29.06.2018

331.000 Kickstarter-Projekte analysiert – Österreich mit zweitgeringster Erfolgsquote

Der deutsche Finanz-Blog Finantio hat in einer umfassenden Analyse mehr als 331.000 Kickstarter-Projekte gescreent. Die Ergebnisse lassen einige Rückschlüsse auf Erfolgsfaktoren zu.
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Kickstarter-Projekte
(c) finantio: Der deutsche Blog finantio.de untersuchte 331.000 Kickstarter-Projekte

Der deutsche Finanz-Blog Finantio hat mehr als 331.000 Kickstarter-Projekte analysiert. Gescreent wurden dabei Hard Facts, etwa die genutzten Kategorien, Zeitpunkte des Kampagnen-Starts und Finanzierungsziele. Der Blogger, Daniel Kupka, macht daher in seinem Fazit, das hier vorweggenommen werden soll, auf eine simple Weisheit aufmerksam, die seine Statistik nicht abdecken kann:

  1. Die Projektidee ist wichtig – Aus einer schlechten Idee, die gut umgesetzt wurde, wird keine erfolgreiche Kampagne.
  2. Die Umsetzung ist wichtig – Aus einer guten Idee, die schlecht umgesetzt wurde, wird keine erfolgreiche Kampagne.

+++ Kickstarter-Kampagne: Es braucht mehr als ein gutes Produkt +++

Elf Prozent der Projekte frühzeitig abgebrochen

Dennoch können aus der Analyse einige sinnvolle Tipps abgeleitet werden. Doch zunächst ein paar allgemeine Zahlen: Kupka bezog ursprünglich rund 378.000 Kickstarter-Kampagnen in seine Analyse ein. Etwa elf Prozent davon wurden jedoch frühzeitig abgebrochen, “obwohl interessanterweise einige dieser Projekte ihr Finanzierungsziel bereits erreicht hatten”, schreibt der Blogger. Andere Projekte liefen zum Zeitpunkt der Analyse noch. Nachdem Kupka die Erfolgsfaktoren festmachen wollte, zog er also nur die verbleibenden rund 331.000 Kampagnen heran, die entweder als erfolgreich oder gescheitert kategorisiert werden können.

Nur Italien mit geringerer Erfolgsquote als Österreich

40,4 Prozent der Kickstarter-Projekte waren es letztlich, die ihr Finanzierungsziel erreichten, die restlichen 59,6 Prozent verfehlten es. Bemerkenswert: Weltweit schnitten nur Kampagnen aus Italien im Durchschnitt schlechter ab, als jene aus Österreich. Hierzulande liegt die Erfolgsquote bei gerade einmal 22,1 Prozent, beim südlichen Nachbarn bei 18,5 Prozent. Am erfolgreichsten waren Projekte aus Hong Kong (45,3 Prozent) gefolgt von den USA (41, 8 Prozent).

78,8 Prozent der Kickstarter-Projekte aus den USA

Auch wenn man den Eindruck hat, dass Kickstarter inzwischen eine häufig genutzte Finanzierungsform in Österreich ist, ist der weltweite Anteil heimischer Kampagnen kaum nennenswert. Tatsächlich werden 78,8 Prozent der Kampagnen aus den USA gelauncht (wodurch sich die hohe durchschnittliche Erfolgsquote erklärt). Aus Deutschland kommen gerade einmal etwas mehr als ein Prozent der Kickstarter-Projekte, womit es weltweit immer noch auf Platz 5 liegt.

Apps und Kickstarter vertragen sich nicht

Auch wenn Kickstarter hierzulande vor allem als Finanzierungsform für Hardware-Startups bekannt ist – weltweit wird die Plattform für eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte genutzt. Besonders gut schnitten Kampagnen aus den Bereichen Tanz (65,4 Prozent Erfolgsquote) Theater (63,8 Prozent) und Comics (59,1 Prozent) ab. Die schwächste Kategorie war ausgerechnet Technologie (23,8 Prozent). Eine Analyse diverser Unterkategorien zeigt ein besonders markantes Schlusslicht: Nur 7,15 Prozent aller Apps wurden erfolgreich finanziert. Auch Web-Projekte stehen mit 7,97 Prozent Erfolgsquote extrem schlecht da. Kupka macht darauf aufmerksam, dass unter den wenigen erfolgreichen Kampagnen in dieser Unterkategorie viele Open Source-Projekte waren.

