25.04.2017

4 Gamechanger: Die Wiener Marx Halle als Startup-Spielwiese

Virtual Reality Brillen, Bio-Burger und Pitches – hip spielt es sich ab in der Marx Halle im dritten Wiener Gemeindebezirk. Zum zweiten Mal veranstaltet heuer Puls4 das 4 Gamechanger“-Festival .
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Wer in der heimischen Startup-Szene etwas auf sich hält, kann es sich eigentlich nicht leisten, nicht da zu sein. (c) Puls4

Das Puls4-Format “4 Gamechanger”  solle Startups, Webstars und Visionären eine Bühne geben, heißt es auf Veranstalterseite. Und wie es für die Startup-Szene Usus ist, steht auch dieses Festvial im Zeichen des Wachstums. Bei der Erstauflage im Vorjahr begnügte man sich mit einem Veranstaltungstag, dieses Jahr sind es bereits vier. Platztechnisch hat sich ebenso einiges getan. Nationale und internationale Startups reihen sich mit einer Vielzahl von Ständen aneinander. Wenig überraschend waren viele der ausstellenden Unternehmen Teilnehmer der Puls4 –Startup Show „2 Minuten 2 Millionen“. Aber auch die großen traditionellen Unternehmen zeigen sich von ihrer verspielten Seite. Die Erste Bank stellt beispielsweise ein übergroßes Luftkissen zur Verfügung, in dem sich motivierte Teilnehmer auspowern können.

+++ Was Randi Zuckerberg und Parov Stelar mit Startups aus Österreich zu tun haben +++


Dienstag, 25. April – Festivaltag #4

Es wird politisch

Am vierten und letzten Festival-Tag stehen nicht nur einige Politiker, etwa Christian Kern, Sebastian Kurz, Alexander van der Bellen und Muna Duzdar, auf der Bühne. Auch die zentralen Fragen bei den Panels betreffen Themen, mit denen sich die Politik jetzt und in naher Zukunft auseinandersetzen muss. So startet der Tag gleich auch mit einer Panel-Discussion zum Thema “social media hacks democracy”, an unter anderem Mark Zuckerbergs Schwester und ehemalige Facebook-Marketing-Chefin Randi Zuckerberg teilnimmt. Die Frage der Diskutanten, noch unter dem Eindruck der US-Präsidentschaftswahl: “Wie stark können social media Wahlen beeinflussen?” Beim Thema bleibt auch die anschließende Panel-Discussion zu “Alternative Facts”, ebenfalls mit Beteiligung von Zuckerberg.

Cyborgs: Teil der Evolution oder Perversion

Spannend geht es auch am Nachmittag weiter. Als Keynote-Speaker steht Neil Harbisson, der erste anerkannte Cyborg, auf der Bühne. Farbenblind geboren kann er über ein Implantat nicht nur das für alle sichtbare Farbspektrum, sondern etwa auch ultraviolett und Infrarot wahrnehmen. In naher Zukunft will er sich ein künstliches Organ zur Wahrnehmung der Zeit implantieren lassen. Bei der Panel-Discussion zum Thema “part man – part machine: Wann sind wir unsterblich?” sorgt Harbisson dann für jede Menge Widerspruch. Seine Ansicht, der Mensch könne sich durch neue Organe und Implantate stetig bis zur Perfektion verbessern, wird nicht geteilt. Sieht Harbisson sein Vorgehen als Teil der menschlichen Evolution, sieht Mitdiskutant Gerd Leonhard den Vorgang als “Downgrade” des menschlichen Körpers. “Wenn ein Beinloser Prothesen bekommt, mit denen er schneller rennen kann, als andere, ist es das Eine. Wenn sich jemand die Beine abschneidet, um diese Prothesen zu bekommen, ist das Perversion”, sagt Leonhard.

Hermann Hauser: “Große Marken in der Kategorie von Mercedes, BMW oder VW werden in fünf bis zehn Jahren verschwunden sein.”

Artificial Intelligence: Von Dystopien und Chancen

Mit dem Themenblock Blockchain und Artificial Intelligence (AI) geht es hochpolitisch weiter. Puls4-Moderatorin Manuela Raidl, die die Diskussion zum Thema “Ist der Computer der bessere Mensch” leitet, greift für ihre Fragen auf diverse Hollywood-Dystopien zum Thema zurück – und sie wird entsprechend bedient. Im Panel herrscht Übereinstimmung: Die Gefahr der AI sei nicht zu unterschätzen. Etwa 2020 werde AI Menschen erstmals in allen Bereichen überlegen sein, sagt Investor Hermann Hauser etwa. Dann gelte es, vorbereitet zu sein und “die richtigen Ziel zu definieren”, doch darin seien Menschen schlecht. Hauser sieht primär aber die Old Economy in Gefahr: “Große Marken in der Kategorie von Mercedes, BMW oder VW werden in fünf bis zehn Jahren verschwunden sein”, sagt er im Bezug auf selbstfahrende Autos. Besonders intensiv wird die Diskussion beim Thema AI und Ethik. Es seien große Corporates, die den Maschinen momentan sagen würden, was sie tun sollen, und denen ginge es um Profit und Shareholder-Value, sagt etwa Matt Lerner von 500Startups.

