05.08.2019

3 Mythen über Wasserstoff im Mobility-Bereich

Welf Wiemer und Alexander Hotowy von der ua. auf Mobilität spezialisierten Unternehmensberatung accilium legen im Gastkommentar die tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten von (grünem) Wasserstoff im Mobility-Bereich dar.
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Wasserstoff im Mobility-Bereich: 3 Mythen
(c) fotolia.com - fotomek

Vorweg: Es ist sehr erfreulich zu beobachten, dass sich die Diskussion rund um Antriebsarten von Fahrzeugen –  Benzin oder Strom – weiterentwickelt hat. Die Verbrennung fossiler Energieträger scheint endgültig in den Hintergrund zu wandern und wir führen eine viel spannendere Diskussion. Nämlich ob für unsere Elektrofahrzeuge die Batterie oder die Brennstoffzelle die geeignetere Technologie sein wird. Beide Technologien führen zu elektrischem Antrieb und sind zur Klimazielerreichung, für die Umwelt und damit für uns alle besser. Klammern wir daher auch gleich das Thema Wasserstoff-Verbrennung aus und konzentrieren wir uns auf die Frage Batterie versus Brennstoffzelle.

+++ Fokus-Channel: Mobility +++

Elektroauto gegen Elektroauto?

Für die zukünftige Elektromobilität sind Vorteile – aber auch Nachteile – des Energieträgers Wasserstoff nicht abzustreiten. “Battery Electric Vehicle (BEV)”, umgangssprachlich E-Autos, speichern Strom elektrochemisch in einer Batterie. “Fuel Cell (electric) Vehicle (FCeV)”, umgangssprachlich Wasserstoffautos, werden mit Wasserstoff betankt und erzeugen während der Fahrt chemisch Strom.

Nur das Speicherkonzept ist unterschiedlich: Batterie als Stromspeicher versus Betankung mit dem Energieträger Wasserstoff und Brennstoffzelle als (dezentrales) Kraftwerk. Das Speichermedium Wasserstoff hat eine um den Faktor 100 günstigere Energiedichte (massebezogen) als Lithium-Ionen-Batterien, sodass den hohen Umwandlungsverlusten (siehe Grafik 1) Vorteile in Gewicht, Speicherkapazität und ein Schnellladevorgang gegenüberstehen (siehe Grafik 2).

Wasserstoff im Mobility-Bereich
Grafik 1: Effizienz Strom zu Rad bzw. Fortbewegung

Die Zukunft ist elektrisch!

Der Zukunftstrend Elektrifizierung im Verkehr scheint gesetzt. Eine pauschale Darstellung sämtlicher Vor- bzw. Nachteile der Technologie Wasserstoff ist allerdings nur bedingt sinnvoll, müsste man doch die unterschiedlichen Anwendungsfälle differenziert voneinander betrachten. Vielmehr erscheint es uns als dringend notwendig, mit gängigen Mythen ein für alle Mal aufzuräumen.

Mythos 1: Wasserstoffproduktion ist ohne Klimavorteil und ineffizient

Dieser Mythos trifft für die chemische Produktion aus Rohöl und damit für 99 Prozent des heute produzierten Wasserstoffs zu. Für die restlichen 1 Prozent, sogenannten grünen Wasserstoff, der durch Elektrolyse gewonnen wird, ist auch geringe Effizienz unbestreitbar, spätestens wenn das Endziel doch wieder Strom ist. Dabei außer Acht gelassen wird jedoch der Wunsch nach 100 Prozent erneuerbarer Energien (siehe Grafik 2).

Denn durch Wind und Photovoltaik werden Stromüberdeckungen an Sommertagen, Unterdeckungen im Winter gegenüberstehen. Die Folge sind Preisvolatilitäten inklusive negativer Strompreise (bereits heute mehrfach im Jahr und zukünftig mit deutlichem Anstieg). Dies könnte grünem Wasserstoff den Einzug in viele neue Sektoren erlauben. Im Stromsektor ist dies ein Sommer-Winter-Ausgleich durch Speicherung. Und auch ein Transport von grünem Wasserstoff aus fernen PV-Großanlagen hat Zukunftspotential. Heute bringen Tankschiffe und Pipelines fossile Brennstoffe aus dem fernen Osten, morgen könnten sie grünen Wasserstoff aus dem Süden liefern.

