12.04.2018

2,3 Mio Euro EU-Förderung für Wiener Startup Viewpointsystem

Das Wiener Startup Viewpointsystem erhält für sein System "Digital Iris" mehr als 2,3 Millionen Euro Fördergelder vom "HORIZON 2020"-Programm der EU.
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Viewpointsystem
(c) Viewpointsystem: Nils Berger (CEO) und Frank Linsenmaier (CTO)

Es ist die bislang höchste Fördersumme, die an ein österreichisches Unternehmen im Rahmen des EU-Programms  “HORIZON 2020” in der Kategorie “Open Disruptive Innovation” vergeben wurde. Mehr als 2,3 Millionen Euro sicherte sich das Wiener Startup Viewpointsystem für seine “Digital Iris”. Dabei handelt es sich um eine Datenbrille, die die Bewegung der Augen erkennt, und mit Augmented Reality-Elementen eine intuitive Mensch-Maschine-Interaktion ermöglichen soll. Der Bereich “Open Disruptive Innovation” für innovative Hard- und Softwarelösungen ist durch sein marktumwälzendes Potenzial mit sehr hohen Fördergeldern ausgestattet. Viewpointsystem hätte die internationalen Evaluatoren u.a. mit dem besonders hohen Marktpotential überzeugen können, heißt es in einer Aussendung. Die Förderung bedeute auch Wachstum für den Standort Wien: Im Schnitt ermögliche das Förderprogramm ein Umsatzplus von 250 Prozent sowie einen Beschäftigungsanstieg von 122 Prozent.

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Eye-Tracking trifft AR

“Mit der Förderung können wir die Interaktion zwischen Mensch und Maschine Anwendungsbereichen wie Industrie, Mobilität, Sicherheit und Medizin zur Verfügung stellen”, wird Founder und CEO Nils Berger in der Aussendung zitiert. 2017 hatte Viewpointsystem die Eye-Tracking-Brille VPS 16 präsentiert und erhielt den CES 2017 Innovation Award. Mit “Digital Iris” gehen die Wiener einen Schritt weiter: Sie verbinden Eye-Tracking mit Augmented Reality (AR). Das System liest menschliches Verhalten, etwa Bedürfnisse und Empfindungen wie Stress, Ermüdung oder räumliche Orientierung, in Echtzeit an den Augen ab und stellt mittels AR die richtige Information zur richtigen Zeit vor dem Auge bereit. Der Nutzer wiederum kann per Auge mit den AR-Elementen interagieren.

Viewpointsystem
(c) Viewpointsystem: So sieht die Datenbrille aus

Viewpointsystem: Ferrero und Deutsche Bahn als Kunden

Viewpointsystem hat aktuell rund 40 Mitarbeiter in den Bereichen Technology, Engineering und Business Development. Bislang hat
das Unternehmen mehr als 500 nationale und internationale Projekte in verschiedensten Branchen umgesetzt, darunter Lebensmittel und Getränke (Felix Austria, Ferrero, Jordans Dorset Ryvita), Transport (Deutsche Bahn, Wiener Linien, ÖBB Infra, VIA Vienna International Airport) und Bauindustrie (Takenaka Corporation, Japan). Erst seit 2016 beschäftigt man sich intensiv mit Eye-Tracking.

Förderschiene “KMU-Instrument”

Die Förderung ist Teil der Förderschiene “KMU-Instrument” von HORIZON 2020. Damit wurden bereits rund 3.500 Beteiligungen mit mehr als 1,4 Milliarden Euro gefördert. In Österreich waren bisher 73 Unternehmen erfolgreich, rund 30 Millionen Euro konnten so nach Österreich geholt werden. Lediglich fünf weitere Projekte aus Österreich erhielten bislang eine Fördersumme über 2 Millionen Euro. “Zur erfolgreichen Antragstellung leistet die Österreichische Forschungs-förderungsgesellschaft (FFG) als Nationale Kontaktstelle einen wichtigen Beitrag”, schreibt Viewpointsystem.

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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