Digitalisierung: Was sind die Folgen für die Gesellschaft?

Etwas unmittelbarer als die mögliche Machtübernahme durch AI, sind die Probleme und Chancen, die am späten Nachmittag und Abend diskutiert werden. Welche Auswirkungen die Digitalisierung etwa auf den Arbeitsmarkt hat, diskutieren unter anderem Staatssekretärin Muna Duzdar und Andreas Weinberger von Uber. Die zentrale Frage: Kann die Digitalisierung durch neue Jobs den von ihr verursachten Verlust an Arbeitsplätzen ausgleichen? Besonders prominent besetzt ist die letzte Diskussion des Tages: Außenminister Sebastian Kurz und Oskarpreisträger Forest Withaker sitzen mit anderen im Panel zum Thema “digital inclusion: building bridges or generating gaps?”. Die Frage: Wie können mehr Menschen bei der Digitalisierung mitgenommen werden und davon profitieren?


Montag, 24. April – Festivaltag #3

Peter Bosek: “Am Fin-Tech Markt ist die Online-Bank „N26“ die einzige ernstzunehmende Konkurrenz für die Erste Gruppe.”

Pitches > Keynotes

Der heutige dritte Tag des Festivals steht ganz im Zeichen von Startups. Drei Pitching-Sessions finden über den Tag verteilt statt. Das bisher größte Interesse der Besucher gilt eben jenen Präsentationen der Jungunternehmer. Bei den Pitches ist im Bühnenraum kaum ein Platz zu finden. Das musste auch Erste-Bank Vorstandsmitglied Peter Bosek bei seiner Keynote-Speech erfahren. „Vorher bei den Startups waren mehr Leute im Publikum und ich soll Ihnen jetzt erzählen, dass ich nicht von gestern bin. Wie soll ich das machen“, scherzt Bosek. Er gibt den (dennoch zahlreich anwesenden) Zuhörern einen Einblick, wie man bei der Erste Gruppe mit dem Thema Digitalisierung und Datenverarbeitung umgeht. Am Fin-Tech Markt sieht Bosek in der Online-Bank „N26“ die einzige ernstzunehmende Konkurrenz und auch den einen oder anderen Seitenhieb auf die Raiffeisenbank lässt er sich nicht nehmen.

Redaktionstipps

Intensive Diskussion über Bitcoins

In der anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema “Sind Banken von gestern“, entwickelt sich ein interessanter Schlagabtausch zwischen Startups und traditionellen Unternehmen. Startups wie Bitpanda sehen auf lange Sicht keinen Weg vorbei an der Onlinewährung „Bitcoins“.  Thomas Schaufler von der Erste Bank und auch Andrea Gritsch, Regulierungsexpertin von Wolf Theiss, stehen dem Thema skeptischer gegenüber. Vor allem in der Volatilität der recht jungen Onlinewährung sehen die beiden noch Risiken.

“Jedes Start-up lässt sich auf die Lösung eines konkreten Problems reduzieren.”

Hansmann, Altrichter und Co

In der Session “How to build a million-dollar-business” trafen sich die Aushängeschilder der heimischen Startup-Szene. Hansi Hansmann, Michael Altrichter (Stratup 300), Oliver Holle (Speedinvest) und Damon Crockney (Xseed Capital) sprachen darüber, was es eigentlich heißt ein Startup zu betreiben. „Jedes Startup lässt sich auf die Lösung eines konkreten Problems reduzieren”, sagt beispielsweise Business Angel Hansi Hansmann. Dass in der unternehmerischen Selbstständigkeit allerdings nicht immer alles eitel Wonne ist, beweist Damian Izdebski mit seiner Geschichte über das Scheitern seiner Firma DiTech. „Ich habe die Firma verloren, es war eine finanzielle Katastrophe, aber ich habe nie so viel über Unternehmertum gelernt wie mit dieser Pleite“, erzählt Izdebski.

Wer fehlt, verliert

Wer in der Startup-Szene etwas auf sich hält, kann es sich eigentlich nicht leisten, nicht da zu sein. Die Marx Halle hat sich für vier Tage sozusagen in ein Networking-Eldorado verwandelt – ähnlich wie es die Hofburg Anfang Juni im Zuge des Pioneers Festivals macht. Ein kleines Stelldichein mit einem Business Angel hier, ein Tête-á-Tête mit einem möglichen Investor da – in einer jungen kreativen Szene gehen auf jeden Fall die Gesprächsthemen nicht aus.

Tubolito und HELFERLINE zum Sieger gekürt

Die Jury der ersten Pitch-Session- bestehend aus Peter Bosek (Erste Bank Group AG), Michael Eisler (StartUp 300), Investorin Zissa Grabner, Marcus Grausam (A1) und Daniel Zech (SevenVentures) – kürte das Startup HELFERLINE zum Sieger der ersten Runde.
In der zweiten Runde konnte Tubolito die Jury für sich gewinnen – Peter Bosek, Marcus Grausam, Philipp Thurn und Taxis von Constantia New Business, und Daniel Zech.

Tubolito:
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HELFERLINE:
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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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