luca Fichtinger, Co-Gründer von Kern Tec, freut sich gemeinsam mit seinem Team über den Marketed Innovation Prize. Er sagt: „Die Anerkennung bestärkt uns in unserer Mission, Lebensmittelabfälle in wertvolle, nachhaltige Produkte umzuwandeln. Indem wir Aprikosenkerne zu nahrhaften Snacks aufwerten, wollen wir Abfälle reduzieren und gleichzeitig ein zirkuläreres und nachhaltigeres Lebensmittelsystem fördern. Dieser Preis bestätigt nicht nur unsere Bemühungen, sondern inspiriert uns auch, weiterhin innovative und skalierbare Lösungen zu entwickeln, die zu einem besseren Lebensmittelsystem für alle beitragen“.

Preise für “innovative Lebensmittel-Startups”

Insgesamt vergab EIT Food acht Preise an europäische Startups im Bereich Lebensmittelinnovationen. Mit dem Preis sollen „innovative und einflussreiche Agrar- und Lebensmittel-Startups“ ausgezeichnet werden, die „wirkungsvolle Produkte oder Dienstleistungen auf den Markt” brachten, wie die Organisation erklärt.

„Diese Gewinner des Marketed Innovation Prize führen den Wandel in unserem gesamten Lebensmittelsystem an, von der Förderung der Proteindiversifizierung bis hin zur Entwicklung KI-gestützter landwirtschaftlicher Lösungen. Sie bieten den Verbrauchern spannende, gesündere Alternativen und geben Lebensmittelproduzenten innovative und nachhaltige Techniken an die Hand, um Effizienz und Produktivität zu steigern“, betont Richard Zaltzman, CEO von EIT Food.

2023: Kern Tec erhielt Investment von 12 Mio. Euro

Kern Tec rund um Gründer-Team Michael Beitl, Luca Fichtinger, Sebastian Jeschko und Fabian Wagesreither startete 2019 mit einer Technologie, um Öle und Proteine aus Obstkernen zu gewinnen. Dabei verwendete man Obstkerne von Marillen, Kirschen und Zwetschken – typische Abfallprodukte der heimischen Obstindustrie. Inzwischen brachte das Startup pflanzliche Alternativen von Milch, Joghurt, Eis und Käse auf Basis von Obstkernen auf den Markt.

Im vergangenen Jahr sicherte sich Kern Tec in einer Series-A-Finanzierungsrunde ein Investment von 12 Millionen Euro – brutkasten berichtete. Die Finanzierungsrunde wurde von Telos Impact angeführt, mit Beteiligung des PeakBridge Growth 2 Fonds und des European Innovation Council (EIC) Fonds. Mit diesem Kapital plante das Unternehmen, international zu expandieren und seine Produktpalette weiter auszubauen.

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