Wasserstoffauto
Grafik 2: Vor- und Nachteile Brennstoffzelle

Mythos 2: Erforderliche Investitionen in (Tank-)Infrastruktur verhindern Wasserstoff

Auch dieser Mythos ist bei der heutigen Anzahl von nur fünf Wasserstofftankstellen in ganz Österreich nicht von der Hand zu weisen – das bekannte “Henne-Ei-Problem”. Andererseits benötigen ÖPNV, Speditionen oder gar Flugverkehr kein öffentliches Massennetz. Sie sind selbst in der Lage, punktuell (Tank-)Infrastruktur aufzubauen. Und gerade kommerzielle Nutzer profitieren am Meisten von erhöhter Auslastung durch Reichweite und kurze Tankstillstände.

Der Massenmarkt wird in der Stadt zunehmend mit “Mobility as a Service”-Lösungen versorgt werden (vernetzt und langfristig autonom). Eine massenzugängliche (Tank-)Infrastruktur scheint demnach künftig gar nicht notwendig. Konsumenten wollen Fortbewegung – weder Tanken noch Parkplatzsuche. Unser Sport erfolgt im Fitness-Studio, warum dann nicht Motorsport auf der Konsole? Im Umkehrschluss wird das heutige flächendeckende Tankstellennetz zunehmend zum 24/7-Shop, der Bedarf an (Tank-)Infrastruktur für die zukünftigen Serviceanbieter (sofern nicht Batterie und dezentrale Ladeboxen) wird viel weitmaschiger.

Mythos 3: Wasserstoff als Exklusivlösung für sämtliche Mobilitätsbedarfe

Physikalische Vor- und Nachteile können wir weder fortdiskutieren noch (gänzlich) wegentwickeln. Die Lösung heißt: anwendungsspezifische Nutzung (siehe Grafik 3). Im kommerziellen Güterverkehr bedeutet Auslastung Geld. Und im Flugverkehr sind die spezifischen Vorteile von Wasserstoff unbestreitbar (Masse, Masse, Masse) – sobald eine Substitution des Kerosins politisch gefordert wird.

Andererseits: Ländliche Pendler haben weder große Entfernungen noch Zeitdruck. Warum dann für zusätzliche Wasserstoff-Umwandlung einen Aufpreis bezahlen? Schon bald könnte es heißen: PV-Anlage aufs Dach, eigene Wallbox installieren und das gesparte Geld in (Fern-)Reisen verfliegen. Das Resultat sind mehrschichtige Verkehrswege bzw. ein Gesamtmix. Batterie und Brennstoffzelle werden parallele Technologien im Mobilitätsökosystem der Zukunft.

Elektroauto vs. Wasserstoffauto
Grafik 3: Beispiele zukünftiger spezifischer Anwendungen

Ein nüchterner Zukunftsblick – ganz ohne Mythen

Der Siegeszug von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen im Massenmarkt für kurze bis mittlere Strecken beginnt gerade. Vorreiter ist etwa Norwegen mit 60 Prozent Neuzulassungsanteil im ersten Quartal 2019 bei Steuerförderung. Auch Brennstoffzellenfahrzeuge sind erhältlich aber noch weit vom Massenmarkt entfernt. Doch Batteriespeicher brauchen für Wirtschaftlichkeit häufiges Be- und Entladen bzw. wiederholte Nutzung. Grüner Wasserstoff erlaubt auch Einwegtransporte und saisonale Energiespeicherung von gratis PV-Überschussstrom.

Als grüner Energiespeicher (und CO2-freies Substitut für Erdgas in der Industrie) gewinnt Wasserstoff damit eine Sonderstellung, die sein Zukunftspotential in diversen Energie- und Industrieanwendungen garantieren wird. Die Verbreitung in anderen Sektoren wiederum wird auch die wirtschaftliche Nutzung seiner spezifischen Einsatzgebiete in der Mobilität fördern. Stellen wir uns also darauf ein, dass nicht nur eine Technologie die Zukunft bestimmen wird. Die Welt wird ist komplexer, vielfältiger und bunter.


Welf Wiemer ist Energie Lead und Alexander Hotowy Managing Partner der accilium GmbH, einer auf Digitalisierung und Mobilitätsfragen spezialisierten Unternehmensberatung mit Fokus auf den Automobil-, Energie- und öffentlichen Sektor. Standorte sind Wien, Berlin und München.


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Das Wiener Startup PowerBot automatisiert den physischen Stromhandel an Strombörsen. Damit leistet es einen Beitrag zur Energiewende. CEO Helmut Spindler hat uns vergangenen April mehr über die Technologie erzählt.