Die Finanzierungsziele gelungener Kampagnen sind global gesehen nicht sehr hoch. Der Median-Wert für erfolgreich abgeschlossener Kickstarter-Projekte liegt bei gerade einmal 3838 US-Dollar. Bei den Top 10-Kampagnen lagen die Ziele zwischen 10.000 und einer Million US-Dollar.

Höchstens 30 Tage

Eine statistisch wichtige Rolle für den Erfolg von Kickstarter-Kampagnen spielt auch der Zeitraum, der gewählt wird. Unter acht Tagen und über 30 Tagen Laufzeit ist die Erfolgsquote signifikant geringer als im Zwischenbereich. Dabei nimmt sie ab 30 Tagen mit zunehmender Laufzeit immer weiter ab. Auch mit der Anzahl der Unterstützer glich Kupka die Laufzeiten ab. Ergebnis: Eine längere Laufzeit führt statistisch nicht zu mehr Unterstützern.

Dienstag im März um 15:00 Uhr

Zuletzt untersuchte der Blogger noch die optimalen Start- und Endzeitpunkte für Kickstarter-Projekte. Das Ergebnis: Nach den Daten zu urteilen, wäre es optimal, wenn das Projekt an einem Dienstag im März zwischen 15 und 16 Uhr beginnt und an einem Dienstag im April endet. Das ist natürlich nicht in Stein gemeißelt, zumal es wohl ungünstig wäre, wenn alle Kampagnen diesen Zeitpunkt wählen würden. Dennoch zeigen sich statistisch signifikante Muster:

Sommerferien und Weihnachten als Hindernisse

Demnach sind Juli und Dezember besonders schlechte Monate um zu starten (vermutlich in Zusammenhang mit Urlaubszeit und Feiertagen). Dagegen sind Kickstarter-Projekte, die im Februar, März, April, Oktober und November starten, im Durchschnitt erfolgreicher. Der Unterschied zwischen dem Spitzenreiter März (42,7 Prozent Erfolgsquote) und Schlusslicht Juli (36,5 Prozent) ist dabei durchaus beachtlich. Beim optimalen Projektende verschieben sich die Werte wenig überraschend im Großen und Ganzen um einen Monat nach hinten.

Nicht am Samstag starten

Auch bei den Wochentagen für den Kampagnen-Start zeigen sich deutliche Unterschiede. Der Dienstag steht dabei mit 42,5 Prozent erfolgreichen Projekten dem Samstag mit 37,5 Prozent gegenüber. Das Kampagnenende sollte den Zahlen zufolge ebenfalls am Dienstag (42,2 Prozent) und jedenfalls nicht am Sonntag (37,9 Prozent) liegen.

Uhrzeit: An die USA denken

Bei den Start-Uhrzeiten dominieren 15:00 (49,1 Prozent) und 14:00 Uhr (49,0 Prozent). Besonders ungünstig ist dagegen 00:00 Uhr (36,9 Prozent) gefolgt von 23:00 Uhr (37,2 Prozent). Kupka macht dabei auf die Wichtigkeit des Zielmarkts aufmerksam. Wenn man den überwiegenden Großteil der Kickstarter-User optimal erreichen will, muss man sich bei der Uhrzeit an die USA anpassen. Demnach seien 15:00 oder 16:00 Uhr Ostküsten-Zeit optimale Startzeitpunkte. Adressiere man den mitteleuropäischen Markt, sei der Zeitpunkt entsprechend zu wählen.

Bei all diesen Überlegungen bleibt natürlich die Anfangs genannte Weisheit essenziell: Das Produkt muss gut sein und für die erfolgreiche Kampagne bedarf es einer ganzen Reihe an Überlegungen, die sich statistisch nicht festmachen lassen.

⇒ zur Studie von Finantio

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Ida Tin, Co-Founderin von Clue (c) Valerie Maltsev

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Bunte Hosenanzüge, gepaart mit hohen Absätzen, Sneakers, langen Locken und eleganten Kurzhaarschnitten – beim diesjährigen Global Leaders Summit, organisiert von the female factor und unterstützt von der Stadt Wien, gleicht das Publikum einem bunten Bällebad. An diesem ungewöhnlich warmen September­donnerstag füllt sich das Wiener Rathaus mit über 500 weiblichen Führungskräften aus 50 Nationen.

Is this how a leader looks like?

Mittendrin ragt die dänische Founderin Ida Tin aus der Menge. In einem grau-weiß gestreiften Blazer und mit elegantem Hair-Updo setzt sie kontrollierte Schritte auf den roten Teppich, der Besucher:innen den Weg ins Rathaus markiert. Links und rechts stehen weiß bezogene Stehtische, vor einer türkisen Fotowall tummeln sich Hosenanzüge. „This is how a leader looks like“ steht auf der Fotowand.

„Schriftstellerin“ ist die Berufsbezeichnung, die aus diverser Berichterstattung rund um die dänische Gründerin hervorgeht. In ihrem ersten Buch schrieb sie über Motorradreisen. In Dänemark wurde es zum Bestseller. Ihre Geschichte ist eine, die von vielen gehört und gelesen gehört – denn Ida heißt heute „Mother of Femtech“.

Mother of Femtech

Ida wurde im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro geboren und war einen nicht unbeträchtlichen Teil ihres Lebens auf dem Motorrad unterwegs. Mit ihren Eltern und ihrem Bruder hat sie so mehrere Länder der Welt bereist.

Zusammen mit ihrem Vater ­arbeitete sie später für Moto Mundo, einen ­ Motorrad-Reiseveranstalter. In den frühen 2000ern organisierte sie Motor­radtouren durch Vietnam, die USA, Kuba, Chile oder die Mongolei; 2009 erschien ihr besagtes Buch „Direktøs“, in dem sie von ihren Reiseerfahrungen erzählt.

Weil auf Reisen kein Tag ist wie der andere, stand Ida vor einem Problem: Woher weiß sie, wann ihre Monats­blutung kommt? Händisch mitzuschreiben ging nicht, am Motorrad war kaum Platz. Sie brauchte etwas Handliches; etwas, das immer dabei ist. Und etwas, das selbst mitdenkt.

Ida kam auf eine Idee – ­ wenige Jahre später startete sie eine der weltweit ersten Tracking-Apps für Frauengesundheit. Ida gründete Clue als App für menstruierende Personen im Jahr 2012 in Berlin, gemeinsam mit Hans Raffauf, Moritz von Buttlar und Mike LaVigne. Über die Jahre wurde Clue zu einer der berühmtesten Apps unter Menstruierenden. Damit schuf Ida eine technologische Lösung zur Verbesserung von Frauengesundheit – eine Femtech-Lösung.

Forgive me, but I think there is a little bit of a lack of vision for Europe.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Zurück am Global Leaders Summit höre ich Ida zu, wie sie auf der Global Stage des Großen Festsaals im Wiener Rathaus spricht. Ida setzt ihre Worte gezielt; im Trubel des Summits sticht sie nicht mit Lautstärke hervor, sondern mit Präsenz. Ohne ihre Stimme zu heben, finden Idas Worte ihren Weg durch die Geräuschkulisse des Festsaaltreibens. Sie spricht von einer Reform unseres Ökosystems.

„Let’s invite men into our world“ und „Sense your body, pay tribute to your mental health“ sind nur zwei der Aussagen, die man selten von Gründer:innen im Business-Kontext hört. Mit dem Aufbau ihres Unternehmens hat sie den Begriffen „Gründung“ und „Unternehmensführung“ eine neue Bedeutung verliehen. Sie hat sie menschlicher gemacht.