Das SaaS-Unternehmen wurde im Jahr 2020 von Felix Diwok, Manuel Giselbrecht und Helmut Spindler gegründet. Mit dem Ziel, Handelsabläufe an den europäischen Strombörsen zu automatisieren und zu verbessern. Und damit die Energiewende voranzutreiben. CEO Spindler war jahrelang als Berater für Energiemarktfragen tätig. Als Spin-off der Energiemarktberatung Inercomp GmbH entstand dann 2020 PowerBot.

Exit an norwegischen Tech-Konzern

Am gestrigen Mittwoch verkündete das Wiener Startup, vom “europäischen Marktführer für Energiesoftware, Volue, offiziell übernommen” worden zu sein. Eine konkrete Summe wird nicht genannt. Gemeinsam habe man sich das Ziel gesetzt, den Markt “im algorithmischen kurzfristigen Stromhandel” anzuführen.

Das Käufer-Unternehmen Volue positioniert sich als Technologielieferant grüner Energie. Das norwegische Unternehmen arbeitet an Lösungen zur Optimierung von Produktion, Handel, Verteilung und Verbrauch von Energie.

Co-Founder Diwok hielt bislang 37,5 Prozent, Spindler und Giselbrecht je 18,74 Prozent. Auch das Partnerunternehmen der Armstrong Consulting GmbH unter Geschäftsführer Roger Armstrong hielt bislang 25,01 Prozent der Firmenanteile.

Schrittweise Integration

Mit dem Kauf des Wiener Energy-Startups soll das bestehende Portfolio von Volue erweitert werden. Die Integration soll Schrittweise erfolgen, ab Jänner 2025 sei die PowerBot-Lösung vollständig in das Volue-Portfolio integriert.

Volue-CEO Trond Straume wird in einem LinkedIn-Post von PowerBot zitiert: „Diese Übernahme ist ein entscheidender Schritt auf unserem Weg, bis 2030 der führende SaaS-Anbieter für das globale Energiesystem zu werden. Die hochmoderne Plattform von PowerBot ergänzt den Volue Algo Trader perfekt, indem sie Quants befähigt und unsere Expansion über Westeuropa hinaus beschleunigt.“

Das Wiener Energy-Startup soll fortan die bestehende Lösung des Käufers – namentlich “Volue Algo Trader Power” ergänzen. Dabei handelt es sich um eine SaaS-Lösungen für den kurzfristigen Stromhandel, kurz für “Intraday”-Stromhandel.

“Keinen besseren Partner”

Wie PowerBot weiter vermeldet, soll die Integration die Entwicklung von traderfreundlichen Benutzeroberflächen und Lösungen für Unternehmen begünstigen. PowerBot wird dabei eng mit dem Team rund um die SaaS-Lösung Volue Algo Trader Power zusammenarbeiten.

Für das PowerBot-Team sei der Exit “nur der nächste wichtige Schritt auf dem Weg des Wachstums”, heißt es. Auch weiterhin soll das bestehende PowerBot-Team, darunter Helmut Spindler, Maximilian Kiessler und Jakob Ahrer, “die Entwicklung des Produkts weiter vorantreiben und für Kontinuität und Innovation sorgen”. Das Startup will indes bereits baldige neue Produkte auf dem Markt verkünden.

Helmut Spindler, CEO von PowerBot, kommentiert: „Wir haben in den letzten Jahren ein unglaubliches Wachstum erlebt, und um weiter zu skalieren und zu internationalisieren, brauchten wir einen starken Partner. Volue ist aufgrund seiner umfassenden Branchenkenntnisse und seiner gemeinsamen Vision die perfekte Wahl. Ich könnte mir keinen besseren Partner vorstellen“.

Stärken kombinieren

Mittlerweile soll das Wiener Energy-Startup über 85 Kunden in 26 Ländern vorweisen. Handeln soll es derzeit an neun Börsen. Das Team sei 25-köpfig und in Wien sitzend. Auch die Zertifizierungen ISO 27001 und SOC2 Typ 2 – beides Zertifizierungen für Cybersicherheit und Datenschutz – weise man vor.

Roland Peetz, SVP von Volue Energy Software, fügt hinzu: „Indem wir unsere Stärken kombinieren, schaffen wir ein unübertroffenes Angebot, das den Anforderungen des sich schnell verändernden Stromhandelsmarktes gerecht wird.“

Aus dem Archiv: PowerBot-CEO Helmut Spindler im Studio

Der PowerBot-CEO und Mitgründer Helmut Spindler war zu Gast im brutkasten Studio.

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