Nach dem Panel bleibt Zeit für ein kurzes Interview. Wieder schafft es Ida, mit bewusst gesetzten Wortkombinationen eine wichtige Message zu kommunizieren: „Wir müssen aufpassen, was wir als erfolgreich betrachten. Früher war Erfolg Geld, ein hoher Return on Investment; noch größere Finanzierungsrunden. Doch wenn wir ehrlich sind, ist der eigent­liche Reichtum unsere Gesundheit.“

Wie ein System funktioniert

Unverkennbar geht es in unserem Gespräch nicht nur um Geld: „Mehrere Studien zeigen, dass Investitionen in die Gesundheit von Frauen die Wirtschaft ankurbeln. Erst dieses Jahr hat McKin- sey einen Report herausgebracht, der zeigt: Wir würden uns jedes Jahr eine Billion Dollar sparen, wenn die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen an- gemessen erfüllt würden.“

Ida zeigt in unserem Interview, dass sie das Thema bewegt: „Frauengesundheit ist teuer, gar keine Frage. Aber wir wissen mittlerweile auch: Wenn es Frauen gut geht, geht es ihren Unternehmen gut, ihren Familien und schließlich auch der Gesellschaft. Viel­fältige Teams begünstigen integrative Unternehmen, bringen weniger Voreingenommenheit und tatsächlich bessere Geschäftsergebnisse.“

Als ob das nicht schon selbsterklärend genug wäre, betont Ida mit einem Kopfnicken: „Wenn wir also Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.“

“Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und engstirnig.”

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Gesundheit!

Dass das in der Corporate-Bubble schwierig umzusetzen ist, weiß Ida. Auch alle bunten Hosenanzüge, die sich zum Global Leaders Summit im Wiener Rathaus versammelt haben, wissen es. Dass nicht tatenlos zugesehen werden darf, wie Frauen, ihre Gesundheit und ihr Potenzial im Unternehmertum vernachlässigt werden, weiß auch jede vor Ort.

„Wir wissen doch alle, dass man mehr Perspektiven in Führungsebenen bringt, wenn man Frauen dort reinsetzt. Wenn man sie einfach machen lässt und niemanden zu formen versucht. Wir leben in einer Kultur, vor allem in der Tech-Szene, in der wir Menschen formen. Du stellst jemanden an, du formst dir deine Arbeitskraft so, wie du sie willst, drückst sie in interne Strukturen. Du etablierst Arbeitsmodelle, die sich nach 40 Wochenstunden richten und Menschen gesundheitlich belasten. Und nicht selten endet das im Burnout. Ich denke, wir müssen uns in dieser Hinsicht mehr am Gesundheitsaspekt unserer Arbeit orientieren. Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“, so Ida.

Wenn wir Frauen in den Aufbau der Welt miteinbeziehen, funktioniert das System.

Ida Tin, Co-Founderin von Clue

Langsam lasse ich mir Idas Worte durch den Kopf gehen. „Wenn wir uns kaputtarbeiten, was bleibt dann vom Leben übrig?“ Ja, der Satz kommt wahrlich aus dem Mund einer der erfolgreichsten Founder:innen unserer Zeit. Das ist das Mindset jener Unternehmerin, die mit ihrer Tracking-App den Begriff Femtech prägte und den Grundstein für eine ganze Branche schuf. Sogar Apple war von Idas Technologie begeistert und bat um Zusammenarbeit.

Idas Mindset kommt nicht von irgendwo: „Meine Eltern waren ein Beispiel für Menschen, die genau das taten, was sie wirklich gerne machten; auch, wenn das in den Augen mancher als verrückter kleiner Traum schien. Mit ihrem Traum haben sie sich immerhin ihren Lebensunterhalt verdient. Und ich denke, wenn einem als Kind die Chance gegeben wird, die Welt zu sehen, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viele Realitäten es da draußen gibt; und wie viele Dinge miteinander verknüpft sind.“

Der Mangel an Vision

Stichwort Verknüpfung: Sollten wir nicht zuerst anfangen, auf nationaler Ebene zu denken, bevor wir uns die ganze Welt vorknöpfen? Ida sieht das anders:

„Wie soll ein kleines, noch so starkes Land in einem schwachen Europa überleben? Wenn es zu politischen Unruhen auf europäischer Ebene kommt, sind wir alle verwundbar. Wenn die Wirtschaft in Europa zusammenbricht, werden auch einzelne Staaten zusammenbrechen. Es macht keinen Sinn, in nationalen Einheiten zu denken. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir uns in Zukunft versorgen können. Wir müssen ein bisschen mehr an unseren Planeten denken. Ich glaube, es mangelt an einer Vision für Europa; und an gutem Storytelling.“

Der neue Erfolg

Ida redet Klartext über Tatsachen, die eigentlich jeder kennt, aber niemand wirklich wahr­ haben möchte. Mit einem weiteren Kopfnicken teilt sie Lösungsansätze:

„Wenn wir unsere Wirtschaft in etwas Nachhaltiges verwandeln wollen, müssen wir Erfolg neu definieren. Zurzeit feiern wir Investments, wir feiern finanzielle Rendite. Wir feiern Unicorns. Aber die Welt verlangt nach einer mehrdimensionalen Vorstellung von Erfolg.“

Ida meint: sich selbst nach eigenen Maßstäben als erfolgreich zu bezeichnen; Gesundheit als Erfolg zu bezeichnen. Und: „Unternehmen aufzubauen, in denen Menschen gesund sein können, in denen Menschen offen queer sein können, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen; in denen man sie nicht zwingt, Alkohol zu trinken – und in denen eine integrative Kultur geschaffen wird.“

Wir brauchen weniger

Mit Clue hat Ida genau das versucht, und zwar mit einem der wohl umstrittensten New-Work-Themen unserer Zeit: der Vier-Tage-Woche. „Wir haben gesehen, dass unsere Leute an vier Tagen in der Woche genauso viel geleistet haben wie an fünf.“

Ida bot ihrem Team neben vier Arbeitstagen damit auch drei freie Tage, die Möglichkeit für Side Projects und mehr Zeit für Sport, Familie und Ruhe. „Viele hatten das Gefühl, dass ihr Leben eine ganz neue Qualität gewonnen hat. Und zusätzlich gibt es auch eine Menge an Studien und Daten, die zeigen, dass das funktioniert“, so Ida.

Wie in Island

So wie in Island, wo seit 2020 51 Prozent der Arbeitnehmenden reduzierte Wochenarbeitszeiten von 35 bis 36 Stunden bei gleichem Lohn wie zuvor hatten. Heute soll der Anteil noch etwas höher liegen, heißt es von einer Studie des britischen Autonomy Institute und der isländischen Association for Sustainability and Democracy (Alda). Im vergangenen Jahr soll die Wirtschaft Islands um fünf Prozent gewachsen sein – damit verzeichnet der Staat eine der höchsten Wachstumsraten in Europa.

In Idas Office gab es an den vier Arbeitstagen außerdem schuhfreie Zonen, einen Meetingraum ohne Tisch sowie Schwimm- und Fitnessstunden für ihre Mitarbeiter:innen. „Es sind die kleinen Dinge, die die Leute zusammen und zum Lachen bringen. Irgendwann hatten wir sogar eine Vorstandssitzung im tischlosen Raum.“

Kannst du acht Stunden am Tag sitzen?“ Ida reißt mich aus meinem kurzen Tagtraum. „Ich kann es nicht!“, wirft sie hinterher. „Auch jeder Sportler weiß, dass man Erholung braucht, um Höchstleistung zu erbringen. Warum sollte man das als arbeitender Mensch also vernachlässigen?“

Die Planeten-Perspektive

Nach fast 40 Minuten werden wir von zwei bunten Hosenanzügen unterbrochen. Die Zeit für das Interview ist um, das nächste steht an. Eine Frage fehlt uns aber immer noch: Wie lässt sich unsere Gesellschaft nun nachhaltig umbauen?

„Die Besessenheit mit Geld macht unser Leben sehr arm. Und sie macht uns engstirnig. Niemand auf diesem Planeten muss exorbitant viel besitzen. Alles über einem bestimmten Betrag könnte in Klimafonds fließen, in Sozialprojekte, in die gerechte Verteilung von Vermögen. Die Monopolisierung von Reichtum schafft ein großes demokratisches Problem; und schließlich auch ein Problem für Innovation.“

Was uns Ida sagen will: Man kann keine Gesellschaft aufrechterhalten, in der zu wenige zu viel und zu viele zu wenig haben. „Ich wünsche mir, dass wir an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Manchmal frage ich mich: Warum haben wir nicht eine gemeinsame Marke für unseren Planeten? Einen gemeinsamen Plan mit einer gemeinsamen Perspektive. Das wäre etwas, das uns in unserem Tun sicherlich einiges an Klarheit und Ambition geben würde.“

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